Die Ordnung der Technik
des „genetischen Determinismus“ wird Technik und Technologie als „so-
cial product“ entzifferbar und kritisierbar. Daß Technik als Ergebnis sozia-
ler Handlungen thematisierbar wird, bedeutet jedoch nicht automatisch,
daß sie damit auch als soziales (Handlungs-)Objekt in den Fokus der So-
ziologie rückt. Nach den gängigen, handlungstheoretischen Lehrbuchdefi-
nitionen ist dies explizit ausgeschlossen: Soziales Handeln ist Handeln in
einer ego-alter-Beziehung, da nur Personen der Status sozialer (Hand-
lungs-)Objekte zugestanden wird. Nicht-humane Handlungsobjekte gel-
ten demgegenüber als „nicht-soziale Objekte“, und Handeln, das sich auf
sie bezieht, richtet sich „definitorisch nicht auf soziale Sachverhalte.“! Im
Licht dieser immer noch gängigen Bestimmung bleibt Technik damit ein
„non-social-object“, das definitorisch aus dem direkten Untersuchungsbe-
reich der Soziologie ausgeklammert bleibt: Der Analyse zugänglich ist
Technik und Technologie nur indirekt, als Ergebnis sozialen Handelns in
Technikgeneseprozessen und als Randbedingung sozialen Handelns zwi-
schen Personen.
Es ist diese sehr grundsätzliche Exkommunikation der Technik aus der
Soziologie auf der Ebene kognitiver Programme und methodischer Verfah-
ren, die Autoren wie etwa Linde, Joerges, Rammert u.a. seit den 70er Jah-
ren einer intensiven Kritik unterzogen. Insbesondere Hans Linde wies dar-
auf hin, daß der in der disziplinären Geburtsstunde der Soziologie etablier-
te „style of reasoning“ modifiziert werden müsse, der das Fach — nach Max
Webers Definition — primär auf die Analyse interpersonalen Handelns ver-
pflichtete, ein Untersuchungsbereich, der für die Soziologie „als Wissen-
schaft sozusagen konstitutiv“? sei. Mit dieser Fachdefinition legte Weber —
im Urteil von Linde - den Grundstein für eine folgenreiche und langdau-
ernde Diskriminierung der sozialen Sachverhältnisse in der Soziologie. Soll
Technik selbst zum Thema soziologischer Analyse werden, müssen daher
sehr grundlegende definitorische Festlegungen der disziplinären Identität
des Faches revidiert werden.
Hieraus erklären sich die großen Schwierigkeiten und Widerstände bei
der Etablierung der Techniksoziologie in Deutschland und die akribischen
Auseinandersetzungn mit den „Klassikern“ der Soziologie. Letztere sind
durchaus ernster zu nehmen, als es allein die Suche nach „Anschlußmög-
lichkeiten“ — eine von jedem Forscher neu zu erbringende Legitimationsar-
beit — bereits erfordert. Der Blick auf diesen Zweig der techniksoziologi-
schen Theoriearbeit lohnt schon allein deshalb, weil sich im Zusammen-
hang dieser für die Fachidentitát durchaus risikoreichen Revisionen ,theo-
rietechnische* Entscheidungen eher verdeutlichen lassen, die die soziologi-
schen Konzeptualisierungen des Phánomenbereiches Technik bestimmen.
Vgl. etwa Reimann, Horst, Bernhard Giesen, Dieter Goetze, Michael Schmid: Basale
Soziologie: Theoretische Modelle. 4., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Opladen
1991, Westdeutscher Verlag, S. 149
Weber. Wirtschaft. S. 12.