288 II. Zur Volkskunde der Gegenwart
um auf der anderen Seite abermals eine kleine Strecke
neben derselben parallel zu laufen.
So absonderliche Flüsse verdienen also schon
wegen der Originalität ihrer Linien eine Statue zu
Füßen des Kaisers Augustus. Aber sie machten sich
auch noch durch andere weit dankbarere Originalität
bemerkbar. Im Mittelalter war Augsburg berühmt
wegen seines Reichtums an Fischen, namentlich an
Forellen dieser quellenklaren Bäche. Bis 1643 be
zogen viele städtische Beamte einen Teil ihres Ge
haltes in Forellen. Bei solcher Fülle frischer ein
heimischer Fische war man — nebenbei bemerkt —
etwas mißtrauisch gegen die Seefische. Allzu alte
Heringe galten hier bis ins fünfzehnte Jahrhundert
für pesterregend, und wo solche betroffen wurden,
ließ man sie durch Henkershand verbrennen.
Gewiß ist keine in der Ebene gelegene deutsche
Stadt so reich wie Augsburg an trefflichen Brunnen
und Quellen, und dieser Reichtum hängt mit dem
wunderlichen Waffersystem von Singold und Brunnen
bach eng zusammen. In den letztvergangenen Jahr
hunderten war es der besondere Stolz des Augs
burger Bürgers, daß seine Stadt vor allen Städten
des Reiches die größte Fülle von Brunnen besitze,
und daß in fast jedes reichere Haus fortwährend
reines Wasser zuströme. Noch jetzt gehören die vielen
prunkhaften, oft mit schönen kleinen Metallfiguren
geschmückten Brunnen im Innern der Höfe zu den
anziehendsten häuslichen Altertümern der Stadt, wie
an den großen drei Brunnen der Maximiliansstraße