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STUDIEN ÜBER GERMANISCHEN
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DRUCK UND VERLAG VON FR. WILH. RUHFUS
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Die Zuspitzung des Gegensatzes scheint mir aber
zum Teil dadurch entstanden zu sein, daß man an-
gefangen hat, dasjenige gering zu schätzen, was doch
immer die Grundlage bleiben muß, gründliches Ver-
ständnis und kritische Behandlung der Texte.
Hermann Paul
Was berechtigt uns da, einen solchen Glauben
in das Schema des Fetischismus, Animismus oder Tote-
mismus einzuzwängen?. . . Zum mindesten müssen
wir doch jede einzelne Religion erst einmal unbefangen
durchforschen und dürfen erst dann uns fragen, ob
die empirisch erkannten Tatsachen zu jenen Theorien
stimmen.
Adolf Erman.
Der Weg zum Verständnis des Menschenwesens
geht durch ein Studium der einzelnen Kultur in ihrer
Sonderart. Die ethnologische Methode hat nachgerade
lange genug alle Probleme verflacht, indem sie einen
rohen Durchschnitt aus verschiedenen kulturfernen
Menschen aufstellte als höchste Lösung psychologischer
Probleme. A
Vilhelm Gronbech.
Vorwort.
Diese Schrift möchte nicht nur von Kennern des Altnordischen
gelesen sein. Darum ist den Quellenzitaten jedesmal die Über-
setzung beigefügt, und alle Polemik, sowie für den Gedankengang
entbehrliche Einzelheiten sind in den Anhang verwiesen. Dies
gilt besonders von dem kritischen Unterbau des XI. Kapitels; mir
lag daran, das, was ich hier Positives zu sagen habe, so schlicht
wie möglich hinzustellen. Ein Überblick über einige Exkurse
findet sich S. 93.
Dem Herrn Verleger, Dr. W. Ruhfus, schulde ich Dank für
sachkundige Hilfe bei der Korrektur und für die schnelle Druck-
legung.
Heidelberg, im Oktober 1913
G. Neckel.
Abkürzungen.
A = Dennorsk-islandske Skjaldedigtning, udgiven af Kom-
missionen for det Arnamagnxanske Legat ved Finnur Jönsson.
A Text efter handskrifterne, I. Bind, Kobenhavn og Kristiania, 1912,
B = Dasselbe Werk. B Rettet text, I. Bind, 1912.
Ark. = Arkiv för nordisk Filologi.
DAk. = Deutsche Altertumskunde (von Karl Müllenhoff,
5. Band, Berlin 1891).
DWb. = Deutsches Wörterbuch.
EM. = Eddica minora, Dichtungen eddischer Art, zusammengsetellt und ein-
geleitet von Andreas Heusleru, Wilhelm Ran isch, Dortmund 1903.
Egilss. = Egils saga Skallagrimssonar, tilligemed Egils större
kvad, udgiven ved Finnur Jönsson, Kebenhavrn 1886—88.
Eyrb, = Eyrbyggja saga (herausgegeben von Hugo Gering, Halle 1887).
Flat. = Flateyjarbök, Christiania 1860—68.
Grott. = Grottasongr (bei Bug ge Norren Fornkve$i, Christiania 1867).
Grimn. = Grimnismäl (ebenda).
Guör. = Guörünarkvida (I, II, II, ebenda).
Hamö. = Hamöismäl (ebenda).
Hkr. = Heimskr in g la, Yoress konunga sogur, af Snorri Sturluson, udgivne
ved Finnur Jönssön, Kebenhavrn 1893—1900.
Konungssk. = Speculumregale. Konungsskuggsjä (Christiania 1848).
KS. = Konunga sögur, Sagaer om Sverre og hans Efterfolgere. udei
ved C. R. Unger, Christiania 1873. TE RS
Lex. poet. = Lexicon poeticum antiquae linguae septentrionalis, con-
scripsit Sveinbjörn Egilsson, edidit Societas Regia Antiqua-
riorum Septentrionalium, Hafnige 1860.
Niäila = Brennu-Njälssaga, herausgegeben von FinnurJönsson
Halle 1908. )
Niäla 1 (2) = Njäla, udgivet af Det Kongelige Nordiske Oldskri ft-
Selskab, Köbenhavn 1875—1889. Ser
RA. = Deutsche Rechtsalterthümer von Jacob Grimm, 4. ver-
mehrte Ausgabe, Leipzig 1899.
So. = Snorri Sturluson, Edda, udgiven af Finnur Jönsson,
Kobenhavn 1900.
SnE. = Edda Snorra Sturlusonar, Hafnie, Sumptibus L egati
Arnamagnzani 1848—87. ,
= Sturlunga Saga, udgiven af Det Kongelige Nordiske Old-
skriftselskab [Kristian Kaalund], Kebenhayn og Kristiania
1906—11.
Vafp. = Vafbrüönismäl (bei Bugge, Norren Fornkva$i, Christi-
ania 1867).
Vesterl. Indfl. = Vesterlandenes Indflydelse paa Nord-
boernes..ydre kultur. . . af. Alexander Bugge,
Christiania 1905.
Yngl. s. = Snorri Sturluson, Ynglingasaga, ved Finnur
Jönsson, Kebenhavn 1912,
ZfdA. = Zeitschrift für deutsches Altertum.
ZfaPh. = Zeitschrift für deutsche Philologie.
Sturl.
l.
Eine Untersuchung der Walhallvorstellungen geht passend vom
Namen aus: Valholl, g. Valhallar. Wir betreten damit
nicht die Wege einer überwundenen etymologischen Mythologie,
die auf Grund lautlicher Ähnlichkeiten bei entfernten Kulturen
Belehrung suchte. Aber wir eignen uns allerdings einen ihrer Grund-
gedanken an: der Name ist in gewissem Sinne die Sache. Dieser
Gedanke kann da fruchtbar werden, wo eine mythische Benennung
durchsichtig aus heimischem Wortmaterial gebildet ist, das wir in
seiner Lebendigkeit überschauen. Das trifft bei Valholl zu. Dieses
Kompositum muß einem normalen Sprachgefühl ohne weiteres
‘verständlich’ gewesen sein. Aber, wie zu erwarten, fällt der Sinn,
in dem wir es gebraucht finden, keineswegs zusammen mit der Be-
deutungssumme der Bestandteile. Das Kompositum hat sich gegen
seine Elemente isoliert. Darin liegt, wie so oft, ein Stück Bedeutungs-
geschichte, hier ein Stück Religionsgeschichte.
Von den verschiedenen Arten sprachlicher Isolierung, die
H. Paul ans Licht gestellt hat, kommen für unsern Fall zunächst
zwei als abstrakte Möglichkeiten in Betracht. Entweder hat das
Ganze eine Entwicklung durchgemacht, welche die Teile (oder ein
Teil) in ihrer selbständigen Verwendung nicht mitmachten, oder
umgekehrt die Teile (oder ein Teil) eine Entwicklung, die das Ganze
nicht mitmachte. Die folgende Untersuchung will zeigen, daß es
sich bei dem Begriffe Valholl nur um die erste der beiden Möglich-
keiten handeln kann. Sie hebt zu diesem Zweck diejenigen Elemente
der Walhallvorstellungen heraus, die sich mit den geschichtlichen
Sinnesgehalten von valr und holl decken. Es wird sich herausstellen,
daß diese Elemente nicht unbedeutend sind. Sieht man in ihnen
die Grundlage, So wird sowohl diese selbst wie das Hinzukommen
der übrigen Elemente begreiflich, und es ergibt sich eine historische
Erklärung des ganzen Komplexes.
Neckel, Walhall.
Bevor wir an den Stoff selbst herantreten, werfen wir einen
Blick auf die bisher ausgesprochenen Deutungen des Wortes Walhall.
Die älteren Germanisten überschätzten die Entfernung von
Odins himmlischer Halle zur Erde. Für Finn Magnussen,
der valfadir mit ‘sphaericus sive caelestis pater’ übersetzte, war
valholl ‘sphaerica vel caelestis aula’ (Lex. myth. 505 f. 522). Er
fand also in val- das gemeingermanische Wort für ‘rund’, anscheinend
substantiviert in der Bedeutung ‘“Himmelswölbung’. In besserem
Einklang mit den Tatsachen stand Jacob Grimms ‘aula
optionis’. Grimm hätte sich für seine Ansicht, daß Walhall die
“Wahl-halle’ sei, nicht bloß auf das unten zu besprechende ‘“Wal-
kiesen’ und des Skalden Eyvind ‘Kiesen der Könige’ berufen können,
Es gibt auch ein altnordisches Neutrum val (= unserm Wahl) ‘aus-
erlesene Mannschaft’, das bei Skalden! und in den eddischen Hynd-
Juli66 belegt ist und als eine nicht unpassende Bezeichnung von
Odins Gefolge erscheinen könnte*. Doch nach weiteren Stützen
würde man sich vergebens umsehen, und die ‘“Wahlhalle’ ist mit
vollem Recht aufgegeben. Längst scheint man darüber einig zu sein,
daß Valholl die Halle des valr ist. Den Übergang bildet die Auf-
fassung von Sveinbjörn Egilsson. Er vertauschte Grimms
val (‘optio’) mit valr, hielt aber beide Wörter noch für nah verwandt
und übersetzte demnach “‘aula electorum’. Er war der Ansicht,
valr bedeute ‘homines electi, 1.:e. digni qui in proelio cadant, vel
neci destinati’. Diesen Sinn fand er in der Formel Atösa val ‘caedendos
eligere’., Hier braucht jedoch valr nichts anderes zu bedeuten als
sonst immer, nämlich ‘homines in proelio prostrati, corpora caesorum’.
Egilsson muß den gewöhnlichen Sinn des Wortes für abgeleitet ge-
halten haben: Die Vorstellung der göttlichen Wahl war verblaßt,
vergessen worden über den sinnlichen Bildern, die eigentlich nur der
irdische Ausdruck jener Wahl waren; in Val-holl aber lebte die ur-
sprüngliche Bedeutung in ihrer Reinheit fort.
Die Schwäche dieser frommen Exegese hat man schnell erkannt,
sobald die romantischen Träume vom germanischen Altertum ver-
flogen. Man sah ein, daß valr mit ‘Wählen’ nichts zu tun habe und
dieser angenommene Zusammenhang nur Schwierigkeiten schaffe,
So waren denn die ‘“homines electi’ aufgegeben; man hatte nur noch
corpora caesorum Vor sich. Es hätte nahe gelegen, es mit diesen zu
versuchen. Aber wichtiger als der tatsächliche Gebrauch des Wortes
„ 8
schien noch immer seine Etymologie: die zu vermutende Verwandt.
schaft mit altengl. wol ‘Pest, Seuche’, ahd. mhd. wuol ‘Niederlage,
Verderben’ und mit wühlen (Mhd. Wörterb. 3, 466; Kluge, Etym.
Wörterb. unter Wahlstatt; Falk-Torp, Wortschatz der germanischen
Spracheinheit 402). Mit einer daraus erschlossenen Grundbedentung
der Wurzel (‘zerstören’) fand man die germanischen val-Komposita
im Einklang. Sie waren alle ‘mit den Vorstellungen von Tod, Schlacht,
Leiche verbunden’. Und so faßte man Valholl als “Todeshalle’ oder
vielmehr als ‘Halle, in welcher die Toten weilen’ (Schullerus,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache 12, 224. Golther
Valkyrjenmythus 414).
Die Unhaltbarkeit auch dieser Erklärung zeigt sich schon darin,
daß die beiden Formeln nicht gleichbedeutend sind. Die Lösung
der Aufgabe lautete eigentlich ‘“Todeshalle’. Dies verdeutlichte man
dann durch “Totenhalle’, Darin lag das Zugeständnis, daß das Er-
gebnis der Untersuchung in reiner Gestalt. unbrauchbar war. In
der Tat: was ist eine Todeshalle ? Statt mit einem Wortspiel zu
antworten, hätte man die Prämissen nachprüfen und sich eingestehen
sollen, daß ‘Tod und was damit zusammenhängt’ als vermeintliche
Bedeutung des Elementes val- in jedem Falle unklar und wertlos ist.
Die vagen Bedeutungen von “Wurzeln? werden wir nur im Notfall
zum Ausgangspunkt semasiologischer Überlegungen wählen, und
nicht viel mehr leisten die üblichen Glossierungen der Komposita
der stabreimenden Dichtersprache. ‘“Todesfessel’ für altengl. welbend
ist kaum besser begründet und nicht klarer als “Todeshalle’ für
altnordisch Valholl. Solche Glossen sind keine Erklärungen, eher
Nachahmungen; sie können nur Verwirrung stiften — wie denn die
Verwirrung in den Wörterbüchern groß genug ist. Hier steht alles
auf schwankendem Grunde.
Der Schade ist nicht auf die Wörterbücher beschränkt geblieben.
Weil Valholl angeblich die ‘Halle der Toten’ war, so folgerte man,
das Wort habe ursprünglich ein allgemeines Totenreich
bezeichnet und erst später, in der Wikingzeit, sei daraus das “Krieger-
paradies’ der altnordischen Dichter geworden. Diese Anschauung
kann heute als die herrschende gelten®*. Bisweilen wird sie dahin
modifiziert, daß man Valholl als “Toten berg’ deutet — damit auch
das zweite Glied der Zusammensetzung verleugnend*. Keine dieser
Annahmen bedarf ausdrücklicher Widerlegung. Sie gehören zu
jenen Behauptungen, die in der germanischen Mythologie von Hand
zu Hand gehn, ohne jemals wirklich begründet und offenbar auch
ohne jemals nachgeprüft zu sein. Es liegt im Wesen solcher Sätze,
daß sie nichts erklären, vielmehr durch schlagwortartige Ver.
schwommenheit und unvermitteltes Nebeneinander den Leser
beunruhigen — um so stärker, je ferner er den Quellen steht.
Aus unserer Untersuchung wird hervorgehen, daß die Toten-
halle und der Totenberg in den Quellen keinerlei Anhalt haben und
ein Verständnis des Gegebenen auch ohne sie möglich ist.
IL.
Wer in Valholl ein valr findet, aber darauf verzichtet, auch die
Bedeutungsseite dieses Wortes zu dem mythischen Namen in Be-
ziehung zu setzen, kann sich darauf berufen, daß hier ein Hindernis
zu bestehen scheine. Valholl ist in der Tat nicht die Halle des valr.
Ihre Bewohner heißen niemals valr, vielmehr ist ihr eigentlicher
Name einheriar (vgl. Sn 25: . . . allir Beir er i val falla; beim skipar
hann Valholl ok Vingölf, ok heita Beir BA Einheriar). Die mit valr
regelmäßig verbundene Vorstellung weist nicht nach Valholl, sondern
auf ein irdisches Schlachtfeld. Das Wort bezeichnet ‘die hingestreckten
Kämpfer nach dem Kampfe’ oder auch ‘das Schlachtfeld nach der
Schlacht (mit Toten, Verwundeten und Kriegsgerät)’.
Obgleich dies schon hin und wieder richtig angegeben wurde,
scheint es nicht überflüssig, es an einigen ausgewählten Belegen zu
veranschaulichen.
Hildr gekk til valsins ok vakti upp alla Bä er daudir väru °H. ging
auf die Walstatt und weckte alle Toten auf, Sn; Angantyr gekk
B6 at kanna valinn ‘da ging A. die Gefallenen beschauen’, Hervarar s.;
Kälfr l6t Finn 4 brott bera ör valnum ‘K. ließ F. von der Walstatt weg-
tragen’, Hkr. 2, 497. Hier, und sonst oft, schweben die Opfer des
Kampfes in der Lage vor, wie sie der Kampf hinterlassen hat, somit
das Schlachtfeld als Ganzes. Ist die Vorstellung die, daß unmittelbar
an oder mit den Opfern etwas vorgenommen wird, so tritt das Bild
des Schlachtfeldes mehr zurück, oder es wird verdrängt durch das
eines Leichenhaufens: l&u Beir büa um val hann er har hafdı fallit
‘sie trafen Fürsorge für die Toten, die da gefallen waren”, Egilss. 66,17;
var Bd rofinn valrinn, fluttu menn brott lık frenda sinna ok vina
ok veittu hidlp särum monnum ‘da wurde der valr gesprengt, die
Leute schafften die Leichen ihrer Verwandten und Freunde weg
und kamen den Verwundeten zu Hilfe’, Hkr. 2, 508; Dar l& Häkon
konungr leggia Egil ullserk i skip ok med honum alla B& menn, er af
Beira lidi hofdu fallit, l& bera har at zord ok griöt; Häkon konungr
let ok fleiri skip upp setia ok bera & valinn, ok ser Bd hauga enn ‘König
H. ließ (den gefallenen) E. in ein Schiff legen und mit ihm alle, die
in jener Schar gefallen waren, und ließ Erde und Steine herum-
schütten; der König ließ noch mehr Schiffe aufs Land ziehen und
die Toten hinauftragen ; diese Hügel sieht man noch heute’, Hkr. 1,207.
Man sagte valr liggr ‘der valr liegt” (konnudu Beir valinn, Bann er
d skipinu läd ‘sie beschauten die Gefallenen, die auf dem Schiffe
lagen’, Esilss. 85 £.), aber auch f/ella val, feldr valr ‘den walr fällen’,
‘gefällter valr’. Diese Ausdrücke sind nicht gleichartig mit re
felir, fella tre, ‘ein Baum fällt’, ‘einen Baum fällen’, denn die Kämpfer
werden erst dadurch, daß sie fallen, zum valr. Das Verhältnis ist
dasselbe wie in hoggva raufar “Löcher hauen’, Alada vordu ‘einen
Steinhaufen aufschichten”, verpa haug ‘einen Hügel aufwerfen”,
stefna hing ‘ein Thing berufen’ (vgl. Nygaard Norrön syntax $ 93).
Ehe die hlada und der haugr dastehen, ist nur griöt und mold (Steine
und Erde) vorhanden. Ehe der valr liegt, ist nur von orrosta und
menn (Schlacht und Männern) die Rede.
Der gleiche Sprachgebrauch herrscht in der Poesie. Man
vergleiche: stondum d& val Gotna ‘wir stehn auf den Leichen der Goten’,
Hamö.; Ödins haukar, er val vitu ‘Odins Habichte, die von einer Wal-
statt wissen’ (leichengierige Raben), Helg. Hund. II; Vidrir s6 kvar
valr of lä ‘Odin sah das Schlachtfeld voll Leichen daliegen”, Egill Ho-
fuölausn; val nYfeldum, “frisch gefälltem valr’, soll man nach der
großen Priamel des eddischen Spruchgedichtes ebenso wenig trauen
wie akrı ärsänum, ‘früh gesätem Felde’, denn aus dem Leichenhaufen
kann unversehens eine Hand das Schwert zücken. Auch die Dichter
sagen valr liggr (Haraldskv. 12), val fella (vega ok val fella, ‘drein-
schlagen und den wvalr fällen”, formelhaft), ferner falla £ val ‘auf dem
Schlachtfelde fallen’. Ki6sa-val (nachgeahmt: ‘Wal kiesen’) ist
sprachlich zu beurteilen wie nhd. ‘sich eine Frau wählen’ und kann
wiedergegeben werden mit ‘den valr bestimmen’. Snorri verdeutlicht
es demgemäß durch kiösa feigd 4 menn, ‘über Männer die Todesreife
verhängen’, und geradezu durch fella (Sn 37. 41). Laut Walkyrjenlied
— 6
6,7 haben die valkyriur vals of kosti, d. h. nach dem Zusammenhang:
die Entscheidung darüber, wer fallen soll*.
Hiernach dürfte klar sein, welche Vorstellungen das altnordische
Wort valr erregt hat.. Wir begehn eine Fälschung, wenn wir ihm
so farblos-akstrakte Bedeutungen zutrauen wie ‘Tod’, “Kampf” oder
lateinisch ‘strages’ (letzteres kommt nur in metonymischem Gebrauch
dem Sinn von valr nahe). Valr ist kein Abstraktum, sondern ein
Konkretum. Sein Vorstellungsinhalt ist nicht von allgemein-mensch-
licher Gültigkeit, sondern gebunden an eine bestimmte Kultur,
die heute niemand aus eigener Erfahrung kennt, die aber in den
altisländischen Quellen, zumal der Prosa, sehr deutlich vor uns liegt.
Aus diesen Quellen heraus den ganz bestimmten, konkreten Gehalt
des Wortes zu erfassen, ist die Aufgabe.
Auf südgermanischem Gebiet liegen die Verhältnisse an-
nähernd ebenso klar im Altenglischen, wo wel nicht bloß bei
Dichtern, sondern auch in der Prosa häufig vorkommt. Der Gebrauch
ist größtenteils derselbe wie im Norden. In der Sachsenchronik heißt
es mehrfach ber wearhb micel wel geslegen (a. 833. 851. 867. 871),
‘dort ward ein großes wel geschlagen’. Dies berechtigt nicht zu dem
Bedeutungsansatz ‘slaughter, carnage, destruction’ (Earle-Plummer),
sondern. ist zu beurteilen wie altnord. fella val und hoggvinn wvalr
(Ragnarss. ed. Olsen Str. 30,6. Skjaldedigtning B 334), ‘der gehauene
valr'. Dazu gehört das Abstraktum welslyht (Finnsburg 30 u. ö.).
Dem altnord. kanna val vergleicht sich wel riman ‘die Gefallenen
zählen’, das Bosworth-Toller aus dem Orosius beibringen. Beowulf
1212 f. wird wel röafedon ‘sie plünderten das wel (vgl. 3027) variiert
durch hröawte heoldon ‘sie behaupteten das leichenbedeckte Feld’,
Freswel (Hnef Scyldinga in Fröswele feallan scolde, Beow. 1070)
ahmt man mit ‘Friesenwalstatt’ nicht glücklich nach. Wie Fresland
(1126) nach rhythmischen Bedürfnissen mit Fresna land (2915)
wechselt, Frescyning (2503) für Fresna cyning steht, in der Edda
Hünkonungar (Gudrünarhv.) für Hüna konungar, so vertritt Freswel
ein Frösna wel und steht also auf einer Linie mit val Gotna Hamöism.
30: Hnzef fiel inmitten fallender Friesen, er verkaufte sein Leben
teuer. Altengl. in wele spricht dafür, daß auch in der altnord. Formel
{ wal falla val Dativ ist: ‘zusammen mit Vielen (dem valr) fallen’.
Daß man altengl. wie altnord. sagen konnt: ‘das wel fällt’ (und auch
7
‘man fällt das wel’), bezeugen die Komposita welfeall = altnord.
valfall und welfyll. Ecqwel (Genesis 2089, ‘strages gladio caesorum’
Grein) ist ‘das mit dem Schwert geschnittene wel’, wie altnord.
eggmödr (durch die Schwertschneiden ermüdeter oder in die Schläfer-
stellung gebrachter’) valr. Eine andere Vorstellung bezeichnen
on wel feallan (Genesis 2038), on wel /yllan (Beda), on wele licgan
(Byrhtnod 279. 300, bei Bosw.-T. noch mittelengl. belegt), on
wele cringan, welch letzteres sich mit altnord. d val deyta (Hauksbök
460,8)? ‘auf Leichen sterben’ nahe vergleicht. Wendungen wie diese
konnten dazu führen, daß man gelegentlich wel als reine Ortsbe-
zeichnung auffaßte, wie in den Chronikversen auf die Schlacht bei
Brunanburi: ne wearb wel märe ... folces afylled (V. 65 ff.) “nie
ward eine größere Walstatt mit Volk gefüllt”.
Ebenfalls vereinzelt scheint der abstrakte Gebrauch im Sinne
von ‘Gemetzel’, “Vernichtung” zu sein: mid gröümme wel ond herige,
micel wel ond moncwyld (Beda). Er läßt sich ableiten aus slean wel
ein w. schlagen’ und dergleichen. Wel stand in dieser Verbindung
insofern einem Abstraktum gleich, als es nie anders gedacht werden
konnte, denn als Ergebnis eines slean.
Wenn die Wörterbücher nach Greins Vorgang auch die Bedeutung
‘einzelne Kriegerleiche‘ ansetzen, so ist das unberechtigt. Sie berufen sich
auf drei poetische Stellen: Crungon walo wide, Ruine 26; donne walu feollon
Beow. 1042; byred blödig wel Beow. 448. In der Ruine ist nicht von einer
Schlacht die Rede, in der viele Krieger gefallen sind, sondern das Unheil ist
nach und nach hereingebrochen, wieder und wieder ist das Feld
mit Sterbenden bedeckt gewesen (vgl. cwömon wöldagas 26h),
bis schließlich das ganze Heldengeschlecht dahin war (27). Beow. 1042 ist
von Hygeläcs Kriegssattel die Rede, auf dem er in den Kampf zu reiten
pflegte: dann stritt er den Seinen tapfer voran, während die
Scharen dahinsanken. Auch hier wird deutlich mehr als ein wel
‘geschlagen‘. Einzig bei Beow. 448 spricht der Augenschein für die herkömm-
liche Auffassung. Aber die Stelle steht ganz allein und kann schon darum
für den altenglischen Sprachgebrauch nichts beweisen, Ich nehme an, daß
beran (blödig) wel stehende Redensart, bzw. feste Formel war für das Wegtragen
des wel vom Schlachtfelde, das altnord. auch riüfa val heißt. Da hierbei die
einzelne Leiche aufgehoben wurde (vgl. Egill, Son. 4,5), so wäre es erklärlich,
daß der Dichter beran wel sagt für einen ‘Getöteten wegschleppen”, ohne die
Vorstellung eines wirklichen wel zu haben.
Auch an zwei Eddastellen finden Einige valr ‘von einer einzigen Person’
gebraucht, ebenfalls durch Mißverständnis. Zu Grimnismäl 53 (eggmödan val nu
mun Yggr kafa ‘schwertmüden v. wird Odin jetzt bekommen?) bemerkt schon
die arnamagnäanische Ausgabe von 1787 (s. 65) richtig: loquitur tamquam
d& multis, quum tamen unum Geirrödum intelligat. Odin spricht deshalb
tamquam de multis, weil es zu seinem Wesen gehört, daß er den val bekommt,
und weil also der Ausdruck seine Identität enthüllt. Man tut hier, wie so oft
(z. B. auch an den eben besprochenen altenglischen Stellen), dem alten Dichter
unrecht, wenn man seine uneigentliche Ausdrucksweise für eine eigentliche,
prosagemäße nimmt (‘einen verwundeten, dem Tode geweihten Mann’, wie
Gering erklärt, verstößt auch dagegen, daß Odin nicht die tödlich Verwundeten,
sondern die Toten bekommt; mun hafa wird ja auch Vollst. Wörterbuch 689a
als Futurum gefaßt). — Detter-Heinzel (zu Häv. 85,4) finden einen zweiten
Beleg in dem val nüfeldum der Priamel (s. 0.). Dazu nötigt natürlich weder
der angeführte Erfahrungssatz aus der Volsungasaga noch der Auftritt Konunga
sogur ed. Unger 52, 11. Der Gedanke ist wiederum reicher und anschaulicher,
als die Kommentatoren sich träumen lassen: wenn du einen val durchsuchst,
so sieh dich vor!
In Deutschland wirft nur das Mittelhochdeutsche für
unsere Zwecke etwas ab. Die mhd. Dichter gebrauchen wal im Sinne
von ‘Schlachtfeld’ überhaupt, meist zwar, wie es scheint, für das leichen-
bedeckte Feld nach der Schlacht, aber auch für den Kampfplatz
während und vor der Schlacht. Dem ursprünglichen Gebrauch noch
sehr nahe steht die Redensart daz (den) wal behaben (Kaiserchr.
D 218, 18, Wolfram Parzival 207, 11. Willeh. 206, 24 u. ö.), die zwar
schwerlich andere Vorstellungen angeregt hat als daz velt behaben (Parz.
383, 21), von Hause aus aber besagte ‘das Feld, die Gefallenen und
alles Kriegsgerät in der Hand behalten’, ‘den wal plündern können’,
also jene Vorstellung, die Beow, 1212 ff. und — im kleinen — Hilde-
brandslied 55 ff. (rouba birahanen ) vorliegt und die auch wohl bei
altengl. welstöwes geweald habban noch deutlicher vorgeschwebt
hat. Altererbt ist der Ausdruck an daz wal vallen = altengl. on wel
feallan (Rolandslied ed. Bartsch 5157; in daz wal Klage 918, in die
wal Virg. 108, 1 [Lexer]). Wenn der Pfaffe Konrad sagt sine wolten
rümen thaz wal (2 Verwundete), vone theme wale was einer entrunnen,
si vunden ane theme wale sö vile there töten (Bartsch 5043. 5191. 6953),
und an manchen andern mhd. Stellen darf die Frage aufgeworfen
werden, ob nicht das Wort noch im alten Sinne gebraucht ist, von
den Komposita einstweilen zu schweigen. Daz wal durchhouwen, das
in den Nibelungen und in der Kudrun vorkommt, wird zusammen-
hängen mit altnord. hoggva val, ist aber umgedeutet: ‘das Schlacht-
feld kämpfend durchschreiten’ (vgl. gengum i gegnum gräserkiat lid.
/
A
Grott.; von ‘dem Tode bestimmt’ Martin zu Kudr. 1530, 4 liegt nichts
darin). Von hier aus erklärt sich die sekundäre Bedeutung ‘kämpfende
Schar’, die vereinzelt vorkommt (s. Lexer und DWb. 13, 1066). Eine
im Mhd. Wörterbuch mitgeteilte Stelle der Krone (sich ir ieglich
vröuwet als ein lewe üf daz wal) geht sicher zurück auf die alten
poetischen Lieblingsbilder von den Schlachttieren (vgl. J. Grimm,
Andreas und Elene XXV ff.), erlaubt aber kaum den Schluß, daß
dem Dichter wal immer das leichenbedeckte Schlachtfeld
bezeichnet haben müsse. Wolfram hat das Wort schon spielend
mit ‘wählen’ verknüpft (Tit. 105, vgl. auch daz urteilliche wal
Parz. 210, 28).
Der gemeingermanische Sinn von wal liegt auch in einer Reihe
von Zusammensetzungen vor oder doch deutlich zu-
grunde. Nordisch, englisch und deutsch belegt ist altnord. valrof
= altengl. welreaf = ahd. walaraupa ‘was ein Krieger einem im
Kampf erlegten Feinde auf dem Schlachtfelde abnimmt’ (Bugge
Der Runenstein von Rök, 1910, 16 f. 241). Von dem reichen Schatz,
der namentlich nach Ausweis des Altnordischen und Altenglischen
einst vorhanden war, bewahrt noch die mhd. Dichtersprache ein.
paar altertümliche Reste: walbluot (thä trörete er thaz walpluot
Rolandslied 5001, der houwet üz den ringen daz heize walbluot Kudr.
1416, 2) = altnord. valblöd (Guörünarhv., Kräkumäl) ‘Blut, das aus
den Leibern auf der Walstatt fließt’, “‘Blutverlust, der den Verwun-
deten dem Wal zugesellt’ — mit walpluot trören vergleichen sich
altengl. weldreor (Beow. 1631), altnord. valdreyri (Grott.) und alt-
nord. sdr, undir, dolgspor dreyra ‘die Wunden bluten’ —; walvlöz,
eine richtige Kenning, die Rolandslied 4352 noch ganz im ursprüng-
lichen Sinne erscheint (thär in theme walflöze belägen sie töt alle samt )
und altnord. hreflöd ‘Leichenflut’, unda flöd ‘“Wundenflut’, FLöd
fleina ‘Flut der Speere’ nicht fern steht, lauter Umschreibungen
für ‘Blut’; walphat (er sach in dem walphade manegen helt quoten
beflozzen mit dem bluote, Lamprechts Alex. ed. Kinzel 3309);
walstat, ursprünglich ‘Stätte der Kampfleichen’. Dagegen sieht
walgenöz ‘Gefährte auf dem Schlachtfelde’, ‘Kampfkamerad’
nach einer jüngeren Bildung aus (ist sie alt, so muß sie
ursprünglich einen bezeichnet haben, der mit andern zusammen
erschlagen liegt).
10 —
Bei den altenglischen Dichtern sind wel-Komposita
sehr beliebt. Als dem Sinn des einfachen Wortes ganz nahe stehend
fallen die Namen und Beiworte der Schlachttiere auf, die davon
hergenommen sind, daß diese Tiere von dem wel fressen: welwulf,
welhwelp, Adjektiva welfel (vom Raben), welgifre (von Vögeln
Judith 207. 296, einmal von Waffen), beide ‘Jeichengierig’. An
welreaf schließen sich welhlenca “‘Brünne’ ( ?), welsteng, -sceaft “Speer”,
welseax ‘Schwert’, ursprünglich vielleicht alle als Kenningar gedacht
(‘Kette, Stange, wie man sie im wel findet’), dann schmückende
Verstärkungen des einfachen Wortes (welsceaft = sceaft) oder
welseax z. B. aufgefaßt als ‘seax, das wel schafft’. Neben welstöw
steht welwong ‘Schlachtfeld’. Welfeall und -slyht wurden schon
genannt. Weldead (Beow. 695) bezeichnete wohl von Hause aus
das on wele cringan, dann den gewaltsamen Tod überhaupt. Welfgr
kann ursprünglich die Verbrennung des wel auf dem Schlachtfelde
gemeint haben, so noch Beow. 1119, während Beow. 2582 das Wort
ein Gleichnis zu enthalten scheint. Welbedd, -rest bezeichneten
eigentlich ‘die Ruhe des Toten on wele’, so welreste gece&as Byrhtn.
113, dann ‘letzte Ruhestätte’ überhaupt (Beow. 2902. Gen. 1643).
Welfüs ‘voll Todesgedanken’ (Beow. 2420) war ursprünglich ‘zum
wel hinstrebend’, ‘für das w. bestimmt’, wie helfüs OCrist 1124.
Andreas 50 = altnord. helfüss (Atlakv. 41,3) ‘pronus in infernum’
(oder ‘mortis adpetens’, wie Egilsson erklärte, aber schwerlich “‘necis
adpetens’, was er dann dafür unterschiebt, und was als ‘mordgierig”
auch andere akzeptiert haben); vgl. altsächs. /üsid an helsid Heliand
2353 f.
Die Verblassung des Elementes wel- zu der vagen Andeutung
von “Tod und was damit zusammenhängt’, wie sie die Beispiele
veranschaulichen, hat auf dieser Basis vielleicht zu poetischen Neu-
bildungen geführt. Die altengl. Epik neigt zu besonders kühnen
Wortverbindungen. Es ist deshalb manchmal unmöglich, die Vor-
stellungen genau zu bestimmen, die mit einem vereinzelten wel-
Kompositum verbunden gewesen sind. Aber es dürfte kaum eins
geben, bei dem eine ursprüngliche Beziehung zum wel im eigentlichen
Sinne undenkbar wäre. So darf man den welfägne winter Beow. 1128,
bei dem Holthausen sich auf ein ‘schrecklich’ resigniert, in Verbin-
dung bringen mit der vorangegangenen blutigen Schlacht (‘der
Kampf nahm alle dahin, die Krieger Finns, bis auf wenige nur’.
— 11 —
1080 f£.). Für ganz willkürlich und jung könnte man welrün halten
(‘das Kriegslied sang der Wolf im Walde, an Walrunen ließ er’s
nicht fehlen’, Elene 28); aber altnord. valrünar (Helg. Hund. IT)
zusammen mit dem ahd. Namen Walarüna zeigt, daß das Kompo-
situm alt ist. Seine ursprüngliche Bedeutung können wir freilich
nur vermuten. Bei dem altengl. Dichter ist es das hungrige Heulen
des wel-lüsternen Wolfes, Variation zu fyrdleod ‘Gesang der aus-
ziehenden Kriegerschar’; im Eddaliede bezeichnet es eine poetisch
umschriebene viglysing: ‘ich fing Bären in Bragalund und gab mit
Speeren den Adlern Atzung’. War es ursprünglich ein valgaldr, eine
Zauberformel, mit der man — wie Hildr — auf der Walstatt die
Toten weckte und in deren Wortlaut die Schlachttiere eine Rolle
spielten ?
Wir kommen zu den altnord. val-Komposita.
Hier entsteht eine Schwierigkeit dadurch, daß in val mehrere Wörter
zusammengefallen sind. Sicher steckt teilweise ein wvalh- ‘welsch? darin:
Valland ‘Frankreich’, valbygg ‘welsche Gerste’, valrugr ‘welscher Roggen?
/A. Bugge Vesterland. Indflyd. 260), valhnot “Walnuß’, valskikkia = volsk
skikkia ‘welscher Mantel‘, valslongva “Französische Wurfmaschine* (Oppos.
handslongva, stafslongva, Konungssk. 1848, 893), Valbiöfr entlehnt aus altengl.
Wealhpeow*, Valbiorg eine Provinz in Welschland, fingierter Ortsname in
Gudr. II. Solche Bildungen wurden zuweilen umgedeutet. Dichter ge-
brauchen Valland in dem Sinne ‘Land der blutigen Schlachtfelder* (‘ich war
in Valland und ging dem Männertöten nach‘ Härbarösl.; auch wohl Helreis
2, 2; beide Dichter fingieren auch sonst bedeutungsvolle Ortsnamen ©),
valbygg Yggiar ist eine kenning iür ‘Geschosse? (Grundtvig Edda? 223), und
wenn Friöpiöfr sich Valbiöfr nennt (EM 102), so schwebt ebenfalls eine
unklare Beziehung zum walr vor. In einigen Fällen muß die Frage offen
bleiben, ob valh- oder val- zugrunde liegt (8. u.).
Eine zweite Gruppe, die für uns ‚ausscheidet, bilden die Zusammen-
setzungen mit valr ‘Falke*?. Sie sind bis auf valveidr ‘Falkenjagd’, das erst
aus neuerer Zeit belegt ist (Fritzner 3, 848), sämtlich poetisch. Die meisten
sind Umschreibungen der Hand: walklif (zuerst bei Ölafr helgi B 211,
A 221 in der Kenning vidr valklifs oder valklijs bands biork ‘“Frau’), valstod
(porleikr fagri B 368, A 399), valteigr (valteigs Hıldr ‘Frau’ bei Haraldr harörä5i
B 332, A 360), valstafn (Rekstefia, nach der Bergsbök, A 550); aus dem 14. Jahr-
hundert außerdem valbraut (Gunnr valbrautar ‘“Frau’) und valtün ( Lofn
valtüns linns ‘nympha annuli’), s. Lex. poet. Anderer Art sind valmeidr vidis
‘Seekrieger* (valr vidis ‘Meerfalke” d. i. Schiff, pi686lfr Arn6rsson B 349) und
valnistendr vigra seids ‘Speiser des Kampffalken oder Raben’ d. i. Krieger
(Guthormr kortr, Sturl. ed. Kaalund 2, 232). Aus heidnischer Zeit fehlen
sichere Belege: denn valiord (in valiardar veliandi) bei Eyvindr skaldaspillir
12
B 65, A 74 ist sehr fragwürdig (vgl. Hkr. 4, 65; vermutlich hängt der Ausdruck
mit dem Namen des Ringes Moldi zusammen, Hkr. 1, 228, und val- ist ‘Wahl-’).
Auch valtafn, das bei jorm6ör Kolbrünarskald, in den Kräkumäl und bei
Sturla im Vollreim auf hrafn vorkommt (B 265. 653, A 287. 645, KS 470)
ist nicht ‘dapes accipitris’, sondern ‘Leichenspeise’ ®, nur stilistisch verschieden
von bloßem tafn, das ebenfalls mit Vorliebe auf hrafn reimt.
Valtafn verhält sich zu tafn wie valbräd (Atlakv., als Beiname
Sturl. 1, 139, 18) zu brdd: ‘Speise der Schlachttiere’. In dieselbe
Gruppe gehören valkostr “Leichenhaufe”, valblöd, -dreyri (mit Adjektiv
-dreyrugr) nebst den nur poetischen Synonyma walbi6rr, -breki.
Dazu die Namen der Walstattiere: der Wolf heißt valdyr, der Rabe
valfugl, -gagl, -gammr, -giödr, -Bidurr, beide sind valgiarn und -frekr
(Äsbiorn valfrekr Sturl. 1, 174, 2). Die Skalden lieben val-Komposita
wie die altengl. und z. T. noch die mhd. Dichter. Ihre schöpferische
Erfindung hat Ausdrücke geschaffen wie die Kampfkenning val-
stefna (Helg. Hund. I): der Feind, den der Held herausfordert
(ste/nir) ist von vornherein verurteilt, £ val zu fallen, ist valr. Tödlich
zuschlagende Streiter heißen valseefendr (Yngl. 13); seefa val ‘den
Wal einschläfern, einen eggmödan val schaffen? ist ungefähr gleich
fella val. Das Schwert heißt valteinn (Yngl. 8): entweder ‘Zweig,
der Wal schafft’ (F. Jönsson Yngl. s. 59) oder, anschaulicher, ‘Zweig
des Leichenhaufens’, indem die Leichen, in denen die Schwerter
stecken, mit gefällten Bäumen verglichen sind (vgl. Odins eiki ‘“Odins
Eichwald’: fallende Krieger). Das Schwert heißt ferner valfastı
(Öttarr svartı B 270, A 293, wird als ‘Flamme der Walstatt’ erklärt),
valnadr (börarinn mähliöingr B 105, A 111: ‘Natter, deren Beißen
einen Wal herstellt”), vals ormr (Hätt. 6: “Schlange der Walstatt’,
wie hrenadr ‘“Leichenschlange’, Hätt. 79), valbroddr (Hätt. 7 9).
Wenn Guthormr sindri seinen Fürsten valsendir vandar nennt
(B 55, A 62), so gehört val- sowohl zu -vandar (vondr ‘Stab’) wie zu
-sendir (Nomen agentis zu senda ‘senden’). Es steht also gewisser-
maßen and xowoD, ein Begriff, den H. Sperber Ark. 26, 281 mit
Recht in die Skaldenerklärung eingeführt hat. Diese Erscheinung
ist innerlich verwandt mit dem, was die Skälda (Sn 147) ofliöst,
‘obscuritas dictionis’, nennt. Denn auch hier muß der Hörer sich
verbessern: er glaubte valsendir zu verstehn als ‘den, der (die Feinde)
in den Wal schickt’, aber nun erfordert vandar Aufrundung zu
valvandar = valteins, und der ganze Ausdruck wird aufgefaßt als
"Töter mit dem Leichenstab oder Schwert’ ?.
13
In einer andern Strophe (6) hat Guthormr die Kriegerkenning
Niordr valbrands vidra landa sunda. Valbrandr ‘Schwert’ ist eine
ähnliche Bildung wie altengl. welseax und dergleichen. Valbrands
sund ‘Blut’ ist eine normale Kenning, vergleichbar z. B. hiorlogr
‘Schwertnaß’ (Fäfnism.), hrelinns fors “Wasserfall der Leichen-
schlange’ (Sigvatr A 232), vigra fors ‘Wasserfall der Speere’ (Volsungs-
rimur 2, 3). Die weiten Länder zwischen den ‘“Schwertsunden’ sind
die Schilde. Dem Dichter schwebt die blutberonnene Walstatt vor,
auf der der Besiegte todwund liegt zwischen den Schilden seiner
mit ıhm gefallenen Leute (vgl. die erste Strophenhälfte und Hkr.
1, 196, 15ff.). Er wählt die parallelen Kenningar für Sieger und
Besiegten (vgl. F. Jönsson Krit. stud. 90) sehr suggestiv: der siegende
‘Niorör’ trägt den Schild hoch (hdmdni). Hier besteht also keine
Nötigung, val- wiederholend zu ergänzen, wenn auch ein valsunda,
wie man es gewöhnlich ansetzt, an sich stilgemäß wärel®
Die Brünne heißt valserkr1! (Einarr skälaglamm B 122, A 129,
vgl. altengl. welhlenca), der Schild valbrik (Hildr Hrölfsdöttir B 27,
A 31), der Helm valhrımnir (Sn 205) und walgoltr (beide wohl “Wal-
statteber’), die Schleudersteine valgriöt (Ingialdr Geirmundarson
Sturl. 2. 68).
Es scheint, daß die gemeingermanischen Waffenbezeichnungen
mit wala- damit zusammenhängen, daß manche besonders wertvolle
Stücke Kriegsbeute waren, ‘Walraub’. Man denke etwa an den
Helm Hildisvin des Schwedenkönigs ASils (Sn 108) oder an das Hadu-
bardenschwert Beow. 2047 ff. Je seltener mit der Zeit solche Fälle
wurden, um so mehr verlor sich das Gefühl für die eigentliche Bedeu-
tung eines Kompositums wie valgoltr, “Walstatt-Eber”, d.i. Eberhelm.
Eyvindr skäldaspillir nennt König Häkon &ldraugr Ala galtar d. 1,
‘der (in der Schlacht auf der Insel Storö) einen Sturm niedergehn
läßt auf Alis Eber’ also auf den Helm (B 63, A 72). Wenige Jahre
später rühmt Glümr Geirason den Haraldr gräfeldr, er habe viele
Krieger gefällt und nennt die Krieger valgaltar Borna: “Träger
— eigentlich Dornen — des Walstattebers’ (B 67, A 7 6). Auch
dieser Dichter wird den Helm des Ali im Sinne gehabt haben. Porm65ör
Trefilsson aber, der ein Menschenalter später Glüm nachahmt,
deutet valgoltr neu und eigenartig: den von Snorri gefällten Vigfüss
nennt er ‘“Umstürzer des Walstattebers’ (velti valgaltar), weil dem
14
stürzenden Manne der Helm vom Kopfe und auf die Walstatt herab-
fällt (B 196, A 206) 22,
Auch Attribute zu den Waffennamen komponierten sich mit
val-13. In der pomphaften Diktion der Atlakviöa treffen wir serki
valrauda, was augenscheinlich eine phantasievolle Ausmalung des
Begriffes valserkr ist und damit bezeugt, daß dem Dichter der ur-
sprüngliche Sinn von wal- voll lebendig war. Bei Angriffswaffen
lag die Deutung “Wal schaffend’ näher, daher im 13. Jahrhundert
valgriöt, Bezeichnung einer Sache, die als Beute auf dem Schlacht-
felde kaum denkbar ist. Möglich, aber nicht wahrscheinlich, ge-
schweige beweisbar ist, daß val- zuweilen als ‘Kampf-’ gedeutet wurde,
ausgehend etwa von valstefna, das ja ‘Zusammenkunft zum Kampfe’
bedeuten kann wie hiorstefna, rögstefna, oder von valslongva, das ein
Kriegsgerät bezeichnet. Gewiß aber war das Sprachgefühl in späterer
Zeit bisweilen unsicher, zumal bei Bezeichnungen von Dingen, die
der täglichen Erfahrung entrückt waren. Ob hierher auch valbost
gehört, der nur poetisch belegte Name für einen Teil der Schwert-
klinge, wird nicht ganz klar, Vermutlich war es ein Teil nahe der
Spitze!®, also etwas, was in den Körper des Getroffenen eindrang
und ihn dem valr zugesellen konnte, Denkbar ist jedoch auch, daß
das Wort zu erklären ist aus der Einfuhr ‘welscher’ Schwerter zur
Wikingzeit (s. die Belege bei A. Bugge Vesterland. Indflyd. 211 f.;
bost könnte zusammenhängen mit bast-öx in zwei Handschriften
der Qrvar Oddssaga, ed. Boer (Leiden) 98, 12 App., die schwerlich
ihren Namen von Bastbändern hat). Denn valbost ist ein technischer
Ausdruck, während die valteinn, valhrımnir und dergleichen, die
sicher mit den ‘welschen Schwertern’ und dem ‘welschen Helm’
nichts zu tun haben, rein poetische Umschreibungen sind (zu denen
erst die Namenlisten Sn 203 auch blödrefill und valbost gesellt haben).
Was für Ringe die valbaugar sind, die nach der Atlakviöa im wälzenden
Wasser des Rheines leuchten, muß vollends unentschieden bleiben.
Historisch empfiehlt sich ‘welsche Ringe’, doch vom Standpunkt
des Gedichtes spricht wohl mehr dafür, daß Gunnarr sagt: das Gold,
das ihr auf der Walstatt — als valrof — zu sammeln hofftet, es; liegt
auf dem Grunde des Rheins!
15
IL.
Die größte Gruppe solcher val-Komposita, die nicht auf den
ersten Blick deutlich sind, stellen der Aberglaube und die Mythologie.
Es gehören hierher jene Vorstellungen, die wir als Kampfaber-
glauben und Mythologie der Walstatt zusammen-
fassen können. In den nordischen Quellen gruppieren sie sich um
den Begriff Walhall.
Valholl war im Sprachgefühl der altisländischen Dichter eng
verknüpft mit einer Gruppe ebenfalls mit val- anhebender Bezeich-
nungen für Dinge und Wesen, die irgendwie mit Walhall zusammen-
hingen. Für sie hat es ein val- gegeben, das etwa bedeutete ‘zu
Walhall gehörig”.
Nach den Grimnismäl rauscht vor Walhall, mühevoll zu durch-
waten, der Fluß Valglaumnir!, und der nächste Vers nennt
das Tor Valgrind. Als Göttin (Gefn), die durch dieses Tor ein-
und ausgeht, kennzeichnet, im Hinblick auf ihre andern mit wval
gebildeten Namen, Eyvindr skaldaspillir die Walkyrje (B 63, A 722).
Das Gefolge, mit dem Freyja nach Walhall reitet (&#l Valhallar ok
til ves heilags), heißt in den Hyndluliö5 valsınni?; die Götter, die
in der neuen Welt ‘Odins Siegstätten’, d. i. Walhall bewohnen, in
der Voluspä valtivar, und ebenso die Asen, die am Anfang der Hymis-
kviöa schmausen, doch wohl im eigenen Hause. Auch die Odinsnamen
Valfoör, Valgautr u. a. hatten gewiß eine Walhallresonanz,
Die Namenlisten (Sn 210) führen als Namen des Ebers neben Seehrimnir
auch Valglitnir und Valbassi an. Jenes ist der aus
Grimnism. 18 (Sn 39) bekannte Walhalleber, und einen solchen
werden auch die beiden val-Komposita meinen; -glünir weist geradezu
auf die goldenen Borsten von Freys und Freyjas Reittier. Auch
valgolir hat dem Pormö6ör Trefilsson solche Gedanken erregt, denn
er nennt den Helm den ‘goldborstigen’ wie Ulfr Uggason (Hüsdräpa 7)
den himmlischen Eber, und umgekehrt ergeht es dem Dichter der
Hyndluliöd: er überträgt den Namen Hildisvin(i) von Älis
Helm, der wahrscheinlich auch Valgoltr hieß*, auf Freyjas
Kher®
Diese himmlischen val-Begriffe haben ein Anrecht darauf, als
Einheit gewürdigt zu werden®, Sie sind von den übrigen val-Kom-
posita isoliert, da sie sich in bestimmter Richtung und im allge-
16
meinen weiter als jene von dem Sinn des Grundwortes entfernt haben.
Der Zusammenhang ist aber gleichwohl noch deutlich erkennbar.
Wir erörtern ihn zunächst für Valh o11.
IV.
Die poetische Hauptquelle für den Walhallglauben, Grimnismäl,
gibt mehrfach dem Gedanken Ausdruck, daß Valholl und walr zu-
sammengehören.
Strophe 8 lautet:
Glaösheimr heitir enn fimti bars en gullbiarta
A Yalhall viö of prumir;
enn bar Hroptr kyss hverian dag
väpndauda vera
G. heißt das fünfte (Gehöft), da ragt die goldglänzende Walhall
daneben, und dort kiest Odin jeden Tag waffentote Männer’.
Kiüösa väpndauda vera ist eine wortspielende, metrisch beförderte
Varlierung von kiösa val, ‘Wal kiesen’. Dieser Ausdruck bezeichnet
sonst eine Tätigkeit, die beim Kampfe ausgeübt wird, und zwar
von Wesen, die als dort gegenwärtig gedacht werden. In der Regel
sind dies die Walkyrjen, die davon den Namen tragen. Aber auch
Odin selbst heißt ‘der Walkieser’ (valkiösandi, Kormäkr B 74, A 83).
Daß dies sagen wolle ‘der Erwähler der Gefallenen’, nämlich für Wal-
hall, ist nur aus den Grimnismäl gefolgert. Ursprünglich kann der
Ausdruck mit Walhall nichts zu tun haben, denn schon altengl,
welcyrga und welce&asig (hrefn) — vermutlich auch welreste
c&osan, wig c&osan, mhd. sige kiesen — setzen ihn voraus. Er gehört
in den Zusammenhang eines primitiven Kampfaberglaubens, der
unten (Kap. XVI) näher behandelt werden soll. Den ‘Wal kiesenden?
Odin in seiner älteren Gestalt zeigen uns noch die Biarkamäl (daneben
die norwegische Sage von dem Schmied, der vor der Schlacht bei
Lena Odins Pferd beschlägt, Olrik Danm. Heltedigtn. 1, 73,
vgl. v. Unwerth Totenglauben $ 50) und die Rolle, die ihm die
Heldendichtung in der Brävallaschlacht zuteilt, ist diesem Bilde
nahe geblieben. Vafprüönismäl 40. 41 lesen wir wal Beir kiösa, das
bedeutet ‘sie erschlagen (einander)’. Nicht immer hat ein buch-
stäbliches Erschlagen vorgeschwebt. Das Gegenstück lifna kidsa
(Helg. Hund. IT) ‘zum Leben kiesen’ und der sonstige Gebrauch des
Verbums Ai6sa (s. Falk- Tor p Etym. Ordbog unter kyse) weisen
— 17
auf einen unsinnlicheren, magischen Vorgang, der auch über einen
weiten Abstand hin sich vollziehen konnte. Hieran knüpft unsere
Stelle an. Sie läßt den Gott in Walhall sitzen, während er ‘Wal kiest”.
Damit scheint sie den Ausdruck seiner Anschaulichkeit zu entkleiden.
Zwar wendet ‚sich der Gedanke den fallenden Kriegern zu, deren
Ankunft in Walhall die beiden folgenden Strophen im Auge haben.
Aber das Bild von Walhall wird nicht bereichert. Das ‘Odin kiest . . .’
können wir uns nicht vorstellen — es sei denn, daß wir statt an Walhall
an die Walstatt denken. Und es scheint mir klar, daß wir das müssen.
Für den Dichter ist Valholl sozusagen nur ein Rahmen um das Bild:
des valr. Er empfindet die beiden Wörter als ‘verwandt’, wenn nicht
als gleichbedeutend.
Ähnlich bei Strophe 14:
Folkvangr er enn niundi, en par Freyia redr
sessa kostom I sal; '
halfan val hon kyss hverian dag,
en halfan ÖSinn £
‘F. heißt das neunte (Gehöft?), dort bestimmt Freyja über die
Plätze in der Halle; den halben Wal kiest sie jeden Tag, der halbe
fällt Odin zu’.
Der zweite Helming verdeutlicht den ersten. Der salr (Sessrüm-
nir, Sn 29) ist gedacht als das Schlachtfeld. Dies besagt der Name
Folkvangr (folk ‘“Kriegerschar’; vgl. altengl. welwong!). Rdda sessa
kostom ‘über die Plätze zu entscheiden haben’ entspricht eiga vals
of kosti ‘über den Wal zu entscheiden haben’, das im Walkyrjenliede
von den Walkyrjen gesagt wird. ‘Auf dem Schlachtfelde fallen’ ist
so viel wie ‘einen Platz in Freyjas Saal bekommen’. Das Ganze ist
also ein Seitenstück zu Odins Tätigkeit in Walhall. Die Gedanken-
bildung ähnelt derjenigen, die sich in Umschreibungen äußert wie
gefa Ödni ‘dem Odin schenken’, d. i. töten, gista Odin °O. besuchen’,
d. i. sterben (EM 62 £.), Alaut Ödinn val ‘O. bekam Wal’, d. i. es gab
Erschlagene. Nur daß die Dichter, die diese Formeln anwenden,
vom Diesseits ausgehen, während die Grimnismäl ihren Standort
im Jenseits nehmen, das sie unter dem Bilde des religiös angeschauten
Diesseits zu erfassen suchen.
Einen eigentümlichen Doppelsinn enthält. der erste Helming
von 19. “Strophe 18 hatte das Rätsel von den drei hrimnir aufgegeben
und die Speise der Einherier erwähnt. Dann fährt der Dichter fort:
Neckel, Walhall. >
18
Gera ok Freka sedr gunntamidr, hrödigr Heriafodr ‘Geri und Freki
sättigt der Kampfgewohnte, der ruhmreiche Vater der Heere’. Er
meint: Odin gibt die Speise, die vor ihm auf dem Tische steht, seinen
zwei Wölfen (Sn 39). Aber mehr Gewicht scheint er auf den Nebensinn
dieser Worte zu legen. Wollte er nur den göttlichen Hausherrn
vorführen, der seine Hunde füttert, so würde er ge/a sagen, nicht
sedia; er würde auch schwerlich den Hausherrn den “Kampfgewohnten”
(und gleich darauf den ‘Waffenreichen’) nennen. Diese Phraseologie
weist auf den Schlachtengott, der Krieger fällt. In der Tat ist ulfa
sedia ‘die Wölfe sättigen’ formelhaft für ‘siegreich kämpfen’, gleich-
bedeutend mit val fella?, Also auch hier schiebt sich für Walhall
die Walstatt unter; und dieselbe Identität muß dem Volva-
dichter vorschweben, wenn er Walhall als den Ort bezeichnet,
wo Odin Siege erkämpft hat (Hropts sigtoptir). Wenn nach Strophe
20 die beiden Raben täglich (nach Snorri: bei Tagesanbruch) aus-
fliegen, so mögen sie wohl, wie Snorri will, von ihres Herrn Schultern
herkommen, aber sie erinnern uns auch an die Verse des Dorbiorn
hornklofi:
Hvat er yör, hrafnar? hvadan erußö &r komnir,
med dreyrgu nefi at degi ondveröum ?
hold lodir yör I klöum, hres befr gengr 6r munni:
ner hykk i nött biuggud pri er vissud ni ligeia
‘Was ist euch, Raben? Wo kommt ihr her, mit blutigem Schnabel,
bei Tagesanbruch? Fleisch hängt an euren Fängen, Leichenduft
geht aus eurem Halse: heut nacht. mein’ ich, haustet ihr dort. wo
ihr Leichen wußtet’.
Müllenhoff nennt die Grimnismäl eine Offenbarung Odins in
seiner ganzen Herrlichkeit. und Furchtbarkeit. Wenn nicht alles
trügt, so gehört zu der Furchtbarkeit auch das Grauen vor der Leichen-
stätte, deren Bild immer wieder auftaucht hinter den glänzenden
Dächern der Göttergehöfte und den Freuden des ‘Kriegerparadieses’”.
Dies Grauen haftet an dem Worte valr, mit dem der Dichter spielt,
und das er in Str. 21—23 in einer dreifachen Klimax anbringt:
Valglaumnir, Valgrind, Valholl. Kein Zweifel, daß für diesen Dichter
Valholl eine ‘Halle des valr’ ist. Der Name knüpft die himmlische
Halle fest an die irdische Wirklichkeit,
Das Zeugnis der Grimnismäl wird bestätigt durch die Vaf-
brüönismäl. Nach Str, 41 dieses Denkmals ist Odins Gehöft eine
— 19 —
Stätte des täglichen Kampfes. Die Einherier ‘kiesen den Wal’,
reiten aber alle gesund nach Hause, um den Rest des Tages bei ge-
selligem Trunk zu verbringen. Das Geheimnis der Strophe liegt in
dem Ausdruck val Beir kiösa. Das ist, wie Snorri sagt, so viel wie
fellir hverr annan ‘jeder fällt den andern’. Aber /alla £ wal ist gleich-
bedeutend mit koma til Valhallar; ki6sa val heißt nicht bloß ‘den
bestimmen, der fallen soll’, sondern zugleich ‘den bestimmen, der
nach Valholl eingehen soll’. Daher das einfach weiterführende o%
in Vers5. Auch hier sind also valr und Valholl gewissermaßen identisch.
Aber es wird zugleich deutlich, daß nicht bloß Valhall, sondern auch
der valr im Jenseits liegt. Es handelt sich um die sogenannte
‘Seelenschlacht’®, die als solche nach dem Tode stattfindet. Aus
dem zeitlichen ‘nach’ ist ein räumliches ‘jenseits’ geworden, aber
das Jenseits entspricht dem Diesseits nicht weniger genau als das
Nach dem Vor.
V
Sowohl Vafprüßnismäl wie Grimnismäl schreiten weit über Jene
Identität hinaus. Ihr Walhall ist im Grunde keine Stätte des Todes,
sondern voll von kräftigem Leben — Schmausen, Zechen und Krieger-
gedränge. Es fehlt aber andererseits nicht an Zeugnissen dafür,
daß man sich das Leben in Walhall auch anders dachte. Die Einherier
der Vafprüönismäl, die ‘versöhnt beisammen sitzen,” scheinen heil]
und gesund, trotz der tödlichen Wunden, die sie einander eben noch
geschlagen. Wenn die Leute von Walhall gegen den Wolf ausziehen
(Grimn. 23), so sind sie ohne Zweifel kampftüchtig, als wären sie nie
im Tode verblutet. He] gi dagegen, der aus Walhall zurückkehrt,
trägt blutende Wunden am Leibe, seine Brünne ist blutig, sein Haar
bereift, seine Hände naßkalt: er ist in demselben Zustande, in dem
er, von Dags Speer durchbohrt, auf der Walstatt lag (Helg. Hund.
II 40 ff,). ;
Die Unvereinbarkeit dieser Vorstellungen mit dem Walhallbilde
der Grimnismäl und Kräkumäl hat schon‘ Uhland feinsinnig
erörtert (Schriften 8, 148). Uhlands Urteil darüber ist noch heute
das herrschende. Man nimmt an, der Dichter knüpfe die Walhall-
vorstellung nur lose an eine Fabel nicht-nordischen Ursprungs, die
den Toten vielmehr aus dem Grabe aufsteigen ließ (sie liegt in
der nordischen Ballade von Aage und Else vor). Die ‘älteren Grabes-
a%
— 90 —.
vorstellungen’ sollen in unsern Strophen deutlich durchblicken?!.
Worin sie sich zeigen, darüber sind verschiedene Meinungen laut
geworden. Klar dürfte sein, daß der Grabhügel als Stätte der Zu-
sammenkunft für diese Frage nicht in Betracht kommen kann. Das
Hühnengrab liefert dem Dichter nur eine malerische Dekoration für
die Handlung. Zugleich ist es ihm ein Ort an der Grenze zwischen
Diesseits und Jenseits, passend zur Begegnung der Liebenden, und
er hat vermutlich angeknüpft an Sagen vom Leben der Toten im
Grabhügel (siehe Kap. XVI). Aber sein ‘aufgeschlossen ist der Hügel’
kann nach dem Zusammenhang nur so verstanden werden, daß der
ankommende Held den Hügel hat öffnen lassen, um darin sein Wieder-
sehen mit der Gattin zu feiern. Der Dichter läßt keinen Zweifel daran,
daß Helgi aus Walhall kommt und dorthin zurückkehrt. Den
Vorwurf, daß Teile seines Werkes diesen Gedanken nicht festhalten,
dürften wir ihm nur machen, wenn andere Anschauungen ’ganz
unzweideutig hervorträten. Aber die vermeintlichen Grabesmotive
sind alles eher als unzweideutig?.
Die ‘naßkalten Hände’ könnten auf das Grab gedeutet
werden, wäre nicht ‘naßkalt’ eine sehr ungenaue Übersetzung von
ursvalar. Ur bezeichnet nämlich nicht ‘Nässe’ überhaupt, sondern
speziell die atmosphärische Feuchtigkeit (‘a drizzling rain’, sagt
Vigfüsson, der neuisl. ürkoma ‘rain, especially of a mild rain’ anführt;
‘humor pluvius, pluvia minuta’ Lex, poet.; norw. dän. ur “Nebel’).
Das Adjektiv ürigr feucht von Regen oder Nebel’ wird in der Poesie
formelhaft von Ländern und Gebirgen gebraucht (ürig fioll, ürgar
brautir, ürigt hiarl? Egill Arinb. 4,8). Demnächst kann ür auch den
sprühregenartigen Gischt des Meeres bezeichnen: ürdrifinn segnipu
Sleipnir ‘der schaumbedeckte Wogenspringer’ d. i. das Schiff (B 296,
A 321), ürgan stafn, ürgu bardı, ürga strond, ürhvegin alda “schaum-
übersprühte Woge’ (Hallfreör B 163, A 173). Das letzte Beispiel
zeigt besonders deutlich, daß Ur etwas anderes ist als “Wasser ’oder
‘Meer’. So dürfen wir denn auch ürsvalar unmr Helg. Hund. IT 13
nicht als ‘naßkalte Wogen’ deuten — das wäre sehr nichtssagend —,
vielmehr sind ‘schaumkalte Wogen’ gemeint, “‘Wogen mit kaltem
Schaum’ (wie härfagri ‘mit schönem Haar’), Wogen, die den Krieger
über den Bord hinweg kalt ansprühen. Entsprechendes gilt von
der ürsvol Gymis volva (der ‘schaumkalten Welle’) bei Hofgaröa-Refr
(B 296, A. 320). Der ürsvalr unnar steinn (Helg. Hund. II 31, ‘schaum-
21 —
kalter Stein der Woge’) ist von kalter Brandung bespritzt. Der
Sprühregen jedoch, der Helgis Hände benetzt hat. kann nur der
Niederschlag der Wolken sein.
Vollends der Reif auf dem Haar wird sich nicht in einem Grabe
entwickelt haben?, Einen unklar-uneigentlichen Gebrauch des Wortes
höla dürfen wir in der Helgidichtung, die in frischen Naturbildern
schwelgt, am allerwenigsten erwarten.
Auch in dem Motiv von den Tränen .der Gattin, die quälend
auf die Brust des Toten fallen, hat man einen Hinweis auf das Vor-
handensein der Grabesvorstellung finden wollen. Vielleicht wurzelt
diese Erfindung wirklich in dem Gedanken, daß die Tränen, weil
sie so schwer sind, tief in den Erdboden eindringen. Aber unser Dichter
zeigt keine Spuren davon, daß er es sich so gedacht hätte. Seine
Phantasie geht in anderer Richtung. — Sigrüns abendliches Weinen
soll erklären, warum Helgi, wie er selbst es ausdrückt, harmdogg
sleginn oder, wie Sigrün sagte, valdogg sleginn ist und warum seine
Hände ürsvalar sind. Die Dichtersprache gewährt die Mittel, diesen
wunderbaren. Zusammenhang anfangs kunstvoll zu verschleiern,
dann den Schleier zu heben. Valdogg kann an sich ‘Blut’ bedeuten
(vgl. hreva dogg ‘Leichentau’ und ähnliche Kenningar); bei einem
Skalden des 10. Jahrhunderts kommt es in dieser Bedeutung vor
(B 91, A 97). Und in der Tat wird der Helgidichter an Blut gedacht
haben, denn er nennt die Tränen nachher ‘blutig’ (45,9). Aber zu
gewöhnlichem Blut, das aus dem Körper rinnt, paßt sleginn nicht;
man würde runninn erwarten (dreyra runninn ‘blutberonnen” Gudr. I)
oder drifinn (‘bedeckt’, wobei aber zugleich an fremdes, im Kampfe
angespritztes Blut gedacht sein kann, wie immer ‘bei stokkinn
“bespritzt’). Sleginn lenkt vielmehr die Vorstellung auf etwas, was
sich von außen her auf den Körper niedergeschlagen hat. Das un-
persönliche sld ‘schlagen’ und seine Synonyma werden nämlich ebenso
gebraucht wie unser schlagen in dem Satze ‘der Regen schlägt an
die Fenster’: daher sleginn regni, wörtlich ‘mit Regen beschlagen’
(wie iarni sleginn ‘mit Eisen beschlagen’4). Es handelt sich bei
solchen Ausdrücken — soweit sie nicht auf seelische Vorgänge über-
tragen sind — stets um Witterungserscheinungen wie Hagel, Schnee,
Wind, auch Feuer. Dem trägt das Wort dogg ‘Tau’ Rechnung.
Der Dichter denkt also wirklich an Tau, und zwar, wie die Zusammen-
setzung valdogg andeutet, an den Tau, der auf einer Walstatt die
9292
Toten benetzt und für den, der sie anrührt, den unheimlichen Kälte-
eindruck verstärkt. Die valdogg fügt sich somit harmonisch ein
zwischen h&la ‘Reif und ur ‘Nebel’. Sigrün weint jeden Abend, ehe
sie schlafen geht: das ist die Zeit, wo der Tau fällt, wie denn auch
das gespenstische Roß der Niäla c. 125, der hestr helugbardti, ürig-
£oppi, eine abendliche Erscheinung ist. Daß dieser ‘Kummertau’ ®
gleichwohl aus’ Blutstropfen besteht, dieses unnachahmlich flim-
mernde Bild hält auch die folgende Strophe fest, die Tränen fallen
‘blutig auf die Brust’, dorthin, wo Helgis Wunden sind (46,7), und
sie dringen als kalte Tropfen (ür svalt) ein, kummergesättigt und
schmerzerregend. — Damit ist die tiefste Tiefe des Leides erreicht,
und Helgi schnellt auf zur Lebensfreude: ‘Wohlauf, getrunken ..
Die Rolle, die hier Tau und Reif spielen, stimmt überein mit
den sonstigen Naturbildern der Helgidichtung. Besonders erinnern
wir uns an den mythischen Himmelshirsch, doggu slunginn (Helg.
Hund. IT 38) und an die Luftrosse der J ungfrauen, von deren Mähnen
Tau in tiefe Täler, Hagel in hohe Bäume’ fällt (Helg. Hiorv. 28,
vgl. Heiöreksgätur 7).
Es gibt noch andere Stellen, die die Phantasietätigkeit unseres
Dichters beleuchten. Ein paar Mal finden wir — wie anderswo, so
auch im alten Norden — das Bild, daß die Wolken weinen. Ein
holzgeschnitztes Menschenbild auf Samsö klagt: ‘Jetzt prasseln
auf mich die Tränen der Wolken; nicht Fleisch noch Gewand schützt
mich’ (EM 94, Ragnarssaga ed. Olsen 175). Auch hier also die Klage,
schutzlos dem Wetter preisgegeben zu sein. Das isländische Runen-
gedicht bringt in Strophe 2 die Erklärung der Rune Ur: ‘Ur (‘Staub-
regen’) ist der Wolken Weinen’ (Kaalund Smästykker 19,
Wimmer Die Runenschrift 282). Daß der Tau Tränen bedeutet,
und zwar wiederum Tränen um einen Verstorbenen, dessen Rückkehr
zum Leben erhofft wird, ist ein bekanntes Motiv der Baldrsage (Sn 60).
Blutregen kommt im Zusammenhange von Kampfbildern Walkyrjen-
lied 1,4 und in zwei Traumversen der Sturlunga vor (ed. Kaalund
1,519, 15, 520,3: bl6ödi mun rigna & berar Biödir; vgl. EM LIIN.
Und endlich rückt von anderer Seite her ganz nahe die Parallele
eines Helmings der Vegtamskvida:
Var ek snivin sniövi, ok slegin regni,
ok drifin doggu: daud var ek lengi
23
‘war mit Schnee beschneit, mit Regen beschlagen, mit Tau bedeckt:
tot war ich lange’.
Die Seherin, die, Odins Zauberspruch gehorchend, aus dem
Grabe aufsteht, hat man als Zeugin dafür angerufen, daß auch Helgi
aus dem Grabe komme. Denn auch zu ihr dringt ja der Tau und sogar
Schnee und Regen. Doch bei Licht besehen, kann die Stelle der
Vegtamskviöa nur beweisen, daß es mit dem Seherinnengrab eine
besondere Bewandtnis haben muß. Unter der Decke dieses Grabes
muß sich der Dichter etwas anderes gedacht haben, als man heute
auf einem Friedhofe sieht.
Für die Beurteilung kommt in Betracht, daß die Vegtamskvida
ein ‘Cento aus älteren Liedern’ ist (Sijmons Einleitung CCOXLIX).
Die eigene Dichtung des Verfassers beginnt erst bei der vierten
Langzeile; die ersten drei sind wörtlich der pPrymskviöa entnommen.
In Strophe 11 sind zwei (drei?) Langzeilen ebenso wörtlich der
Voluspä entlehnt. Seiner ganzen Beschaffenheit nach gehört das
Denkmal einer literarhistorischen Schicht an, die stark mit Anleihen
bei älteren Dichtern arbeitet. Wir dürfen voraussetzen, daß der
Entlehnungen noch mehr sind, als wir mit unserm Material nach-
weisen können. Daß zu ihnen auch der angeführte Helming gehört,
dafür spricht nicht bloß sein merkwürdiger Inhalt. Er ist ohne
Zweifel die Glanzstelle des Ganzen, ausgezeichnet durch einen
stilistischen Schwung und eine Stimmung, die von der trockneren,
unebneren Umgebung fühlbar abstechen. Sind aber die Verse in
einem andern Zusammenhang zu Hause, so spricht nichts gegen
die Annahme, daß dort der Tote nicht aus dem Grabe aufstand, der
valgaldr, den der Gott spricht, ein wirklicher ‘Walstattzauber’ war.
Der Vegtamdichter müßte dies freilich umgedeutet haben. In
seinem Zusammenhange erscheint die Dreiheit ‘“Schnee—Regen—Tau’
als eine Zerlegung, Veranschaulichung des Begriffes ‘tot’; der vierte
Halbvers, ‘tot war ich lange’, faßt die drei vorangehenden kräftig
zusammen. Der Dichter meint: tot sein heißt — dem Regen, Schnee
und Tau preisgegeben sein. Diesem Zustande geht der entgegen,
der begraben wird; denn das Grab ist der Eingang zum Jenseits,
zu einer Stätte, wo schwere Wolken über dem Toten hängen und
Kälte herabtaut. Auch aus der Niflhel führte bekanntlich noch ein
Weg weiter in andere Welten, und die Vafprüönismäl (43) sagen:
‘dorthin sterben aus der Hel die Menschen’?
DA m
Auch in einer älteren Gestalt der Helgidichtung mag der Grab-
hügel als Eingang zum Jenseits deutlich bezeichnet gewesen sein.
Daß der vorliegende Text davon nichts weiß, hängt zusammen mit
der dialogischen Technik, die die Hilfsfigur der Magd und die Ein-
leitungsszene — “es reiten tote Männer’ — geschaffen hat. Aber es
fehlt uns an jedem Anhaltspunkt, um jene ältere Gestalt uns be-
friedigend auszumalen. Für das ‘Grab’ in dem öfters behaupteten
Sinne spricht jedenfalls nichts. Helgilied und Vegtamskviöa berühren
sich nur in dem drifinn doggu als Bild des Totseins.
Der Helgidichter dürfte dieses Bild in einem besonderen Lichte
gesehen haben. Die Geliebte seines Helden ist ja nach der übrigen
Helgidichtung eine Jungfrau, die über Luft und Meer reitet, An
diese Vorstellung hat er angeknüpft. Die Göttin, die als Helferin
unsichtbar über dem kämpfenden Krieger schwebte, schwebt auch
noch über ihm, als er erschlagen auf der Walstatt liegt, und ihre
Tränen — das Weinen der Wolken — fallen als Tau in seine Wunden.
Dieses Motiv kann unabhängig von der Wanderfabel vom heim-
kehrenden Toten in der Dichterphantasie entstanden sein und seiner-
seits erst diese Wanderfabel angezogen haben. Es kann aber auch
eine Angleichung des internationalen Tränenmotivs an den Phantasie-
kreis der Helgidichtung darstellen. Auch anderswo in dieser Dichtung
herrscht der Gedanke, daß die Geliebte des Helden zugleich Himmels-
maid und irdische Gattin ist. So knüpft das Lied von Helgis Wieder-
kehr das Tränenmotiv an die Himmelsmaid, die Handlung als Ganzes
aber an die irdische Frau. Die Einheit des Bildes bleibt gleichwohl
gewahrt, denn der Tränentau fällt ja im Jenseits, in dem geheimnis-
vollen Halbdunkel des mythischen Hintergrundes.
In diesem Halbdunkel unterscheiden wir nun deutlich den auf
der Walstatt hingestreckten Toten, und wir erkennen, daß für den
Dichter diese Walstatt ‘“Walhall’ ist.
Die plastische Gestalt dieser Gleichung ist sein Werk. Aber
zugrunde liegt etwas, was dem Volksglauben angehört hat: Walhall
ist eine freudlose Stätte der. Toten, wo das Bluten der Walstatt-
wunden nicht immer gestillt ist.
25
VI.
Man hat längst eingesehen, daß das lachende Sterben und der
frohe Blick auf Walhall, wie beides in. dem Kräkumäl hervortritt,
kein Zeugnis ist für die heidnische Lebensstimmung. Olrik weist
darauf hin, wie wenig zuversichtlich die alten Häkonarmäl klingen
(Nord. Geistesleben 40f.): ‘Nicht leicht war den Männern ums
Herz, die nach Walhall aufbrechen sollten”.
Wir müssen weiter gehn. Nicht bloß eine unbestimmte Furcht
zeugt von Walhall als dem Orte des valr. Wir kennen auch wenigstens
teilweise die Phantasiebilder, die dieser Furcht Nahrung gaben.
Wie Hakon der Gute die Walhall betritt, ist er ganz mit Blut beronnen
(stöd allr i dreyra drifinn, Häk. 15). In diesem Zustande, mit zer-
hauenen Waffen, haben die Walkyrjen ihn aus dem Kampfgetümmel
dorthin gebracht, und es hat nicht den Anschein, daß man ihn waschen
und heilen wird. Wenigstens wünscht er seine Rüstung anzubehalten,
zerschossen wie sie ist (17). Danach können wir uns ausmalen, wie
zu Hakons Zeit der Kreis der Walhallgäste ausgesehen hat. Körperlich
ungefähr so wie Gunther, Hagen und Walther am Schluß von Ekke-
hards Waltharius. Aber es fehlten die Scherzreden und die Lebensröte
der Wangen. Es waren richtige daudir menn, draugar, vor denen
dem Lebendigen graust. Eyvind hat es ferngelegen, die. Hinter-
bliebenen des Königs glauben machen zu wollen, dieser sei zu einem
‘bessern Leben’ eingegangen. Sein Trost besteht nur darin: die
Götter werden drüben den Hakon in Frieden lassen, weil er hier ihre
Heiligtümer geschont hat; sie werden ihn als Gast aufnehmen. Kein
Wort von den Freuden des ’Kriegerparadieses’. Auch in den Eiriksmäl
liegt der Nachdruck nicht auf diesen Freuden, sondern auf den hohen
Ehren, die man dem einziehenden Fürsten erweist (die. Walkyrjen
sollen Wein bringen, wie man tut, wenn ein Fürst kommt).
Der Zug der Gefallenen nach Walhall hinterläßt eine breite
Blutspur. Der Dichter des Walkyrjenliedes sieht nach der Schlacht
bei Clontarf blutige Wolken am Himmel dahinziehen; ‘das Luft-
gewölbe wird rotgefärbt von Menschenblut’, singen die Walkyrjen.
Die Vorstellung ist natürlich die, daß der Weg der Toten durch die
Luft hinaufführt, wie ja auch Helgi westwärts über die Himmels-
brücke den Flugsteig nach Walhall reitet.
26
VIL.
Was sich bisher uns gezeigt hat, ist kurz dies: Für eine Gruppe
altnordischer Dichter, die im übrigen sehr verschieden gestimmt und
beeinflußt sind, gab es eine geheimnisvolle Identität zwischen “Valholl’
und “Walstatt’. Wo man den Zustand der gefallenen Krieger nach dem
Tode veranschaulichen will, da greift man zum Bilde des Schlacht-
feldes; die Helden leben so weiter, wie sie gestorben sind; das eng
umgrenzte Erinnerungsbild ihres Todes bestimmt ihr J enseits.
Dieser Grundgedanke nimmt je nach dem Stoff der Dichtung ver-
schiedene Gestalt an. Der Helgidichter baut sein Drama auf den
Gegensatz von Tod und Leben, von tiefstem Leid und höchster Wonne:
daher kommt. sein Held geradeswegs von der Stätte der Leichen als
Leiche. Die mythologischen Dichter verlegen das Leben, das sie
schildern wollen, ins Jenseits; ihnen ist die Walstatt nicht ein
Totliegen, sondern ein immer neues Töten und Sterben. Die
Schlachtendichter endlich, die der Gefallenen Reise ins Jenseits
ausmalen, müssen zwar das Schlachtfeld hinter sich lassen, aber es
wirkt nach in rinnenden Wunden und zerbrochenen Briünnen wie
bei Helgi. Allen ist der valr gegenwärtig.
Hätten wir diese eigentümlichen Erscheinungen nur in 6inem
Text, etwa den Grimnismäl, so wäre der Verdacht vielleicht nicht
ganz abzuweisen, daß eine Art Volksetymologie zugrunde liege, eine
sekundäre Einwirkung der Bedeutung des als verwandt empfundenen
valr auf Valholl. Man könnte dann in dem ‘Kriegerparadies’ das
ursprüngliche Walhallbild finden wollen, das in den val-Strophen
wortspielend übermalt sei. Das gleichartige Verhalten der andern
Denkmäler nötigt uns, diesen Verdacht aufzugeben. Wir müssen die
enge Beziehung zwischen Valholl und valr für alt halten und sie unmittel-
bar-damit verbinden, daß der Name Valholl von valr gebildet ist.
Die ältesten Vorstellungen von Valholl müssen von der Art gewesen
sein, wie sie uns an den besprochenen Stellen entgegentreten. Diesen
Schluß begünstigt auch, was wir über das Alter jener Stellen
wissen oder annehmen dürfen. Das Lied von Helgis Wiederkehr gilt
mit Recht für eins der ältesten Eddalieder; es ist schwerlich Jünger
als sein Mitzeuge, die Häkonarmäl.. Und wenn auch Grimnis- und
Vafprüönismäl als Ganze nicht mehr in heidnischer Zeit zustande ge-
kommen sein werden, so enthalten sie doch sicher uralten Stoff, der in
— 97 —
Vers- oder Strophenform in sie eingegangen sein dürfte. Ähnliches gilt
vom Walkyrjenliede; das Hauptmotiv des Dichters, das Gewebe
der Schlacht, bezeugt der Beowulf durch seine wigspeda gewiofu (‘Ge-
webe des Kampfglücks’) als altererbt. Dieser Ausdruck, neben dem
“Weben’ des Liedes, veranschaulicht gleichzeitig die bekannte Tat-
sache, daß die sprachlichen Formeln Jahrhunderte lang konstant
blieben und das feste Gerippe der mythischen und sagenhaften Vor-
stellungen bildeten. Das Fleisch um diese Gerippe hat nachweislich
öfters gewechselt. Unter kiösa val hat Eyvind etwas anderes ver-
standen als der Dichter der Einherierstrophen der Vafprüßnismäl.; aus
dem Beiwort Huna kappi des grauen Hildebrand der Deutschen haben
die Nordleute eine ganz neue Geschichte herausgesponnen. So
haben denn, wie wir sahen, auch die Vorstellungen gewechselt, die
man mit der Formel Val-holl verband. Aber es fehlt jeglicher An-
haltspunkt dafür, daß diese Vorstellungen jemals von Grund aus
andere gewesen sein sollten, als die wir in den Quellen finden. Die
Gleichartigkeit dieser letzteren unter sich und mit dem Gebrauch
des Simplex valr bürgt uns dafür, daß die ursprünglichen Grenzen
nicht überschritten worden sind.
Was diese Grenzen einschließen, erscheint uns vage und dürftig.
Aber wir haben kein Recht, hierin eine sekundäre Verarmung zu
sehen. Gehört es doch zum Wesen unserer Mythen- und Sagen-
überlieferung, daß sie in klingenden Namen und Formeln umgeht.
Diese übten ihre Macht über die Gemüter, auch wenn die Inhalts-
perspektive noch so kurz war. Bei Walhall umfaßte sie die Begriffe
valr und Jenseits — sonst nur noch die ‘Halle’.
Diese soll jetzt betrachtet werden.
VIIL.
Nicht bloß. die Gäste von Walhall sind wirkliche Wal-Gäste,
auch die Halle selbst verrät ihre Herkunft vom valr.
Was in der Überlieferung von Walhall am festesten steht, ist
der Bau selbst. Schon die ältesten Skalden bezeugen durch die
Schildkenningar Svolnis salpenningr ‘Münze auf Odins Saal’ und
Sväfnis salnceefrar ‘Schindeln von Odins Saal’, daß Odins Haus aus
9
Schilden gebaut oder mit Schilden gedeckt ist. Dazu stimmt Strophe 9
der Grimnismäl:
Skoptom er rann rept, skioldom er salr pakiör,
bryniom um bekki strät
‘Speerschäfte sind die Dachsparren des Hauses, mit Schilden ist der
Saal gedeckt, Brünnen über die Bänke gebreitet.’
Wir dürfen das Bild ergänzen aus Umschreibungen! wie Ödins
hurd, Gauts gätt ‘“Odins Tür’ d. i. Schild und Svolnis gardr ‘Odins
Zaun’ d. i. Schildreihe?. Danach bestehen auch die Türen und die
Umzäunung aus Schilden.
Man hat dieses Baumaterial von Walhall so aufgefaßt, daß die
Waffen die Halle des Kriegsgottes schmücken?®. Aber damit erklärt
man nicht, warum das Dach aus Speerschäften und Schilden be -
steht. Das war doch sicher bei keinem irdischen Fürstensaal der
Fall. Hingegen kommt ein Speerdach auch in Saxos Thorkelssaga
vor. Dort wird die unterweltliche Halle des Geruthus so geschildert:
Aedes deintus obsoleta per totum ac vi teterrimi vaporis offusa
cunctorum, quibus oculus aut mens offendi poterat, uberrima cerne-
batur. Postes longaeva fuligine illiti, obductus illuvie paries, com -
pactum e spiculis tectum, instratum colubris pavi-
mentum atque omni sordium genere respersum inusitato advenas
spectaculo terruerunt (1, 426). Das Speerdach ist ein Zug in dem
unerhörten Bilde des Schreckens, das die Eintretenden vor sich
sehen. Der Erzähler hat fabelhafte, heimische und ausländische
Reiseberichte {rei kombiniert mit heidnischen J enseitsvorstellungen.
Daß unter letzteren auch die Walhall gewesen ist, scheint klar%.
Zweifellos ist Odins Schild- und Speerhaus eine phantastische
Vorstellung ohne unmittelbares Vorbild in der Wirklichkeit. Aber
seine Elemente müssen aus der Wirklichkeit stammen. Und in der
Tat gibt es einen Ort, wo wir sie alle beieinander finden: die
Walstatt nach der Schlacht, bedeckt mit Leichen
und mit Waffen aller Art.
Beides gehörte Odin. Daß die Leichen dem Valbognir, Valtyr,
Valgautr, ValfQör zufallen, dafür sind die Belege bekannt. Ich er-
innere an Egils Odins eiki ‘Odins Eichwald’, eine Bezeichnung der
fallenden Kriegerschar (fell, Ho£. 8). Der Kampf galt als eine
Veranstaltung Odins, der sich Beute verschaffen wollte. Man kam
ihm entgegen und bewarb sich um seine Hilfe, indem man ihm das
29 —
feindliche Heer weihte. Dabei dachte man aber sicherlich nicht an
nackte Leichen, sondern an Krieger in voller Waffenrüstung. Dies
liegt eigentlich schon in dem Gedanken selbst, denn zum Krieger
gehören die Waffen. Die Häkonarmäl bestätigen es durch die Be-
schreibung der nach Walhall Ziehenden in Strophe 9, das Helgilied
durch die blutige Brünne des rückkehrenden Odinshelden. Aber dem
Gotte fallen auch unmittelbar Waffen in Menge zu, so gut wie einem
irdischen Sieger. Hierfür brauchen wir uns nicht auf die dänischen
Moorfunde der Völkerwanderungszeit zu berufen, die nach der von
Sophus Müller neu begründeten Auffassung Siegesopfer an die Götter,
also doch wohl an den Kriegsgott, darstellen*. Wir haben unver-
dächtige Zeugnisse an den Kenningar der Skalden: Hropts. hialmeldr
‘Odins Helmfeuer’ d. i. Schwert, hialdrgods hlıf ‘“Odins Schutz’ d. i.
Schild, vädir Vdfadar, Bundar gräkledi ‘Odins (graue) Gewänder’
d. i. Brünnen. Solche Ausdrücke begreifen wir, wenn wir annehmen,
daß sie ursprünglich in solchen Zusammenhängen zu Hause gewesen
sind, wo von Spalten, Zerbrechen oder Zerschneiden und von dem
Fall des Trägers die Rede war, also in Fällen wie ‘so biß da das
Schwert in Odins Kleider’ (Eyvindr). Hier war der Zusatz ‘Odins’
proleptisch wie in ‘Odins Eichwald’ bei Egill: ‘Odin verfallen‘
oder ‘Odin gehörig’, wie eine verkaufte Ware dem Käufer gehört,
auch ehe sie tatsächlich in seiner Gewalt ist, und wie man dem Feinde
vor der Schlacht droht ‘Odin hat euch alle!” (Flateyiarbök 2, 72 =
Fornmannasög. 5, 250). Später hat man umgedeutet und den Namen
des Gottes als das verdeutlichende Element schlechtweg betrachtet,
das zu einer schulgerechten Kenning gehört, ohne daß man noch
wußte, ob Odin die betreffende Waffe getragen oder geschenkt oder
verfertigt hatte oder wie sein Verhältnis zu ihr sonst zu denken sei ®.
In den Grimnism4l heißt der in Walhall thronende Gott vdpngofugr
‘waffenreich’. Sein Überfluß an Waffen rührt daher, daß die Welt
voll von Kämpfen ist und schon ungezählten Händen Schild und Speer
entsunken sind. Wie ein Mann, der über die Walstatt geht und späht,
was er Brauchbares finde, so sammelt Odin alle die herrenlosen
Schilde und Speere, und er baut daraus eine große Halle, in der er
mit den Schlachttoten haust: Walhall. — Oder bauen die Toten
selbst die Halle, um ein Obdach zu haben ?
Jedenfalls ist sie ein Obdach. Aber an Behagen, oder Pracht
hat man dabei keineswegs von Anfang an gedacht. Die Thorkelssaga
"——
30 —
gibt uns einen Wink. Ein Dach aus Speeren und Schilden ist nur ein
Notdach, und blinkende Metallschilde liegen fern; vielmehr ist an
geflochtene und Bretterschilde zu denken, zerhauen noch dazu,
wie sie der Kampf hinterläßt. Ringbenähte Wämser sind keine Polster
für Selige. Der Tote sitzt so hart auf ihnen, wie er sterbend auf ihnen
lag und wie sie ihn im heißen Kampfe drückten. Und so ist seine Lage
auch sonst ungefähr dieselbe geblieben. Walhall ist ein als
Halle stilisiertes Schlachtfeld.
IX.
2
Die Halle als Totenwohnung hat in den J enseitsvorstellungen
unserer Vorfahren eine herrschende Rolle gespielt. Hel versammelte
ihre bleichen Gäste in einem Hause. Die mancherlei Totenberge,
die namentlich die deutsche Volkssage kennt, sind als Behausungen
gedacht. Der Isländer Gisli Sürsson träumte kurz vor seinem Tode,
er träte in eine Halle, auf deren Boden die üblichen Feuer brannten,
und von beiden Bänken her hießen die Leute — seine Vorfahren —
ihn. willkommen (Gisla s. c. 11). Als Thorstein tödlich verunglückt
war, sah sein Schäfer eines Tages, wie der Berg Helgafell, der nahe
beim Gehöft lag, sich öffnete: drinnen brannten große Feuer, er
vernahm lärmende Geselligkeit und Hörnerblasen, und horchend
hörte er, wie man Thorstein und seine Begleiter willkommen hieß
und rief, er solle seinem Vater gegenüber im Ehrensitz Platz nehmen
(Eyrb. c. 11). Demselben Vorstellungskreise gehört das Gesicht der
Una an (Viga-Glümss. c. 19): ihrem Manne Bärör kommen Tote
entgegen, und das bedeutet sein nahes Ende; die Toten kommen aus
der Halle, in die Bärör sterben soll; sie wollen den Ankömmling
begrüßen, ebenso wie den König Eirkkr, der in Walhall einzieht,
Sigmundr und Sinfiotli, den Häkon Hermödr und Bragi empfangen.
Für den Germanen in seinem unwegsamen Lande und rauhen
Klima lag ein Trost darin, die Seinen unter Dach und Fach zu wissen
und damit zugleich an einem Orte, der sie nicht zu unerwünschter
Rückkehr trieb! Obdach, Wärme und N ahrung brauchte ja der
Wanderer am dringendsten, zumal der Tote, der überall auf der Erde
unter Kälte und Hunger zu leiden hat, und nun gar der gefallene
Krieger, der unbestattet blieb und ohne Wände und Dach der Witte-
rung und den Raubtieren preisgegeben wäre. Er hatte am ehesten
ol
Anspruch auf ein Heim, wenn auch nur ein kümmerliches, das sich
trotz seiner Größe zu dem festen Berg- oder Erdhause des daheim
Gestorbenen verhielt wie das Zelt zum Gehöft?,
Nach solchen Vorbildern und aus solchen Gedanken heraus gab
man dem valr seine Halle. Die so entstehende Walhall trat als ein
neues Totenhaus neben die älteren Totenhäuser. Sie unterschied
sich von ihnen dadurch, daß sie nur waffentote Männer aufnahm,
und durch ihre dazu passende Ausstattung.
Ähnlichen Beschränkungen unterlagen jedoch, wie wir annehmen
müssen, die Totenhallen schon vorher. Der Gedanke eines allgemeinen
Totenreichs, in das ‘alle Menschen’ kommen, muß für relativ spät
gelten®*, Ein Begriff, der im Diesseits keine Rolle spielte, kann für
das Jenseits unmöglich Bedeutung gehabt haben. Und das Leben
der Germanen zerfiel ja in viele kleine Kreise, die wenig oder keine
Gemeinschaft miteinander hatten. Jeder Kreis, jede Sippe hatte
eigene Toten, zu denen man Beziehungen pflegte und über deren
Schicksal man sich Gedanken machte. Die verstorbenen Verwandten
erschienen den Schläfern im Traum und riefen sie zu sich in ihre Halle.
Die Ahnenhalle hat gutes Anrecht darauf, als eine der ältesten
Formen germanischen Jenseitsglaubens zu gelten, mögen auch Gisli
und Thorstein erst dem letzten Jahrhundert des nordischen Heiden-
tums angehören.
Die Vorstellungen gewannen dadurch noch an Bestimmtheit
und Ausschließlichkeit, daß sie oft lokalisiert waren. Manche alt-
isländische Familie hatte ihren Totenberg in der Nähe des Hofes
(so auch die des Thorstein von Helgafell).
Es erscheint zweckmäßig, das Verhältnis der Walhall zu diesen
Totenheimen erschöpfend auszudrücken. Walhall hat ihnen gegen-
über seine feststehenden Besonderheiten. Erstens ist es keine Halle im
Berginnern, denn es hat nicht bloß einen Deckenschmuck, sondern
ein wirkliches Dach; nicht zu reden von der Ziege Heidrun. Dem-
gemäß ist Walhall auch nicht irdisch lokalisiert. Und damit hängt
endlich drittens zusammen, daß die Beschränkung, die für Walhall
gilt, anderer Art ist, mit der jener Familienheime sich zu kreuzen
scheint: dorthin gelangten alle Mitglieder einer Sippe, nach Walhall
die Waffentoten.
Danach ist klar, daß die Verwandtschaft nicht als direkte
Abstammung — etwa der Walhall von den Totenbergen — gedacht.
32
werden kann. Was die besprochenen Vorstellungen mit Walhall
gemein haben, beschränkt sich darauf, daß sie Totenhallen sind.
Wollen wir Walhall erklären, so müssen wir uns vor allem nach einer
Erklärung für seine kennzeichnenden Sondereigenschaften umsehen.
Name und Bauart der Walhall haben uns gezeigt, daß sie von
jeher eine Halle für Waffentote gewesen ist. Sie ist dies auch in den
Quellen, Nicht in dem Sinne, daß nach irgend einem Zeugnis Toten
anderer Todesart der Eintritt verweigert worden wäre. Derartiges
dürfen wir bei der Eigenart der Überlieferung nicht erwarten. Wohl
aber so, daß in den älteren Denkmälern überall die Gleichung “Walhall-
gäste = waffentote Männer’ deutlich lebendig ist und nirgends
Angaben begegnen, die ihr unzweideutig zugunsten des allgemeinen
Totenreichs widersprechen, Als solche ältere Denkmäler sind zu
nennen die heidnischen Gedichte Eiriksmäl und Häkonarmäl, Helgis
Tod, die Grimnismäl, auch die Vafprüonismäl mit ihren Einherier-
strophen. Noch Snorri weiß, ‘daß alle die Männer, die seit dem
Anfang der Welt in der Schlacht gefallen‘ sind, jetzt bei
Odin in Walhall sind’ (Sn 38, vgl. 25), und dasselbe wissen noch
die Volsungsrimur.
Jedoch hat man es mit dem in der Schlacht gefallen’
nicht immer genau genommen. Häkon von N. orwegen, den seine
Krieger nach ‘“Walhall wiesen’ und den der Skalde dort einziehen
ließ, war nicht d val gestorben, sondern fern von der Walstatt an den
im Kampfe davongetragenen Wunden. Die tödlichen Kampfwunden
sind. hier das entscheidende (die Fagrskinna hebt es ausdrücklich
hervor). Ragnarr loöbrök in den Kräkumäl hat, streng genommen,
nicht einmal diese aufzuweisen, In der Schlacht, wo ihn die Übermacht
endlich gefangen nahm, war er unverletzt geblieben (Ragnarssaga).
Erst die Giftschlangen bringen ihm den Tod, und doch hofft er auf
Walhall. Ragnars Unverwundbarkeit ist ein Stück seines Heldentums,
und eben das Heldentum macht ihn der Aufnahme in Walhall würdig.
So dürfen die Schlangenzähne die Schwerter vertreten. Verblutet
nun doch auch Ragnarr als Opfer seiner Feinde, so gut wie seine auf
der Walstatt getöteten Krieger.
Anders steht es mit Sinfiotli, der nach den Häkonarmäl neben
Sigmundr in Walhall auftritt. Er war nach der Sage von seiner
Stiefmutter vergiftet worden. Der Dichter dürfte dies gewußt haben,
aber er sieht darüber hinweg, weil er ein leuchtendes Heldenpaar
83 —
braucht, dessen Glanz den geschiedenen Häkon umstrahlen soll.
Daß Walhall auch für ihn die Halle der Schlachttoten war, zeigt
deutlich Häkon selbst, der gegen die geschichtliche Wirklichkeit
von der Walstatt abgeholt wird. Aber die Schlachttoten sollen zu
Odinshelden erhöht werden; das veranschaulicht Sinfiotli,
der einst vom göttlichen Stammvater heimgeholte Volsung.
Auch ohne Sinfigtli wäre es deutlich, daß Walhall nicht nur
das Jenseits der Waffentoten ist, sondern daß eine andere Anschauung
daneben gegolten hat: nach Walhall kamen die toten Könige und
Helden. Das sind zwei verschiedene Walhallbilder, die verschiedener
Herkunft sein müssen, so unleugbar es ist, daß sie oft genug in
eins verfließen konnten, weil es ja das gewöhnliche Schicksal des
altgermanischen Fürsten war, in der Blüte seiner Jahre von Feindes-
hand zu fallen (die Könige von Norwegen, wie sie die Heimskringla
vorführt, sind gute Beispiele). Eben dies hat die Vermischung be-
fördert und erklärt, warum man sie niemals klar erkannt hat. Daß
sie gleichwohl vorhanden ist, verrät sich in den widerspruchsvollen
Lehren über Walhall, zumal in jener ‘Kritik’, die die ‚Beschränkung
auf die Waffentoten “nicht glücklich’ fand und die Aussagen der
gewichtigsten Zeugen als gelehrte Spitzfindigkeiten hinwegdeuten
wollte.
Mehrere der Stellen, die man gegen die Beschränkung der Walhall
auf die Waffentoten anzuführen pflegt, nennen den Namen Walhall
überhaupt nicht, sondern lassen den Toten ‘zu Odin kommen‘.
Nun ist unzweifelhaft, daß ‘zu Odin kommen’ und ‘nach Walhall
eingehn’ manchmal dasselbe bedeutet. Wenn etwa Kormäkr sagt:
‘bald hätte ich bei Odin im Ehrensitze Bier trinken können’, so
schwebt ihm gewiß Walhall vor; der Helgidichter spricht von ‘Odins
Sälen’ und meint ohne Zweifel Walhall; Eyvindr setzt ‘zu Odin reisen’
und “in Walhall wohnen’ variierend nebeneinander, und ebenso
noch die Gautrekssaga, deutlich archaisierend, fara til Ödins und fara
til Valhallar (ed. Ranisch 5 f.). Aber daraus folgt nicht, daß eine
solche Gleichung ohne weiteres überall vorauszusetzen sei. Zumal
die älteren Quellen verdienen es, genau daraufhin geprüft zu werden,
ob sie einem solchen Schluß günstig sind. '
Egill im Sonartorrek denkt sich den ertrunkenen Sohn ‘in
das Gehöft am Bienenweg’ gekommen (Strophe 18); seinen andern
Sohn, der früher an einer Krankheit starb, hat Odin in das Götter-
Neckel Walhall.
34
heim hinaufgehoben ( Godheim, Str. 21). Diese Wendungen klingen
anders als die seines Zeitgenossen Eyvind. Beachten wir den Sprach-
gebrauch der andern poetischen Quellen und Snorris, so werden wir
uns nicht leicht entschließen, das Fehlen des Wortes Valhgll hier
für Zufall zu halten. Egill spricht statt dessen von Godheimr, weil
er keinen Waffentod im Auge hat. Seine Söhne kommen zwar zu
Odin, doch nicht in die Walstatthalle. Erst in späten Sagas (Gautrekss.,
Niäla) erscheint diese Halle ihrer Waffen- und Blutassoziationen ent-
kleidet.
Das Ynglingatal berichtet auf Grund alter schwedischer
Überlieferungen, daß einige* Könige von Uppsala, die nicht im Kampfe
gefallen waren, zu Odin kamen. Wiederum haben wir allen Grund,
mit der Unterschiebung von Walhall vorsichtig zu sein. Eher ist
es erlaubt, die SveigÖirgeschichte der Ynglingasaga (c. 8) als Kom-
mentar heranzuziehen. Diese bezeugt, daß für die Schweden ebenso
wie für den Isländer Egill Odin in GoSheimr wohnte®.
Es bleibt also dabei: Wo immer bei Dichtern oder bei Snorri
der Name Walhall auftritt, ist die Vorstellung des Schlachtentodes
vorhanden, Dies gilt auch von Eyvinds Häkonarmäl. Hier erscheint
jedoch mit der Valholl im eigentlichen Sinne eine andere Vorstellung
verschmolzen, die des Odinshauses für Helden und Könige. Bei
andern heidnischen Skalden treffen wir diese Vorstellung isoliert.
Dieses Verhalten der Quellen berechtigt uns, überall da die volle
Walhallvorstellung vorauszusetzen, wo der Held im Kampfe fällt,
auch wenn der Ausdruck Valholl fehlt (so besonders im Helgiliede,
auch in den Kräkumäl). Andererseits nötigt es uns zu dem Schluß,
daß da, wo diese Bedingungen nicht erfüllt werden, mehr oder weniger
große Teile jener Vorstellung abwesend sind. Was diese Abwesenheit
bedeutet, darüber soll das Folgende noch etwas lehren.
Walhall ist somit wirklich die ‘Halle der Schlachttoten’ gewesen.
XV.
Was dies in abstracto — sozusagen dogmatisch — bedeutet,
sagen uns Grimnismäl und Gylfaginning: jeder, der in der Schlacht
fällt, hat Anwartschaft auf ValhQll. Dichte Scharen ziehen täglich
dort ein, daher ist die Halle riesengroß und braucht Hunderte
von Toren.
35 —
Ist aber diese Vorstellung die ursprüngliche? Können wir an-
nehmen, derjenige, der zuerst von ValhQll sprach oder sang, habe
einen so umfassenden, so dogmatischen Begriff ausdrücken wollen ?
Mir scheint, die verbreitete Ansicht, die Valholl aus dem Ge-
danken eines allgemeinen Totenreichs entspringen läßt, hat eine
ihrer Voraussetzungen darin, daß man sich diese Fragen gestellt
und sie — mit Recht — verneint hat. Das Totenreich löst die Schwie-
rigkeit nicht. Damit ist nichts gewonnen, daß man die Schranke,
die man als künstlich und sekundär erkennt, einfach wegdenkt.
Es kann sich nicht darum handeln, den Namen Lügen zu strafen,
sondern nur darum, ob er nicht einst einen andern, primitiveren
Sinn gehabt hat.
Nur an der Hand des Namens können wir hoffen, in das vorge-
schichtliche Dunkel vorzudringen. Die unentbehrlichste Hilfe dabei
leisten uns sachliche Parallelen.
Machen wir also Ernst mit der Deutung des Namens Val-holl,
so scheint es auf der Hand zu liegen, daß walr in dieser Zusammen-
setzung anfänglich nichts anderes bezeichnet hat; als sonst, nämlich
eine Walstatt mit ihrer Last. Der Gedanke des Wortschöpfers
war nicht ‘alle Gefallenen sind in jener Halle’, sondern ‘diese
Gefallenen sind dort’; “unsere Gefallenen von heute‘ — oder
von neulich — leben dort fort’. Dieselbe — die entsprechende —
Vorstellung konnte sich auch bei späteren Gelegenheiten an das Wort
knüpfen. Aber bei häufigerem Gebrauch ergab sich von selbst die
Verallgemeinerung. Man dachte sich den neuen Gast durch ältere
Gäste empfangen wie in den Ahnenhallen und dachte sich die Schar
ins Unendliche wachsend. Odin sammelte Mannschaft.
Zum ältesten Bestande der germanischen — wie sonstiger —
Jenseitsvorstellungen gehört der Gedanke: Was zusammen stirbt,
bleibt auch nach dem Tode beieinander. Wie der Tote im Jenseits
seine Rüstung anbehielt, so behielt er auch den Kampfgenossen,
der an seiner Seite gefallen war, neben sich, ebenso wie der Fürst,
an dessen Leiche man seine Knechte und sein Roß schlachtete,
von diesen begleitet blieb. Das Mädchen, das nach Ibn Fadhlans
bekanntem Bericht dem warägischen Häuptling nachgeopfert wurde,
rief: ‘Siehe, dort ist mein Herr, er sitzt im Paradiese . . Bei ihm
sind seine Männer und Knaben. Er ruft mich, so bringt mich
denn zu ihm?” Der Isländer Thorodd war mit fünf Knechten bei
Ye
36
einer Bootsfahrt ertrunken; die Leichen fanden sich nicht; aber
als die Leute beim Erbbier des Bauers saßen, kamen die sechs
Toten im ihren nassen Kleidern in den Saal; Rän hatte ihnen
Urlaub gegeben (Eyrb. c. 54, vgl. Laxd. c. 76). Die Gefolgsleute, die
sich über ihrem toten Herrn erschlagen ließen, hofften sich damit
für immer einen Platz in seiner Nähe zu sichern.
Was von kleinen Gruppen gilt, das gilt von den größten. Die
Hunderte von Leichen, die ein Schlachtfeld bedeckten, blieben
ebenfalls ein Ganzes, ‘Wo könnte eine Unterwelt sein, groß genug,
um solch eine Menge von Erschlagenen zu fassen?” haben nach
Widukind 1, 23 die mimi ausgerufen angesichts einer blutigen Nieder-
lage der Franken: Die bewaffnete Reiterschar der Ekkehardischen
Weltchronik a. 1123 (Mon. Germ. Ser. 6, 2611), die aus einem Berge
kommt, hat sicherlich in einer bestimmten Schlacht gekämpft und
sich verblutet. Nach einer hessischen Sage, die noch im 19. Jahr-
hundert lebte, ist König Karl am Abend einer großen Schlacht mit
seinem ganzen Heere in den Odenberg eingegangen (Grimm
Myth. 891. Fr. Ranke Dtsch. Sagenbuch 4, 98). Ähnliche Sagen
hat man in Skandinavien?.
Solche Vorstellungen sind es gewesen, die in der ältesten Walhall
Ausdruck fanden®. Die angeführten deutschen. Überlieferungen
veranschaulichen uns recht gut den zu erschließenden ursprünglichen
Inhalt dieses Begriffs: die Einheit des individuellen valr jenseits des
Todes. Die süddeutschen. Sagen unterscheiden sich aber durch ihre
festen Örter, die verhindert haben, daß auch hier ein überindividuelles
Heim der Waffentoten entstand. Demgegenüber haben wir im
Norden den Namen, der weder mit einem Berge noch sonst mit
irgend einer irdischen Örtlichkeit etwas zu tun hatte, sondern nur
mit dem valr. Wo die Halle des valr liege, brauchte man sich
anfangs gar nicht zu fragen. Die Phantasie konnte sich an den
Innenraum heften, den Saal mit den Langfeuern, um die die fröstelnden
Toten sich scharten. ;
Aber nicht immer braucht dieses Bild lebendig gewesen zu
sein. Man konnte den Namen Walhall auch gebrauchen, ohne sich
das Jenseits, das er bezeichnete, irgendwie auszumalen. Es war
schlechtweg das Jenseits des valr; eine Halle nur, weil eben die
Toten in Hallen wohnten. Ob der Schöpfer des Namens sich nur dies
gedacht hat oder mehr, ob ihm schon die Speer- und Schildhalle
_— 37 —
vorgeschwebt hat, bleibt unentschieden. Es genügt uns, zu erkennen,
daß schon seine Zeitgenossen diese Vorstellung haben konnten.
XL.
Walhall wurzelt in den primitivsten Vorstellungen vom Leben
nach dem Tode, die wir bei den Germanen antreffen. Diese Vor-
stellungen sind ganz allgemein dadurch gekennzeichnet, daß die
Identität zwischen dem Toten und demselben Menschen bei Leb-
zeiten viel weiter geht als im neueren europäischen und z. B. auch
im homerischen Jenseitsglauben. Nicht ein Bild oder ein Extrakt
des Menschen dauert nach dem Tode fort. Der heidnische Germane
wußte nichts davon, daß er eine Seele habe, die länger zu leben
vermöge als der Leib. Er sah sich selber überhaupt nicht derart
gespalten. Er war sich Thorstein oder Gisli, und als solcher über-
lebte er den Tod, ein körperhafter Mensch, eine lebende Leiche.
Lebende Leichen sind Häkon und Helgi Hundingsbani und über-
haupt alle Krieger, die in Walhall hausen.
Der Rahmen dieser Arbeit verbietet es, das ganze einschlägige
Material und die mancherlei Fragen und Folgerungen, die sich daran
knüpfen, hier aufzurollen. — Alle Zeugen aus älterer Zeit sind darin
einıg, daß der Tote, obgleich stark durch den Tod beeinträchtigt,
doch er selbst bleibt, ein belebter Körper mit ähnlichen Bedürfnissen,
Trieben und Fähigkeiten wie vor dem Tode. Am anschaulichsten
äußert sich dieser Glaube in den Grabraub- und Wiedergänger-
geschichten ‚und verwandten Überlieferungen der altisländischen
Literatur! Hier tritt der Tote besonders gern als handfester Ringer
auf; in eiher älteren Erzählung (Aswitus, bei Saxo) auch als gieriger
Fresser, was unmittelbar zusammenhängt mit der weitverbreiteten
Sitte, dem Toten Speise und Trank mitzugeben. Daß diese Fabulistik
im Volksglauben wurzelt und die Konzeption des Toten von dort
entlehnt, unterliegt keinem Zweifel. Wird uns doch derselbe Glaube
z. B. auch durch Rechtsbräuche verbürgt. Das ‘rechtliche Fortleben
des Toten’, das bei Nord- und Südgermanen eine große Rolle spielt,
hängt in älterer Zeit oft greifbar zusammen mit der ‘naiven und
derbsinnlichen Form’ des germanischen Unsterblichkeitsglaubens?.
Ich erinnere nur an das Bahrgericht (Grimm RA 2, 593): der
Tote erkennt seinen Feind, und der aus der Erinnerung erwachende
38
Groll Jäßt die Wunden neu bluten. Auch andere abergläubische Sitten
reden eine deutliche Sprache. Bei Burkhard von Worms liest man:
fecisti et consensisti quod quidam faciunt homini occiso cum sepelitur.
dant ei in manum unguentum quoddam, quasi illo unguento post
mortem vulnus sanari possit, et sic cum unguento sepeliunt (Grimm
Myth._3, 408, vgl. dazu Rittershaus Neuisländ. Volksmärchen 375).
Diese Anschauungen sind viel älter als das Germanentum. Sie
finden sich in älteren Kulturen verwandter und unverwandter Völker
und sind weit verbreitet bei den sogenannten Naturvölkern. Sie
dürfen zu der untersten Schicht menschlicher Religion gerechnet
werden.
Der primitive Mensch kann sich nicht vorstellen, daß das Leben
aufgehört hat, mag auch der Körper regungslos und kalt sein. Er
weiß, man kann eiskalt an allen Gliedern sein und doch leben; der
Fisch atmet nicht und ist gleichwohl lebendig; und daß Bewegung
und. Stimme nicht für immer dahin, vielmehr nur vorübergehend
gehemmt sind wie im Schlaf und in der Betäubung, davon überzeugen
ihn seine lebhaften Träume, Es liegt ihm sehr fern, den Toten, der
ihn nachts besucht, für eine körperlose ‘Erscheinung’ zu halten.
Nicht das ‘Bild’ oder den ‘Schatten’ des Verstorbenen glaubt er zu
sehen, sondern einfach diesen selbst? Ein Bild könnte ja auch
weder sprechen noch würgen und drücken oder sonst körperlich sich
‚austoben, wie die Wiedergänger so oft tun, und weswegen sie so
gefürchtet sind.
Darum tut man dem Toten Speise und Trank (Blut oder einen
roten Ersatz dafür) in sein Grab und sorgt auch sonst für ihn, oft
mit dem Aufwand von viel Zeit und Arbeit. Er soll sich so wohl
fühlen, wie es ihm als Gestorbenem möglich ist, damit er nicht auf
den Gedanken kommt, an seine alten Plätze zurückzukehren und
die Lebenden zu belästigen und zu quälen. Für den Fall, daß er
dies doch versuchen sollte, errichtet man Hindernisse aus Steinen
und Erde. Oder man wendet geradezu Gewalt wegen ihn an: fesselt
ihn an allen Gliedern; heftet ihn mittelst eines durch die Brust ge-
triebenen Pfahls an den Boden, daß er nicht aufstehen kann? ;
zerschmettert seinen Schädel, weil das den menschlichen und tierischen
Feind am sichersten unschädlich macht verbrennt ihn und streut
die Asche ins Meer, so daß die Teile gewiß nicht wieder sich zu
einander finden.
39. —
Diese und viele ähnliche Bräuche verstehen wir nur, wenn wir
uns hineinversetzen in die Anschauungsweise des Primitiven, der die
für lebendig gehaltene Leiche und die Erfahrungen des Traums
unmittelbar aufeinander bezieht und auf dieser Gleichung mit wunder-
gläubiger Phantasie weiterbaut. Nicht bloß die bildnisartige Traum-
vision wird in dieser Weise gedeutet. Sie kann ersetzt werden durch
dumpfere Eindrücke, die dann interpretiert werden nach den Vor-
stellungen, die man vom inneren Wesen des Toten sich gebildet hat.
So wird der Alptraum aufgefaßt als das blutgierige Toben der Leiche,
die, immer bleich und oft verblutet, ihren quälenden Mangel auf
Kosten der Lebenden zu ersetzen sucht: der Vampyr.
In eine neue Phase treten diese Vorstellungen dadurch, daß die
Identität zwischen Leiche und Wiedergänger
gelockert wird. Der nordeuropäische Bauer, der, wenn in seinem
Hause ein Wiedergänger spukt, hingeht, das Grab öffnet und dem
Unhold zu Leibe rückt, er zweifelt nicht an dieser Identität. Aber
anderswo hat man es schon vor Jahrtausenden besser gewußt. Ob-
gleich dies nicht in Germanien war, wollen wir dabei verweilen.
Achilleus, der Männer hinstreckt als Beute für Hunde und
Vögel, tut nach griechischem Glauben damit zugleich ein
anderes: er sendet viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum
Hades (Ilias 1,3). Was ist diese Seele, die vom toten Leibe sich
trennt und zum Hades wandert ?
Odysseus erfährt es von seiner Mutter, die ihm in die Unterwelt
vorangegangen ist und dort den ausgestreckten Armen des Sohnes
‘wie nichtiger Schatten und Traumbild’ dreimal entschwebte: kein
Blendwerk ist’s, was du siehst —
Nein, so will’s der Gebrauch der Sterblichen, wenn sie verblüht sind.
Denn nicht mehr wird Fleisch und Gebein durch Sehnen verbunden;
Sondern die große Gewalt der brennenden Flamme verzehrt dies
Alles, sobald aus dem weißen Gebein das Leben hinwegfloh.
Aber die Seele verfliegt, wie ein luftiger Traum, und entschwebet.
(Odvssee 11, 218—222).
Also wie ein ‘luftiger Traum’, ungreifbar und flüchtig. Ebenso
ungreifbar erscheint Patroklos dem schlummernden Achill:
Als er dieses geredet, da streckt? er verlangend die Händ? aus;
Aber umsonst: denn die Seele, wie dampfender Rauch, in die Erde
Sank sie hinab, hell schwirrend
(Il. 23, 99 f£.).
40
Aber obwohl nur körperloser Rauch und Schatten, so überzeugt
doch diese Erscheinung den Achill fest von dem Fortleben im Hades:
‘Götter! So ist denn fürwahr auch noch in Aides’ Wohnung
Seel” und Schattengebild .. .!
Denn sie ‘glich zum Erstaunen ihm selber’. Gleich beim ersten Er-
scheinen war sie
Ähnlich an; Größ* und Gestalt und liebreichen Augen ihm selber,
Auch an Stimm? und, wie jener, den Leib mit Gewanden umhüllet.
Diese Psyche ist ein seltsames Wesen. Ihre Ähnlichkeit mit dem
Urbilde geht so weit, daß sie Stimme und Körper (x9®s) hat. Und
doch ist sie nur ein Bild (e2dwlor). Es ist in der Tat Patroklos, der
dem Freunde naht, und doch nicht Patroklos selbst.
Wir erkennen, daß es sich hier um eine andere Deutung des
Traums handelt als jene primitive, eine Deutung, die der heutigen
wissenschaftlichen schon näher liegt. Den Primitiven ist der Traum
mit dem Urbilde identisch, er ist volle Wirklichkeit; den homerischen
Griechen ist er nur noch halbe Wirklichkeit; für uns hat er die Realität
ganz eingebüßt. Aber es fällt uns nicht schwer, sowohl die primitive
wie die homerische Auffassung gewissermaßen nachzuerleben.
Beide stehen einander nicht so fern, wie es unter dem ersten
Eindruck der eindringlichen griechischen Lehre scheinen könnte,
Diese Lehre betont stark die Flüchtigkeit, Schatten- und Bild-
haftigkeit der Seelen. Wo aber das einmal zurücktritt hinter be-
schreibenden Einzelzügen, da sind die Seelen kaum zu unterscheiden
von leibhaftigen Toten. Es finden sich unter ihnen sogar Seitenstücke
zu unsern Walhallgästen mit blutenden Wunden und zerschossener
Brünne. Odysseus sieht in der Unterwelt neben Bräuten, Jünglingen,
Greisen und Kindern
Viele zugleich, verwundet von ehernen Kriegeslanzen,
Männer, im Streit gefallen, mit blutbesudelter Rüstung
(Od. 11,40 £.). Auch diese Männer scheinen geradeswegs vom Schlacht-
felde zu kommen, eine Vorstellung, die in der Ilias geradezu aus-
gesprochen wird. Dort (14, 449 ff.) ruft Polydamas, der dem Gegner
den tödlichen Speer in die Schulter getrieben hat, ingrimmig höhnend,
der Wurf sei nicht umsonst gewesen, jener habe jetzt einen guten
Wanderstab für den Gang zum Hades®, Daß auch sonst die Seelen
der Nekyia merkwürdig körperhaft erscheinen, hat schon Herbert
Spencer betont’. Alle diese Schatten haben ihre Leiber an-
41
gezogen, wenn sie nach dem belebenden Blut dürsten wie jeder Tote
und das schneidende Schwert fürchten. Agamemnon vergießt Tränen,
und seine ausgestreckten Hände können Odysseus nur deshalb nicht
erreichen, weil ihm die ‘spannende Kraft und die Stärke’ fehlen,
die er vor dem Tode hatte. Achilleus wandelt weit ausschreitend
wie bei Lebzeiten die Asphodeloswiese hinab, wie er ja auch innerlich
sich selber treu geblieben ist:
Nicht mir rede vom Tod ein Trostwort, edler Odysseus!
Lieber ja wollt* ich das Feld als Tagelöhner bestellen,
Als die sämtliche Schar der geschwundenen Toten beherrschen.
Endlich die Büßer und ihre Verwandten: Minos der Jäger
schwingt die eherne Keule; dem Tityos zerhacken Geier die Leber;
Tantalos steht lechzend im Wasser; Sisyphos wälzt mit kräftiger
Faust den Stein. Diesen Unglücklichen wird nicht bloß ‘volles und
dauerndes Bewußtsein zugetraut’®, sondern volle Menschlichkeit,
also auch ein Leib, ohne den ja ebenfalls‘ die Strafe nicht empfunden
werden könnte und also nicht ausgeübt werden würde’.
So zeigt uns Homer selbst den Weg von der Schattenseele zur
lebenden Leiche —. und damit aus.einer jüngeren Vorstellungswelt
in eine ältere. Daß der Tote so bleibt, wie er im Augenblick des
Todes aussah, dieser weitverbreitete Gedanke begreift selbstver-
ständlich ursprünglich die volle Körperlichkeit mit ein. Fußt er
doch auf einer Beobachtung am toten Körper. Diese Beobachtung
wird ergänzt durch den Traum®, der die andauernde Bewegungs-
fähigkeit des Verstorbenen lehrt. So kann Prothoenor mit der Feindes-
Janze in der Schulter zum Hades hinabgehen, obgleich das Eisen ihm
die Glieder löste und ihn regungslos auf die Walstatt bettete. Aber
mehr hat der Traum anfangs nicht gelehrt. . Wir haben allen Grund,
jene Iliasstelle wörtlich zu nehmen; nicht Prothoenors Schatten,
sondern Prothoenor selbst kommt in den Hades und bleibt dort.
Vielleicht gehören die Büßerverse der Nekyia zu den jüngsten
Bestandteilen des griechischen Epos!°. Aber das entscheidet nicht
über das Alter der Anschauungen, die ihnen zugrunde liegen. Diese
Anschauungen lassen sich vom 6. vorchristlichen Jahrhundert an,
die orphisch-hellenistisch-christliche Überlieferung entlang, hinab-
verfolgen bis in die Gegenwart. Aber sie reichen andererseits hinauf
in vorgeschichtliche Fernen. Die lebende Leiche der Urzeit hat alle
intellektualistischen, ästhetischen, spiritualistischen Anstürme über-
Cs
standen, weil der Gedanke der Jenseitsstrafen (und -freuden)
ihr zu Hilfe kam, ein ungemein keimkräftiger Gedanke, der selbst
durchaus im primitivsten Totenglauben wurzelte. Er hat jenen
Glauben so weit am Leben erhalten, als er selbst ihn deckte. Oft
genug war dieses Leben nur ein halbes Leben, zumal da, wo das Wort
und der Begriff ‘Seele’ sich ihm unterschoben. Aber daß die Un-
sterblichkeitshoffnung selbst immer wieder zu ihrem anschaulichen
Ursprung hindrängt, zeigt die Auferstehung der Toten, die heute
nicht wesentlich anders formuliert wird als von Jesaiasll
Die volkstümlichen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode
sind. auch in Griechenland immer viel naiver gewesen als die Ortho-
doxie Homers und der Philosophenschulen. Ungefähr zur selben
Zeit, wo man in Grabinschriften den Dualismus bekannte (‘der Äther
nahm ihre Seele auf, die Leiber die Erde’), spottete Aristophanes:
‘Nicht lägen wir, wenn wir gestorben sind, bekränzt da und mit
Bakcharisöl gesalbt, ginge es nicht, drunten angekommen, sofort
ans Zechen’??, Der Scharfblick des Satirikers legt hier den kindlichen
Sinn der Volkssitte hüllenlos frei.
Ähnliche Sitten gab es zur homerischen Zeit und schon früher.
Die Toten der mykenischen Periode bekamen Speise und Trank mit
in die unterirdische Wohnung. Damals dachte man also wohl noch
nicht an ein Symposion auf der elysäischen Flur, dagegen an Mahl-
zeiten des Verstorbenen im Grabe. Der Glaube, der den Toten
seinen Hunger und Durst behalten läßt, ist derselbe, der ihn seine
Todeswunde und den Speer darin zum Hades mitnehmen 1äßt. „Non
einer Seele weiß dieser Glaube nichts14.
In den schon zitierten Eingangsversen der Ilias gehen die Seelen
der Erschlagenen zum Hades, sie ‘selbst’ werden die Beute der
Hunde. Diese Flucht und Rettung des inneren Menschen vor den
Hunden ist nicht von jeher griechischer Glaube gewesen. Man sagte
sich vielmehr, den wehrlosen Toten könne unter der Erde schwerlich
etwas Besseres erwarten, als was man über der Erde so oft beob-
achtete: er mußte Raubtieren zum Opfer fallen. So fabelte man
von dem gefräßigen Hunde der Unterwelt, dem Kerberos, und von
den blutgierigen Erinyen und Keren!®, Die Erinyen kennt auch
Homer — als Rächerinnen des Meineids —, und es ist gewiß kein
Zufall, daß sie nicht die Seelen im Hades peinigen, sondern “unter
der Erde die Menschen’1s, Daß. diese Vorstellungen uralt sind,
bestätigen die nahen Parallelen bei andern, zumal indogerma-
nischen Völkern, unter ihnen der Leichendrache Niöhoggr, der Toten-
adler Hresvelgr, der Helhund, den die Vegtamskviöa mit blutiger
Brust vorführt, und die i@tnar (“Riesen’)17, Woran aber diese Wesen
sich erfreuten, das war kein totes Aas, es waren Menschen, die unter
ihren Bissen keine geringere Pein erduldeten als. im Pfuhl der Hölle.
Sonst hätte man sich für Kerberos und seinesgleichen schwerlich
interessiert. Diese Ungeheuer sind Ausgeburten der Todesfurcht.
Neben der Todesfurcht treffen wir die Furcht vor den Toten —
selbst bei Homer, der im allgemeinen nur harmlose Schatten in einer
fernen Unterwelt kennt.
‘Welch ein Mut, zum Hades hinabzusteigen, wo Tote
Wohnen ..
spricht Achill zu Odysseus. Er sagt ‘Tote’ (vexool), nicht ‘Seelen’
oder ‘Schatten’. Freilich geht es varlierend weiter ‘— Bilder (&öwha)
der Sterblichen’, so daß die Einheit der Stimmung nicht gestört
wird. Ursprünglich aber wird die Furcht kein vages Gespenstergrauen
gewesen sein, ebensowenig wie jene Sorge, die an den mykenischen
und an den nordeuropäischen Steinzeitgräbern gearbeitet hat,
luftige Schatten im Auge hatte. Vermutlich dachten sich die ältesten
Griechen ihre. Toten nicht minder gefährlich als jener Asmundus
bei Saxo, der, aus dem Grabhügel des verstorbenen Freundes gerettet,
blutend erzählt:
Laceris unguibus in me redivivus ruit Asuilt,
Stygia vi reparans post cineres horrida bella .,.
Haud impune tamen monstrifer egit;
Nam ferro secui mox caput eius,
Perfodique nocens stipite corpus
(Saxo 1, 245 f.). Das gezogene Schwert findet ja auch Odysseus
notwendig (V. 48), und auch sein bleiches Entsetzen (V. 43) und
die ernste Ermahnung an die Freunde bezeugen, daß er die Toten
ernst nimmt. Er hört in ihrem ‘grauenvollen Geschrei’ eine Gier,
die sich gegebenenfalls nicht mit dem Blut in der Opfergrube be-
gnügen würde.
Der homerische Hades als Ganzes ist kein Ort des Schreckens,
sondern des Mitleids, der milden Wehmut. Das Grausige ist ästhetisch
gemildert, das Schwere erleichtert. Wie durch einen dämpfenden
Schleier blicken wir in das Totenreich hinein. Was wir sehen, ist
U
1 Ad 93
nur ein Bild, ein Traum, ungreifbare, halbe Wirklichkeit, die wohl
ein sanftes Grauen, aber keine echte Furcht erzeugen kann. Die
Nekyia ist eine fein abgetönte Symphonie über die Nichti gkeit
des Todes: "Totsein ist nur ein unendlich matter Nachklang, ein
Schatten des Lebens. Und so heißen die Toten mit Recht Abbilder,
Schatten und Seelen. Es könnte bei der Stimmung des Ganzen kaum
anders sein, Diese Stimmung wirkt auf uns so stark, daß die Ver-
suchung entsteht, das Bild ohne Reflexion hinzunehmen und den
homerischen Glauben genießend zu teilen. Aber machen wir uns
von dem unmittelbaren Zauber der Verse los, suchen wir den Schleier
wegzuziehen, der unsern Blick kunstvoll hemmt, so erkennen wir,
daß auch dieser schöne Glaube historisch geworden ist und keinen
Anspruch erheben kann auf allgemein menschliche Gültigkeit.
Der homerische Totenglaube ist der einer vorgeschrittenen
Kultur, die in Aufklärung und ästhetischer Verfeinerung bereits
Ungewöhnliches geleistet hatte. Eine Vielheit von Faktoren hat
zusammengewirkt, um den ‘primitiven Animismus’ in freiem Spiel
zu überwinden, zu verklären und so zu verewigen. Einen Faktor
aber können wir herausheben als gewiß einen der wichtigsten, wenn
nicht den wichtigsten: die Leichenverbrennung. Diese Sitte, wahr-
SEE dd
scheinlich aus abergläubischer Totenfurcht entsprungen, hat ihren
Zweck erreicht und die Toten unschädlich gemacht. Ganz vernichten
— wie man vielleicht einst zu hoffen gewagt hat — konnte sie sie
nicht, denn der leichenbevölkerte Hades der Gräberzeit konnte
um so weniger in Vergessenheit geraten, als die Traumerlebnisse
fortdauernd. von seinen Bewohnern zeugten. Man deutete aber jene
Erlebnisse um: Der Traumgast war nur ein Ebenbild des Toten,
seine Psyche, nicht mehr er selbst, der ja verbrannt war, und diese
Auffassung wurde bestätigt durch gewisse Eigenschaften des Traums
(seine “Flüchtigkeit’), die infolgedessen besondere Beachtung fanden 18.
Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Griechen konnte bei
den Germanen eintreten. Aber wir vermögen sie nicht
nachzuweisen. Jene Vorstellungen von der lebenden Leiche,
die wir in den letzten Jahrhunderten vor Einführung des Christen-
tums finden, stimmen in der Hauptsache vollkommen zu dem
Glauben, den die Funde der mykenischen Periode und der nordeuro-
455
päischen Steinzeit voraussetzen. Wir schließen daraus auf einen
durch Jahrtausende reichenden Zusammenhang, den auch die zeit-
weilig herrschende Leichenverbrennung nicht unterbrochen haben
wird. Dies kann daran liegen, daß die Verbrennung niemals allein
herrschend gewesen ist. Wär sie es aber — in der jüngeren Bronze‘
zeit —, so fehlt es doch an festen Stützpunkten für die Annahme,
dies habe eine völlige Umwälzung der Vorstellungen vom Zustande
der Toten mit sich geführt!9. 4.00 4 CA nd
Die lebende Leiche ist ein höchst primitiver Begriff, der ver:
mutlich schon sehr früh und sehr oft Kompromisse mit der Wirk-
lichkeit hat eingehen müssen. Ein Volk, das seine Toten familienweise
in Steinkammern beisetzte, konnte unmöglich durchweg darüber
im unklaren sein, daß das Totsein einen allmählichen Verfall be-
deutet, den auch die beste Speise nicht aufhalten kann und der erst
zum Stillstand kommt, wenn nur die Gebeine noch übrig sind. Diese
Beobachtung widersprach jedoch dem Aberglauben. Man folgerte
daraus nicht, daß der Glaube unrecht habe; vielmehr muß man
angefangen haben, sein Objekt von dem bestatteten Körper zu
trennen. Dieser ging zugrunde; der Tote selbst lebte fort”. Es
war keine so scharfe Scheidung, wie dieser Satz sie formuliert. Der
Tote war ein Körper, so gut wie der, der im Grabe lag, und das Be-
wußtsein, daß beide identisch seien, daß man den Wiedergänger
im Grabe finden und dort bekämpfen könne, starb nicht aus. Aber
es war ein Geheimnis dabei — das Geheimnis der Unsterblichkeit
oder, wenn man will, der Seele. Der Tote zeigte außergewöhnliche
Kräfte schon darin, daß er räumliche Hindernisse spielend über-
wand; er zeigte sie auch darin, daß er der Verwesung standhielt,
um seinen Lebenstrieben zu genügen — oder aber darin, daß er sich
aus dem verwesenden Körper in einen andern rettete. Etwas von
Verwandlungsglauben konnte leicht in den Glauben an die lebende
Leiche eingehen 21
Wenn aber die Verwesung den Menschen nicht vernichtete, so
konnte es auch das Feuer nicht.
Vermutlich war der Leichenbrand ursprünglich als ein Abwehr-
mittel gedacht. Er sollte den Verstorbenen schnell über jenen
Zwischenzustand hinwegbringen, wo sein Fleisch schwindet und sein
Blut vertrocknet und deshalb die Gefahr groß ist, daß er kommt
und den Lebenden das ihrige raubt (Wiedergänger pflegen ja jüngst
Adels
a
hs
Zu
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46
"An
Verstorbene zu sein). Der Tote hat Ruhe, sobald er nur noch als
Gebein existiert. Das hatte im allgemeinen auch schon von unver-
brannten Leichen gegolten. Aber man war zu sehr an das Mitleben
der Toten gewöhnt, um jene Ruhe gleich Vernichtung zu setzen.
Da die meisten Toten die Lebenden nicht mehr besuchten, so mußten
sie sich wohl anderswohin gewandt haben: in ein J enseits, von wo
keine Rückkehr ist.
Der Gedanke an _Jenseitige Aufenthaltsorte kann und wird
viel älter sein als die Verbrennungssitte. ; Er ist ausgegangen vom
Grabe als der Wohnung des Toten oder der Familie. Das Grab,
das den Blicken entrückt war, wurde für die Phantasie : zu einer Stätte
selbständigen Lebens, das seine Gewähr in der diesseitigen Wirk-
samkeit der Toten hatte. Die diesseitige Wirksamkeit wurde auch
insofern maßgebend, als sie zeigte, daß der Tote nicht an sein Grab
gebunden war; das Jenseits konnte also vom Grabe entfernt liegen.
Und wie mit der Wanderung diesseitwärts bereits eine Modifizierung,
Idealisierung der Leiche gegeben war, so bedeutete auch die Wan-
derung jenseitwärts eine solche. Der Tote, der sich ins Jenseits
gerettet hatte, trotzte der Verwesung. So trotzte er auch der Ver-
brennung. Der Jenseitsbewohner des Brennalters braucht nicht
wesentlich verschieden gewesen zu sein von dem des Hügelalters.
Auch Generationen, die ihre Toten ausnahmlos verbrannten, konnten
sich diese als ‘lebende Leichen’ fortlebend denken, die Anschauungen
der Väter beibehaltend, wenn auch sie modifizierend: es handelte
sich jetzt um eine Art Auferstehung, eine Wiedergeburt, aber die
Vernichtung brauchte nicht nur die ‘Persönlichkeit’ und Porträt-
ähnlichkeit unangetastet zu lassen, der ganze Mensch mit allen
Kräften und Eigenschaften seiner Leibhaftigkeit konnte das Feuer
überdauern, wie er früher den Todesschlaf und die Verwesung über-
dauert hatte 2,
Es ist zuzugeben, daß dem Leichenbrand eine starke Tendenz
innegewohnt haben muß, das Erinnerungsbild des lebenskräftigen
Körpers auszulöschen (eine Tendenz, der der griechische Dichter
sehr bestimmten, fast polemischen Ausdruck gibt). Aber dies braucht
nur für den primitiven Furchtaberglauben folgenschwer geworden
zu sein. Die Jenseitsphantasien blieben in der Tradition der Gräberzeit
und hielten sich weiter an das Bild des eben Gestorbenen. Dafür
sprechen auch die lebenden Leichen im homerischen Hades. Die
__ 47
Hauch- und Schattenqualität der homerischen Toten ist keine not-
wendige Folge des Leichenbrands.
Ein Stück Religion aus dem Brennalter teilt Snorri in der
Ynglingasaga mit. Der auf dem Scheiterhaufen verbrannte Tote
kam mit allen seinen ebenfalls verbrannten Schätzen nach Walhall.
Je höher der Rauch sich aufschwang, um so höhere Ehre erwartete
den Toten im Jenseits. Odin selbst, der dies festgesetzt hatte, ließ
sich sterbend mit der Speerspitze ritzen und dann‘ verbrennen.
Dasselbe tat nach ihm Niogrör. Offenbar kamen beide, obgleich nicht.
im Kampfe gefallen, kraft dieses Zeichens nach Walhhall.
Daß die rituelle Speerritzung hier von euhemerisierten Göttern
erzählt wird, ist kein Grund, ihre Geschichtlichkeit als Sitte zu be-
zweifeln. Es verhält sich damit wie mit andern Angaben der Ynglinga-
saga: sie sehen echt aus, aber sie sind willkürlich angeknüpft. Die
Sitte paßt gut zu dem, was wir sonst wissen oder annehmen dürfen.
Da der Walhallgast im Kampfe gefallen sein mußte, so war eine
blutende Wunde gewissermaßen sein Eingangspaß. Diese Wunde
wurde aber nach dem Glauben derer, die ihre Toten verbrannten,
durch die Flammen ebensowenig aus der Welt geschafft wie die
Waffen und Schmuckstücke, die man dem Krieger auf den Scheiter-
haufen mitgab, oder das Schiff, das ihn tragen sollte. Nicht eine
heile, lebensfrische Schar zog durch den Brand in Walhall ein, sondern
ein blutender Troß von Toten, von draugar. Harald Kampfzahn,
den man auf der Walstatt feierlich einäscherte, war ein Walhallgast.
wie Hakon, der begraben worden war.
Seit man Walhhall als Göttersitz im Himmel dachte, führte der
Weg der toten ] Krieger durch die Luft, den Rauchwolken nach.
Daher kann ihr Blut im Walkyrjenliede die Wolken röten. Sie selbst
bleiben unsichtbar — nicht weil sie ‘Hauch’ oder ‘Schatten’ sind,
sondern weil die Toten zu den Wesen gehören, die nur sichtbar werden,
wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Wer sie aber erblickt, der
sieht sie als Menschen, als lebende Leiber. So sieht sie vor allen der
Dichter, dessen Phantasie die Hauptpflegestätte dieser Vorstellungen
184283.
Wo antike Schriftsteller und. besonders mittelalterliche Kleriker
die Toten der Barbaren erwähnen, da bezeichnen sie sie gern mit dem
ihnen seit Homer vertrauten Ausdruck als ‘Seelen’. Prokop (Goten-
1x
krieg, ed. Haury 4, 20, 48 ff.) läßt das bretonische Totenfährboot
mit Seelen (WvxXäC) beladen, obgleich es unter der Last dieser Schatten
fast bis an den Rand eintaucht — ähnlich wie das Boot, in dem der
tote Sinfigtli abgeholt wird (Edda ed. Bugge 202b). Nach Ekkehard
von Aura (ad. a. 1128) hat einer aus der bewaffneten Reiterschar,
die im Wormser Gau nächtlich umgeht, einem kühnen Frager ge-
antwortet: Non sumus, ut putatis, phantasmata, nec militum, ut
vobis cernimur, turba, sed animae militum interfec-
torum. Diese armen Seelen glühen im Feuer der Strafe; Waffen
und Pferde sind materia tormenti für sie.
Jakob Grimm bemerkte zu diesem Bericht: ‘Seelen der gefallenen,
wieder erweckten Helden, hier nur mit christlichem Auge in höllischem
Feuer geschaut’. Das christliche Auge hat noch mehr verschuldet;
es hat die milites interfecti zu animae gemacht. Diese ‘Seelen’ sind
ja recht körperhaft vorgestellt (s. o. 8. 41 £.), und doch bringt der
Ausdruck einen falschen Ton hinein, erregt fremde Gedanken-
verbindungen. Er stammt nicht aus germanischer Anschauung,
sondern ebenso wie das höllische Feuer aus der interpretatio chri-
stiana. Jakob Grimm erkannte das nicht. weil er selbst noch durch
die fremde Brille sah.
Durch die breite vergleichende Grundlage, die der Altmeister
der Germanistik seinen Schülern hinterließ, hat er das Beste dazu
getan, daß heute jeder, der will, sich überzeugen kann, wie überflüssig
und störend jene mittelmeerische Brille war und ist. Wir müssen
die heimische Überlieferung ohne Voreingenommenheit ins Auge
fassen.
Einer der wichtigsten Zeugen ist die Sprache. Man lehrt,
die germanischen Sprachen besäßen mehrere Ausdrücke für den
Begriff des lat. anima, darunter die beiden wichtigsten das gemein-
germanische Seele und. das nordische 0nd*, Sieht man näher zu,
so können diese Wörter nur bestätigen, daß es den Germanen bis
zur Einführung des Christentums fern gelegen hat, das Fortleben
nach dem Tode als ein vom Körper erlöstes Seelendasein und “Leib?
und ‘Seele’, ‘Körper’ und ‘Geist’ als Gegensätze aufzufassen.
Seele sowohl wie ond sind teils überhaupt, teils in der Bedeutung
‘Seele, besonders abgeschiedene Seele’, entweder auf geistliche und
Übersetzungsliteratur beschränkt oder zuerst in dieser belegt und
von dort weiter verbreitet. Beide Wörter ‚gehören sichtlich zu den
44
Lehnübersetzungen, deren wir auf religiös-kirchlichem Gebiete
bekanntlich eine große Menge haben.
Wollen wir den älteren Sinn eines solchen Bedeutungslehnworts
ermitteln, so sind wir in erster Linie auf das Altnordische angewiesen,
denn nur in der nordischen Überlieferung ist uns die vorchristliche
Kultur : als leidlich vollständiges, lebendiges Ganzes erhalten.
Die südgermanischen "Literaturen sind geräde in ihren “ältesten
Stadien so gut wie rein geistlich interessiert. Wo sie heimischen
Stoffen Eingang vergönnen, da handelt es sich entweder um spärliche
Reste, oder die interpretatio Romana überzieht alle abergläubischen
Elemente — sofern man sie nicht ausgerottet hat — mit einem
fremden Firnis.
Unter diesen Umständen ist es von vornherein bedeutsam, daß
das Wort Seele in den nordischen Sprachen (altnord. _säl) ein
Lehnwort ist: die Angelsachsen — vielleicht auch die
Deutsche” — haben es mit andern christlichen Begriffen den
Nordleuten vermittelt”, die es anfangs durchaus als kirchlichen
Terminus gebraucht und betrachtet haben. In den einzelnen süd-
germanischen Sprachen scheint Seele einheimisch zu sein. Wir finden
es aber auch hier lange Zeit fast nur im Sinne des christlichen Dogmas
gebraucht (sär sö sih div sela in den sind arhevit, enti si den lehhamun
lıkkan läzzit, Muspilli)l. Noch mhd. sele bezeichnet in der Regel
‘das vom Körper unabhängig existierende Wesen, namentlich also,
wo es sich um das Schicksal im Jenseits handelt’ (H. Paul); rein heid-
nische Jenseitsvorstellungen aber fanden damals keinen Ausdruck
mehr. Im Gotischen dient satwala als Übersetzung von WvyN.
Ob unter den Belegen solche sind, wo das Wort seinen heimischen
Sinn unverfälscht behielt, läßt sich nicht ermitteln. Daß es bei den
heidnischen Goten eine Beziehung auf das Leben nach dem Tode
gehabt hätte, ist durch nichts wahrscheinlich zu machen, ebenso-
wenig für die Deutschen und Angelsachsen. Der Gebrauch an einigen
altenglischen und altsächsischen Stellen und Ableitungen wie alt-
englisch säwol-leas “leblos’ sprechen dafür, daß die ursprüngliche
Bedeutung ‘Atem’, ‘Leben’ war.
Dies ist sicher der Fall bei ond. Hier handelt es sich um eine
Bildung von der Wurzel des griechischen äveuos, lat. anımus, anima,
got. uz-anan ‘ausatmen’ d. i. sterben. In den ältesten Denkmälern
und in rein profanem Zusammenhange bezeichnet ond nur den
Neckel. Walhall.
50
‘Atem’ oder ‘das atmende Etwas im Menschen’, das man beim Tode
aufgibt. Daß dieses Etwas einer selbständigen Existenz außerhalb
des Leibes fähig sei — wie das griechische zvedua —, diesen Ge-
danken, der so weit abliegt von der Vorstellungswelt aller unserer
heidnischen Quellen, finde ich zuerst in Hallfreds Erbgedicht auf
den Apostelkönig Olaf Tryggvason 2%, Niemals gilt ond für einen
"Toten’ des germanischen Volksglaubens oder für sonstige Wesen
der heimischen Mythologie ?7,
Vollends willkürlich wäre es, wollte etwa jemand got. ahma
‘nvebna’ oder westgermanisch Geist als germanische Namen der
körperfreien Seele in Anspruch nehmen (mit Tylor Primitive
Culture 1, 391). Die Tatsachen der Überlieferung sprechen wiederum
aufs Entschiedenste dagegen; sie sind hier so offenkundig, daß eine
Erörterung sich erübrigt.
Die bodenständige Art, von dem Toten zu sprechen, war die,
daß man ihn beim Namen nannte. Wie die Nekyia die Büßer in der
Unterwelt vorführt: Tantalos steht mitten im Teich, nicht ‘“Tantalos’
Psyche’, und wie schon vorher Odysseus’ Mutter und die Figuren
des Frauenkatalogs einfach als die Mutter, als Tyro, Alkmene und
die schöne Epikaste auftreten *?®, so erzählten auch die Isländer
von ihrem Landsmann, der in Dänemark den Hügel des Hrölfr kraki
und seiner Getreuen geöffnet und dem milden alten Könige Waffen
und Ringe geraubt hatte: ‘BoÖvarr wollte auf ihn los, aber König
Hrölfr wehrte ihm’.
Die einzigen Substantiva, die im Altnordischen nur dem Toten
und nicht dem Lebenden zukommen, sind daudr (= nhd. Toter,
ursprünglich ‘atemlos’ ?**) und draugr. Keins von beiden hat etwas
‘Seelisches’ an. sich. Vielmehr liegt klar auf der Hand, daß die mit
ihnen verbundene Vorstellung die der abergläubisch angeschauten
Leiche gewesen ist. Draugr meint in der Regel den Bewohner eines
Grabhügels, der immer sehr körperhaft und mehr oder minder ge-
fährlich ist. Im Hervorliede erscheint Angantyr, von
den Beschwörungen der Tochter geweckt, als draugr in der Tür des
Hühnengrabes und reicht der Furchtlosen das ersehnte Schwert.
Er zeigt dadurch, daß er nicht zu Staub geworden ist (Strophe 9)
und daß ihre Flüche auf ihn Eindruck machen, die den Toten die
Verwesung anwünschten (Str. 18) und ein Gefühl im Brustkorb,
als lägen sie im Hügel der Ameisen (Str. 10)%,
51
Weder Sprache noch literarische Überlieferung geben eine Stütze
her für die Annahme, der letzte Atemhauch habe für die germanischen
Vorstellungen vom Leben nach dem Tode etwas bedeutet. Sie lehren
vielmehr, daß unsere heidnischen Vorfahren zu der Reflexion, im
Atem, körperlos müsse der Mensch fortleben, aus eigener Kraft
nicht gelangt sind. Sie lag ihrem Denken fern, für das allezeit die
natürliche Assoziation zwischen dem Traum und dem Erinnerungs-
bild des toten Körpers im Vordergrunde gestanden hat. Ihre Toten
waren weder Hauch noch Schatten oder Abbilder, Sie lebten, ob-
gleich sie ausgehaucht hatten. —
Wir verstehen nunmehr vollends, warum Wahhall nach den
Leichen auf dem irdischen Schlachtfelde heißt. Die Identität oder
die Entsprechung, die sich darin ausdrückt, ist nur, was wir nach
der Art der germanischen Jenseitsbegriffe erwarten.
XI.
Walhall als Jenseits aller Schlachttoten war zwar kein allge-
meines Totenreich, aber es stand immerhin in den Augen eines
kriegerischen Volkes einem solchen nahe, und dies ist für die Aus-
gestaltung des Walhallbildes bedeutsam geworden.
Die gemeingermanische Verbreitung des Wortes Hölle (got.
halja ‘Hades’) und sein Vorkommen in zahlreichen Redensartenl
weisen darauf hin, daß die Vorstellungen vom Lande? der
Hel älter sind als die vom _Hause_Walhall,. Nun besteht unver-
kennbar nahe Verwandtschaft zwischen der Umgebung von Walhall
in den Grimnismäl (und anderswo) und der Unterwelt (Hel), wie sie
in Saxos Haddingssaga, auch in Snorris Edda und Saxos Thorkelssaga
geschildert wird. Den Hauptvergleichspunkt liefert der Fluß
vor dem Eingang. Daß er ein alter BestandteilderJ enseitsvorstellungen
ist, dafür sprechen die nahe verwandten griechischen Unter-
weltflüsse und die Totenwasser der. verschiedensten Völker Sy
Mannhardt und Müllenhoff, die an dem hohen Alte
der himmlischen Walhall nicht zweifelten, nahmen an, die Szenerie
sei aus der Oberwelt (Walhall) in die Unterwelt übertragen*, Aber
es kann wohl kaum bezweifelt werden, daß es sich anders verhält:
die Szenerie gehört ursprünglich dem Lande der Hel und ist erst
Später mit Walhall verknüpft worden. So erklären sich der Fluß
52
Thund und die Pforte Valgrind. Ältere Namen der letzteren
sind uns erhalten in Helgrindr und Nägrindr, wie der
Strand, auf dem sie und das Helhaus standen, wahrscheinlich
Nästrond hieß,
Einer der Faktoren, die zur Festlegung der Walhall an Hels
“Leichenstrande’ geführt haben, kann ihre Ähnlichkeit mit dem Saal
der Hel gewesen sein. Diese Ähnlichkeit war, ehe Walhall eine Götter-
halle wurde, vermutlich nicht gering. Das Behagen in Walhall war
so fragwürdiger Art, daß die Vorstellung des blutigen Todes nur etwas
schärfer ins Auge gefaßt zu werden brauchte, um die Wohnung der
Kampfgefallenen als eine Stätte der Pein erscheinen zu lassen, die
Speere des Daches als von oben drohende Geschosse. Im Helhause,
wie es Voluspä 38 geschildert wird, tropfte Gift durch das Rauchloch
herab, und ein Blick auf die Wände zeigte sich windende Schlangen-
rücken. Das ist ein stilisiertes Grab. Die Schlange heißt in der
Poesie ‘Bewohner des Grabes oder Grabhügels’ und einmal auch
‘der Unterwelt’ ((Iyngfiskr langr lands Haddingia, Guör. II). Daß
man aber sogar zwischen diesem Schlangensaal und der Speerhalle
keinen Wesensunterschied zu empfinden brauchte, das veranschaulicht
uns Saxos Thorkelssaga, die ihre Unterweltshalle aus Stücken
beider zusammensetzt. Auf jeden Fall liefert die Tatsache, daß man
Walhall und Helhaus einmal vermischt hat, ein vollgültiges Zeugnis
dafür, daß von einem ursprünglichen Stimmungsgegensatz, wie
etwa zwischen dem christlichen Himmel und der christlichen Hölle,
nicht die Rede sein kann®. £
Man hat die Schilderung der Walhall in den Grimnismäl so auf-
gefaßt, als ob hier Walhall in der Unterwelt gedacht wäre 6 Hier-
gegen spricht entscheidend die ganze Haltung und Ausdrucksweise
des Denkmals, die bei den Götterwohnungen und also auch bei Walhall
nicht an die dunkle Unterwelt denken läßt. Schon Ortsnamen wie
Glaösheimr und gar Himinbi@Qrg sagen eigentlich genug.
Die Asen versammeln sich an der Weltesche; aber Hel, wie auch das
Reifriesen- und das Menschenland, liegen unter den Wurzeln der
Weltesche. Odins Verkündigung nimmt ihren Standpunkt hoch oben
über der Welt. Er kennt die Schlangen und den Drachen, die unten
an Yggdrasill nagen, aber er sieht auch den Adler oben auf dem
Wipfel, er übersieht die weite Erde mit Meer und Gebirgen, er kennt
die Sonnenrosse und den Sonnenschild und den Ursprung aller Ge-
583 —
wässer, die sich zu den Menschen und ‚weiter zur Hel hinab ergießen.
Aus den 640 Toren von Walhall sollen beim Weltende die Krieger
ziehen, um gegen den Wolf zu streiten: findet dieser Kampf im Lande
der Hel statt? sind Odins Raben in ihrem täglichen Erkundungsflug
auf die Unterwelt beschränkt, oder müssen sie sich von dort jedesmal
den Weg durch die finstern Täler auf die Oberwelt suchen ? Offenbar
verteilen die Grimnismäl Asen und Riesen ganz ebenso im Welt-
gebäude wie die VOluspä. Es wäre seltsam und ohne Gegenstück,
wenn diese Hauptquelle des Walhallglaubens mythologisch die be-
hauptete Sonderstellung einnähme.
Die Grimnismäl versetzen Walhall nicht in die Unterwelt,
sondern sie heben das höllische Territorium in den Himmel hinauf.
Das kann schon an sich schwerlich eine N. euerung des Dichters sein ?,
Er hätte sich in einen so schroffen Widerspruch zu den Anschauungen
seines Publikums gesetzt, daß sein Werk um seine beste Wirkung
gekommen wäre. Auch ist es innerlich höchst unwahrscheinlich,
daß ein eddischer Dichter, zumal einer, der so in der breiten Mythen-
tradition schwimmt wie dieser, sich der Tradition derart frei gegen-
übergestellt hätte. Man wird nicht einwenden, er scheine ja durch
die drei val-Komposita in Strophe 21—23, zumal durch das Umtaufen
der Helgrind in Valgrind die Verschiedenheit seiner Stätten von
denen der Unterwelt zu betonen. Thund kann kein von ihm erfun-
dener Name sein, und valgrind kommt schon in einer Kenning bei
Eyvindr skaldaspillir vor (s. o. S. 15). Der Begriff ist also in dieser
Form alt. Für älter als Eyvindr dürfen wir die Grimnismäl nicht
halten. Rückte aber jemand das Denkmal in die heidnische Zeit
hinauf, so wüchse das Bedenken gegen die eigenmächtige Umge-
staltung der Mythologie. Diese Umgestaltung muß der Dichter schon
überkommen haben. Er will nichts Neues lehren, nur Bekanntes
verdeutlichen und eindrucksvoll darstellen.
Diese Auffassung finden wir von außen bestätigt.
At
A
fr
Unsere besten Zeugen für die Walhallvorstellungen des 10. Jahr-
hunderts sind Eir ik smäl und H äkonarmä 1 Kennen
diese Gedichte die höllische Geographie? Die Antwort auf diese
Frage muß die Absichten und den Plan der Dichter berücksichtigen,
Für Eyvind ist klar, daß seine Konzeption sich in. ganz andern
Bahnen bewegt als die Grimnismäl. Dort waten die Toten mühsam
54
durch den Strom der Valgrind zu, während die Walkyrjen drinnen
in der Halle dem Göttervater das Horn reichen. In den Häkonarmäl
erscheint der König, von den Walkyrjen auf Odins Befehl geleitet,
im Saal. Odin spricht zu Geirroör, den er demütigen will, anders
als der Skalde zu den Erben des gefallenen Königs. Der Gegensatz
ist nicht bloß ein Gegensatz der Stimmung, sondern deutlich auch der
Vorstellungen. In den Häkonarmäl gibt es keine Walhallschranken.
Die Walkyrjen reiten den Luftweg entlang ungehemmt wie der heim-
kehrende Helgi. Gleichwohl kann der Dichter natürlich nicht bloß
die Valgrind. — die er anderswo nennt —, sondern auch den Fluß
gekannt haben. Er hat sich dann über diese Dinge hinweggesetzt,
um seinem Walkyrjenritt Raum zu schaffen. Diese Auffassung emp-
fehlt sich auch insofern, als alles darauf hinweist, daß die unlustigen
Farben im Walhallbilde die älteren sind. Sie sind nach und nach
mit verklärendem Pinsel übermalt worden. Keinem lag dieser Pinsel
näher als dem Dichter eines Erbgedichtes auf einen Fürsten. Das
überlieferte Material ® spricht nicht dagegen, daß Eyvind, angelehnt
an die Eiriksmäl, überkommenen Sprachgebrauch und primitiveren
Glauben (unten c. XVI), das Walkyrjengeleit als erster dargestellt
und dadurch zwar nicht in die Jenseits- wohl aber in die Walhall-
vorstellungen eingeführt hat. Damit tat er einen wichtigen Schritt
auf dem Wege zur Verselbständigung der Walhall gegenüber dem
Helreiche. Die ältere Vorstellung von dem langen, beschwerlichen
Wege der Toten blieb daneben lebendig und hätte eines Tages einem
isländischen Antiquar Stoff liefern können zu der Lehre, daß zwei
Wege nach Walhall führen, einer für Könige und Helden, der andere
für die Menge der namenlosen Krieger. Vielleicht ist eine solche
Lehre nur deswegen nicht aufgestellt worden, weil der Fürst an der
Spitze seines Heeres einziehen muß.
Diese Vorstellung ist klar ausgedrückt in den Ei riksmäl.
Der Fürst reitet an der Spitze von fünf konungar und — wie wir
ergänzen müssen — deren Mannen?. Von Beschwerden unterwegs
verlautet auch hier nichts. Die Szene bleibt durchaus innerhalb
Walhall. Aber man hört draußen‘ das laute Donnern der heran-
reitenden Scharen, und wir bekommen den Eindruck, daß Eirikr
nicht bloß als Held empfangen und geehrt wird, sondern wirklich
noch ein Held ist wie bei Lebzeiten. Der Gedanke an Leiden liegt
weit ab, viel weiter als in den Häkonarmäl. wo er in der Schilderung
55
der Walstatt und des blutberonnenen Gastes sogar. grell durchbricht.
Und doch ist ein Stück Helgeographie zur Stelle. Odin fragt: ‘Was
donnert dort, Bragi, als wenn eine Tausendschaft zittert (bifisk )
oder eine allzu große Schar ?’
‘“Zittert’ ist auffallend und in der Tat bisher unerklärt !°.
Es erklärt sich aber daraus, daß Snorri eine Himmelsbrücke Bifr ost,
“Zitterstraße’, kennt. In der Lieder-Edda heißt sie Bilr Ost,
‘schwankende Straße’. Nach Fäfnismäl 14. 15 reiten die Asen über
sie zum Kampfe mit Surtr, unter den Hufen ihrer Rosse zerbricht
die Brücke, und die Reiter schwimmen nun durch das Wasser (‘durch
große Flüsse’ — die votn der Grimnismäl — Sn 18) dem Feinde
entgegen. Eben diese Brücke muß der Dichter der Eiriksmäl im
Auge haben. In anschaulicher Wendung läßt er mit der Brücke
zusammen die Scharen geschüttelt werden, die über sie stampfen.
Es ist aber augenscheinlich dieselbe Brücke, über die HermöÖdr
in die Unterwelt reitet, und die auch Hadingus und Thorkillus
dort sehen. Der Name ‘die Zitternde’ oder ‘Schwankende’ erklärt
sich daraus, daß das Überschreiten der Giallarbrii eine Variante
war zu dem Waten durch den Fluß. Die Gefahren entsprechen sich:
einerseits das Fortgerissenwerden durch die angeschwollene Thund,
andererseits das Brechen des Steges und der Sturz in die reißende
Strömung mit ihren Dolchen und Schwertern !!, Eine dritte Variante
ist erhalten in der Vision des Holsteiners Godeskalk (Dtsch.
Altskd. 5, 113 ff.): hier muß man über schwimmende schmale Hölzer
hinweg den von Schwertern wimmelnden Fluß überschreiten —
ein Bild, das dem Bifrostmythus nahesteht und vielleicht aus der
Frage entstanden ist: gibt es keine Rettung, wenn die Brücke ein-
stürzt? Auch im Ragnarokmythus hat das Brechen der Brücke
Anstoß gegeben zu einer neuen Erfindung !?,
Der Dichter der Eiriksmäl ist sich bewußt gewesen, daß die
Brücke, über die Eirikr gezogen kommt, etwas zu schaffen hat mit
dem Helsteg. Sonst würde, ihm schwerlich Baldr einfallen. Auch
Hermö6ör, der Baldr heimholen will, reitet Ja mit imponierendem
Getöse über die Giallarbrü, oder — wie wir, von Snorris System
absehend, statt des blassen Namens sagen können — über die Bifrost.
Diesen Göttersohn hat der Dichter als Modell gewählt für seinen
zu den Göttern eingehenden König 13, <
53
Wir erkennen, daß die Beziehungen zwischen Walhall und Hel
sich nicht auf eine einmalige Verwechslung beschränken. Vielmehr
hat die Helgeographie wiederholt und verschiedenartig auf Walhall
eingewirkt. Eine Stufe des Walhallglaubens, die von der Einwirkung
der Hel noch frei wäre, zeigen uns. unsere Quellen nicht. Wir sind
also gezwungen, den Beginn dieses Prozesses in vorgeschichtliche
Zeit hinaufzudatieren.
XI.
Was die historische Walhall von Hel unterscheidet, ist, kurz
gesagt, Odin. Das ‘“Weh von Walhall’, von dem die VQluspä
spricht, ist das Abscheiden des Odinssohnes von der himmlischen
Halle zur Hel. Nach dem Stande der Überlieferung dürfen wir
sagen: Odin und die Seinen wären eine Schwierigkeit für die Ver-
mischung der Walhall mit dem Helhause, wenn der Gott von jeher
in Walhall gewohnt hättel“ Die Tatsache dieser Vermischung
spricht dafür, daß es einmal eine Walhall ohne: Odin gab. Diese,
nicht der Odinssaal, ist mit dem Helhause vermischt worden. Einer
Walhall, die eine Art Doppelgänger der Hel war, konnten Odin und
die Walkyrjen sich leichter bemächtigen und sie in den Himmel
hinaufheben, als die Helgeographie sich angliedern konnte an eine
himmlische Halle, zu der göttliche Jungfrauen die Krieger beriefen
und geleiteten. Es wurde oben hingewiesen auf den Widerspruch,
in dem die Walkyrjen der Häkonarmäl zu der beschwerlichen Hel-
wanderung stehen. Dieser Widerspruch löst sich am befriedigendsten
so, daß der Walkyrjenritt im Zusammenhang der Walhall die jüngere
Erfindung ist.
Auf dieser Wahrscheinlichkeit fußend, fragen wir weiter: wie
sind _Odin und Walhall_zusammengekommen ?
Die Frage "ist ein Teil des umfassenderen Problems, das die
Gruppe der himmlischen val-Begriffe überhaupt uns stellt. Wir
sind ihm schon bei Betrachtung der Helgeographie nahegetreten.
Dort ergaben sich uns Valgrind und Valglaumnir als Nachbildungen
älterer, mit Hel- oder Nä- gebildeten Namen. Unter den übrig-
bleibenden Begriffen sind die wichtigsten der “‘%val-Gott’ (Valtyr,
Valfgör) und die ‘Walkieserin’. Daß diese beiden nicht ursprünglich
zusammengehören, hat man längst eingesehen. Wir gehen nur einen
Schritt weiter auf dem damit eingeschlagenen Wege, wenn wir auch
die Verbindung des Valfgör mit Valholl für sekundär erklären.
Diese Verbindung lag sozusagen schon in der Luft, sobald man
von einer allgemeinen Schlachttotenhalle Walhall wußte. Denn
Odin war ja der Gott, der die Schlachttoten ‘bekam’.
Es bleibt uns freilich verborgen, was ursprünglich bei diesem
‘bekam’ vorgeschwebt hat. Wenn die Skalden sagen ‘Odin erlangte
(hlaut ) Wal’, ‘Hroptr bekam (nddi) neuen Wal’, so liegt es ja nahe,
in diese Ausdrücke die Walhallvorstellung hineinzudeuten und in ihnen
also dasselbe zu finden wie z. B. in Eyvinds ‘Nun wächst das Götter-
gefolge’. Diese Auffassung, die wohl die allgemein gangbare ist, scheint
eine Stütze zu haben an den besprochenen doppelsinnigen Stellen
der Grimnismäl. Und doch weisen sowohl die religionsgeschichtliche
Wahrscheinlichkeit wie der Sprachgebrauch darauf hin, daß wir
damit nicht das Ursprüngliche treffen. Es bestand ursprünglich
ein Unterschied zwischen ‘Odin erkor sich Wal’ (Odinn kaus val)
und etwa Kveldulfs ‘Zu früh erkor sich Odin den Helden’ (tl snimma
Bundr kaus Bremia skyndi). Nur diese zweite Wendung besagt,
daß der Gott sich einen Krieger für sein Gefolge wählt; sie ist ein
gleichwertiges Gegenstück zu Formeln wie Odin gista ‘O. besuchen’.
In kiösa val liegt trotz Grimnismäl und trotz Val-holl dergleichen
ebenso wenig wie in hliöta val, nd val. Denn valr bezeichnet nirgends
die Walhallgäste als solche, und dazu stimmen die Verba (hliöta, nd),
die eher an eine Sache denken lassen als an Menschen (Gefolgsleute).
Auch die mancherlei Assoziationen zwischen valr und Valholl ver-
decken nicht die Tatsache, lassen sie im Gegenteil nur noch schärfer
hervortreten, daß valr immer nur die Gefallenen auf dem Schlacht-
felde bezeichnet. Dies ist sicher auch da der Fall, wo die Skalden
im Zusammenhange ihrer Schlachtschilderungen Odin Wal be-
kommen lassen. Solche Stellen empfangen ihr Licht nicht von der
Walhallvorstellung (vgl. unten über Grimn. 63, 1 s. Register), sondern
von Stellen wie ‘Der valr lag da auf dem Sande, dem einäugigen
Umarmer der Frigg bestimmt’ (Porbigrn, Haraldskve0i 12) oder
‘Odin sah den valr daliegen’ (Egill, Hofudlausn 3). So, wie der valr
daliegt, ist er für den Gott bestimmt, der ihn mit Frohlocken sieht,
ein Frohlocken, das dem von Wolf und Raben sehr ähnlich zu sein
scheint. Wenigstens spielt in den Kampfschilderungen der beliebte
Hinweis auf die Raubtiere eine entsprechende Rolle wie der auf.den
wir
nn
val-Empfänger (Valbggnir?). Den letztangeführten altnordischen
Stellen steht ziemlich nahe eine altenglische: ‘der größte Teil des
Heeres lag ... mit Schwertern zerhauen, den Wölfen zur Freude
und auch den walgierigen Vögeln zum Ergötzen’ (Judith 293 f£,).
Aber es ist freilich unverkennbar, daß die Skalden einen durch-
gehenden Gleichlauf der Phraseologie vermeiden. Ihr ul/a sedia (“Wölfe
sättigen’) hat kein Gegenstück mit Odin als Objekt, nicht einmal
ihr ornu gledia (“Adler erfreuen’). Nur das offenbar abstraktere
(afn, ein gewöhnlicher Ausdruck für die Beute des Raben (s. Lex.
poet.) und Wolfes (ylgs tafn, Vellekla 36), kehrt einmal auch auf
der andern Seite wieder als Gauts tafn (‘wir zahlten dem Galgen-
herrscher, d. i. Odin, Odins taf/n, d. i. Opfer, und dem Raben einen
Leichnam’ B 94, A 99%). - Es ist danach klar, daß die Vorstellung,
Odin giere nach dem Blut der Leichen, nicht vorhanden ist. In der
Tat kann sie nach der Entwicklungsstufe, auf der wir die germanische
Religion in den altnordischen Quellen antreffen, nicht erwartet
werden. ‘Odin bekommt die Gefallenen’, ‘Odin freut sich über die
Leichen’, das waren ält überlieferte Formeln unklaren Inhalts, die
man im Zusammenhange der Stiltradition weitergab und gewiß
auch manchmal im Sinne des Walhallglaubens umdeutete.
Wir wissen, daß der Glaube, Odin freue sich über Leichen,
sehr alt ist, viel älter als die früheste Spur von Walhall. Er wird
für die Römerzeit bezeugt durch Tacitus’ Angabe von den
periodischen Menschenopfern für Mercurius (Germania ec. 9) und
desselben Schriftstellers Bericht von dem Sieggelübde der Hermun-
duren im Jahre 59 (Annales 13, 57 ). Dieses Gelübde veranschaulicht,
wie Wodans Leichenfreude zusammenhängt mit seiner Eigenschaft
als Siegverleiher und ‘Kriegsgott’. Der Gott, der es darauf anlegt,
sich Tote zu verschaffen, ist der natürliche Bundesgenosse des Siegers.
Er bekommt die Toten, der Sieger die Gefangenen und die Kriegs-
beute. Man sagte sich: Wir haben gesiegt, weil wir mehr Männer
erschlagen haben, und dazu hat uns der Gott geholfen, ihm verdanken
wir also den Sieg. Man erwies sich ihm obendrein erkenntlich und
hoffte ihn für die Zukunft sich zu verpflichten, indem man einen
Teil des eigenen Beuteanteils ihm überließ. Oder man verzichtete
gar von vornherein feierlich auf jede Beute, indem man dem Gotte
das Ganze zusicherte. Dadurch wurde es für diesen augenfällig,
an wessen Fahnen sein Interesse gebunden war. Bei einem solchen
>
Gedankengange der Wodansverehrer verstehn wir, daß man dem
Leichengotte nicht bloß Menschen opferte, sondern auch Kriegsgerät
(equi . . . cuncta victa, vgl. Dtsch. Altskd. 4, 215 £f.). Dies entsprang den
natürlichen Sympathiegefühlen gegenüber dem Bundesgenossen. Wie
der Sieger auch über den Menschenverlust des Feindes frohlockte,
so sein Gott auch über erkämpfte Pferde und Brünnen. Aus
dieser religiösen Interessenverflechtung erklärt es sich ferner, wenn
in der altnordischen Dichtersprache die Begriffe ‘im Kampf erschlagen‘
und ‘dem Odin opfern’ gleichwertig sein‘ können (gefa Odni, Gauts
tafn B 94, A 99). Darin steckt uralte Anschauung. Dasselbe gilt
von den Bezeichnungen der Waffenstücke als Odins Kigentum,
über die schon oben (S. 28 f.) gehandelt wurde.
Der dort erörterte Zusammenklang zwischen dem Walhallbilde
und den Attributen des Walstattgottes genügt, um es verständlich
zu machen, daß Walhall Odins Wohnort geworden ist. Man identi-
fizierte die Waffen, die-dem Gotte zufielen, mit jenen, aus denen
die Totenhalle gebaut war; und man identifizierte die Gefallenen,
ihm Geopferten, mit den Insassen. jener Halle, die dadurch seine
Mannen wurden. Dabei haben mitgewirkt Odins mit val- zusammen-
gesetzte Namen. Wenn Snorri deutlich Va 1fQör mit Valholl
in Verbindung bringt (Sn 25), so schafft er gewiß nichts Neues.
XIV.
Schon ehe Odin sich der Walhall bemächtigte, hatte er eine jen-
seitige Wohnung. Sein Einzug in die Halle der Schlachttoten be-
deutet die Identifizierung des älteren Odinshauses mit Walhall,
ein Vorgang, der für die Entwicklung der J enseitsvorstellungen in
der nordgermanischen Religion von noch größerer Tragweite ge-
worden ist als die Vermischung von Walhall und Helsaal. In dem
Walhallbilde, das wir am Ende jener Entwicklung antreffen, be-
gegnen sich Himmel und Unterwelt: aber der Himmel hat die Über-
macht.
Die Vorstellung, daß ein mächtiger Gott im Himmel wohnt,
ist uralter indogermanischer Glaube. Diesen Gott nannten die Ger-
manen in historischer Zeit Wodan. Sie dachten sich ihren sieg-
verleihenden Herrn der Walstatt vom Himmel auf die Erde herab-
schauend. Das älteste Zeugnis dafür bietet die langobardische
Sage vom Kampfe der Winniler und Wandalen (Paulus Diaec. 1, 8).
Hier wohnt der siegverleihende Wodan mit seiner Frau Frea in
einem himmlischen Hause, aus dessen ‘östlichem Fenster’ er bei
Sonnenaufgang die Krieger, zur Schlacht geordnet, erblickt. Diese
langobardische Anschauung, einschließlich der eigenmächtigen Mit-
herrschaft der Gattin, kehrt auffallend ähnlich wieder in den eddischen
Grimnismäl, wo Odin und Frigg, in Hliöski4lf sitzend,
die Welten überschauen und Menschenschicksale ordnen. Hliöskiälf,
das auch in den Skirnismäl als aussichtsreicher Göttersitz
erscheint, weist ebenso wie das östliche Fenster auf ein richtiges
Haus, denn das Wort bedeutet “Türbank’. Diese Vorstellung muß
älter sein als die große Mehrzahl unserer Quellen, die — mit Aus-
nahme der Atlakviöa — weder Wort noch Sache mehr kennen,
während es offenbar einst auch bei irdischen Fürstenhäusern hliö-
sklälfar gegeben hat. Die naturmythische Grundlage der hliöskiilf
und des ganzen Himmelshauses müssen wohl irgendwelche Wolken-
bildungen abgegeben haben. Schon für die Zeit um 500 bezeugt
Prokop (Gotenkrieg 2, 14), daß man einen Sieg der Langobarden
über die Heruler mit einer dunklen Wolke in Verbindung brachte,
die während der Schlacht über dem langobardischen Heere schwebte.
Vermutlich wohnte in dieser Wolke Wodan, der Gott, den die
Langobarden zum Zeugen ihrer guten Sache angerufen hatten.
Natürlich ist der religiöse Blick auf die Wolke etwas anderes als die
Phantasie von einem himmlischen Götterhause. Aber diese Dinge
scheinen doch psychologisch zusammenzuhängen. Sie verhalten
sich wie Religion und Mythologie. Vielleicht steckt ein Stück lango-
bardischer Religion in Prokops Satz: ‘Sie riefen den Gott zum Zeugen
an, auf dessen Wink selbst ein leichter Nebelhauch jeder mensch-
lichen Gewalt wehren könne’, Aus dem Wolken- und Nebelglauben
konnten auch andere Mythen entstehen: die Vorstellung von einem
vielbeinigen R oß des Gottes, von seinem verhüllenden Mantel,
von einer im Kampf bald verwirrenden, bald schützenden oder Hagel
und Tau spendenden Nebelgöttin (altnord. Mist), vielleicht
von einem ‘wilden Heer’ (auf das aber auch hörbare Natureindrücke
eingewirkt haben). Für unsern Zusammenhang sind diese Mythen,
wie alles, was mit dem ‘Windgott’ Wodan zu tun hat, glücklicherweise
belanglos. Uns berührt nur die himmlische Burg und das Götterland
über den Wolken.
61
In der eddischen Mythologie lebt das Himmelshaus des gött-
lichen Ehepaares nur noch als die Hliöskialf, von der aus die Götter
die Welt überschauen. Als losgerissenes Stück Jahrhunderte alter
Tradition ragt sie noch in die Gylfaginning hinein (Sn 16). Snorri
denkt sich Hliöskialf als einen ‘Ort’ (stadr ), d. h. wohl am ehesten als
ein Gebäude, im Asengehöft. Das Asengehöft (Asgardr) oder die
Gehöfte der Asen (dsa gardar) sind in der Eddadichtung die eigent-
lichen Namen für die himmlische Wohnung der als eine große Familie
gedachten Götter. Jeder Gott hat ein Haus oder Gehöft für sich.
Schon in der Prymskvida ist von Freyjas ‘Zäunen” die Rede
(Freyiu tüna 3, 2), in den Vafbrüönismäl von Odins ‘Zäunen’
(Odins tünum i 42); der Plural (dsa) gardar erklärt sich aus dieser
Vorstellung; ebenso die ‘grünen Heime der Götter’ in den Häko-
narmäl und Godheimar in der Ynglingasaga (Hkr. 1,21, 14. 22, 2);
auch iotna gardar ‘die Gehöfte der Riesen’ (Edda ed. Bugge 331)
und. jotna heimar ‘die Heime der Riesen’ (Prymskv.) wechseln ab.
Heimr ist das bebaute Land, das den gardr umgibt: daher die
yrünen Heime’ (und im Hunnenschlachtliede d Ärheima, wie
4 Godhiödu, also als Fläche gedacht).
Am genauesten schildern das weit ausgedehnte Land dieser
‘Götterheime’ die G rim nismäl. Sie kennen Alfheimr, . PrüS-
heinır, Prymheimr und Glaösheimr, Ydalir, Himinbigrg, das Busch-
und Steppenland des Vidarr, Nöatlın, wo Nigrör seine Säle gebaut
hat, Folkvangr, Breidablik, Forsetis Saal Glitnir, Sokkvabekkr. Der
Thingplatz liegt bei der Esche Yggdrasill. Dorthin reiten die Asen
jeden Tag, um zu beraten, während Pörr aus Prüßheimr durch breite
Ströme gewatet kommt.
Auch Prymskvida und Hymiskviöa wissen von dem Thing
der Götter, das Ynglingatal von Odins Thing? Die Esche
Yggdrasill spielt im Weltbilde der VQluspä eine Rolle. Nöatün
als Niorös Wohnsitz wird Prymskv. 22, 8 erwähnt. Die
andern Götterwohnungen aber finden sich nur in den Grimnis-
mäl und werden als Gruppe erst von dem Grimnirdichter zusam-
mengestellt sein. Dabei hat er zum Teil Namen benutzt, die ur-
sprünglich nicht den Göttern, sondern andern Wesen gehörten. So
läßt er Frey in ‘Elbenheim’ wohnen und die Riesentochter Skadi
in Prymheimr, einem Teil von Jotunheimar. Beides sollen jedenfalls
Grenzbezirke sein: die öfters (Prymskv., Voluspä, auch altenglisch)
62
formelhaft zusammen genannten Asen und Elben werden als Nach-
barn gedacht; das Land, von dem der Dichter erzählen will, legt
‘bei den Asen und Elben’; und wenn sämtliche Götter das Elbenheim
dem neugeborenen Frey als Geschenk geben, so weist das darauf
hin, daß es ein gemeinsamer neuer Erwerb war®, Das feindliche
Riesenland stößt östlich an das Reich der Götter, nach Lokasenna 42
durch einen ‘Dunkelwald’ getrennt, wie das Land der Hunnen von
dem der Burgunden. Himinbigrg, der Wohnsitz des Wächters
Heimdallr, dürfte ursprünglich einer der Namen für die Asenburg
selbst gewesen sein und damit freilich auch der Name für den Sitz
des Burgwächters. Die einheitliche Asenburg wird außer durch den
Namen Asgard auch durch Voluspä 24 bezeugt ( ‘gebrochen ward die
Bordwand der Burg der Asen’) und durch die daran hängende Sage
vom Riesenbaumeister. Daß diese Vorstellung die ältere ist, liegt
auf der Hand. Das bunte Bild der Grimnismäl hat sich daraus haupt-
sächlich auf zwei Wegen entwickelt: man hat variierende und
schmückende Namen der Asenburg umgedeutet als Sitze besonderer
Götter (Himinbiorg, BreiSablik, Glitnir; die beiden letzten wohl
hergenommen von sonnenvergoldeten Wolkenrändern), und man
hat andere, mehr isolierte mythische Örter zu Asgard in geographische
Beziehung gebracht (Nöatün, ursprünglich im Wanenlande, Ydalir).
Das Land, in dem die Götterburg lag, hieß Goöheimrt.
Der Singularis ist gewiß nicht zufällig bewahrt in der Geschichte
von SveigÖir, der diesen GoOheimr sucht (Hkr. 1,25,21; 26,8) und
bei Egill im Sonartorrek (vgl. auch Asaheimr Hkr. 1, 10, 15). Auch
GoSheimr ist vervielfacht worden, in N. achahmung irdischer Geo-
graphie. Der Grimnirdichter fügt es, wie es scheint, als Bezirk
(Glaösheimr) in ein größeres Land ein, für das er nun keinen Namen
mehr hat (‘Es ist ein heiliges Land bei Asen und Elben’) und das auch
fremde Gegenden (Älfheimr, Prymheimr) als Provinzen in sich
schließt. Der Christ Snorri nennt dieses weite Land ‘Himmel’.
Er verteilt darin die Götterwohnungen, läßt sie aber größerenteils
leer stehen (Sn 23 £.), weil er den Göttern ihre Sitze in Asgard anweist;
dort thront Alfoör, und bei ihm die andern zwölf Asen (Sn 18 £.).
Es ist klar, daß Snorri in seinen Quellen Widersprüche gefunden
hat, dieselben, die wir noch heute finden. Auch wir erkennen über
der Vielheit der Götterwohnungen die einheitliche Asenburg. Aber
sie hat nur unbestimmte Umrisse. Keine Liedfabel zeigt uns deutlich
m: O3: =
und anschaulich die Asen in ihrem Saal versammelt. Dem entspricht
in der Gylfaginning das blasse Bild von den zwölf Stühlen der Götter
und Odins Thron.
Daß jemals dieses Bild schärfer und lebendiger gewesen sei,
ist nicht wahrscheinlich. Der himmlische Saal war nur der selbst-
verständliche Hintergrund gewisser Götterfabeln, wie die Häuptlings-
halle der der Heldenfabeln. Gegenstand der dichterischen Aufmerk-
samkeit war er an sich nicht. Wenn in den Vafprüßnismäl Odin sich von
Frigg verabschiedet, um den Riesen zu besuchen, so spielt die Szene
natürlich in seiner himmlischen Halle, und die Götter, die am Anfang
der Hymiskviöa schmausen, sind natürlich eben dort versammelt.
Merkwürdig ist nun, daß die Stätte, wo die Asen beieinander
sind, ein paar Mal ausdrücklich ‘A e girs Halle’ heißt (Grimn. 45.
Lok. pass., vgl. Hym. 39). Nach der Prosa der Lokasenna (Agir,
er odru nafınz het Gymir) und andern Stellen zu schließen, handelt
es sich hier ursprünglich um eine Einladung der Götter in die Halle
des Meerriesen, ein Motiv, das an den Verschwägerungen zwischen
Göttern und Riesen Gegenstücke hat. Die Fabel — Lokis Spott
und Verjagung durch Thor mit seinem Hammer — spielte durchweg
in der Halle und war an die Anwesenheit sämtlicher Asen gebunden.
Daher konnte sie sich überall dort vorschieben, wo von den in der
Halle versammelten Asen die Rede war. So erklärt es sich, daß in
den Grimnismäl Zgis bekkir,‘Aegirs Bänke’ als der gewöhnliche Aufent-
haltsort der Götter erscheint, ‘das Gelage bei Aegir’ als ihr gewöhn-
licher Zeitvertreib. Das kommt einer Verwechslung mit Odins Halle
nahe. Aber man darf nie vergessen, daß bei der mündlichen Über-
lieferung der Göttersagen bis ins 12., 13. Jahrhundert hinein von
verstandesmäßiger Lehre nicht die Rede sein kann. Selbst was ein
Werk wie die Grimnismäl uns bietet, bleibt weit entfernt von einem
geographisch faßbaren System. Und wie traumhaft gelöst tauchen
die Unterweltssäle und -flüsse der VOluspä aus dem geheimnisvollen
Dunkel auf! ‚Ihre eigentliche Stätte hatten die mythischen Ört-
lichkeiten in der Fabel, zu der sie gehörten, und die wenigstens
stückweise immer an ihnen haften blieb. So ist das ‘Schauen über
alle Welten’ stets verbunden geblieben mit der himmlischen Türbank.
Ein gewiß sehr alter Name für Odins Haus, Häva h0ll, begegnet
nur in den Hävamäl und in bestimmten Zusammenhängen: die über-
listeten Riesen finden sich dort, ein, Hdva rdds at fregna, und der
64
Dichter der Loddfäfnismäl fingiert, er habe am Brunnen der Urör,
vor der Halle des Hohen gelauscht und dort die Ratschläge ver-
nommen, die er dann zum besten gibt; also Häva holl war
seit alters die Stätte, wo man sich Rats erholte, wo Odin seine Weisheit
spendete wie ein irdischer Fürst, der die ‚Seinen berät. Es wäre
zu viel behauptet, wenn wir Häva holl für eine andere Halle erklärten
als die, in der der Göttervater auch sonst wohnt. Aber diese heißt
sonst anders, oder sie bleibt namenlos; und das bedeutet etwas bei
Dingen, die nur in der Phantasie leben und bei denen die sicht- und
tastbare Wirklichkeit durch Sprachlaute vertreten wird.
Dies gilt es im Auge zu behalten, wenn wir uns fragen: Wie
verhält sich Walhall zum Asensaal?
Wir sahen, daß schon die ältesten Skalden Walhall als ‘Odins
Saal’ kennen. Die HKirlksmäl variieren den Begriff durch
‘Odins Säle’ (3, 6. 4, 6)%4. Für die Häkonarmäl ‚ist ‘bei Odin’
gleich “in Walhall’. In den Grimnismäl ist Walhall Odins salkıynni,
eine goldglänzende Halle, wie auch der Saal Glitnir goldene Wände
und ein silbernes Dach hat und Baldrıs Säle Breidablik heißen. In
dieser strahlenden Halle, in der kein Mangel ist an Speise und Trank,
haust Odin mit den Einheriern. Nach den Häkonarmäl sind
auch die andern Götter dort zu finden. Bragi begrüßt Häkon:
‘Empfange Bewirtung bei den Asen’ (16, 3); rdd oll ok regin nehmen
den König gastlich auf (18, 4); zu den ‘heidnischen ( ?) Göttern’ ist er
eingegangen (21, 4); Odins eigener Sohn HermöÖr empfängt ihn (14, 1).
In den Eiriksmäl glaubt man bei Eiriks Annäherung den Gott
Baldr zurückkehren zu hören (3, 5). Die VQluspä kennt Walhall
ausschließlich als Haus Odins und der Seinen: sie sagt vd. Valhallar
(33, 7) für das Leid der Götterfamilie und läßt die ‘Walgötter’ Hoör
und Baldr Hropts sigtoptir ‘“Odins Siegstätte’ d. i. den Platz, wo
Walhall gestanden hat, bewohnen (62, 5). Die Gleichung Val-
holl = Holl Härs (21, 5) ist hier so deutlich gegeben, daß es uns
nicht wunder nimmt, wenn Snorri im Eingang der Gylfaginning
die hohe Halle von Asgard mit goldenen Schilden deckt und sich
dafür auf das Zeugnis des Pi60ölfr hvinverski über Valholl
beruft, und wenn er nachher andeutet, die Halle mit den
Sitzen der Asen sei keine andere als Valhgll (% Beim stad kalla menn
Gladsheim, im Hinblick auf Grimnismäl, Sn 19°). Aber es ist ver-
mutlich kein Zufall, wenn weder an der einen noch an der andern
65
Stelle die Identität geradezu ‚ausgesprochen wird. Sie wird nur
vorausgesetzt, mit der bekannten einsilbigen Schelmerei, die sagen
zu wollen scheint: denkt euch dabei, was euch behagt; die Sache ist,
wie es sich geziemt, ein bißchen geheimnisvoll.
In der Tat: die Asen und die vielen Tausende gefallener Krieger
in einem Saal versammelt, dieses Bild entbehrt der Einheitlichkeit
und verrät, daß ursprünglich getrennte Vorstellungskreise haben
zusammen wachsen wollen. aber nicht können.
XV.
Nach dem früher Ausgeführten werden wir sagen: die Halle
der Schlachttoten ist mit Odins Götterhalle zusammengeworfen
worden. Aber wir erfassen damit nicht den ganzen Sachverhalt.
Wir müssen darauf zurückkommen, daß die Einherier etwas anderes
sind als die Schlachttoten, jene ältesten Insassen der Walhall. Sie
sind den Asen ähnlicher. Ja, einzelne von ihnen — Bragi zumal —
sind von Asen kaum zu unterscheiden. Diese lebenskräftigen, schmau-
senden Götterfreunde können nicht schlechtweg ‘tote Männer’ sein.
Dieser Gegensatz ist längst bemerkt worden. Severin
Grundtvig setzte die Unsterblichkeit von Walhall der Nich-
tigkeit des Hadesdaseins entgegen und baute darauf seine Ver-
herrlichung des nordischen Heidentums. J. Grimm verband Wal-
halla mit indischen Himmelsvorstellungen und mit dem
griechischen Elysium (woraufhin er ihr hohes Alter und ihre
gemeingermanische Verbreitung behauptete, Myth. 779) 1/In der
Tat liegt eine wertvolle Aufklärung darin, daß sehr viele Völker
an Rangunterschiede im Jenseits glauben. Fürsten und Helden
werden dem gewöhnlichen traurigen Schicksal der Toten entrückt
und leben weiter in Kraft und Freude, oft in naher Gemeinschaft
mit der Gottheit ®%. Derartige Vorstellungen haben auch am Walhall-
bilde mitgeschaffen. Nicht, wie man früher meinte, von Anfang an
— denn Walhall ist nicht die ‘Halle der Auserwählten’ —. sondern
im Zusammenhange mit dem Odinsglauben.
Nach älterer griechischer Anschauung ist ein besseres Los
im Jenseits nur dadurch möglich, daß dem Menschen der Tod erspart
bleibt und die Gottheit ihn lebend entrückt. Auch den Germanen
bedeutete der Tod den Übergang in ein vegetierendes Halbdasein.
Neckel., Walhall.
— 66
Wirkliche Unsterblichkeit konnte auch ihnen ursprünglich nur in
ähnlichen Formen denkbar sein wie den Griechen, und in der Tat
entsprechen die germanischen Bergentrückungen in dem entschei-
denden Punkte mehr oder minder deutlich griechischen Sagen-
schicksalen wie Amphiaraos u. A.?. Kaiser Friedrich im Kyffhäuser
ist nicht gestorben, nur ‘verloren’. Aus derselben Grundanschauung
erklärt es sich, wenn die altisländische Volkssage den kraftvollen,
helfenden ‘Asen’ des Snefell, Bärör, sich lebend aus der Menschen-
welt in die Berge zurückziehen ließ; Tote fühlen sich zu unbehaglich,
um jemandem beizustehen. Sveig0ir, der vom Zwerge in den Felsen
gelockt wird, ist auf der Suche nach Odin und dem Götterland. Diese
schwedische Sage bezeugt zwar nicht, daß das Götterland im Felsen
lag, wohl aber, daß man es sich einmal auch für Lebende erreichbar
dachte. Und was kann ‘zu Odin kommen’ anderes bedeutet haben,
als ewig bei den Göttern auf grüner Aue zu leben ? Diese nie welkende
Aue, zu der auch der immergrüne Yggdrasill gehören wird, war
ursprünglich nichts anderes als der ‘Acker des nicht Gestorbenen”,
der Odäinsakr am Rande der Welt (Flat. 1, 13), wo ‘jeder,
der dorthin kommt, von Krankheit und Alter frei bleibt und nicht
sterben kann’ (Hervarars. c. 1). War dies nicht SveigÖirs Schicksal,
so jedenfalls das des schonischen Häuptlings Fialler, den (nach
Saxo 160) die dänische Sage an eine unbekannte Örtlichkeit namens
Undensakre (= altisl. Undornsakrar, Nebenform von Oddins-
akr *) entweichen ließ. Daß dieses grüne Elysium auch den Süd-
germanen bekannt war, hat man mit Recht geschlossen aus der
‘grünen Gottesflur” (gröni godes wang) des Heliand und ähn-
lichen altsächsischen und altenglischen Formeln®. Diese zeigen
das hohe Alter der Vorstellung und ergänzen aufs willkommenste
die Andeutungen der nordischen Quellen.
Immerhin ist das Bild, das wir von diesem Unsterblichkeitslande
gewinnen, dürftig. Wir haben Grund, anzunehmen, daß es immer
nur in vagen Umrissen vorgeschwebt hat. Doch glauben wir zu er-
kennen, wie Walhall mit ihm zwiefach zusammenhängt: durch ihre
Naturumgebung und durch das frohe Leben ihrer Insassen bis zum
Weltende.
Die Naturmotive sind untrennbar verbunden mit der
Himmelsgeographie. Die Vorstellungen darüber, wo der
Odäinsakr zu suchen sei, waren, wie das in der Natur der Sache Liegt,
67
schwankend.: Man dachte ihn sich irgendwo am Ende der Welt,
aber zuweilen auch unter der Erde (Haddingssaga) oder über den
Wolken. Dieses Schwanken hing damit zusammen, daß das Wunsch-
land bald mehr der Aufenthaltsort seliger Menschen war, bald mehr
das Götterreich. In diesem Sinne konnten die Namen Ödäinsakr
und GoÖheimr bisweilen etwas Verschiedenes bezeichnen, wenn auch
diese Scheidung weniger scharf gewesen sein muß als die griechische
zwischen Olymp und Elysium. Der griechische Göttersitz war ja
geographisch und landschaftlich klar bestimmt als Berg. Eine ely-
säische Flur, die der Okeanos bespülte, war deutlich von ihm ver-
schieden. Und doch sind Klima (E. Rohde) und Stimmung beider
Örtlichkeiten greifbar ähnlich; identisch ®. Dies gilt in erhöhtem
Maße bei den Germanen, denen jede feste Lokalisierung der allge-
meinen mythischen Örtlichkeiten fehlte (wie vermutlich auch einst
den Griechen). Das Götterland dachte man sich wohl meist über den
Wolken. Aber je länger die Phantasie ausmalend dort oben verweilte,
um so erdenähnlicher wurde es dort; man sah. die immergrüne Esche
aus der Erde selbst aufragen, und das Meer rollte seine Wellen
an das Land (vgl. auch Prymskv. 21 mit Haustlong 14 f.).
Nur wo man zu den Göttern aufblickte oder ein Verkehr von
Menschen mit den unsichtbaren Machthabern vorschwebte, da dürfte
man zuweilen, vielleicht meist, die Vorstellung des Luftreiches mit
Bewußtsein festgehalten haben. Aber das ging bekanntlich nicht
so weit, daß Götter und Menschen in getrennten Welten lebten.
Das Wandeln der Götter, besonders Odins, auf Erden hielt immerfort
den Glauben dunkel. lebendig, daß irgend ein, am Ende auch für
Sterbliche gangbarer Weg ins Götterreich führe 7. Und dieser Weg
führte in der Richtung auf das Unsterblichkeitsfeld. Die Heime
der Götter sind grün.
Zu diesen grünen Götterheimen kommt der tote Fürst mit
seinem Gefolge (Häk.). Sie sind das Paradies, das das warägische
Mädchen des Ibn Fadhlan vor sich sieht: ‘so schön, so grün’. Sie hat
der Dichter der Grimnismäl im Auge, wenn er die weitere Umgebung
von Walhall beschreibt. Nach einem Bruchstück aus einem den
Grimnismäl ähnlichen Gedicht (Sn 97) steht vor den Toren von
‘Sigtys Sälen’ ein Hain mit goldenem Laub, Glasir; der Name
kehrt wieder in den mythischen Glasisvellir (‘Ebene um
den Hain Glasir’ ?), die die Hervararsaga in der Gegend des Ödäinsakr
%
68
kennt. Das Laub ist golden, weil es unvergänglich ist. Aber es knüpfte
sich daran auch der Gedanke an Odins Reichtum und die Pracht
seines Hofhaltes, und damit an die Ehre und das gute Leben, die
seiner Gäste harrten. In dieser Richtung bewegen sich die Walhall-
träume weiter, Walhall verschmilzt mit der Himmelsburg, ’deren
goldenes Dach vermutlich naturmythische Eindrücke geschaffen,
an der aber auch Vorstellungen von irdischen Tempeln gearbeitet
haben 72.
Drinnen hausen in Kraft und Gesundheit die Einherier. Gleich
die älteste ‘Quelle, die uns nach Walhall hineinblicken läßt, die
Eiriksmäl, belehrt uns deutlich genug darüber, daß der Held,
den Odin zu sich entbietet, ein Lebendiger ist, öddinn. Unter den
kräftigen Tritten der Männer donnert die Brücke, und das Holzwerk
der Halle kracht. Es klingt anders, als wenn Tote in die Unterwelt
einziehen (Sn 59). Tote würde Odin auch nicht zu sich nehmen.
Er braucht starke, kriegsgewohnte Gefolgschaft gegen den Wolf,
der zum Göttersitz herüberschaut (7), und darum wählt er gerade
die ruhmreichsten Helden (6). Diese Politik des Gottes hat nur einen
Sinn, wenn der Tod ausgeschaltet gedacht wird. Der Mann, der das
Leben in Walhall zuerst in diesem Lichte schilderte, wollte vom
Tode nicht wissen; er ‘überwand’ seine Schrecken durch die Kraft
des kriegerischen Selbstgefühls. Das Heldentum, das diese Erde
mit seinem Ruhm erfüllte, soll nicht untergehen; es ist zu wertvoll
für sich selbst und für die Welt; darum muß es aufbewahrt bleiben
bis zum ruhm- und folgenreichsten aller Kämpfe, dem großen Kampf
der Götter um Sein und Nichtsein.
Darin liegt eine Erhöhung des Menschen zum Gott. Die Helden
des Ragnarökdramas waren Götter. Zu ihnen gesellt sich der König
von Norwegen wie der Gefolgsmann zum Herrn. Der Herr ist der
Vornehmere, ihm fällt der Ruhm vor den andern zu, aber er ist auf
diese angewiesen, und so zeigt Odin sich denn sehr besorgt, tüchtige
Mannschaft zu gewinnen.
Der Rangunterschied. zwischen Asen und Einheriern schwindet
völlig, sobald. wir an jene Mehrzahl der Asen denken, die beim
Ragnarök keine Rolle haben. Odin ist der gemeinsame Führer.
Seine Gefolgschaft bilden die Einherier. Daß dieser Name
auch die Götter mit einbegreift, zeigt am deutlichsten eine Stelle
der Lokasenna, wo sogar Thor einheri heißt®. Wenn in den
P
— 69
Häkonarmäl dem Ankömmling versichert wird: ‘alle Einherier
werden dich als Freund behandeln, laß dir Bier bringen im Saal der
Asen!’, so varlieren die beiden Ausdrücke denselben Begriff, die
zechende Gesellschaft in Walhall, die den Gast unter sich aufnimmt®.
In demselben Denkmal frohlockt die Walkyrje: ‘Jetzt wächst das
Göttergefolge’. Das Gefolge, das gemeint ist, hat ebenso wie jedes
andere Herrengefolge nur 6inen_Führer, Odin. Der Genetiv ‘der
Götter” (gengti goda ) besagt, daß es aus Göttern besteht; denn
diese Bedeutung hat ein Genetiv Pluralis oder der Menge neben
gengr stets (gengi Nordmanna ebenda Str. 3; gengi drengia u. a.,
s. die Wörterbb.). Gondul macht dem Könige indirekt die Eröffnung,
daß er unter die Götter aufgenommen werden soll. Sie sagt dasselbe
wie nachher Bragi. Dazwischen bekundet Odin selbst die Gleich-
stellung von Göttern und Menschen in seiner Halle, indem er zum
Empfang Häkons Herm6Öör und Bragi bestimmt, seinen eigenen
Sohn, den er einst auch nach Baldr ausschickte, und den zu den Asen
erhobenen Dichter, der sein Sprecher und Vertrauter ist.
Ein Gegenstück dazu bieten die Grimnismäl. Odin, der
im Begriff ist, sich zu erkennen zu geben, « droht: ‘Um Großes bist
du betrogen, denn du kommst um meine Gefolgschaft (minu gengi),
um alle Einherier und um Odins Huld’. Das heißt: du kommst nicht
in meine Gefolgschaft, nicht in die Gesellschaft der Einherier, und
Odin wird nicht dein dröttinn sein!
Die Vergötterung11! des Helden in Walhall ist am reinsten aus-
geprägt in den Eirlksmäl1%” Die Nachahmung in den Häkonarmäl
führt zwar den Gedanken weiter, aber sie hält die Stimmungseinheit
des Vorbildes nicht fest. Dieselbe Neigung des Dichters, die ihn das
Einheriermotiv erfinderisch für Anschauung und Sprachgefühl
ausmalen läßt, führt ihn dazu, das ganze Todesgrauen, das an den
älteren Walhallvorstellungen hing und das sein Vorgänger entschlossen
bei Seite_geschoben_hatte, in sein Bild zu verweben. Der Königs-
skalde, der das Krachen der Dänenhelme besungen hatte, konnte
es sich nicht versagen, Gondul und Skogul auf die Walstatt zu be-
gleiten und das Blut und die zerschossenen Brünnen zu zeigen.
Von da wieder aufzusteigen zu der triumphierenden Höhe der
Eiriksmäl, war seinem malerischen Talent nicht möglich. So steht
er denn mit seinen preisenden und klagenden Schlußstrophen wieder
durchaus im Diesseits.
70
, \
X er GAA
Eyvind zeigt uns, wie schwer es war, den hohen Flug des Wal-
hallglaubens zu fliegen. Wir wissen nicht, unter welchen Umständen,
und auch nicht genau, wann sein namenloser Vorgänger gedichtet
hat. Es heißt nur: ‘nach Eiriks Fall (in England) ließ Gunnhild
— seine Witwe — ein Gedicht auf ihn machen, in der Weise, als
hieße Odin ihn in Walhall willkommen’! Möglicherweise gehörte
der, dem dieser Auftrag wurde, gar nicht zu den Kämpfern in Eiriks
Jetzter Schlacht. Eyvind aber hat auf Storö mitgekämpft und
gewiß seinen Herrn sterben !* sehen, und er ist dabei gewesen,
wie man ihn, dem er 8o treu gedient hatte, in voller Rüstung begrub 1%,
Er war also höchst persönlich beteiligt an dem Ereignis, das er be-
singen. sollte, und es wundert uns nicht, daß die Wirklichkeit des
Todes den Glanz des Jenseits überschattete. In seiner Lage waren
aber alle, für die Walhall hätte Religion sein können. Bedenken
wir dazu das Übergewicht der andern Jenseitsvorstellungen in.den
Quellen, so werden wir uns der Auffassung anschließen, daß Walhall
in der Form der Eiriksmäl und der Kräkumäl für die Re11g10w
der Wikingzeit nicht viel bedeutet hat.
Die Vorstellung vom Leben.nach.dem Tode, die dieses Walhall-
bild beherrscht, war eben, zu. verschieden von den landläufigen
Begriffen. Eyvinds ‘nun wächst das Göttergefolge” hart neben
‘gänz mit Blut bedeckt’ veranschaulicht diese Unvereinbarkeit_und
zugleich die phantastische Wirklichkeitsferne jener odinischen Un-
sterblichkeitslehre. Woher stammt diese Lehre ? .
-Daß sie zusammenhängt mit den oben skizzierten Vorstellungen
von Odins Gefolgschaft, kann nicht bezweifelt werden !®, Aber es
müssen wohl noch andere Wurzeln vorhanden gewesen sein.
Man könnte an eine Erklärung denken, die von dem Begriff
‘Einherier, Götter und Helden in Walhall’ ausginge. Wer Odins
Hausgenosse wird, muß gewissermaßen Seinesgleichen sein, muß
ein Ase werden, d. h. ein Wesen von mindestens menschlicher Lebens-
energie und Daseinsfireude. Da Odin und die andern Götter lebendig,
nicht ‘gestorben’ sind, so wäre es ein Widersinn, ihre Saalgenossen
als müde Leichen zu denken (ein Widersinn übrigens, dem Eyvind
teilweise erlegen ist). Der Einzug des Gottes in Walhall hat mit
einem Schlage die Toten auferweckt. Das Unsterblichkeitsproblem
fällt also zusammen mit der Frage, wie Odin nach Walhall gekommen
ist, und könnte höchstens noch dahin erweitert werden, daß wir
71
auch zu wissen verlangten, warum die Götter lebensfrisch und
des natürlichen Todes unfähig sind.
Aber die Fragen fallen ja nicht ganz zusammen, und das
Rätsel bleibt im Grunde dasselbe. Es lautet jetzt: Wie konnte man
eine Gesellschaft von Toten zu Genossen des Gottes machen ?
Man konnte es, indem man dem Tode den Rücken kehrte.
Das war schwer für den, der neben der Leiche stand, aber es war
leicht für den Dichter, der sich in die Gesellschaft des Gottes träumte.
Der Gott in seinem goldenen Haus, der seine Gedanken auf den
letzten Kampf beim Weltende richtet, ist weit entfernt von irdischen
Schlachtfeldern, und ebenso weit davon entfernt ist der Mensch,
der zu ıhnm kommt. Auf der weiten, langen Wanderung ändert sich
Vieles. Man fragt an ihrem Ende nicht mehr, ob der Wanderer
lebend von Hause aufbrach, um das Unsterblichkeitsland zu suchen,
oder ob er im Kampfe fiel und als Wiedergeborener sich auf den Weg
machte. Ein Auserwählter war es jedesmal, der das ferne Götterland
erreichte.
Einem eben gefallenen Krieger, angesichts seiner Wunden, das
Schicksal eines Fialler zu weissagen, war eine Kühnheit, die eine
große Kraft des Glaubens voraussetzte. Etwas ganz anderes war
es, einen Helden der Vorzeit als lebend Entrückten zu behandeln,
selbst dann, wenn man genau wußte, daß und wie er gestorben war.
Hier reichte das Leben nach dem Tode mehr oder weniger weit in
die Vergangenheit zurück; man sah es fast von der entgegengesetzten
Seite wie derjenige, der einen Angehörigen begrub. Die allgemeine
Tendenz auf Erhöhung der Vorfahren konnte sich um so stärker
geltend machen, je erhabener diese Vorfahren schon bei Lebzeiten
gewesen waren.
Wir wissen von manchen germanischen Fürstengeschlechtern,
daß sie ihren Stammbaum auf Götter zurückführten: sie glaubten
also an Stammväter, die ungestorben und wirksam fortlebten. Auch
einen jüngst abgeschiedenen König dachte man sich gelegentlich
unter die Götter aufgenommen und brachte ihm Opfer dar, wie Rim-
bert, Vita Anskarli c. 26 von den Schweden bezeugt (vgl. Adam
von Bremen 4, 26).. Diesem schwedischen Erik wird ein besonderer
Tempel gebaut. Gleichwohl ist seine Ähnlichkeit etwa mit Sigmund
oder Bragi, die in Odins Halle hausen, nicht zu verkennen. Nach-
richten über den Kult solcher erhöhten Verstorbenen dürfen wir
72
von den westnordischen Quellen schon darum nicht verlangen, weil
sie auch bei mehreren echten Göttern von einem Kult nichts wissen.
Wir brauchen aber gar nicht anzunehmen, daß den menschenbürtigen
Einheriern jemals Kult gewidmet worden sei. Auch ohne das finden
sie in dem Ahnenglauben der Königsgeschlechter ihre Erklärung,
und zwar sowohl ihre Lebensfrische wie ihr Verhältnis zu Odin.
Es wird kein Zufall sein, daß der in Walhall thronende
Gott zugleich der Stammvater von einer Reihe germanischer
Fürstengeschlechter ist: der Jarle von Hladir, sämtlicher alteng-
lischer_ Könige, deren Stammbäume wir kehnen, der gotischen
Amaler. Wodans Vorherrschen in dieser Rolle hängt zusammen
mit seinen Beinamen ‘Allvater’, ‘Vater der Menschen’ (alf9ör, „alda,
fQör) und mit seiner Stellung als Göttervater. In ferner Vorzeit,
wo Gaut — wie Dyaus, Zeus und Jupiter -—- Götter und Menschen
zeugte, ist er auch der Begründer der Dynastie geworden. Von dorther
schreibt sich seine Fürsorge für die Seinen. Und wie der Sterbende
zu seinen Vätern geht, so der Wodanssprößling zu Wodan. Wer von
dem Gotte herkam, kehrte zu ihm zurück. Das waren aber die Fürsten:
dieselben, die sich ‘Göttergeborene’ (godbornir) nannten, glaubten
die erste Anwartschaft auf Walhhall zu haben. Dies bezeugen nicht
allein die Härbarösli6ö5 (Odinn d iarla), auch E irik S-
und Häk onar mäl, die deutlich den Empfang in Walhall
als eine Auszeichnung hinstellen, die dem Fürsten zuteil wird,
und noch Snorri (‘Allvater sollte Könige und Jarle und andere
große Herren zu sich einladen und ihnen Wasser zu trinken geben ?’
Sn 40). Wenn man HEirikr zuerst für den heimkehrenden Baldr hält,
so ist das innere Tertium comparationis für den Dichter der Odins-
sohn gewesen.
Wir bemerken, wie das aristokratische Gepräge von Odins Runde
auf einem geschlossenen Vorstellungskreise beruht, einem Kreise,
zu dem der Schlachtentod und also auch der Name Walhall nicht
gehört. Täuschen wir uns nicht, so haben wir hier den ursprünglichen
Inhalt des Begriffs ‘zu Odin kommen’ vor uns. ‘Zu Odin kommen?
hieß nicht ‘des Kriegsgottes Beute werden’, ‘fallen’ oder ‘sterben’;
es bezeichnete ein Wunschdasein, das Odin seinen Söhnen und
Lieblingen beschert, nicht als Todes- oder Leichengott, sondern
als mächtiger Wohltäter. Es waren eigentlich keine Vorstellungen
vom Leben nach dem Tode, sondern von einem bessern Leben
75
schlechtweg, in das man auch ohne Tod gelangen konnte, und in dem
Tote wie Lebende waren, sagenhafte Vorstellungen, die mehr der
Vergangenheit als der Zukunft galten und keinen Anschluß an die
Wirklichkeit suchten, Vorstellungen von vergötterten Königen und
Helden. In diesen Gedankenkreis fügt sich der Ödäinsakr als inner-
lich verwandt hinein. Es handelt sich ja um einen Glaösheimr,
— ein ‘Heim der Freude’ —, um munvegar, ‘ein Land des Genusses’
(Egill, Sonat. 10, 6).
Scheiden wirdiese Vorstellungen aus dem Walhallbilde aus, so zeigt
sich, daß nicht nur Odin selbst und die grünen Auen diesem Bilde
ursprünglich fremd sind, sondern auch die Einherier. Dies folgt
eigentlich schon. daraus, daß einheriar, wie gleich eingangs betont,
nicht ‘gefallene Krieger’ bezeichnet, nicht gleichbedeutend mit
valr ist, vielmehr (S. 68£f.) der Name ist für die unterschiedlose Schar
der Götter und Helden in Walhall. So gut wie die Götter sind auch
die Helden erst in die Walstatthalle eingewandert. Die Begriffe
vom Leben in Walhall, die in unseren Quellen, zumal in den beiden
Skaldenliedern, herrschen, sind zusammengewachsen aus haupt-
sächlich zwei, ursprünglich ganz verschiedenen Vorstellungsmassen:
1. der gefallene Krieger lebt weiter in der Valholl, blutend, mit zer-
schossener Brünne, unter einem Dach von Speeren und Schilden;
2, der Fürst, der diese Erde verläßt, wird in die Reihen der Einherier
aufgenommen, um bei Odin in Ehre und Freude zu leben und einst
dem Gotte gegen den Wolf streiten zu helfen. Hermö6dr und Bragi,
Sigmundr und Sinfigtli sind einheriar; Häkon ist ein gefallener
Krieger, für Valholl bestimmt; er wird zum einheri, indem er dort
die einheriar vorfindet. Der Schlachtengott, der ihn fällte, wird
zum Vater, der ihn empfängt, zum Herrn, der ihn anwirbt. Dieses
doppelte Gesicht Odins ist das religiös Schöpferische, das sich bei
der Synthese ergeben hat. Ein Ausdruck dafür ist sein Name ValfQör:
man kam jetzt zu diesem Vater durch den valr, und wer in den valr
fiel, kam immer zu ihm, so wahr der valr ein Opfer an den Schlachten-
gott war und dieser die Fallenden sich ‘erkoren’ hatte, wodurch eben
sie seine Söhne, also öskasynir, öskmegir, wurden.
Es ist also nicht bloß Walhall mit Odins himmlischer Halle
verschmolzen. Gleichzeitig sind die Kampftoten mit Odins himm-
lischen Genossen identifiziert worden. Diese Identifizierung war
möglich, weil Fürstengeschlechter des Glaubens waren, ihre Vor-
fahren weilten in einer Art Paradies beim göttlichen Urahn Odin,
und. dieser Glaube die Hoffnung erweckte, daß auch, wer neuerdings
starb, in dieses Paradies aufgenommen werde, daß Walhall, wohin
er als Schlachttoter kam und wohin auch die Vorfahren meist ge-
kommen sein mußten, dieses Paradies sei. So wurde Walhall, was
es ist; so kam es zu seinem unerschöpflichen Eberfleisch und
seiner metspendenden Ziege.
XVL
Die Grimnismäl: machen dieses Paradies zu einem Gemeingut
aller im Kampf gefallenen Krieger: es hat über 600 Tore, und
durch jedes Tor werden in dichten Scharen die Einherier am
jüngsten Tage ausziehen. Alle diese Tausende sind auf langer,
beschwerlicher Helwanderung dorthin gelangt. Beides gehört zu-
sammen. Die Einherier stellen dem Dichter die ganze Menschheit
dar, darum gehen sie auch den Weg durch die Thund, den alle gehen
müssen. *
f
Anders bei den Skalden. Ihnen ist der Einzug in Walhall eine
Auszeichnung, die dem Einzelnen zuteil wird, und dieser kommt
geritten, das eine Mal stolz an der Spitze seines Gefolges, das andere
Mal geleitet von den Walkyrjen. Die Walkyrjen sind für
Eyvind eins der Mittel, um zu veranschaulichen, welche erhabene
Laufbahn sein König nach dem Tode zurücklegt. Häkon kann auf
dieses Geleit ebenso stolz sein wie auf den Empfang durch Hermö6Dr
und Bragi und auf den Heilwunsch der Götter.
Darin liegt wiederum eine Neuwertung. Von Hause aus war
die valkyria ein Wesen ganz anderer Art.
Die welcyrige der Angelsachsen war nach dem Zeugnis
der Glossen ein “‘finsteres, dämonisches Wesen’ (Golther). Die
Glossierung welcyrigean eagan: gorgoneus (Grimm Myth. 389)
erlaubt den Schluß, daß man dem‘ Blick der welecyrige tödliche
Wirkung zuschrieb: wer ihr ins Auge sah, war dem Tode verfallen.
Daß die Vorstellung eines feindlichen Wesens älter ist als
die aus den nordischen Quellen — besonders den Helgiliedern —
gewöhnlich herausgelesene, folgt zwar nicht aus dem höheren Alter
der altenglischen Glossenhandschriften, wohl aber daraus, daß gleich-
artige Vorstellungen auch im Norden sich nachweisen lassen, ja dort,
79
wie sich zeigen wird, die breite Unterschicht bilden, die durch jüngere
Phantasien und späten Wortgebrauch hindurch noch deutlich
sichtbar ist.
Man hat mit Recht hervorgehoben, daß ‘mahrenhaftes Wesen’
in der altisländischen Volkssage der Walkyrje Herfigtur an-
hafte 1/”Der Name bedeutet ‘Heerfessel’ und bezeichnet an mehreren
Stellen in der altisländischen Prosa eine schreckhafte, Tod. verheißende
Lähmung der Kämpfenden ?. Die unheimliche Erscheinung hat man
für ein Werk der Walkyrje gehalten und diese danach benannt.
Aus demselben oder einem sehr ähnlichen Glauben erklärt sich der
Walkyrjenname Hl0kk (‘Kette’). Das Lähmen der Glieder war
eine der Formen, in denen die unsichtbaren Schädlinge ihr Walkiesen
ausübten, und damit eine der Vorstellungen, die das Wort valkyria
erregte 3.
Gewiß spürte man das Wirken der valkyriur auch sonst. Zwei
von ihnen hießen Hrist und Hrund, ‘%chütteln’ und “Stoßen’
(Sn 200). Beide Namen haben einen entschieden feindlichen Klang;
sie weisen auf das Kampfgedränge mit seinen schwer analysierbaren
Eindrücken. Die Schädlichkeit der Hrund geht besonders daraus
hervor, daß Hrund hrepolls drifin golli (‘goldbedeckte Hrund des
Blutes’) eine Kenning für ‘A x t’ ist (Isl. gram. lit. 2, 80. 191), grund
Hrundar eine Kenning für ‘Schild’ (Hättatal 61) *. Diese Umschrei-
bungen sind. von gleicher Art wie Hdla hlürsölar “Hala des Schildes’
d.i. Axt (Isl. gr. lit. a. a. O0.) und die Beilkenningar. mit gifr (Gröndal
Clavis poetica 245 f.). Die Kommentatoren pflegen hdla, gifr und
Synonyma in solchen wie in andern Fällen mit ‘Riesin’ wiederzu-
geben: “‘Riesin des Schildes, Helmes, Kampfes’ sind skaldische
Ausdrücke für ‘Beil’. Wollen wir diese Ausdrücke verstehen, so
hilft die “Riesin’ uns nicht weiter. Wir dürfen dafür ‘“Feindin’ oder
“Schädigerin’ einsetzen. Denn die Axt ist ja die Feindin der Schutz-
waffen. Der ursprüngliche Sinn ist aber noch anschaulicher gewesen:
die Axt beißt oder schlägt den Schild.
Gıfr, das beliebteste Wort in diesen Umschreibungen, gehört
etymologisch zu nhd. geifern, altengl. gzw ‘Geier’, gır ‘Geier’, altnord.
gina ‘den Rachen aufsperren’, lat. hiare usw. (Noreen Urgerm.
Lautlehre 46; Falk - Torp Wortschatz 134). . Das sonstige
Vorkommen des Wortes, bezw. seiner nahen Verwandten, zeigt,
daß es die Bedeutung ‘gieriges, fressendes Wesen’ gehabt haben muß:
7u
man vergleiche altengl. gi/re Adj. ‘gefräßig, gierig', welgifre, meist
Beiwort des Aasvogels, altnord. ul/s algifris ‘des alles verschlingenden
Wolfes’ (Ragnarsdräpa 9, 8) 5, hregifr und Rabe zusammen Sigurds
Herzblut trinkend Guör. IT 29, 7, gifrir von bissigen Hunden Fiol-
svinnsmäl 13, 5 (ed. Sijmons 19, 3), Gifr Name eines dieser Hunde
ebenda 14, 1 (Sijm. 20, 1), Hrimgerör Helg. Hiorv. 15, 3 zu den gifr
gezählt und gleich darauf ndgrädug “leichengierig” genannt, eine
gifr flitgandi vermutlich durch die Leichen angelockt Voluspä
H. 38, 4, ähnlich gifr rata, troda halir helveg ‘die G. stürzen herbei,
Leute sind unterwegs zur Hel’ Voluspä 52, 6%, kianta gifr ‘GG. mit
(geöffneten) Kinnbacken’ als Bezeichnung eines Toten, der Schiff
und Mannschaft bedroht und als Toter gefräßig ist (vgl. Saxo 245 f.}
Skäldhelgarimur 4, 20, 3 (Rimnasafn ed. Jönsson 133). Altengl.
wepen welgifru (Wand. 100) zeigt, daß man das Wort schon früh
personifizierend auf Hiebwafiffen angewandt hat (wie ja auch
das ‘beißende’ Schwert, die ‘bittern’ Pfeile ebensowohl altengl.
wie altnord. sind). Mit diesem Gebrauch hängen natürlich altnord.
sökngtfr ‘Kampf-G.” d. i. Axt und Seinesgleichen aufs engste zu-
sammen.
Diesem deutlichsten Fall treten zur Seite griör und fla gÖö,
die wenigstens etymologisch ebenso klar sind. Kine Axtkenning
wie bengridr “Wunden-Gr.” (brynium heita bengridi Niäla 1, 483}
erklärt sich aus den Bedeutungen von altnord. grid ‘frantic eagerness’
mhd, grit ‘“Habsucht’ und wie diese weiterhin aus der Vorstellung
‘den Mund öffnen’ (vgl. grönan, germ. Wurzel gri “spreizen’, Falk-
Torp Wortschatz 144). Brynflagd ‘Brünnen-F.’, hlifar flagd ‘F. des
Schildes’ beruhen auf einem germ. flagiP- ‘schlagendes Wesen’,
das aus der Wurzel von griech. AHTTO, Üit. pläkti gebildet ist wie
ahd, ferid ‘“navigium’”, Aulid ‘velamentum’ (= altnord. Huld, die Zau-
berin der Ynglingasaga).
Mit flagö ist Hrund ursprünglich nahe synonym. Die Wiedergabe
von Hrund hrepolls mit ‘Walkyrje des Blutes’ ist nur ein Notbehelf.
Wir verstehen die Kenning sofort, sobald wir von der ‘“Walkyrje”
anderer Kenningar absehen und dafür an die ‘Riesinnen’ anknüpfen,
an die beißenden, schlagenden, stoßenden Wesen. Ein solcher Stoß-
dämon war die Hrund. Indem sie unter den valkyriur aufgeführt
wird, bereichert sie Jehrreich das Bild dieser Wesen. Die valkyria
läßt durch Stöße Blut fließen, weil sie den Wal kiest.
a
Daher dachte man sich die Walkyrjen bewaffnet. Sie schmettern
ihre Waffe gegen den Schild (Hrundar grund), und das Blut, das sie
sehen wollen, ritzen sie mit eigenem Speer aus den Leibern. Insofern
gleichen sie irdischen Schildjungfrauen, denen man sie darum immer
ähnlicher gemacht hat, so daß Verwechslungen die Folge gewesen
sind. Diese Entwicklung führt schließlich von der abergläubischen
Grundlage sehr weit ab; wir dürfen sie hier aus dem Spiel lassen.
Uns kommt es nur darauf an, zu zeigen, inwiefern die Walkyrje
eine Kämpferin ist: sie ist es wie Odin, der dem todgeweihten
Streiter seinen Speer vorhält und ihn damit in den Wal kiest. Pri-
mitiver aber als die Anschauungsweise, die wir durch die Gleichung
valkyria = “feindliche Frau in Waffen’ beschreiben, ist eine andere,
für die valkyria = Kampf, oder = irgend einem Element des Kampfes
ist. Man fühlte in dem Stoß, den man von unbekannter Seite empfing,
den Dämon; sah sein Wirken in dem Riß des Schildes: hörte ihn
heranbrausen im Speer- und Steinhagel ’; ahnte ihn als Absender
eines rätselhaften Pfeils. Daher Namen wie Hrund, Hrist
(vgl. dorrudr hristisk, Häk. 2, 6) und Randgr 1Ö(r) (Grimn. 36, 7,
Sn 201) ‘die Grlör der Schilde’, Neutraler sind GeirahQÖ (SnE
1,120, Speerkampf’), Skeggiold, Hildr. Von diesen wird
die Vertauschbarkeit der Walkyrjen- und der Kampfbezeichnungen
ausgegängen Sein.
Von einer noch andern Seite lernen wir die Walkyrje an einer
Stelle der VOlsungasaga kennen (ed. Ranisch c. 29,31).
Das zugrundeliegende Gedicht, das ‘Große Sigurdslied’, identi-
fiziert Brynhild mit der valkyria der Sigrdrifumäl und beschreibt
sie als Schildmaid ®. Ihr wird vorgeworfen, daß sie kvaldı dauda
menn ‘tote Männer quälte’. . Kvelia ist die Tätigkeit der Mahre oder
des Vampyrs (mara kvaldı Yuglt. 3, 12). Auf Leichen angewandt
wird der Ausdruck auch Voluspä 39, 7 im Text Snorris: Bar kvelr
Nidhoggr ndi framgengna ‘da quält N. abgeschiedene Tote’ (Sn 66).
Hier besagt er so viel wie ‘Blut saugen’ (= saug, Edda), und. etwas
anderes kann auch der Sigurddichter schwerlich gemeint haben.
Wir erinnern uns an die Beziehung zwischen valkyria und gifr, an
die Blut trinkende hraegifr des II. Gudrunliedes und die leichen-
hungrige gifr Hrimgerör, Die Schmähung, die Brynhild solchen
Wesen gleichstellt, ist gewiß nicht willkürlich erdacht.
— 38 —
Es wird auch kein Zufall sein, wenn im Scheltdialog des I. Helgi-
liedes dem Vorwurf ‘du bist ein Wolf gewesen, hast Wunden ausge-
sogen mit kaltem Munde und in Steinhaufen nach Leichen gestöbert’
die Antwort wird ‘du warst eine schädliche Hexe, eine unheilvolle
böse valkyria”®*. Allerdings wird die Schädlichkeit der Walkyrje
dadurch veranschaulicht, daß sie Zwietracht stifte bei Allvater;
Sinfigtli will auf das in solchem Zusanımenhange beliebte Gebiet
sexueller Anzüglichkeiten hinaus !°. Dies spricht jedoch nicht da-
gegen, daß ‚sein Ausgangspunkt die Ähnlichkeitsassoziation zwischen
dem leichengierigen Wolf und der Walkyrje gewesen ist. Nicht um-
sonst nennt er diese et skoda skass ‘das schädliche skass’: skase
heißt die leichenhungrige Hrimgerör, und die Synonymität des Wortes
mit gifr erhellt auch aus der Axtkenninz hialmskass (Niäla
1, 714) 1.
Die beiden letzten Stellen sind unschätzbar als kräftige Zeugnisse
für das Grauen und den Abscheu, die an dem Worte valkyria haften
konnten. In verhältnismäßig später Zeit tritt hier etwas an die Ober-
fläche, was offenbar der ältesten Schicht des Walkyrjenglaubens
angehört. Wir erkennen das “‘finstere, dämonische Wesen’ der alteng-
lischen Glossen.
Als Blutsaugerin gleicht die Walkyrje nicht. bloß dem Wolf,
sondern auch dem andern Schlachttier, dem Raben. Von dem
gewonnenen Standorte aus dürfen wir etwas dahinter suchen, daß
dieser Vogel im Altenglischen das Beiwort .w@1c&asig bekommt
(wonn welceasega, im lückenhaftem Zusammenhang, Exod, 164).
Das Adjektivum erlaubt zunächst mindestens eine zwiefache Deu-
tung: entweder ‘der das wel zum Sitze wählt’ (vgl. cure welreste
Gen. 1642 und Ähnliches, er he bel cure Beow. 23818) oder ‘der (unter
den noch lebenden Kriegern) das wel auswählt’. J. Grimms ‘caedem
eligens’ (Andr. und El. XXVI) schwebt unklar zwischen beiden
Möglichkeiten und trifft damit für den Dichter der Exodus vielleicht
das Rechte, wenn dieser nicht vielmehr in welce&asig geradezu ein
Synonymum von welfel, welgifre gesehen hat. Die ursprüngliche
Bedeutung war jedoch wahrscheinlich die zweite. Dafür sprechen
altnord. kiösa val und valkyırıa, zumal in dem zuletzt erörterten
Ainne.
Daß man den Raben in abergläubischem Lichte sah, wissen wir.
Im nordischen Altertum war er ein Schicksalsvogel. Seine Begleitung
79 —
verheißt dem Krieger Glück ??, er hilft also mit zum Fall des Feindes,
stellt seine Macht !® über Leben und Tod in den Dienst des Menschen.
Diese Vorstellungen stehen denen von einem Walkiesen recht nahe.
Unzweifelhaft war das Erscheinen des Schlachtvogels für die alten
Nordleute nicht einfach ein Signal, ein Vorzeichen; vielmehr ging
von dem Tiere eine Kraft aus, die den Fall des Feindes bewirkte,
nicht bloß anzeigte; die ‘tüchtige Gefolgschaft’ der Reginsmäl ist
zwar ein Gleichnis, aber es bleibt dem, was gemeint ist, ganz nahe.
Der Rabe hat ein geheimnisvolles Vermögen, ähnlich dem der
valkyria, sich das zu verschaffen, wonach sein Sinn steht: einen valr,
nicht einen beliebigen, sondern einen valr von bestimmten Menschen,
denn was ihn treibt, ist nicht bloßer Hunger, sondern Haß und Hunger
vermischt.
Die Walkyrje ist in der Regel unsichtbar. Nur dem Sterbenden
scheint sie ihr Gesicht zu zeigen, ähnlich wie Odin (Biarkamäl,
Grimn.). Es hat aber den Anschein, als hätte man zuweilen auch
sonst sie zu sehen geglaubt, und zwar als Vogel. Die Volsungasaga
kennt eine Wunschmaid in Krähengestalt (c. 1,65 f.). Häufiger er-
scheint die valkyria als Schwan!*, Der weiße Schwan liegt der
altnordischen Dichterphantasie näher als die schwarze Krähe?®.
Auch diese selbst hat man gewiß nicht mehr als Kampfvogel auf-
gefaßt, aber der Ursprung der Vorstellung darf doch vielleicht auf dem
Schlachtfelde gesucht werden. Nicht weil die Aasvögel mit Vorliebe
Geier, Falken usw. der Walkyrje heißen 1® — diese Ausdrücke
brauchen nicht ursprünglich epexegetische Genetive zu enthalten,
sie können ebensogut für ‘Geier des Kampfes’ und dergleichen
stehen —, sondern weil Walkyrje und Walvogel innerlich verwandt
waren. Wo der Rabe sich niederläßt, da wird auch die valkyria
anwesend gedacht. Beide trachten nach dem Blut der Leichen und
heißen nach den Wunden, die ihre Freude sind: der Vogel sdrgagl,
-gammr, -geitungr, -lömr, -mütari, -orriz adjektivisch -fikinn;
benmarr, undgagl und ähnlich; die Göttin sdrvitr (Helg. Hund.
1, 54, 6)1. Da lag es’ nahe genug, einen ‘“Wundenvogel’ für
den hamr einer valkyria zu halten. Dieser Vogel konnte nicht gut
ein Rabe sein, denn die valkyria war weiblich, wohl aber eine Aas-
krähe.
Den ältesten und engsten Umkreis des Walkyrjenglaubens
herauszuschälen ist, wie stets bei derartigen Fragen, unmöglich.
80
Wir können nicht genau angeben, was derjenige sich gedacht hat,
der das Wort valkyrıa prägte und damit einer Vielheit von furcht-
betonten Vorstellungen des Kampfaberglaubens einen Kristalli-
sationspunkt gab, Es genügt uns, die älteste, noch durchaus furcht-
betonte Schicht dieser Vorstellungen, soweit sie erkennbar ist,
bloßzulegen. Hier erscheint die Walkyrje, kurz gesagt, als Kam pf-
hexe. Sie ist verwandt mit einem Leichendämon wie der Glitnis
Gnä Ynglt. 718 und mit den: mancherlei Hexen jüngerer Zeit.
Sie unterscheidet sich von beiden durch ihre ausschließliche Wirk-
samkeit im Kampfe, von den letzteren auch durch die unbedingte
Tödlichkeit ihres Eingreifens. Aber die valkyria führt keineswegs
in ihrem Bereich die Alleinherrschaft. Manches, was uns als ‘Riesinnen-
name’ überliefert ist, bezeichnet ein Wesen, das wenigstens in ge-
wissen Funktionen der Walkyrje zum Verwechseln ähnlich sieht.
Da die altnordische Dichtung die Walkyrje in verschiedenen Rich-
tungen idealisiert und dem Worte schließlich einen neuen Inhalt
und Gefühlswert gegeben hat, steht es so, daß wir die ursprüngliche
Natur dieses Wesens zum Teil besser an den ‘“Riesinnen’ studieren
können.
Ein Teil des hierher gehörigen Materials wurde schon vorgeführt:
einige Walkyrjennamen kommen ursprünglich — so dürfen wir uns
ausdrücken — Hexen oder Riesinnen zu. Nach HamöÖismäl 15, 4
freut sich ein flagö über die Tötung Erps durch seine Brüder,
und nach Vikarsbälkr 17, 6 sind f1Q9gö daran schuld, daß Starkaör
seinen Gefolgsherrn ums Leben bringt. Die fl0gÖ haben also an Tot-
schlägen (vig) ein Interesse, vielleicht besonders an Freveltaten
(Firnar ). Dasselbe gilt sicher ursprünglich von den valkyriur, wenn
es auch in der Literatur zurücktritt. — OQrvar- Oddr schlägt
ein flagö ins Auge (Sterbelied 1,5), wie Higrleifr einem
Troll mit dem Spieß das Auge ausschießt (Hälfss. c. 5). Vielleicht
ist es kein Zufall, daß der Schlag gerade gegen das Auge geführt
wird: von da ging der lebenbedrohende Blick aus, den wir unter
anderm von den ‘Walkyrjenaugen‘ her kennen.
Weit näher kommt der valkyria die gri1ör. Merkwürdig sind
zwei Strophen, die nach Sturlunga 1, 518 f. ein großes, starkes, “rot
gefärbtes’ Weib einem Schläfer im Traume mitteilt, kurz vor dem
Treffen bei OrlygsstaGir. Sie kündigen den Kampf an und drohen
mit dem Untergang vieler Männer: ‘Ich eile zur Schlacht über Hügel
81 —
und Berge, schnell wie der schwarze Vogel; mit guter Hoffnung
komme ich in das Tal!®® des Totenackers, wo ich mich verberge:
grimmerfüllt bin ich hierher gekommen, eine Esche der Hel — d. h.
einen todgeweihten Mann — zu wählen’. Der letzte Satz ist aus der
Situation der Zukunft heraus gedacht: dort auf dem Schlachtfelde
will das Weib den Wal kiesen (denn helar ask at velia ist deutlich
Umschreibung von kiösa val). Sie wird sich dorthin begeben durch
die Luft leitend wie ein Rabe. Aber keiner der bekannten Walkyrjen-
namen wird genannt. Vielmehr beginnt die Sprecherin: ‘Eine Gr1ör
will ich den Männern werden”, d. h. ich will viele töten. Das Wort
bezeichnet sichtlich eine tötende Feindin (wie unbefriedigend ‘“Riesin’
ist, zeigt besonders der Dativ gumnum). Die Feindin hat alle Eigen-
schaften der Walkyrje und bezeichnet sich doch mit einem Namen,
der sonst für eine auf dem Wolfe reitende Hexe gilt (Helg. Hund. II
25, 7). Daß es sich hier einfach um eine sekundäre Vermischung
handelt, ist nach dem früher Gesagten nicht anzunehmen. Vielleicht
zeigt sich in diesen Strophen eine alte Bedeutung des Wortes gr1ör,
die es ermöglicht hätte, auch dieses Wesen unter die valkyriur auf-
zunehmen. Soweit wir sehen, hat man dies nicht getan, wohl deshalb
nicht, weil man von der Grlör auch Dinge wußte, die zu der stili-
sierten Odinsmaid der Dichter nicht paßten. Man schuf eine Schranke
durch Bildung der vornehm klingenden Komposita Rand- und
RäÖögrlö(r)!*. In irgend welchen Unterströmungen hat sich aber
die Walkyrje Grlör bis ins 13. Jahrhundert gehalten.
Die verschiedenen Namen für ‘gigas’, ‘Riese’ oder “Riesin’
haben das gemeinsam, daß sie schädliche, den Göttern feindliche
Wesen bezeichnen. Wir können darum die ursprüngliche Natur
der Walkyrjen auch so ausdrücken: sie gehörten auf die Seite der
‘Riesen’. Die Asen, besonders Thor. der Freund der Menschen,
waren ihre Gegner.
Diese ihre Verwandtschaft mit dem Riesengeschlecht tritt auch
genealogisch in die Erscheinung. Jene Wunschmaid Hli60, die in
Krähengestalt den Rerir besucht, ist die Tochter des Riesen Hrimnir.
Mit dieser ihrer Abkunft hängt das ‘Krähengewand’ zusammen,
denn es ist bekannt, daß Riesen oft als Vögel erscheinen. Besonders
bedeutsam ist für uns Hresvelgr, der ‘Riese im Adlerkleid’ der
Vafprüönismäl: er bestätigt auch durch seinen Namen den Zusammen-
hang der blutsaugenden valkyria mit den Vögeln des Schlachtfeldes.
Neckel. Walhall.
Wr
82 —
Fenia und Menia, die Heldinnen des ‚Grottasongr, sind
teils Schildmädchen, teils Riesinnen, teils Genien des Schlachten-
schicksals wie die valkyriur des Walkyrjenliedes (s. besonders Str. 14
und den Schluß). Als Riesinnen stammen sie von Hrungnir und Piazi
ab (Str. 9), den Brüdern von Bergriesen, den Feinden Thors. Der
Dichter, der diese Gestalten schuf, ist gewiß ziemlich frei vorgegangen,
aber wir erkennen doch, daß die Walkieserinnen, wie er sie überkam
und denen er seinen bösen König sich unwissentlich ausliefern ließ,
vom verderblichen Riesenstamme waren. -
Daß die irdische valkyria ein finsteres Wesen ist, das auf Tod
und Böses sinnt, dies ist den eddischen Dichtern stets gegenwärtig
geblieben.
Der Name valkyria ist in der altnordischen Poesie bemerkenswert
selten. Selbst die Helgilieder bringen ihn nur in dem großen
Zankdialog (an der besprochenen Stelle), sonst in den Strophen
niemals. Daß Sigrün und Sväva valkyriur sind, beruht ausschließlich
auf der Prosa; desgleichen die Walkyrjennatur der drei Mädchen der
Volundarkviöa. Dies und ähnliche negative Erscheinungen
wird: man nicht für Zufall halten können, wenn: man die Stellen
vergleicht, wo nun die valkyrıa leibhaftig im Verse auftritt. Soweit
die Szene nicht in Walhall spielt, handelt es. sich um Schlachtfelder
und Tod (Vorstellungen, die auch bei Walhall im Hintergrunde stehen).
So nicht bloß im Walkyrjenliede, auch in der Voluspä; die Häkonarmäl
schließen sich an. Wir folgern, daß der Name valkyria für die Dichter
noch ein durchsichtiges Kompositum war: ‘Walkieserin’; man konnte
es verschieden deuten — auch auf Walhall —, aber die Beziehung
zum valr und zum Tode blieb immer bewußt. Wo andere Vorstel-
lungen vorlagen, da stellten sich auch andere Namen ein. Ein
schützender, helfender, liebender weiblicher: Genius, mag er noch
so deutlich als Kämpferin gekennzeichnet sein, heißt nicht valkyria.
sondern dis (westgerm. idis), auch drös.
Disir (drösir) und valkyriur sind keine Gegensätze. Die valkyria
ist eine dis und kann dis heißen (vgl. Herians dis, Guör. I).
Aber meist liegen, wo der Ausdruck dis auftritt, die Dinge so, daß
er nicht durch valkyrıia ersetzbar ist. Er hat einen andern Gefühls-
wert. Die valkyria, die dis genannt wird, erscheint damit in einem
neuen Lichte. Gudrun, die ihre einstige Herrlichkeit mit der einer
dis Odins vergleicht, könnte diese dis nicht valkyrıa nennen. Wenn
Ragnarr in den Kräkumäl von disir aus Odins Halle spricht, die
ihn zu sich einladen, so vermeidet er wohl absichtlich den eigent-
lichen Ausdruck, der in seinen helltönenden Triumphgesang einen
Mißklang bringen würde. In Kampfschilderungen allerdings scheint
der Unterschied zu schwinden: vgl. dolgeisu disar giedum Glümr
Geirason (B 66, A 75); dynfüsar disir Viga-Clümr (B 114, A 120) ®°;
almdrösar eisu Erunnr Guthormr sindri (B 55, A 62); valdrös (Sturla,
KS 465) %. An diesen Stellen sorgt der Zusammenhang — im letzten
Falle auch die Silbe val- — dafür, daß der neutrale Ausdruck richtig
gewertet wird.
Die idisi des ersten Merseburger Spruches würden, auch wenn
das Denkmal nordisch wäre, disir heißen, nicht valkyriur, denn
sie sind Wesen, die helfen sollen. Und doch sind sie den nordischen
Schlachtjungfrauen nahe verwandt. J. Grimms Hinweis auf Hlokk
und Herfigtur (Myth. 373;*1,332) hilft uns den abergläubischen
Hintergrund erhellen. Das kleine Denkmal ist auf einem Wortspiel
aufgebaut, das, wie es scheint, einen zwingenden Druck auf die idisi
ausüben soll. Diese ‘heften einen Haft’ und ‘hemmen das Heer’;
das heißt: sie bringen eine Fesselung zustande wie Herfigtur und
lähmen dadurch wie diese die Kämpfenden. Dies wird ihnen zuge-
standen und dann mit überraschender Wendung fortgefahren: wer
fesseln kann, kann auch entfesseln, also befreit den Gefangenen! ??
Der diesen Spruch ‚ersann, wußte, daß es verschiedene idisi gibt.
Er führt sie ein mit suma .:. .suma ...suma, wie die Nornen, die
nicht alle Geburtshelferinnen sind, Fäfnismäl 13 mit derselben
Anapher in drei Geschlechter zerlegt werden. In der Teilung drückt
sich das Bewußtsein aus, daß man auf die idisi nicht immer bauen
kann; sie sind verschieden gesonnen. Aber sie gehören doch zu-
sammen, als idisi und weil die Trias, mit der Hauptsache im dritten
Glied, eine geschlossene Einheit ist. Dieser Gedanke wird dadurch
noch unterstrichen, daß die erste und die zweite Gruppe identisch
sind. So soll auch die Sonderstellung der dritten Gruppe sich als
bloßer Schein erweisen; das Klauben an den Fesseln soll dasselbe,
soll ebenso wirklich sein wie das ‘Haft-heften’ (das möglicherweise
tatsächlich vorangegangen war).
Ein ähnliches Verwandtschaftsverhältnis zwischen den ver-
schiedenen Arten oder Erscheinungsformen der disir, zwischen
‚s
4
Walkyrjen und freundlichen Genien, gilt für den Norden. Die We-
berinnen des Walkyrjenliedes sind gleichzeitig Todesgöttinnen und
Beschützerinnen (5, 8. 6, 6). Das ist möglich, weil sie Partei nehmen
(vinir värir 4, 7). Denn was für die eine Seite Verderben ist, ist Wohl-
tat für die andere. So sehen wir im Rahmen des Schlachtbildes das
Doppelgesicht der Walkyrje (ähnlich im Grottasongr, auch in den
Häk.). Der eine Name deckt beide Rollen (wie in dem deutschen
Spruch der Name idisi). Wir erkennen hier den Ausgangspunkt der
Vorstellung, daß die Göttin, die den Kämpfer schirmt und. fördert,
eine valkyria ist. Sie herrscht in den Prosen der Helgilieder und anders-
wo und muß in ihrer terminologischen Nacktheit jung sein, denn
sie setzt eine Verblassung des Sprachgefühls voraus, die, wie gesagt,
bei den Dichtern nicht nachweisbar und wohl erst auf literarischer
Stufe eingetreten ist. Immerhin hat sie sachlich alte Wurzeln.
Die Isländer des 12, Jahrhunderts, die Sväva und Sigrün valkyriur
nannten, haben damit nicht radikal geneuert. Schon die Dichter
standen im Banne der Walkyrjenvorstellung, wenn sie auch das Wort
vermieden.
Das zeigt die Art, wie sie ihre Kampfjungfrauen auftreten lassen.
Wir dürfen annehmen, daß nach altem Volksglauben die Walkyrje
in der Schlacht unsichtbar wirksam war %®, nach der Schlacht aber
für die Sterbenden unter Umständen sichtbar wurde. Der Ort ihres
Erscheinens ist also die Walstatt nach dem Kampfe. Diese Vorstellung
herrscht denn auch in den Häkonarmäl. Hier finden’ zwar
die Walkyrjen den König, als er sich zum Kampfe rüstet und unter
dem Banner steht; sie reden ihn aber erst an und werden erblickt,
als er tot auf der Walstatt ‘sitzt’. An dieses Schema halten sich nun
bemerkenswerterweise auch die Helgilieder. Sigrün erscheint
dem Helgi nach der Schlacht auf der Walstatt Helg. Hund. II 14, I 14 ff.
1 54 ff., ebenso dem sterbenden HoÖöbroddr IT 25; auch die Begegnung
mit der Kampfjungfrau, die II 5{ff. geschildert wird, findet nach
einem Treffen statt, und diesem und anderen Treffen hat die J ung-
frau unsichtbar beigewohnt (II 12. 13); die Strophen von Brüder-
zwist erzählen, wie der sterbende Helgi auf dem Schlachtfelde von
Sväva besucht wird (Helg. Higrv. 40). Aus dem Rahmen heraus
fallen die erste Begegnung mit Sväva und die Himmelsjungfrauen
als Schützerinnen der Schiffahrt in den Hrimgeröarmäl und im
ersten Hundingstöterliede. Die zweite dieser Erfindungen bleibt
8!,
dem Schlachtbilde von II 13 recht nahe und kann daraus umgebildet
sein. Alles in allem, ist es unverkennbar, daß die Dichterphantasie
sich in den Bahnen des echten Walkyrjenglaubens bewegt. Sie geht
diese Bahn nur nicht zu Ende und schafft dadurch ihre neuartigen
Gebilde, die Helm- und Wundenwesen, die den Helden schützen
und von ihm Schutz begehren und ihn mit ihrem Besitz belohnen.
Dies bedeutete schon eine Zersetzung des alten Walkyrjenbegriffes.
Die Prosaisten haben nichts getan, als daß sie das rücksichtslos
formulierten und. dadurch in aller Klarheit einen neuen Typus der
Walkyrje hinstellten, der den alten hat in den Schatten treten lassen.
Die Helgidichtung, einschließlich der Prosa, zeigt, daß man
die valkyriur und die disir im engeren Sinne als wesensverwandt
ansehen konnte. Man konnte um der letzteren willen aus dem Bilde
der valkyria die Beziehung auf Tod. und Jenseits wegdenken, so daß
nur die behelmte göttliche Jungfrau übrig blieb. Damit grenzt der
Walkyrjenbegriff zugleich an den der fylgia oder hamingia
(die auch disir sind), mögen auch fylgia und hamingia in einer Be-
ziehung der valkyria schroff entgegengesetzt sein: ihre Rolle im
Leben des Menschen ist ausgespielt, sobald der Mensch stirbt, also
in dem Augenblick, wo die Walkyrje ihr Spiel beginnt. Dieser Gegen-
satz (der Atlamäl 28 ausgedrückt scheint) wird dadurch ver-
söhnt, daß jener Augenblick, in dem sich beide begegnen, für jede
von ihnen der wichtigste Moment ihres Daseins ist. Das Sichtbar-
werden der fylgia bedeutet nämlich den nahe bevorstehenden Tod **,
und auch die Walkyrje erscheint ja dem Sterbenden. Hier ist also
für den Volksglauben kein Gegensatz gewesen, vielmehr ein Anlaß
zur Verwechslung. Mochten die Dichter, die den Mädchentypus
der Helgidichtung schufen, dabei an die valkyria denken, sie konnten
ebensogut die behelmte fylgia im Auge haben, die man von seinem
sterbenden Verwandten erbt * wie Hedin Svava von dem sterbenden
Bruder, und die zugegen ist, wenn man zum Kampf antritt 2%.
Sicherlich aber sind die Übergänge zwischen valkyria und fylgia-
hamingia nicht bloß für die Helgidichtung wichtig geworden. Schon
vorher haben Einflüsse hin und her gespielt... Es kann kein Zufall
sein, daß sowohl valkyria wie fylgia ‘“Helmwesen’ sind.
Knüpfen sich an die weiblichen Genien Jenseitsvor-
stellungen außer Walhall? .
86
; %
ren
Hier ist zunächst an Hel zu erinnern. Egill läßt sie zwei-
mal im Diesseits alftreten: dıe Walstatt beschreitend. und ihn selber
auf dem Vorgebirge erwartend ??, Ebenso erscheint sie in Saxos
Baldrgeschichte dem Helden im Traum, einen Tag vor seinem Tode:
Postera nocte eidem Proserpina per quietem astare aspecta postridie
se eius complexu usuram denunciat (Saxo 124 f.). Die gewöhnliche
Vorstellung von Hel aber ist die, daß sie in ihrem Hause im Jenseits
die Toten aufnimmt. Das Bild bleibt blaß und unbestimmt. An
einer Stelle, Yngltl. 7, liegt eine individuellere Kennzeichnung der
Göttin vor, aber sie wird leider für uns nicht greifbar.
Deutlicher ist das Jenseits, das eine namenlose ‘Frau’ den
Gisli Sürsson im Traum sehen läßt (Gislas. Str. 23—25).
Sie bietet ihm an, mit ihr ihr graues Roß zu reiten zu einem Hause,
in dem weiche Daunenpolster liegen. Dort wird sie seine Wunden
heilen, und er soll ‘über diesen Reichtum und über die Frau selbst’
gebieten zu ihrer beider Glück. Ein ähnliches Traumgesicht hat
Glaumvor Atlamäl 28. Sie sieht prächtig 2 gekleidete — das
heißt wohl: waffengerüstete — Frauen den Gunnar ‘in Bälde zu
ihren Bänken’ einladen. Die Liebe im Jenseits, um die es sich offenbar
auch hier handelt, schlägt eine Brücke zu Saxos Proserpina.
Diese Zeugnisse sind nicht derart, daß sie sichere Schlüsse
ermöglichen. Aber sie legen zwei Hypothesen nahe, eine literar-
historische und eine religionsgeschichtliche. ,
Der Liebesbund der Traumfrau mit dem Krieger scheint zu-
sammenzuhängen mit der Rolle der Schlachtmädchen in den Helgi-
liedern. Im ersten Liede fordert Helgi die auf der Walstatt erschei-
nenden disir auf, ihn heimzubegleiten zum Biertrinken. Das sieht
fast aus wie eine Umkehrung des Motivs, daß die Traumfrau den
Helden zu ihren Bänken einlädt. Gislis Traumfrau, die das graue
Roß reitet, isf eine ins Tröstliche gewendete Walkyrje, und die
Frauen’ der Atlamäl gleichen ebenfalls den Walkyrjen durch ihre
prächtige Kleidung und ihr ‘Kiesen’. Da die Helgidichtung, wie wir
sahen, Walkyrjen im Auge hat, so mag mit dieser Vorstellung auch
der Liebesbund gegeben gewesen sein. Er lebt vielleicht auch fort
als Totenhochzeit im Liede von Helgis Wiederkehr. Der Hügel als
Stätte dieser Hochzeit legt die Vermutung nahe: es hat einen älteren
Glauben gegeben, wonach der Tote im Hügel die Gesellschaft einer
überirdischen Frau genießt, derselben, die ihn aus seinem letzten
&
{
Kampf abholte. Dieser Glaube mag den Dichter weiter zu der schönen
Erfindung begeistert haben, daß Helgi die Geliebte um Heilung
seiner Wunden bittet (Helg. Hund. II 42,8). Eben dies verheißt
die draumkona dem Gisli (Gislas. Str. 23). Die Hoffnung entspringt
aus der gleichen Anschauung wie jene von Burkhard von Worms
bezeugte altdeutsche Begräbnissitte (oben S. 38).
Ein Zweites ist für unsern Zusammenhang wichtiger. War es
wirklich einmal Glaube, daß die valkyria den gefallenen Krieger
zu Roß in ein Haus geleitet, wo er ihre Liebe genießt, so hat dieses
Haus Ähnlichkeit mit der Walhall der Häkonarmäl. Bedeutet also
die Erhebung der valkyria zur Odinsbotin eine Gleichsetzung ihres
Liebesheims mit Odins Halle? Hat diese Gleichsetzung mit Anlaß
gegeben zu jener Erhebung ?
Wir dürfen, dünkt mich, diese Fragen mit einer gewissen Wahr-
scheinlichkeit bejahen. Daß der Liebesbund als solcher in dem Wal-
hallbilde nicht nachlebt, kann uns nicht wundern... Odin und seine
Tafelrunde streitbarer Männer können ihn verdrängt haben; die
Luft von Walhall war dieser Phantasie nicht günstig. Nur als An-
spielung läßt sie sie ein: der Vorwurf des Helgiliedes ‘alle Einherier
wollten sich schlagen um deinetwillen’ eint im Bilde der immer-
währenden Totenschlacht erfinderisch die Kampf-dis mit der liebenden
Göttin. Und wenn auch der Kriegergott im allgemeinen keine Liebe
duldet, die Kriegergöttin scheint sich anders zu ihr zu stellen.
Nach Grimnismäl 14 kiest Freyja die Hälfte aller Fallenden
für ihren Saal Folkvangr. Diese Gottheit sieht aus wie die valkyria
xart’ Z£oxHv : sie kiest den Wal, sie reitet mit einem valsinni (Hynd-
luli60), und sie ist Schenkin der Götter (Sn 85) wie die Walkyrjen
in Walhall (Eirlksmäl, Grimn.). Das Schenkenamt Freyjas und. der
Walkyrjen, das man festgehalten hat als entsprechend der Tätig-
keit irdischer Hausfrauen und ihrer Töchter, dürfte ausgegangen
sein von einem gera drekku wie im Oddrünargrätr 12: die Liebende
bereitet dem Geliebten den Trunk (einen Willkommentrunk,
ähnlich dem Metbecher der Hel Vegtamskv. 7). Daraus, daß Freyja
mit diesem Trunk jeden empfing, der in ihren Saal kam, erklärt sich
ihr Ruf als Dirne. Die ‘Asen und Elben hier drinnen’ der Loka-
senna 30 sind die gefallenen Krieger in ihrer Eigenschaft als
Einherier, die ja auch die Götter mit einschließt.
RR
Ist dies richtig, so Jebt in Freyja, die sich ihre Beute mit Odin
teilt, die selbständige valkyria des Jenseits fort. Sessrümnir ist der
Rest der Grabkammern oder Jenseitssäle, in denen Todesgöttinnen,
Verwandte der Hel, mit den Kriegern hausten?*, Indem man diese
Buhlerinnen valkyriur nannte, deutete man die alte Formel
vom Walkiesen und der Walkieserin tröstlicher als früher, indem
man dem feindlichen Handeln ein milderndes Motiv unterlegte; man
idealisierte gewissermaßen den finsteren Todesdämon ein wenig
und näherte ihn seiner künftigen Rolle in Walhall an.
Wir begegnen dieser Rolle zu ältest in den Eiriksmäl,
demnächst in den Häkonarmäl; dazu tritt ein Menschenalter
später als isländischer Zeuge Ulfr Uggason mit der Hüsdräpa
(Str. 9). Diese Denkmäler zeigen uns die Walkyrjen als Dienerinnen
Odins in Walhall und auf dem Schlachtfelde; letzteres die Häko-
narmäl, die dadurch das Bild wesentlich bereichern und erhellen.
Gemäß dem von Olrik so genannten epischen Zwillingsgesetz
wählt der Dichter zwei Walkyrjen, Gondul und Skogul; denn sie
sind Botinnen, von Gauta-Tyr gesendet. Ihr Amt ist, unter den
Königen den zu wählen (kiösa), der zu Odin reisen und in Walhall
wohnen soll. Schon diese Eingangsstrophe schlägt kräftig den
Grundakkord des Ganzen an. Das deutlich vorschwebende ki6sa val
wird veredelt zu einer zusammengesetzten Phrase, die den valr nur
als Valholl anerkennt und auch diese erst nennt, nachdem durch
Erwähnung des höchsten Hausherrn ihre Bedeutung ins.rechte Licht
gerückt ist. Das alte unheimliche k&iösa wird zu einem eigentlichen
‘auswählen’, und zwar unter Königen; nur diese haben Anwartschaft
auf Odins Halle, und es scheint, als hätte Yngvis erlauchter Stamm
noch ein besonderes Vorrecht.
Skogul erregt in Odins Namen das ‘Wetter’. Der König kämpft
brünnenlos wie ein Held, er schreckt die Feinde, die Norweger zer-
hauen Schilde und Schädel, mancher Mann sinkt in das Blut, auch
Häkon selbst und viele der Seinen. Die Walkyrjen haben das Wetter
so gelenkt, daß er das Feld behauptete, aber den Sieg mit dem Leben
bezahlte. Häkon ist unzufrieden. Er freut sich nicht auf Walhhall
und meinte Besseres von den Göttern verdient zu haben. Die mächtige
Skogul tröstet ihn durch den Hinweis auf die Flucht der Feinde, auf
die grünen Heime der Götter und auf den Gott, dem sie und ihre.
8395
Schwester, .vorausreitend, das Nahen des ‘Allwaltenden’ verkünden
wollen, den er mıt großem Gefolge — auch das eine hohe Ehre —
zu sich eingeladen hat. Die Krieger sehen die Walkyrjen vor sich
zu Roß, behelmt, mit der Linken den Schild vorhaltend, in der Rechten
den Speer, den Gondul, ausruhend, auf die Erde stützt. Hyggiliga
letu, das scheint zu meinen: sie zeigten sich besonnen, nicht mehr
angriffslustig, ruhig und also Vertrauen einflößend.
Wie das ganze Gedicht darauf ausgeht, den Stachel des Todes
abzustumpfen, ohne daß dies jedoch ganz gelingt, so auch die Verse,
die von den Walkyrjen handeln. Das Grauen, das vor diesen Wesen
hergeht, soll zerstreut werden. Sie bleiben Todesbotinnen, aber
sie zeigen keine Freude am Morden; sie vollstrecken nur einen uner-
forschlichen Ratschluß und führen ihr Opfer zum Gipfel aller Ehren;
und doch folgt es ihnen ebensowenig froh wie mit heilen Gliedern
und Waffen.
Niemand könnte Eyvinds Walkyrjen für Hexen oder Riesinnen
halten. Diese Wesen umstrahlt eine göttliche Erhabenheit, die wohl
geeignet War, ihre Schrecklichkeit zumal in den Augen späterer
Geschlechter zu mildern. Wir erblicken hier die germanische valkyria
auf der höchsten Stufe, die sie, ohne ihre eigentliche Aufgabe zu
verleugnen, erstiegen hat.
Etwas anders beleuchtet sie der Dichter der Grimnismöl.
Wenn er den verkleideten Gott sprechen läßt: ‘“Hrist und Mist sollen
mir das Horn bringen, Skeggiold und Skogul’, so werden Furcht
und Grauen in Geirroör ebenso rege wie eine Ahnung der himmlischen
Majestät.
Hohe, göttliche Jungfrauen sind die Walkyrjen auch in der
Voluspä, wo die ganze Anlage des Gedichts ein himmlisches Licht
auf ihre schildtragende Schar fallen läßt. Aber sie bringen Krieg
und Tod in die Welt. Nach der Auferstehung des Alls aus den Fluten
ist für sie schwerlich noch Platz ®.
90
XVYIL
Die Voluspä gibt dem Unsterblichkeitsgedanken eine eigenartige
Wendung. In ihrem großen Weltdrama spielen die Menschen kaum
eine Rolle; Walhall bewohnen die Götter allein. Doch streift der
erste Teil die Schöpfung von Ask und Embla; unter den Vorboten
des Weltuntergangs wird die Beil- und Schwertzeit kurz geschildert;
und dann fallen ein paar Seitenblicke auf die zur Hel wandernden
Menschen (47, 6. 52, 7. 56,7)1. Also die Erdenkinder werden nicht
ignoriert. Aber der Dichter hat seinen Standort im ‘weiten Windheim’,
von wo man die Menschenwelt nur in weiter, verkleinernder Ferne
sieht. Zuletzt jedoch, nach der Auferstehung der Welt aus dem Meere,
rücken ihm die Erdgeborenen näher. Odins Kriegerhalle, die bis
dahin nicht vorhanden war, strahlt jetzt, schöner als die Sonne;
auf Giml6; drinnen hausen tüchtige Gefolgschaften und genießen
ihr Lebtag die Wonne. Denn Baldr ist endlich aus der Hel zurück-
gekehrt; die Tore der Unterwelt stehen geöffnet, der dunkle Leichen-
drache kommt zum ersten und letzten Mal ans Licht, um gleich
wieder zu verschwinden, denn es gibt jetzt keinen Tod mehr 2,
Wir sind im Unsterblichkeitslande, wo die Äcker ewig grünen und
neben seligen jungen Göttern glückliche Menschen leben.
Daß die Halle auf Gimle ein. ‘verklärtes Seitenstück der Walhall’
darstellt, darüber ist man einig ®% Fragt man aber, ob die Bewohner
der Halle die von den Toten auferstandenen alten Einherier sind
oder ein neues Menschengeschlecht, so fragt man nicht richtig.
Gewiß sind diese dyggvar dröttir die Einherier, aber ‚sie beginnen
ihr Dasein erst jetzt, bei der Auferstehung. Der Dichter, unverkennbar
beeinflußt vom christlichen Weltbilde, hat das Bild der Unsterblich-
keit, das er im heimischen Heidenglauben vorfand, von den Schlacken
der Vergänglichkeit gereinigt und es in seinem Weltsystem da ange-
bracht, wo den Christen das ewige Leben winkte. Die Neuerung
war nicht sehr tiefgreifend; denn vorher sah man Walhall wohl auf
dem Hintergrunde des kommenden Ragnarök, aber Ragnarök war
so fern, daß das ‘Genießen der Wonne’ durchaus die Hauptsache
war: es war ebenso ewig wie die Welt und die Götter,
Es gab eine heidnische Mythe von dem letzten Menschenpaar,
das in Hoddmimirs Holz den Fimbulwinter überdauert und die
Erde neu bevölkert (Vafpr. 44 £.). Zu dem Rahmen. der Voluspä,
_— 9 —
der Himmel und Erde umspannte, paßte das nicht. Der Dichter konnte
die Menschen der neuen Welt nur in Gemeinschaft mit den Göttern,
von denen sein ganzes Gedicht handelte, leben lassen. Die gegebene
Form dafür war Walhall. Wen alles diese neue Walhhall beherbergt,
darüber dürfen wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Der Dichter
hält mit dyggvar dröttir deutlich den Zusammenhang mit der alten
Einherierschar fest. Auch diese bestand aus dröttir — aus so vielen,
wie Könige in Walhall eingezogen waren — und auch Odin lud nur
dyggva menn zu sich. Nicht jeder kommt in den Saal auf Gimle,
ebensowenig wie nach Walhall; sonst blieben keine Leichen zurück
für Niöhoggr. Und auch sonst haben wir keinen Grund, uns diese
neuen ‘tüchtigen Scharen’ viel anders zu denken als die der Grimnis-
mäl, Eirlksmäl und Häkonarmäl*. Aber. diese Genossen der neuen
Schlachtgötter kommen — Baldr an ihrer Spitze — aus der stillen
Hel, während die Einherier von der Walstatt kamen. Und sie haben
keine große Tat mehr zu tun. Das alte Walhallbild wurde, so wenig
der Blick darüber hinausschweifte, doch gehoben durch den dunklen
Hintergmund der Ragnatrök; das goldene Dach des Gimlesaales
verfließt in den sonnendurchleuchteten Äther. Gleichwohl ist Gimle
ein Zeugnis dafür, wie fest Walhall als Ausdruck der Unsterblichkeit
und als Gegensatz zur Hel der Phantasie der letzten heidnischen
Generationen gewurzelt war.
Wie im Leben des einzelnen Kriegers Walhall sich zum Tode
verhält, so verhält sich in der Voluspä der Gimlesaal zum Untergang
der Welt. Der Held des Gedichtes ist das Universum: die unbelebte
Natur und das Leben der Götter und damit auch, der Menschen —
ein buntes Vielerlei, das der Dichter zu einem gefühlsmäßigen Ganzen
eint. Nach dem Fall des Helden kommt die Erneuerung. Und auch
hier fließen Natur, Götter- und Menschenleben harmonisch inein-
ander. Unser Blick schweift vom Meere aufwärts über die grünen
Wiesen der Götter zum Saal, in dem die tüchtigen Scharen hausen.
Alles ist neugeboren, frisch und glänzend, und der Saal gibt dem
Ganzen die einheitliche Krönung.
Dieses Bild, so isoliert es zu stehen scheint, hat der Dichter weder
frei erfunden noch in der Hauptsache einem fremden Vorbilde nach-
geahmt. Die eigenartige, starke Stimmung, die dem Bilde anhaftet,
hat ihn bereits aus älterer heimischer Dichtung angeweht, die von
Walhall und den grünen Heimen der Asen erzählte. Der Einklang
92 ——
zwischen Walhall und dem Unsterblichkeitslande, den Eyvind nur
schwach andeuten konnte, er ist hier glaubhaft gemacht. Der kriege-
rische Lärm in Odins Halle ist so hoch über die Erde emporgehoben,
daß er für unser Ohr verhallt ° und die waffenführende Heldenschar
in das Idyll des Wunschlandes sich einfügt.
Damit ist der Riß geheilt, der in den Walhallvorstellungen vor-
handen war, seit Walhall ein Sitz der Unsterblichkeit wurde. Aber
diese neue, verklärte Walhall hat keine Zukunft mehr. Der heidnische
Unsterblichkeitsglaube hat sein letztes Wort gesprochen.
93
Exkurse.
Valholl in der Atlakviöa: I, 1.
Der Fall der Ragnarssöhne Eirekr und Agnarr: IL, 2,
Serki valrauda: II, 14.
Sveigöls salr: VII, 2.
Waffen- und Pfostenverehrung: VII, 6.
SveigÖirsage: IX, 5.
Wundts System der Seelenvorstellungen: XI, 3, vgl. XI, 14.
Zum Sprachgebrauch des griechischen wvx: XI, 11.
Zum vorhomerischen Totenglauben der Griechen: XI, 14. 18.
Qnd und andi: XI, 26.
Zur Methode der Völkerpsychologie: XI, 27.
Die draugar des isländischen Volksglaubens: XT, 30.
Die fünf Könige der Eirlksmäl: XII, 9.
Isl. bifa: XII, 10.
Gagnräör und einige andere Odinsnamen: XIII, 4.
Mutter Erde: XV, 14.
94
Anmerkungen und Exkurse,
1 (5.2). Vinda val Guthormr sindri Häkonardräpa 3, 3; Haddingia
val Eyvindr Häleygiatal 11; fannk aldrı val vildra fremdarmanna Einarr
Geisli 10. — Gislasons Bedenken gegen die erste Stelle (Eft.
skr. 2,220) sind bedeutungslos. Die Wenden sind im Auslande,
wohin nach norwegischen Begriffen nicht das ganze Aufgebot mit-
zuziehen verpflichtet ist. — Man könnte dieses val besonders in der
Valholl der Burgunden und Hunnen in der Atlakviöda finden
wollen. Aber die näheren Umstände sprechen hier entschieden für
übertragene Anwendung des mythologischen Ausdrucks, der in
Str. 14 durch die vorangehende Phraseologie nahegelegt wurde
(‘lidskialfar’, Schilde und Speere nebeneinander) und außerdem an
dem Stabreim vin hing (vgl. unten II, 5). Diese Fälle sind lehr-
reich für die Psychologie des stabreimenden Dichters, aber bedeu-
tungslos für die Frage nach der Entstehungszeit des Textes (gegen
Finnur Jönsson Lit.-historie 1,306; Atlakvida 1912, 97 £.).
2(S.2). Kauffmann Balder 229 hat tatsächlich in dem
manna val der Hyndluliö6 die ‘Männerauslese’ für Walhall gefunden.
3 (8.3). Mü1lle r Geschichte und System der altdeutschen Religion
394. Mogk Mythologie 110 (‘V. ist von Haus aus nichts anderes
als das Totenreich, sie deckt sich mit dem Reiche der Hel oder dem
Nobishaus altdeutscher Quellen’). Schück Studier i nord.
religionshistoria 1,98 (‘V. är ...intet annat än det gamla dödsriket
Hel. . . . Detta framgär för det första redan af namnet Valholl = de
dödas rike’), R. M. Meyer Altgerm. Religionsgeschichte 268.
Vegel. auch Schullerus. Beitr. 12. 2924.
4 (8.3). Lex. poet. s. v. berg (Sigtys berg = arx Odinis, Valhalla;
anders s. v. Sigtyr). Schullerusa.a.0. 264. Mogka.a.0. 29. 108.
de la Saussaye The Religion of the Teutons 228, v. d. Leyen
Götter und Göttersagen 139. v. Unwerth Totenkult 118 u. a.
95
IL.
1(S.6). Ki ösa in diesen Verbindungen bezeichnet einen über-
natürlichen Vorgang. Man könnte es mit ‘hexen’ umschreiben.
Die Stellen, wo man kiösa mit ‘zaubern’ übersetzt, sind nah verwandt;
lifna kiösa Helg. Hund. II 29, 4 ist ein — wahrscheinlich bewußtes —
Gegenstück zu kiösa val. Auch kiösa lif (Vsp. 20, 10, von den Nornen)
ist ähnlich. Vgl. adän. kiuse, aschwed, kiusa ‘verhexen’. Ob dieser
Gebrauch zu erklären ist aus einem ursprünglichen ‘den Gegenstand
für die Hexerei wählen’ (Falk-Torp, Et. ordbog s. v. kyse), ist sehr
fraglich. Man könnte auch an hlutvid kiösa VAluspä 63,2, also an
das Losorakel anknüpfen. Aber ‘wählen’ ist nicht die älteste Bedeu-
tung von germ. keosan (vgl. mhd. kiesen ‘wahrnehmen’, got. kıiusan
‘prüfen’, gr. yeUouaı, lat. gustare = ahd. kostön). Solche bedeu-
tungsgeschichtlichen Fragen darf man nicht mechanisch anfassen.
Sie haben eine kulturhistorische Seite, die schwer zu kontrollieren
ist. Vgl. J. Grimm Gramm. 4, 608 und Grönbechs Bemerkungen
über altnord. spd und ähnliches, Vor folkegt in oldtiden 2, 248 u.6.
(Falk-Torp Et. ordb.2, 421 erklären kiösa val Vafpr. 40. 41
als ‘den Kampf wählen’ = ‘kämpfen’ unter Berufung auf ae. wig c&0san.
Aber sie unterlassen es, die angenommene Bedeutungsgleichung
val = wiqg zu begründen).
2(8.7). Änderung des d in of ist nicht zu rechtfertigen. Die Prosa,
die mit ihrem uppi yfir valnum dazu verführt hat, stimmt wie so
oft nicht zu der Anschauung der Verse. Bezeichnend ist, daß diese
in der Ragnarssaga (ed. Olsen 139f.) teilweise anders kom-
mentiert werden. Die Abweichungen mit Finnur Jönsson aus einer
älteren Ragnarssaga zu erklären, hat keinen Wert, denn dann bleibt
die Frage offen, woher denn die ‘jüngere’ Saga ihre Besonderheiten
hat. Der Pättr kombiniert deutlich die Ragnarssaga mit einer andern
Quelle, die, wie Olrik Aarboger 1894, 147f. gezeigt. hat, mit
Arngrims Kompendium der Skigldungasaga nahe verwandt war. —
Die Abweichungen zwischen Strophen und Prosa sprechen dafür,
daß wenigstens die Eireksstrophen älter sind als das 13, Jahrhundert.
Sie zeigen in den Motiven Ähnlichkeit mit Hiäilmars Sterbe-
lied. — Daß d val = ae. on wele vorliegt, beweist auch die folgende
Strophe (Olsen 141 f. 203 £.) mit ihrem d ... bed deyia; dieses bed
36
ist = ae. welbed. Daß nicht die Speere der Prosa gemeint sind,
ergibt sich auch aus der Nennung der beiden Brüder.
3(S. 11). Doch vergl. AfdA 35, 294.
4(S. 11). Anders Björkman Nord. Personennamen in Eng-
Jand. 174. (Siehe dag. neuerdings Noreen Spridda Studier III,
Stockh. 1913, 75f. — Korg.-Note.)
5 (S. 11). Vinbigrg, Valbiorg. Der Stabreim vin- (vin-?): val
stammt aus alter Tradition; Widsiö 77f£. ist er in zwei Langverse aus-
einandergezogen, die beide mit w staben. Vgl. I, 1.
6(S. 11). Das Brot um fornan ätrüna®Ö sagt in seiner
Namenaufzählung: Vidarr, Vali (vgl. Vafpr. 51), af honum tök
nafn Valland (SnE. 2. 636).
7 (8.11). Nach F. Roeder (bei Hoo ps Reallexikon 1, 218;
vgl. 2, 8) ‘der fremde Habicht’ = lat. Falco peregrinus. Diese Er-
klärung kann jedenfalls Roeders Annahme, die Falkenjagd sei eine
germanische Erfindung, nicht stützen. Sie ist mir nicht glaubhaft,
weil ‘welsch’ und ‘fremd’ sonst m. W. nicht ineinander übergehen
und. dies bei dem Horizont sowohl der Angelsachsen wie der Nor-
weger und Isländer auch kaum vorauszusetzen ist.
8/8. 12). So auch Gislason Efterladte Skrifter 1, 99.
9 (8.12). Die übliche Auffassung der Kenning als = sendir val-
vandar scheint mir nur auf dem Papier möglich, selbst wenn valvondr
als ‘Speer’ gedacht sein sollte. — Sendir Hlakkar skida . . €&ls bei
Hallfreör (B 160, A 170) ist ähnlich, aber nicht maßgebend. —
Nadds hämdna rodd bei demselben Guthormr ist nicht einfach =
nadds mäna härodd, sondern hämdni hat einen selbständigen Vor-
stellungsgehalt: ‘der hochragende Mond’, vgl. hdfiall skarar (Hym.)
und ähnliche Fälle. — Etwas Ähnliches, auch eine Art “ofliöst”,
ist es, wenn Hallfreör a. a. O0. zuerst die Kenning sendir Hlakkar skida
vorführt und im übernächsten Verse dann €&s nachträgt, wodurch
sendir eine neue Beziehung erhält (das Ganze etwa = &sendir Hlakkar
2 297 —
skida, wie &lsveigir skialdlinns, dynsveigir darra bei Sturla), ein Fall,
der bekanntlich bei den Skalden häufig ist.
10 (S. 13). Ein Nachklang dieser Verse scheint Leidarvisan 5 vor-
zuliegen (B 623, A. 619). Dort ist valbrands durch hrelinns (“Leichen-
schlange’) ersetzt. An beiden Stellen ordnet man um: valsunda
brandr, hresunda linnr. Für das geistliche Gedicht der Schreibezeit
(für das Egilsson Lex. poet. 391b, 790a es zuerst vorschlug)
mag dies diskutabel sein. Bei Guthormr spricht auch das dagegen,
daß ein ganz individueller Gedanke dadurch verwischt würde.
11 (S. 13). In der Kenning valserkiar vedrhirdir, die bei Öttarr
svartı mit valfasta vedrorr nachgeahmt scheint. Ich sehe keinen Grund,
mit Egilsson Lex. poet. 847, Gislason Eft. skr. 1, 160,
Finnur Jönsson Aarb. 1891, 176; Hkr. 4,81 die Glieder um-
zustellen. Zu vedr gehört als Ergänzung eine Waffenbezeichnung,
vgl. Sn 114 und hrid Hamdis kleda B 440, A 469, während ‘valvedr’
ohne Parallele wäre. Nah verwandt sind außer Öttarr noch dla
serkiar Elfestir (Haldörr skvaldrı, Utfarardräpa 13), auch Äla galtar
Edraugr bei Evvindr skaldaspillir.
12 (S. 14). So glaube ich die bisher unerklärte Stelle verstehen
zu sollen. Gering Eyrb. 92 bezeichnet mit Recht ‘Helmbesitzer”
für veltir (!) valgaltar als Bedenken erregend. Finnur Jönssons
‘med. sverdet’ wird nicht mehr beanspruchen als ein Notbehelf
zu sein. Der Ausdruck mit seinem vrolentischen val- ist angelehnt
an fella val.
Nach Stjerna, Till Oscar Montelius (Stockholm 1903) 110
gab es zur Wikingzeit keine Eberhelme mehr. Sein Schluß, daß
hildisvin und. kildigolir als poetische Bezeichnungen für ‘Helm’ ins
6. Jahrhundert zurückgehen, darf auch auf valgolir ausgedehnt werden
(er leidet nicht unter der allzu aktenmäßigen Interpretation des
Beowulf).
13 (S. 14). ‘valreyndan’ (scil. meki), das Lex. poet. 847 aus einer
Strophe des Kirikr vlösi& angeführt wird, ist nur in einer Hand-
schrift überliefert (A 209) und wohl mit Gislason zu bessern in
vol reyndan (randa volr = ‘Schwert”).
Neckel, Walhall.
98
14(S.14 Z.7). Daß Brünnen gemeint sind, darüber ist man
mit Recht einig. Serkr bedeutet aber nur ‘Rock’ und wird erst durch
Zusätze wie hring-, tarnofinn, Gunnar zur ‘Brünne’. Die Vorstellung
‘rot’ ist entweder durch das Wortbild valserkr wachgerufen oder durch
das vorangehende gullrodna, das schon der Dichter unseres Textes,
ein goldhrodan der Quelle mißverstehend, auf riöda bezogen haben
kann. Vielleicht liegt ein ingrimmig-ironischer Nebensinn vor. Die
Atlakv. ist auffallend reich an Komposita, besonders in den Beiworten,
vgl. meine Beitr. zur Eddaforschung 170. 172. Ähnlich wie serkt
valrauda: valserki verhalten sich ihre ulfjar gränverdir zu dem ge-
wöhnlichen ‘grauen Wolf’; sölheida daga: enn heidi dagr; ndı naud-
folva: när enn folvi; silfrgylt sodulkledi: gyltar bryniur Innst. 10, 4,
gyld ve; hialma gullrodna: rodinn geirr Herv. 8, hrodit sigh Sig. sk.,
hroden ealowe@ge, hroden hildecumbor Beow. (die volleren Bildungen
haben teilweise Parallelen außerhalb der Akv.).
15(8.14). Nach Stjerna, Till Montelius 113 vielmehr der
Griff. Ich kann nicht finden, daß das bei Bug ge Helgedigtene
299 f. mitgeteilte Material dies bestätigt. In der Helgistrophe ist
augenscheinlich nadr variierend. identisch mit ormr. Die Schlangen-
ornamente des Schwertes von Vallstenarum, die Stjerna abbildet,
liegen recht weit ab von dem verpr nadr hala.
II
1 (8.15). Siehe Bugge zu Grimn. 21, 6; auch Mannhardt
Germ. Mythen 442; Schullerus, Beitr. 12, 228. Die Auffassung
von Egilsson, die Müllenhoff und Gering (mit Variation auch Detter-
Heinzel, Edda 2, 180) akzeptiert haben, stößt sich daran, daß glaumr
sonst nie ‘Schar’, geschweige eine wandernde Schar bezeichnet.
Die Lesung Valglaumni (Acec.) läßt sich syntaktisch rechtfertigen,
aber stilistisch weit besser wäre -nir. Das Wort gehört zu glymia
‘rauschen’ (vgl. Grimn. 7,3; glaumungr ‘piscis’ SnE 1, 579) und ist
gebildet wie fiösnir, bladnir,s. HK gstad-Torp Ordbok XXXVI.
2(S.15). Valgrindar .. . vedrheyiandi . .. Gefnar, vielleicht ein
Wortspiel (valgrind auch ‘Schild’, valgrindar vedr ‘Kampf? Hkr.
4, 56), die erste Auffassung dann korrigiert im Sinne des ofliöst.
Q:)
3(8.15). 6, 6. 7, 4. Val. reid, fara i sinn Sig. sk. und den
Glauben von Grimn. 14.
4 (8.15). Vgl. Ala goltr ‘Helm’ bei Eyvindr.
5 (S. 15). Mit dieser Verwechslung hängt wohl auch zusammen
das Verdienst von Däinn und Nabbi, bzw. Brokkr und Sindri
Sn 97 f. — Man hat vermutet, Gullinbursti sei ursprünglich Freys
Helm gewesen (Uppsala Studier 207).
6(8.15). E. H. Meyer hat ihre Selbständigkeit unklar
empfunden (‘der Valbegriff erfaßt alles: Valkyrien, -foör, -dyr, -gautr,
-tivar’, Germ. Myth. 189 £.); vel. auch Levander, Antig. Tidskr.
f. Sver. 18,3,29: ‘fverhufvudtaget synas orden pä val-, valgrind,
Valfoör etec., ha utbildats i samband med Valhallstroen’ (%).
IV.
1(S.17). Mogk Myth. 144 deutet Folkvangr als ‘Bezeichnung
der Erde’, vermutlich weil er voraussetzt, folk könne die ‘Mensch-
heit” bezeichnen. Hierfür finde ich keinerlei Anhalt.
2(S.18). Ulfsediandi (elfar ulfsediandi) bei Snorri Sturluson,
Isl. gr. lit. 2,127. 256; sed ek ulf ok ornu Niäla 1, 466; vgl. ulfar
soddusk ylar saddisk und Hättatal 11.
3 (8.19). Vgl. Stjerna, Frän filol. föreningen i Lund 3
(1906) 145 ff., bes. 150 £f.
V.
1(S.20). Bugge Helgedigt. 207. v. Un werth Totenkult
251. Heusler bei Genzmer, Edda 1, 150 N. Siehe schon Schul-
lerus, Beitr. 12, 238f. Sijmons, Beitr. 4, 201. Niedner
Zur Lieder-Edda 29.
2 (8.20). Darum sind auch Niedners und anderer Text-
scheidungen nicht zu rechtfertigen.
100
3(8.21). Detter-Heinzel sind wie öfter die Einzigen,
die gesehen haben, daß es hier etwas zu fragen gibt. Aber ihre Ant-
wort kann freilich nicht befriedigen (‘hela deutet auf die durch
Gudruns Tränen vermehrte Grabeskälte’, Edda 2, 382).
4 (S. 21). Dies wird fast immer verkannt. Doch s. Vonhof zur
Entwicklung der germanischen Verbalkompos. im Awestn. (Leipz.
Diss. 1905) 22. Zu den unpersönlichen sler, skytr, Iystr usw. vgl.
Idg. Forsch. 21, 183.
5 (S. 22). Philologische Farbenblindheit ist es, wenn Finnur
Jönsson Eddalieder 2,125 zu Helg. Hund. II 44,2 bemerkt:
‘harmdogg ist nichts’, und dafür willkürlich hredogg = valdogg
einsetzt.
Das II. Gudrunlied, das, wie allgemein zugegeben, von
unserm Helgiliede beeinflußt ist (Beitr. z. Eddaforsch. 295 f.), bildet
das Adj. ürughlyra ‘mit (tränen)benetzter Wange’. Das I. Gu-
drunlied, von dem dasselbe gelten dürfte, nennt die Tränen
regns dropi. GisliSürsson nennt sie brda dogg (B 96, A 102).
6 (8.23). Der Schluß — er lauss Loki Hör ör bündum ok ragna
rok riüfendr koma — könnte aus dem Hildeliede stammen,
Vgl. Sn 119: svä er sagt 1 fornum kveöum, at Hiaöningar skolu svä
hbiöa rtaonarokrs.
7 (8.23). Vergleichbar ist eine Stelle der mhd. Kaiser-
chronik: si ist in der helle begraben (2530; Diemer 77, 27).
Lods La vie future (Paris 1906) 205 über die althebräische
Scheol: les morts y ont chacun une tombe’.
Kauffmann Balder 179 stellt mit der unter Reif und Schnee
begrabenen volva und dem reifbetauten Helgi die hrimpbursar zu-
sammen, die ‘beim Totenreich’ hausen, unter Verweis auf Grimn. 31
und Skirn. 27 if. Hier dürften auch die Vorstellungen des hohen
Nordens (Schoning Dodsriger 10) und der helug fiQll einge-
flossen sein.
101
VIITL.
1(S.28). Aufgezählt bei v. Unwerth $ 52.
2 (S. 28). Diese Umschreibungen sind m. E. damit nicht erklärt,
daß man auf Odins Eigenschaft als Schlachtgott verweist. Zwar
gibt es ein tertium comparationis zwischen ‘Schild’ und ‘Tür’, aber
diese Vergleiche sind schwerlich von Hause aus so mechanisch ge-
handhabt worden, wie es nach Snorris Lehrbuch scheinen kann.
Man beachte auch, daß die ‘“Schildburg’ der Walkyrje von Odin
gebaut wird (Helreiö, Sigrdrifumäl).
SveigÖöis salr bei Guthormr sindri gehört übrigens nicht
hierher. Wir haben keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß SveigÖir
jemand anders sei als der Ynglingkönig, der in den Felsen eingeht
(so auch Gislason Udvalg 64). Sveigdis salr muß (vgl. Ynglt. 2)
‘Berg’ bedeuten. Brigda ist niemals ‘vernichten, unbrauchbar
machen’ (so Hkr. 4, 48), sondern hat, wie brigd, bregda und der tat-
sächliche Gebrauch des Wortes zeigen, den Sinn ‘etwas plötzlich
von der Stelle bewegen’. In der Rechtssprache bedeutet es unter
anderm ‘sich etwas aneignen, was einem zukommt’. ‘Der, der sich
den Berg — oder das Bergland — aneignet’ ist eine passende
Bezeichnung für Tryggvi, der von Hakon über einen Teil von
Norwegen (fliöd Onars eiki gröiü) gesetzt wird. Denn in der Tat
hatte Tryggvi einen Rechtsanspruch auf die Vik (Hkr. 1, 162, 18;
hierdurch dürfte Noreens Auffassung Upps. Stud. 203 sich
erledigen).
3(8.28). Mogk Myth. 111 sagt: ‘Das Innere ist nach echter
Kriegerweise ausgeschmückt: Speere und Schilde hängen an den
Wänden’. Ebenso in seiner Germ. Myth. (Göschen) 48 und ähnlich R.
M. Meyer ZfdPh. 38, 175. Davon finde ich in den Quellen nichts.
Denn Atlakv. 14 (oben I N. 1) ist kein Zeugnis für Mythologie.
4 (S. 28). Die Speere haben dem Erzähler so gefallen, daß er
nachher die übelriechenden Haarsträhnen des ÜUtgaröaloki mit
solchen vergleicht.
102
5(8S.29). Dazu Weinhold, Berliner Sitzungsberichte 1891,
564f. Mogk Menschenopfer b. d. Germ. 8 mit N. 1.
6(8S.29). Hunnenlied 25 erscheint Odin als Lenker
des geschleuderten Speers. Diese Vorstellung hängt zusammen mit
der Verehrung von. Speer und Schwert als Fetischen, die
bei manchen Primitiven beobachtet ist und bedeutende Reste auch
in der Überlieferung (süd)europäischer Völker hinterlassen hat;
vgl. Deubner. Archiv f. Rel.-wiss., Beiheft, 1905, 71 ff. Etwas
von Fetischglauben liegt noch in der Stelle der Eyrb. 161{:
Ba skaut Steinbörr spiöti at fornum sid til heilla ser yfir flokk Snorra,
en spiötit leitadı ser stadar, ok vard fyrir Mär Halvardsson. Und doch
darf man annehmen, daß dem Manne, der diesen Satz formulierte,
die Beziehung des magischen Speerwurfes at fornum sid zu Odin,
dem geira dröttinn d.. i. dem Lenker der Speere, nicht unbekannt
gewesen ist. Vgl. Tylor Prim. Cult. 2, 279: “The Khond War-God,
who entered into all weapons . .., who gave edge to the axe and
point to the arrow . ..° Aus derartigen Anschauungen sind Odins
Speer (Gungnir . . , geirrinn nam aldri stadar i lagi Sn 98) und
Freys Schwert, er sialft vegisk, abgeleitet. Auch Kampfkenningar
wie ‘Odins Wetter’ werden mit diesem Glauben an den Gott, der
den Hieben Wucht und Sicherheit gibt, zusammenhängen. Bei
den Waffenbezeichnungen aber stößt die entsprechende Annahme,
soweit ich sehe, auf ungleich größere Schwierigkeiten als die oben
entwickelte.
Mogk Menschenopfer 8 (vgl. Kauffmann Balder 246)
vergleicht den magischen Speerwurf mit dem Überbordwerfen der
Hochsitzpfeiler. In der Tat darf man auch bei dieser Handlung den
Gedanken an ein leita ser stadar voraussetzen. Das Götterbildnis
an den Pfeilern beleuchtet die Gleichung Fetisch = Gott und also
auch Speer = Odin. Das Thorbild ist aus einem einfachen Decken-
pfosten ähnlich entstanden wie das Bild des speertragenden Odin
aus dem Speer. Der Glaube an die Hallenpfosten hängt nicht bloß
zusammen mit dem Säulenkult (Olrik Maal og Minne 1910, 1 -4f.),
sondern. auch mit dem Schwur beim Hause (Akv. 30,7) und bei der
Tür (Grimm RA 1, 242 f.), ebenso wie der Speerglaube mit dem
Waffeneid (vgl. über diesen Grundtvig De gotiske folks
väbened 1870 und im alle. R. M. Meyer, Arch. £f. Rel.-wiss.15, 435 ff.).
1Uo
1X.
1 (S. 30). Dieselben Motive beherrschen den Grabritus,
und hier können wır ihr hohes Alter nachweisen an den steinernen
Totenhäusern der neolithischen Zeit. Steinerne und hölzerne
(Kauffmann Dtsch. Altskd. }, 134 f.) Totenbauten dürften die
Vorbilder der mythischen Jenseitshallen gewesen sein.
2(8.31). Vgl. R. M. Meyers Bemerkung zu Grimn. 9,
ZfaPh. 38. 175.
3 (S.31). Vegl. die Bemerkungen bei Schück Studier 1, 95.
4 (S. 34). Nicht nur Vanlandi, den die Mahre zu Tode drückt
(Yngl. 8. c. 13), gehört hierher, sondern vermutlich auch Halfdan
enn mildi ok enn matarılli (c. 47): til bings Dridia-‘zu Odins Ver-
sammlung”, vgl. Bing goda in der Hym. und den Anfang der Vsp.;
Bridi als Odinsname z. B. in der börsdräpa. Die herkömmliche
Deutung (Sing = Liebesbegegnung mit Hel) hat an ec. 17 (at gamni
hefr) nur eine unsichere Stütze. Die weiblichen Wesen, die beim
Tode der Ynglingar auftreten, bleiben recht unklar! Vor allem
widerspricht bridi, das mit ‘der dritte (der zur Hel kommt)’ sehr
gezwungen erklärt wird. Die Angaben über das Schicksal nach dem
Tode sind mehr stilistischer als dogmatischer Art (Lückenbüßer,
wenn über die Todesart nichs zu sagen war), und ob in c. 44
hallvarps Alifinauma = Hel und nicht vielmehr = wvitta vettr (c. 5. 25)
oder mit Noreen (Xenia Lideniana 1912) als “enger Grabhügel’
zu deuten ist, muß als ebenso fraglich gelten wie die Rolle der Hved-
zungs mer mn ee. 47.
5(S.34). Die Isländer haben das in ihre euhemeristische
Einwanderungsfabel verwoben und GoÖöheimar am Schwarzen Meere
lokalisiert. Dies begreifen wir wohl am besten, wenn schon die schwe-
dische Sage den SveigÖir auf seiner Suche nach dem Götterheim
auch auf dem Warägerwege durch Rußland ziehen ließ. Die Art,
wie GoÖheimar in der Yngl. s. (c. 8) eingeführt wird, läßt deutlich
erkennen, daß die SveigÖirgeschichte vorbereitet werden soll. Siehe
besonders den Satz: ör Godheimum sogdu Beir morg tidendi. Diese
104
tdendi haben in Sveigdir den Wunsch rege gemacht, das Götterland
zu sehen. Damit scheint klar, woher der Verfasser den Namen
Goöheimar hat. Heusler Gelehrte Urgeschichte 51 denkt ihn
sich aus Egils Sonartorrek oder aus andern, uns verlorenen Gedichten
entnommen. Diese Annahme dürfte unnötig sein. Sie erklärt auch
nicht das Vorkommen des Namens in der SveigÖirgeschichte.
SveigÖir sucht ja auch in Schweden selbst nach dem Götterheim und
glaubt es dort schließlich zu finden. Dieser Widerspruch gegen die
Geographie von c. 8, zusammen mit dem ganzen Charakter der Zwerg-
fabel, zwingt zu der Folgerung, daß eine ursprünglich selbständige
Tradition vorliegt mit einem mythischen Götterheim als idealem
Mittelpunkt, eine Tradition, die künstlich in die gelehrte Urgeschichte
eingefügt worden ist. Zu dem konstruktiven Bindegliedern gehört
die Geburt des Vanlandi von der Wanenmutter. — Der Verfasser
des Uphaf allra fräsagna (s. Heusler 15f.) scheint
den Widerspruch bemerkt zu haben. Darauf weist sein etwas unklar
schwebender Satz: en bd vdru Bessi lond, er Asiamenn bygdu, kollud
Godlond. —
Mit Unrecht hat man den Berg, in den Sveigdir eingeht, Walhall
gleichgesetzt (M og k Myth. 108 u. a.). SveigDir sucht nicht Valholl,
sondern Goöheimr. Und es ist nicht die Meinung der Geschichte,
daß GoÖöheimr in dem Felsen liege. Dort wohnt der Zwerg, der den
König verlockt — überlistet (velti) sagt das Ynglt. —, und die Halle,
die sich drinnen auftut, ist nicht die der Götter, sondern die ihrer
Feinde, der Riesen (S0Okmimir als Riesenname Grimn. 50).
Vgl. auch v. Unwerth 97 N., der jedoch mit Unrecht davon
ausgeht, daß wenigstens die Prosa Mogks Deutung gestatten würde.
Das vermeintliche Zeugnis ist nicht nur keine alte Sage, sondern
überhaupt nicht vorhanden. Dem, der die altisländischen Stil-
unterschiede zwischen Prosa und Poesie berücksichtigt, sagt die Prosa
wesentlich dasselbe wie die Strophe; sie ist nur reicher. Diesem
Sachverhalt werden auch die sehr kühnen SveigÖirhypothesen
Noreens (Upps. stud. 199) und Schücks (Studier i nord.
rel.-hist. 1,47 ff. 2,202 £.) nicht gerecht. —
Als dritter Zeuge dürfen schwerlich die Kräkumäl aufge-
rufen werden. Auch dieses relativ späte Denkmal scheint die val-
Komposita zu meiden: Valholl ist ihm Herians holl, und die valkyriur
sind ihm disir. Aber es ist fraglich, ob dies mit der Todesart des
— 105 —
Helden zusammenhängt. Denn Valholl wird auch da umsgehrieben,
wo es sich um eigentlichen Schlachtentod. handelt (Str. 4). Daher
liegt es näher, Herians holl unter demselben Gesichtspunkt zu sehen
wie dis: die val-Wörter hatten einen zu ernsten Klang. Siehe
c. XVI. Im ganzen sieht es aus, als hätte dieser Dichter sachlich
keine Bedenken gegen Ragnars Aufnahme in die Valholl gehabt.
A
1(S. 36). Bei Grimm Mryth. 907 zitiert als “chron. ursbergense
ad. a. 1223’ (ebenso bei M o g k Myth. 28). ‘Seitdem Waitz die Chronik
in ihrer ursprünglichen Gestalt herausgegeben hat, ist die früher
lange gebräuchliche Bezeichnung als Ursberger Chronik verschwunden’
(freundliche Mitteilung von H. Schreibmüller in Kaisers-
lautern).
2(8.36). Stjerna, Frän filol. föreningen i Lund 1906, 151 ££.
3 (S. 36). Vgl. Mogk Myth. 29: ‘Wie konnte sich die Volksphan-
tasie einen Kaiser, zumal einen kriegerischen, anders denken, als um-
geben auch nach dem TSde von den Scharen, die er im Leben zum
Siege geführt hatte und die für ihn gefallen waren?” Aber Mogks
Gedankengang ist ein ganz anderer, vgl. oben I, Note 4.
XL.
1(S.37). Material bei v. Unwerth, s. bes. $ 16. Auch in
neuerer isl. Überlieferung, vgl. z. B. Panzer Beowulf 336 ff. Kin
Fall wie Skorravikur-Jön (Maurer Isl Volkssagen 66 f.,
Jön Arnason 1, 256) zeigt schön die Entstehung einer solchen
Sage aus der immer gleichen mythischen Anschauung.
2(8.37). Vgl. Brunner Deutsche Monatsschrift 12 (S. 32). —
Brunner glaubt mit andern das Wiedergehen des körperhaften Toten
aus einer Wiedervereinigung der Seele mit dem Körper erklären
zu müssen (S. 20). Ähnlich ist jene Interpretation gewisser Begräbnis-
gebräuche, wonach die Seele sich in nächster Nähe der Leiche auf-
halten soll. Wir haben es hier mit Kompromißlehren zu tun, die
vb
106
ihren Ursprung vielleicht im jüdisch-hellenistischen Kulturkreise
haben (vgl. Valentinian bei Rohde Psyche 2, 344: amant
animae sedem. corporum relictorum et nescio qua sorte rationis
occultae sepulcri honore laetantur, andererseits den ägyptischen
Zauberer, der dem toten Thessalier seine Seele zurückbringt, bei
Apuleius— Wendland, Festschr. d. Schles.-Ges. f£. Volkskde.
1911, S. 47 — oder, etwas anders, vgl. Lo ds La vie future 85 N. 1,
die aus ihren Gräbern aufgescheuchten dawuövıcdueror Matth.
8, 28 ff.). Vel. unten N. 14. .
3 (8.38). Vgl. Spencer Sociology 1, 171: ‘the duplicate is
at first conceived as no less material than its original’; 180:
“progressive differentiation of the conceptions of body and soul’.
Angesichts des nordeuropäischen Materials darf man sagen, daß die
Tatsachen diesen Gesichtspunkt noch besser bestätigen, als es
bei Spencer hervortritt.
Wundt wird ihm nicht gerecht, weil er den Begriff der
Schattenseele m. E. zu weit ausdehnt. Schattenseele ist ihm
meist dasselbe wie “Traumseele’, “Traumbild eines Toten’ überhaupt;
der Traum ist ihm als solcher ein ‘Schatten’, enger verwandt mit
dem ‘Hauch’ als mit dem Körper, trotz seines Charakters als ‘Per-
sönlichkeit’, ‘Ebenbild’, ‘erlebte Wirklichkeit’, und obgleich für den
Naturmenschen die Erscheinung des Verstorbenen im Traum ‘dieser
Verstorbene selbst’ ist (Völkerpsychologie 4, 168 ff.). Nur nebenbei
werden die Assoziationen zwischen Traum und Körper (die Be-
ziehungen zwischen ‘Schattenseele’ und ‘Körperseele’, wobei jedoch
auch oder vorwiegend an die ‘Organseelen’ gedacht ist) erwähnt.
Sie gelten teils als sekundäre ‘Mischungen’ (a. a. 0. 249 u. ö.), teils ist
aber auch an ursprüngliche Identität gedacht. Dies wird schon ange-
deutet bei Besprechung der Reizträume (S. 171: ‘die Schattenseelen,
mit denen er — der Primitive — verkehrt, sind ihm durchaus nicht
bloß unfühlbare und unhörbare Schatten, sondern sie bedrängen alle
seine Sinne, wenn auch fortan”* der Gesichtssinn ihnen jenen
Charakter der Flüchtigkeit und der Veränderlichkeit gibt, der sie
von den Gegenständen den wachen Bewußtseins scheidet’, d. h.
also sie erst zu wirklichen Schattenseelen macht) und tritt ziemlich
* Von mir gesperrt.
107
klar hervor in der Darstellung des ‘primitiven Animismus’. Diese
Stufe kennt die ‘“Hauchseele’ noch nicht (S. 243), nur ‘“Körper- und
Schattenseele’, die kraft einer “‘unwiderstehlichen Assoziation’
(S. 253) identisch sind. Erst später löst sich die Psyche vom Körper
los, und zwar unter der Einwirkung der Hauchseele (S. 257, vgl.
254: ‘. . . die zum ersten Mal in der Traumvision sich vorbereitende
und dann unter dem Eindruck des Todes —_d. i.: des letzten Atem-
zuges — sich weiterbildende Vorstellung der Seele als eines besonderen
hauch- oder schattenartigen Wesens, durch die sich der Seelenglaube
von der Stufe des primitiven Animismus entfernt’). Diese Sätze
enthalten eine willkommene Bestätigung des oben über die lebende
Leiche Gesagten, das, in die Wundtsche Sprache übersetzt, kurz
lauten dürfte: die heidnischen Germanen waren primitive Animisten,
Man muß indessen die ‘Völkerpsychologie’ recht aufmerksam
lesen, um jene Unterschicht von Gedanken klar zu erkennen, deren
Trümmer unter dem dreigeteilten System der Seelenvorstellungen
hervorlugen. Etwas anderes als Trümmer sind es nicht. Denn
wie kann Spencers undifferenzierte Einheit noch bestehen, wenn
Psyche und ‘Körperseele’ in ihrem Ursprung und in den Anfängen
von Grund auf verschieden sind (S. 125, vgl. 84: die entgegenwirkende
‘zweite Form des Seelenbegriffs’; 251 unten: ‘doch . . .’) und wenn
auf primitiv-animistischer Stufe, die keine Hauchseele
kennt, durch das Traumbild sich die Einheit mit der Körper-
seele ‘wieder’ herstellt, ‘die sich durch die im Hauch des Atems
entweichende Psyche gelöst hatte’ (S. 253 f.) ? Hier liegen das System
und. der primitive Animismus miteinander im Streit! Das System
überwiegt — wie ich glaube, mit Unrecht. Die scharfe Grenzlinie
zwischen ‘Körper-” und “‘“Schattenseele’ wirkt nicht überzeugend.
Sie trennt die Wundenmale des auferstandenen Christus (S. 87)
von dem erschlagenen Australier, der, weil ihm der Sieger den Daumen
der rechten Hand abschnitt, den rächenden Speer nicht schleudern
kann (S. 177). Mit welchem Recht?* Wäre das Beispiel von der
christlichen Auferstehung nicht, so würde man annehmen, W.
spreche von ‘Körperseele’ nur da, wo der reale Körper in tastbarer
Nähe ist (entsprechend der primitiven Assoziation, die S. 83 be-
schrieben wird). So aber begreift man nicht, warum die ‘Schatten-
MN
2
W spear’.
he shadowy
hrsmann, sagt ‘the
a Tr
ndts Gewä
* Tylor, Wu
108
seelen’ der Träume, zumal der Reizträume, nicht vielmehr ‘Körper-
seelen’ heißen und mit ihren Verstümmelungen und sonstigen Por-
trätzügen unmittelbar aus dem Eindruck der für belebt gehaltenen
Leiche abgeleitet werden.
Man kann nicht umhin, sich zu erinnern, daß die Auffassung
des Toten als einer unkörperlichen oder halbkörperlichen ‘Seele’
oder eines Schattens traditionell ist. Schon. Schillers Nado-
wessier wird tot bemalt, ‘daß er rötlich möge strahlen in der Seelen
Land’, d. h. als Seele, als Schatten. Tylor meinte, die Beschaffen-
heit der menschlichen Seele sei nach ursprünglicher Auffassung
'ethereality, or vaporous materiality” gewesen, woraus erst später
der metaphysische Begriff ‘immateriality’ entstanden sei (Prim. Cult.
1,412). Er erklärte diese rohe Vorstellung aus der Identifizierung
des Traumbildes mit dem Schatten und dem Atem (a. a. 0. 409). Die
vielen Belege für eine noch rohere Vorstellung, die er selbst mit-
teilte (z. B. daß indianische ‘Seelen’ Leute ins Feuer stoßen können
2,27. 104), ließ er unerklärt. An eine mögliche Identifizierung des
Traumbildes mit dem Menschen selbst oder mit seinem Körper scheint
Tylor nicht gedacht zu haben. Daß für die Primitiven der Mensch
in erster Linie ein Körper ist, diese Beobachtung lag nicht im klaren
Blickfelde des Mannes, der darauf ausging, eine spiritualistische
Philosophie als Urreligion der Menschheit zu erweisen (s. unten N. 27).
— Tylors Anschauungen fielen bei seinen Nachfolgern auf fruchtbaren
Boden. Die stärkste Stütze erhielten sie in E. Roh des glänzendem
Psyche-Werk; die homerischen &’dwla, sicher von vornherein
nicht unbeteiligt an der Grundlegung der Lehre, wurden nun aus-
gesprochen das Paradigma für jenen gemein-menschlichen Hauch-
Schatten. Und doch hatte schon Spencer unter den Seelen
des Hades die Toten entdeckt, die eine ursprünglichere Stufe dort
hinterlassen hatte (Sociology 1,173). Selbst in die germanische
Überlieferung deutete man die ‘Schatten’ hinein: Schoning
und Schück denken sich die Hel, im Gegensatz zum Lande der
Leichendämonen, von Schatten bevölkert; de la Saussaye sagt
bei Besprechung der Grabbeigaben: ‘the Teutonic conception of the
life after death was therefore probably that of a shadowy continuation
of earthly existence’ (Rel. of the Teut. 292); von ‘Seelen’ zu sprechen,
ist allgemein üblich. Solchen summarischen Begriffen gegenüber
dürfte es sich lohnen. die einzelnen Kulturen vorurteilslos daraufhin
— , 109
zu prüfen, inwiefern die Ausdrücke “‘Schattenseele’, ‘Hauchseele’
auf ihre Vorstellungsweisen anwendbar sind. W un dt hat den ersten
Schritt getan, indem er gewissen Völkern die ‘“Hauchseele’ abspricht.
Daß es aber auch Völker gab oder gibt, die keine ‘“chattenseele’
kennen, dürfte besonders dann klar hervortreten, wenn man sich
hütet, die Grenzen allzu eng zu ziehen. Z. B. ist die ‘Volkssage’,
die den Vampyr für einen blutgierigen Toten erklärt (Wundt
207), gewiß ein vollgültiger Zeuge für Totenglauben, mag auch die
Identifizierung hier, wo der Alptraum die Quelle ist, auf andere Weise
zustande gekommen sein als bei den reiner optischen Träumen.
Dies führt uns zu grundsätzlichen Bedenken, die das System
der Wundtschen Seelenbegriffe als Ganzes herausfordert. — Der
Glaube des Primitiven, eine Leiche, die er vor Augen hat oder vor
kurzem bestattete, sehe und höre noch, empfinde noch Hunger und
Durst (‘Körperseele’), hängt zwar mit seiner Überzeugung, derselben
lebenden Leiche im Schlaf begegnen zu können, psychologisch aufs
engste zusammen, aber der gemeinsame Name ‘Seele’ scheint wenig
geeignet, diesen Zusammenhang auszudrücken. Denn er besagt
das eine Mal, daß der Körper als beseelt oder lebendig aufgefaßt
wird (Seele = Leben, Wundt 255); das andere Mal bezeichnet er
ein Wesen ganz besonderer Art, eben die Schatten- oder Hauchseele,
jenes Etwas, das für die Lebenden den Toten vertritt. Der Seelen
glaube bedeutet in dem einen Falle die Überzeugung, in dem
Leibe sei noch Leben; in dem andern, es gebe Doppelgänger der
Verstorbenen, die geheimnisvoll erscheinen und wirken können.
Gebraucht man, wie früher üblich, den Ausdruck nur für diese
Doppelgänger, mögen sie ganz, halb oder gar nicht körperlich, als
bloße Bilder, gedacht sein, so bleibt man ın der Linie der mythischen
Phantasie; man benennt etwas, was auch für diese vorhanden ist
und zusammengehört. Spricht man aber mit Bezug auf eine Leiche
von (Körper-)Seele, so vollzieht man eine Abstraktion. Man ver-
dichtet etwas zum Begriff, was für den Primitiven keiner ist, wie er
denn gewiß nirgends ein Wort dafür hat. Und dieser Begriff ist deutlich
kein anderer als der dualistische Gegensatz zum ‘Leibe’. Mag man
auch ausdrücklich das Mißverständnis zurückweisen, als solle eine
dualistische Anschauung charakterisiert werden: der Ausdruck selbst,
mit Wendungen im Gefolge wie von der ‘im Leibe noch wirksamen
Seele’, in ihm wohnenden oder “in ihn ein- und aus ihm auswandernden
— 110 —
Körperseele ’(S. 151), ist dualistisch gedacht. Er soll jene undifferen-
zierte Einheit bezeichnen, lenkt aber immer wieder die Aufmerksam-
keit auf die Differenzierung, auf das, was nicht Körper ist, als eine
abtrennbare Einheit, und die Folge ist, daß die andern Seelen von
selbst in dem Lichte erscheinen, daß sie nicht den Menschen dar-
stellen, sondern jenes von seinem Körper abscheidbare Etwas.
Dies ist denn auch in der Tat, wie wir sahen, die bei Wundt vor-
herrschende Definition der Schatten- und. Hauchseele. Sie ist die
Psyche oder Anima, die als Atem entfloh, während die
Flammen den sterblichen Leib verzehrten, die ‘freie oder geistige
Seele’ (S. 79). Wundt polemisiert gegen diejenigen, die diesen mehr
oder minder spiritualistisch gefärbten Begriff zum Ausgangspunkt
nehmen, ihn womöglich als einen ‘ursprünglichen, aus irgend einer
unmittelbaren inneren Anschauung stammenden Inhalt des mensch-
lichen Bewußtseins’ ansehen (S. 78) oder einen Dualismus als primär
aufstellen, ‘dem sich alle die Vorstellungen, die unter den Begriff
der Körperseele fallen, fügen müssen’ (S. 255). Er will diesen Fehlern
entgehen durch den Begriff der ‘gebundenen Seele’ (Körperseele),
die nur eine Eigenschaft des Körpers ist. Aber dieser Begriff dient
nicht der Überwindung des Dualismus, sondern nur der stärkeren
Spiritualisierung der ‘Seele’ und damit der Verschärfung des Dualis-
mus. Denn der Glaube an die Körperseele soll darauf beruhen,
daß ‘das Fühlen, Vorstellen, Denken .. . überall
an bestimmte lebende Körper geknüpft’ und damit ‘die Auffassung
des Seelischen als einer Eigenschaft des Körpers und seiner
Organe .. . unmittelbar gegeben’ ist (S. 79); er soll beruhen auf
der festen Assoziation des ‘seelischen Lebens’, der geistigen
Persönlichkeit’ mit dem Körper (S. 83. 210)*. Daß dieses
‘Seelische’ etwas anderes ist als die ‘Seele’ im mythologischen Sinne. hat
* Ähnlich bei der “Blickseele? (S. 105 ff.): ‘Objektiv liegt hier
offenbar die Tatsache zugrunde, daß für uns in dem Blick der gesamte
geistige Ausdruck des Menschen... enthalten ist, Subjektiv kommen dazu
die Gefühle der Furcht, die der feindselig oder drohend auf uns gerichtete
Blick eines andern Menschen hervorruft’. Das Zweite und was noch dazu
gehört, scheint mir für den Aberglauben das bei weitem Wichtigere zu
sein. — In wieder andern Farben schillert der Seelenbegriff bei den übrigen
‘Organseelen’. Die Frage nach dem Zusammenhang des Zaubers mit dem
Animismus (S. 269) fällt zusammen mit der nach der Berechtigung des
Begriffs “Organseele?.
111
schon Rohde für die Griechen betont (Psyche 1, 6; vgl. das Wider-
spiel 2, 101£. 131 u.ö.). Es wird bekanntlich auch bei der Psyche hinzu-
gedacht, vgl. etwa die Charakteristik Achills in der Nekyia. Wundt
aber gebraucht den gleichen Terminus für das Seelische am oder im
Menschen und für die Psyche. Dazu stimmt, daß er letztere auch
die ‘geistige Seele’ nennt.. Dazu stimmen auch die wichtige Rolle,
die er der ‘“Hauchseele’ zuteilt, und der Terminus ‘Schattenseele’.
Mit dem letzten Atemzug entweicht, wie das Leben überhaupt, so
auch das seelische Leben, und so stellt also der Schatten den inneren,
den geistigen Menschen dar. Dies muß das eigentliche Bindeglied
zwischen den beiden Hauptarten der ‘Seele’ sein. Der unausge-
sprochene Begriff der ‘Seele’ als solcher, von dem Wundt ausgeht,
ist der geistige Mensch. Dieser, wie Wundt selbst sagt,
moderne und unhistorische Begriff scheint denn auch daran nicht
unbeteiligt, daß seine‘ Seelen’ so unkörperlich sind, daß alle körper-
haften Züge der Toten eo ipso zu schattenhaften Abbildern werden.
So schafft nach meiner Überzeugung der Begriff der ‘Körper-
seele’ ernste Schwierigkeiten... Ohne ihn bliebe wenigstens die ‘Seele’
des heutigen Sprachgebrauchs mit ihren Ableitungen wie ‘Seelen-
leben’, ‘seelenvoll’, ‘seelischer Reichtum’ gebührend unterschieden
von der anschaulichen mythischen ‘Seele’. Aber das Richtigste wäre,
wenn der Ausdruck ‘Seele’ als Bezeichnung für etwas räumlich Vor-
gestelltes aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch überhaupt
verschwände.
4 (8.38). Dies war germanische Sitte. Sie lebte lange nach als
Strafe der Pfählung (Tötung und Sicherung gegen den Toten
in einem Akt).
5(8.38). Bezeugt u. a. durch altsteinzeitliche Funde; Helm
Altgerm. Religionsgesch. 1, 132 (der hier eine Wundtsche ‘Orgän-
seele’ findet). — Man hat diese und ähnliche Maßregeln auch auf
den Wunsch zurückgeführt, der ‘Seele’ ihren Auszug zu erleichtern
(Lods La vie future 85 N. 5).
6(S.40). Die Rüstungen der griechischen und germanischen
Krieger im Jenseits stehen in bemerkenswertem Gegensatz zu der
112
Vorstellung, die nach Wundt Völkerpsychologie 2, 3, 581 ‘uns
überall wieder begegnet: in das Jenseits, mag dieses die Unterwelt
oder der Himmel sein, geht der Mensch nackt, wie er geboren ist’.
Vgl. auch die Wunden der Eriphyle und des Deiphobus in der ver-
gilischen Unterwelt (Aen. 6, 445, 494) und die umbra cruenta Remi
bei Ovid Fast. 5, 457: Lods a. a. O0. 208.
7 (S. 40). Principles of Sociology 1, 173. Vgl. Note 3.
8(S.41). Rohde Psyche 1, 61.
9(S. 41). Ich vermag nicht einzusehen, wie man die Porträtzüge
des Toten aus dem Traum allein ableiten kann. Diese Vorstellungen
sind doch deutlich nicht einfach reproduzierte Traumbilder, sondern
die Traumbilder sind gewissermaßen nachgemalt und vervollständigt
mit den Farben von Erinnerungen des wachen Bewußtseins, mit denen
jene ohne weiteres gleichgesetzt werden. Diese Vermischung scheint
mir das Hauptphänomen des primitiven Totenglaubens. Es ist die
Vermischung zweier Gruppen von Eindrücken oder Erlebnissen, nicht
zweier verschiedener Seelenvorstellungen.
10(S.41). Rohde Kleine Schriften 2, 260f. Dieterich
Nekyla 77.
11 (8.42). 26, 19 (vgl. 26, 14 und 66, 24). Bei Hesekiel 37 eine
genetisch jüngere Anschauung. In der Apokalypse von Akhmim
(Dieterich Nekyia 2—9) kommt das Wort ‘Seele’ (wvxds) nur an
einer Stelle vor, da, wo die Seelen der Gemordeten sich an der Qual
der Mörder weiden: zum Schauen genügt ein ätherischer Leib. Ebenso
erscheinen am Ende der:Offenbarung Johannis nur die
Märtyrer, denen das Gericht gegeben wird, als wvyal (20,4); die
Gerichteten sind vexpol (20, 5. 12. 13). Vgl. den homerischen
Sprachgebrauch oben S. 46.
12(S5.42). Dieterich Nekyla 78. 106.
13(8.42). Vgl. K. Ziegler, Festschr. d. Schles. Ges. f.
Volksk. 1911, 441 (‘so fassen wir auch hier trotz der genrehaften
Einkleidung echte Religion’, 452).
— 113
14 (S. 42). ‘Wo der Leib unaufgelöst ruht, dahin kann auch das
zweite Ich (die Psyche) wenigstens zeitweise wiederkehren; daß es
nicht auf der Oberwelt ungerufen erscheine, verhütet die Mitbeisetzung
seiner besten Schätze in der Gruft’, R oh de Psyche 1, 34. In diesem
Satze klafft ein Widerspruch, den vermutlich auch die Griechen
der mykenischen Zeit bemerkt haben würden. Sie haben ihr Gold
und Silber dem Toten geopfert, nicht der ‘Seele’. Von dieser
wäre kaum etwas zu befürchten gewesen. Gegenüber solchen noch
heute verbreiteten Anschauungen bedeutet Wundts “‘Körper-
seele’ an sich einen entschiedenen Fortschritt.
Entsprechendes dürfte von den Opfern am Scheiterhaufen gelten.
Sie bezeugen nach Rohde eine Psyche, die in zwiefacher Hinsicht
von derjenigen der Nekyia verschieden ist: sie flattert nicht beim
Tode davon, sondern bleibt in der Nähe, und ihre “Empfindung”
ist ‘kräftig’, ihre ‘Macht und Furchtbarkeit” soll besänftigt werden.
Diese altertümlichere Psyche ist m. E. nichts anderes als der ger-
manische und slavische Wiedergänger, also überhaupt keine ‘Seele’,
sondern der Tote selbst, der, wenn man ihm kein Blut gibt, es den
Lebenden aussaugen kommt. Irre ich nicht, so wird Rohdes scharf-
blickenden Darlegungen erst durch den Vergleich des konservativeren
nordeuropäischen Totenglaubens der notwendige Schlußstein ein-
gefügt, ohne den sie teilweise unbefriedigend bleiben.
Daß übrigens, wie oben betont, auch der antike Totenglaube
großenteils dem “‘primitiven Animismus’ noch sehr nahe steht und
von der nachlebenden Seele nichts weiß, darüber finden sich treffende
Äußerungen schon bei Fustel de Coulanges (La. cıte
antique 1864 [vor Tylor!], dtsch. von Weiß 1907, S. 7. 10 f. 17 uö.).
Fustel gebraucht den Begriff ‘Seele’ nur, weil er ihm eine vom Denken
der Alten unabhängige Wirklichkeit zuschreibt. — Einfressender
Toter erscheint in einer Geschichte bei Phlegon Mirab. 2, die Wend-
land, Festschrift d. Schles. Ges. f. Volkskde. 1911, 38 im Auszuge
mitteilt.
15 (8.42). Dieterich a. a.0. 49{ff.
16 (S.42). Ilias 19, 259£, 3, 278f, Rohde Psyche 1, 64. Voß , der
sonst so getreue Interpret, übersetzt an der ersten Stelle ‘die Geister
ruhender Menschen’. Dieselbe ästhetisch-rationalistische Rücksicht,
Neckel. Walhall.
114
die wir hier durchfühlen, hat verschuldet, daß man sich mit der halben
Erklärung begnügte, ‘daß die homerische Vorstellung von einem
gespenstischen Scheinleben der Seelen in der Unterwelt ohne
Empfindung und Bewußtsein nicht allgemeiner Volks-
glaube war’. Dieterichs Wendung von der ‘schattenhaften
Seele’ a. a. 0. 54 1äßt dagegen vermuten, daß er wenigstens teilweise
das Richtige gesehen hat (vgl. die ‘Seele’ in Anführungszeichen S. 51
und Mutter Erde S. 31, Note 2).
17 (8.43). Schoning Dodsriger 11ff. Vgl. noch bei den
Griechen den geflügelten Leichendämon Eurynomos und die toten-
fressenden Hekate und Charon; Rohde Psyche 1, 318. 2, 81.
Schück Studier 1. 96.
18 (S. 44). So wurde die typische Existenzform des Toten die
‘Schattenseele’, Als solche erscheint auch Patroklos, der noch nicht
verbrannt ist, dem Achill. Aber sein Versprechen, nach der Ver-
brennung nicht mehr wiederkehren zu wollen, stammt direkt aus der
älteren Anschauung, die die unmittelbar unschädlich machende
Wirkung des Feuers noch kannte und. vornehmlich das Interesse der
Überlebenden im Auge hatte. Im vorliegenden Zusammenhang
steht. Patroklos’ Versprechen ziemlich bedeutungslos da, denn es
scheint gar nicht, daß Achill den Besuch des Freundes als Belästigung
empfindet. Der alte Aberglaube scheint im milden Lichte der
homerischen Humanität gleichsam selbst zum Schatten entkräftet.
19 (S. 45). Auch Kauffmann ZfdPh. 31, 401 ist der Ansicht,
daß der ‘Glaube an die Unsterblichkeit der Seele wandellos derselbe
geblieben ist, ob die Hülle (lik-hamo) verfaulte oder verbrannt
wurde’. Freilich schwebt hier eine andere Vorstellung des Toten
vor als die oben erläuterte. Lik-hamo ist als heidnischer Begriff
nicht nachzuweisen; ich halte es für christlich. — Etwas anders
äußert sich Kauffmann neuerdings (Dtsch. Altskd. 1.136 N. 2).
20 (S. 45). Wundt drückt dies so aus: ‘Es ist klar, daß bei...
diesen Motiven (die auf Vernichtung der Leiche ausgingen) bereits Vor-
stellungen wirksam sein mußten, die dem Gebiet der eigentlichen
Psyche angehörten’. Völkerpsych. 4?, 151. Wäre dies wirklich der
115
Fall gewesen, hätte man also gelernt gehabt, die Traumerlebnisse
nicht auf die Leiche oder den Menschen zu beziehen, sondern auf
seinen letzten Hauch, einen Schatten, müßten wir dann nicht eher
erwarten, daß man gegen die Leiche selbst gleichgültiger geworden
wäre? Hier wie anderwärts schätzt Wundt die typische Bedeutung
der griechischen Dinge sehr hoch ein. Und dabei kann wohl
in Griechenland der Kausalzusammenhang zwischen Leichenbrand
und Schattenseele auch umgekehrt liegen.
21 ($.45). Man pflegt zu übersehen, daß auch in solchen Fällen im
Sinne des Primitiven sehr oft noch von Identität die Rede sein kann.
Samuel, den die Hexe zu Endor heraufbeschwört, ist allerdings ein
‘“tre mysterieux’ (Lods a. a. 0. 49), aber die weite Entfernung von
Endor nach Rama, wo Samuels Grab ist, fordert keineswegs den
Schluß, daß man es hier mit der Seele oder dem Doppelgänger zu
tun habe, ‘qui peut quitter le corps dans l’extase, dans l’e&vanou-
issement, dans la frayeur’. Daß die letztgenannten Erscheinungen
mit dem Totenglauben überall und notwendig etwas zu tun haben,
diese Hypothese harrt, trotz Tylor 1,396{f., m. W. noch des Be-
weises. Die Reflexionen bei Rohde 1, 6£. vermischen zwei Dinge,
von denen nur das eine deutlich zur Sache gehört, während das
andere Epimenides, Hermotimos und das “Zeitalter der verzückten
Seher’ angehen dürfte, nicht Homer. Die homerische Psyche ist
ebenso wenig ein ‘zweites Ich in dem Innern des täglich
sichtharen Ich’. wie sie der ‘Geist und seine Kräfte? ist.
22 (S. 46). Wenn Wundt Völkerpsych. 2, 3, 558 sagt, nur ‘die
im Traumbild erscheinende Psyche’ gehe, sobald sich Jenseitsvorstel-
lungen ausbilden, in das Totenreich über, so stimmt dies überein
mit dem oben S. 46 über die dies- und jenseitige Wirksamkeit des
Toten Bemerkten; im übrigen vgl., was in Note 3 über Wundts
Qeelenbegriffe ausgeführt ist.
23(8.47). Als wahrscheinlich darf zugegeben werden, daß das Bild
der Toten in einer Zeit und Gegend, wo man die Bestattung pflegte,
im allgemeinen plastischer und lebhafter war als da, wo man die
Leichen verbrannte, und. man kann die Schilderungen in den altnord.
Quellen, zumal die Grabraubgeschichten, natürlich nicht ganz von
Zr
10
der gleichzeitigen Bestattungssitte losgelöst betrachten. Auch das
Zeugnis des Aristophanes und die althebräischen Zeugnisse für die
lebende Leiche (Schwally Das Leben nach dem Tode 63 {.;
Lods a. a. O0. 49. 185£f.) stammen aus Kulturen, wo man die Toten
unverbrannt beisetzte. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß Ritus
und Glaube einer Zeit niemals ein logisches System bilden, sondern
ein Bündel von Widersprüchen, die sich aus dem guten Gedächtnis
beider erklären. Treffend sagt Kauffmann (Dtsch. Altskd.’
1,136 N. 2) von der Zeit der Leichenverbrennung: ‘daß das Grab
ein wohlausgestattetes Wohnhaus des Toten sei, wurde jetzt zum
Aberglauben)’.
24 (8.48). Siehe z. B. E. H. Meyer Myth. d. Germ. (1908) 72
und zuletze Helm Altgerm., Rel.-gesch. 1, 156 f. 261.
25 (S. 49). Siehe Falk-Torp unter sjel: ‘Das Wort kommt
zuerst bei Hallfred vor (11. Jahrh.), nie in heidnischen Gedichten,
sondern immer als Bezeichnung des christlichen Begriffes’ (nach
Vigfüsson Diet. 516f.). Vgl. auch Brate, Uppsala Studier
6 ff. — Für die Herkunft des ostnord. Wortes kommt auch Deutsch-
land in Betracht.
26 (S. 50). ‘Christus der Reine halte des weisen Königs Seele in
seiner überirdischen Hut’ B 157, Vgl. Vigfüsson Diet. 764 unter
ond; ‘eccl. the soul’. Falk-Torp 1, 4: ‘die altgerm. Bedeutung von
ond (dän. aand) ist „Atem“, ‚„Atemzug‘“. Bei der Einführung des
Christentums wurde das Wort zur Bezeichnung der „Seele’‘ (lat.
spiritus, dtsch. Geist) gebraucht, eine Bedeutung, die jedoch nur
wenig in: die Volkssprachen eindrang’. Ähnliches gilt von andı,
vgl. hverr andalauss lifir? ‘wer lebt ohne Atmung?’ Heiöreksgätur;
dagegen heilagr andı ‘spiritus sanctus’, öhreinn andı ‘unsauberer Geist’
Grettiss. 137, 10 von einem Wiedergänger, mit dem Grettir unter
Lebensgefahr ringt und den er schließlich köpft. Beide Wörter
erscheinen in geistlicher und geistlich beeinflußter Literatur auch
im Plural in der Bedeutung ‘Geister’, ‘Engel’. Das entsprechende
christliche Wort für den ‘Leib’ oder das ‘Fleisch’ ist likamr, likami,
auch dies wahrscheinlich ein Lehnwort aus einer südgerm. Sprache
(vgl. Frank Fischer Lehnwörter S. 7). — Beachtenswert
117
ist, daß ond auch in der Bedeutung ‘mens’ nur geistlich belegt zu
sein scheint (s. Lex. poet.). — Ziemlich stark geistlich gefärbt zeigt
sich die Terminologie der Niäla./
27 (S. 50). Das Mißverständnis von ond ist gleichartig mit andern
Mißverständnissen auf dem Gebiete der ‘linguistischen Paläontologie’.
Deckt die Bedeutung eines alten Ausdrucks sich teilweise mit der
eines Wortes der eigenen Muttersprache, so verallgemeinert man
diese Gleichung und glaubt den modernen Begriff mit Haut und
Haaren wiedergefunden zu haben. Die ‘Ideen’ werden als konstant
vorausgesetzt. Gerade Ausdrücke für imaginäre Vorstellungen
(und für ethisch-soziale Begriffe) sind. dieser sorglosen Interpretation
besonders ausgesetzt. Man hätte ond vielleicht besser gerecht werden
können, wäre nicht schon vorher unwidersprochen behauptet worden,
das indogerm. Urvolk habe die homerische Psyche oder etwas sehr
Ähnliches gekannt. Man behauptete es auf Grund der Gleichungen
ai. atmdn ‘Hauch, Leben, Seele’ = ahd. ätum‘ Atem, Seele’ und ai.
mdnas ‘der innere Sinn, Geist, Seele’ = gr. ufvos ’Kraft, Mut,
Streben’ (Schrader Sprachvergl. und Urgesch. 32, 427). Diese
Wörter bezeichnen m. W. bestenfalls die ‘Seele’ im lebenden
Menschen (daneben ahd. der wiho oder heilago atum “‘spiritus
sanctus’!). Daß die ‘geistige Potenz’ sich beim Tode vom Körper
löse, um ein selbständiges Dasein zu führen, davon wissen nicht
einmal die Griechen etwas, denn ihre Psyche war keine ‘geistige
Potenz’. (Derselbe Irrtum in bezug auf den ‘primitiven Arier’ bei
Renan Historie du peuple d’Isra@l 1,41, s. Lo ds a. a. O. 3.)
Auch die ethnographische Methode genügt nicht zum Beweise,
daß der Glaube an eine Psyche ursprünglich den Kulturvölkern
ebenso eigen war wie den Primitiven (so Spencer Principles of
Sociology 1,175). Der Tylorsche Gedanke von der animi-
stischen Urreligion der Menschheit, die sich von jeher zu einer ‘spiri-
tualistischen’ Philosophie, also zum Gegenteil des ‘Materialismus’
bekannt habe (vgl. Prim. Cult. 1,384), ist niemals hinlänglich be-
gründet worden. Das imponierende Material, auf dem er immerhin
beruhte, war sicherlich verschiedenwertig und nicht bloß in dem
Sinne der Kritik zugänglich, in dem Tylor selbst den Unsterblichkeits-
glauben der Wilden gegen die absprechenden Urteile christlich be-
fangener Berichterstatter in Schutz nahm. Waren diese Bericht-
115
erstatter zu engherzig gewesen, so war er selbst wahrscheinlich viel
zu weitherzig gegenüber den so sehr erwünschten ‘“Spiritual Beings’.
Nicht überall, wo wir Aberglauben treffen, der sich an die Atmung
knüpft (z. B. das weit verbreitete Verschließen der Atemwege des
Toten), ist Ja die Seele im Tylorschen oder homerischen Sinne ohne
weiteres gegeben. T. war es auch, der die Psyche in der semitischen
und indogerm, Etymologie wiederfand. Diesen Fund hätten indo-
germ. Sprachforscher nicht unbesehen übernehmen sollen. Die Se-
mitisten haben sich teilweise skeptischer gezeigt (s. den Rückblick
bei Lods 1—492).
28 (S. 50). Vgl. Rohde Psyche 1,5 N. 2 und die Stellen aus
den Tragikern bei Fustel a. a.0O. 13.
29(8.50). Celander, Nordiska Studier tillegnade Adolf
Noreen (1904) 115 ff.
30(S. 50) Die Etymologie lehrt nichts Sicheres. Von den mög-
lichen Urbedeutungen empfiehlt sich “chädiger’ sachlich am meisten
(vgl. ai. druhyati ‘tut etwas zu Leide’, Osthoff Beitr. 8, 276;
so anscheinend auch Mogk Myth. 36).
Noch im Neuisl. bezeichnet draugur die lebende Leiche
des Volksglaubens: draugar eru daudir menn, er trüad ‚hefir verid
ad veeri 4 reiki, eptir ad Beir eru daudir eda grafnir, Jön Arnason
pjöösögur 1,222, wo sehr anschauliche Belege folgen. Z. B. wird
der erste Mensch, der auf einem Kirchhofe beerdigt wird, zum
vökumadur, der die nachfolgenden Leichen zu bewillkommnen hat;
deshalb verwest er nicht und bleibt rot im Gesicht wie ein Lebender,
nach andern ist er rot gekleidet, was in das internationale Kapitel
“Rot und tot’ gehört (s. die Sammlungen v. Duhns Arch. f.
Rel.-Wiss. 9, 1ff.). Vgl. über die draugar auch Maurer Isl. Volks-
sagen 55 ff. und Powell-Magnüsson .Icelandice Legends
(London 1866) LXVIIIff. Diese Autoren gebrauchen jedoch ohne
Scheu die irreführenden Bezeichnungen ’Gespenster’, “‘goblin’,
‘shost’. Erst in den letzten Menschenaltern sind die ‘alten kräftigen
(römmu ) draugar’ ersetzt worden durch harmlose svipir (‘Gespenster’;
Jönas Jönasson, Festskrift til Feilberg 1911, 385; derselbe
Berichterstatter hebt aber den Zusammenhang zwischen Wieder-
119
gängerei und Unverwestsein hervor, a. a. 0. 388, wozu seine Ausdrucks-
weise S. 381 — andir daudra manna — schlecht stimmt).
Die Lehre vom germanischen ‘Seelenglauben’ bedarf einer gründ-
lichen Revision. Die Zeugnisse müssen nach Alter und Herkunft
schärfer als bisher geschieden und zuerst aus sich selber erklärt
werden. Daraus werden sich dann Maßstäbe ergeben für die Zu-
lässigkeit der gangbaren Hypothesen über die Entstehung von
mancherlei ‘D ä m on en’ aus ‘Seelen’. Daß auch diese Hypothesen
eine engere Fühlung mit den Quellen gut gebrauchen können, dürfte
kein Eingeweihter bestreiten.
X 11.
1 (8.51). Altnord. /ara til heliar entspricht frühmhd. varn ze der
helle in gleicher, vorchristlicher Bedeutung, s. Grimm Myth. 761.
Mhd. Wörterb. 1, 677a; *senda til heliar (sendud systr Heliu Atlamäl),
mhd. senden zuo there helle Rol. 8857 u. ö.
2 (8.51). Altnord. helvegr, vgl. helskö binda in der Gislasaga,
letia langrar gonqgu Sig. sk.
3 (8.51). Wundt Völkerpsychologie 2, 3, 561 ff. Grimm
Myth. 790ff. Tylor Primitive Culture 1, 426. 427. 2, 84: ‘the
fancy of a river or gulf to be passed by the departing soul on its
way to the other world is one of the most remarkable traits of
the mytholosy of the world’.
4(8.51). Der Letztgenannte deutete den Fisch, der im Walhall-
flusse schwimmt, auf einen Himmelskörper (DAk. 5, 116), und man
hat daraufhin an die Sonne gedacht (Ger in g Vollst. Wörterb. 1365).
5 (S. 52). Der Schlangensaal der Vsp. wird nur eine von mehreren
oder vielen Varianten darstellen, und zwar eine besonders krasse,
die zu den Begriffen des Dichters von den Strafen im Jenseits
paßte. Diese Strafbegriffe (Müllenhoff DAk. 5, 121) konnten
sich leicht entwickeln aus den allgemeinen Unlustvorstellungen, die
mit Hel verbunden waren. Bestrafung der Meineidigen findet sich
120
bekanntlich auch in der Ilias (3,278 f. 19, 259 £.; ist die Nennung
der morauol an der ersten Stelle Zufall?). Die Auffassung, daß
das Waten in einem rauschenden Höllenstrom eine Strafe ist, auch
Reg. 4. Wenn die Vsp. daneben den Schwerterfluß S1iör malt,
so entspricht diese Fülle ihrem impressionistischen Stil. — Die-
terich Nekyjia 196 N. leitet den Schlangensaal aus den Vorstel-
Jungen von den Fressern der Unterwelt ab.
6(8S.52). Mogk Myth. 152.
7(8.53.) Mogk a. a. O.: ‘Hierher versetzt der Dichter der
Grimn. seine Valholl mit den Einheriern ...’. Man darf allerdings
zweifeln, ob ‘versetzen’ im eigentlichen Sinne gemeint ist.
8(8S.54). Golther a. a. O0. 4194.
9(S.54). Nach Fagrskinna 27. 30. Hkr. 1, 171f. waren
diese Könige schon bei Lebzeiten in Eiriks Gefolge gewesen. Snorri
bemüht sich, ihre Anwesenheit zu begründen (för hann % Sudreyiar
ok vdru Dar margir vkingar ok herkonungar, ok redusk til lids med
Eirtki konungi); nachher nennt er 5 Namen, aber die Art, wie er
sie einführt (Dessir eru nefndir ) zeigt, daß er sie nicht geradezu mit
den }imm konungar des Gedichtes gleichsetzen will. Vermutlich
haben wir bei beiden Prosaikern nur Kombinationen vor uns. Nach
dem Glauben der Wikingzeit hat der Besiegte im Jenseits’ dem Sieger
zu dienen. Dies bezeugt Leo Diaconus bei den Warägern
(Mogk Menschenopfer 10), beim norrönen Stamme Helg. Hund.
II 39 (die niedrigen Knechtdienste darf man nicht ohne weiteres
mit Bugge Helgedigt. 169 und Olrik Geistesleben 106 [s.
schon Grundtvig, Vaabened 95 N.] auf Verachtung und
moralische Minderwertigkeit deuten. Es wird einfach die
landesübliche Behandlung der Kriegsgefangenen vorschweben.
Odins Rolle in dieser Szene ist wohl sekundär, erfunden im
Hinblick auf den Eingang der Eiriksmä41l1). So dürften auch
Eiriks königliche Gefolgsleute die von ihm im Laufe seines Lebens
erlegten Fürsten sein. Dadurch bekommen die Frage in Strophe 8
(hvat fylgir Ber iofra fra eggbrimu?) und die stolze Antwort (vgl.
Str. 6) erst einen rechten Sinn. Enthielten die fehlenden Schluß-
121 —
strophen eine Aufzählung von Eiriks Taten (seiner 5 Königstötungen) 7
4 der von ihm erschlagenen Könige können seine Brüder gewesen
sein (Hkr. 1. 149 £. 151 £. 162 £., ferner 144 £? s. auch Fgsk. 24, 11 £.).
10(8.55). Im Neuis]l. gibt es Ausdrücke wie eg gat ekki bifad bvi
‘ich bekam es nicht von der Stelle’, Bad er ekki hegt ad bifa steininum
‘der Stein ist nicht leicht zu rücken’. Daraus hat man gefolgert, daß
daß altisl. bifa bedeuten könne ‘sich bewegen’. (Egilsson und
Wisen stellen ‘moveri’ als umfassendste Grundbedeutung an die
Spitze ihrer Umschreibungen, und Jönsson B. 165 übersetzt
‘als wären es Tausende, die sich bewegten’). Angesichts der kon-
stanten und uralten Bedeutung des reduplizierenden Verbums
beben, in der alle germ. und mehrere außergerm. Sprachen überein-
stimmen (überall entweder ‘“beben’ oder, daraus entwickelt, ‘sich
fürchten’), kann man nicht zweifeln, daß eg gat ekki difad hr und
dergleichen zu erklären ist als ‘ich brachte es nicht einmal in Er-
schütterung’. Dasselbe gilt von der Stelle aus der Karlamagn. s.
die Fritzner 1, 136 anführt. Zo&ga Islenzk-enzk Oröabök (1904)
glossiert denn auch bifa mit ‘to move slightly’.
11(S.55). Dieser Höllenfluß hieß jedenfalls S1 i1ör, trotz
Müllenhoff DAk. 5. 113. 117£.
12 (8.55). Neuere und auswärtige Parallelen zur Giallarbrü bei
Grimm Myth.4 694 und Nachtr. 2481. Tylor Prim. Cult, 2, 45,
834 f. über die gefährlichen Brücken indianischer Jenseitsflüsse; vgl.
2, 20 über Gefahren und Tod, die den Toten drohen. -— Dieser Bilder
scheint sich bei Germanen und Griechen der Glaube an die Jenseits-
strafen der Meineidigen bemächtigt zu haben, vgl. R. M. Meyer,
Arch. f. Rel.-Wiss. 15. 444 (Leiptr Helg. Hund. IT 31).
13 (8.55). Da der Helfluß und seine himmlische Spiegelung das
gemein hatten, daß der Weg von den Asen zur Hel über sie beide hin-
führte, so lag es nahe, sie ineinander verfließen zu lassen und die beiden.
Brücken zu einer zu verbinden. Das breite blaue Wasser, das so
entstand, war dann der Himmel, die lange Brücke der Regenbogen.
Snorri sagt bekanntlich, Bifrgst oder der Regenbogen führe von
der Erde hinauf gen Himmel, d. h. in das Götterland über den Wolken.
12
Wann diese Natursymbolik aufgekommen ist, wird sich nicht sagen
lassen. Es scheint aber, als wurzelte in ihr auch die Ragnarökmythe
der Fäfn. Die Insel, auf der die Asen den Kampf mit Surtr aus-
fechten, ist der letzte Rest Land, der noch eine Grenze zwischen
Götter- und Helreich andeutet. Vielleicht hat auch dem Eirikdichter
dunkel vorgeschwebt: am jenseitigen Ende der Zitterbrücke sei die
Hel. Eine andere Vorstellung, die in den G rimn. auftaucht, ist
die, daß auch das Walhall gegenüberliegende Ufer des Himmels-
flusses noch zum Götterlande gehört, und daß dort die Weltesche
steht, zu der die Asen täglich über die ‘Asenbrücke’ reiten, um Thing
zu halten.
XII.
1 (S. 56). Denn daß Odin je eine chthonische Gottheit
gewesen wäre, dafür finde ich keinerlei Anhaltspunkt. SS. auch
v.d.Leyen ZfdPh. 44, 484.
2 (8.58). Belegt bei Viga-GlümrB 114, A 119 und, wahr-
scheinlich sekundär, bei Guthormr sindri 4A 63.
3 (8.58). Daß hier das Ritzen des Blutaars gemeint sei und Gauts
taln die Lunge als Sitz der Seele bezeichne (Mo gk Menschen-
opfer 9), ist nicht nur unbeweisbar und unwahrscheinlich, weil ohne
jeden Anhalt in den Quellen, es wird m. E. durch stilistische
Gründe widerlegt (vgl. z. B. Vellekla 32 und 36). Dieselben Gründe
sprechen gegen die ältere Auffassung, die in Gauts tafn das Blut
sah (so noch Weinhold Berl. Sitz-.Ber. 1891, 565).
4(S.59 Z.6). Der erörterte Zusammenhang stellt auch Odins
Namen GagnräÖdr ins rechte Licht. Bugges Übersetzung ‘den
som raader for seier’ (zu Vafpr. 8, 1) ist einwandfrei; aber sie bedarf
der Präzisierung: gagn bezeichnet den Sieg, insofern er Gewinn,
und zwar vorzüglich Beutegewinn ist (hrusti giwinnan, rauba bira-
hanen Hild.) — eine Nuance, die übrigens aus etymologischen und
kulturgeschichtlichen Gründen auch für den ursprünglichen Sinn
des Wortes Sieg selbst anzunehmen ist. Der Gott entscheidet
123
über den Beutegewinn, daher bekommt er seinen Anteil daran
(analog der Schwertgabe an Siegfried Nib. B 93).
Für das Verständnis der Odinsnamen scheint mir der nordische
Sprachgebrauch wichtiger als die Eigenschaften des gallischen
Mercurius bei Caesar, die Kauffmann ZfdPh. 38, 297; Arch. £.
Rel.-Wiss. 11, 119. in ihnen wiederfindet. Auch Vegtamr, der
‘Weggewohnte”, weist nicht auf einen ‘Schutzherren der in Handel
und Verkehr bewegten Waren’. Dies ist interpretatio Romana,
und nur eine solche kann auch hinter Fengr und Farmatjyr
dergleichen Vorstellungen suchen, während doch nichts uns nötigt,
auf das Verständnis, das unsere germanischen Quellen selbst an
die Hand geben, zu verzichten. — Derselbe eklektisch-einseitige
Schluß (Kauffmann Balder 12) bei Helm Rel.-Gesch.
1, 361, der jedoch an römischen und keltischen Einfluß denkt (S. 267).
XIV.
1 (S. 61). AÄsgarör: Prymskv. 18, 6. Hym. 7, 3 Porbigorn
disarskald (10. Jahrh.) B 135, A 144.
Asa varödar: DPrymsky 5,4 9.6. Lokas. 37,3.
2(8.61) Siehe oben IX Note 4,
3 (8.62). Vgl. Helg. Hund. 18, wo Sigmund nach siegreichem
Kampfe dem neugeborenen Sohn Länder schenkt, um die nachher
der Kamvpf mit den Besiegten entbrennt.
4 (8. 64). Aus dem Plur. salir darf man nicht folgern, daß Valholl
eine ‘Burg’ oder ‘die weitgedehnten Hausanlagen von ÄsgarÖr’
bezeichne (Schullerus Beitr. 12,277. Kauffmann Balder
227f.) Dies schließt der Begriff holl aus, vgl. Snorri: Val-holl er
skioldum Bokd. Salir geht sicher ursprünglich auf eine Mehrheit
von Gebäuden, aber da im Zusammenhang nur das Hauptgebäude
hervorzutreten pflegt, kann es oft genug als “‘poetischer Plural’
empfunden worden sein (vgl. die Belege bei Ger ing Vollst.
Wörterb. 877 £.).
_— 124
5 (S. 64). Mißverstanden von R. M. Meyer Rel.-gesch. 269 ?
(An der zitierten Stelle der Gylfaginning steht Glitnir, nicht
Glaös-heimr.)
XV.
1(8.65)\_R.M. Meyer Altgerm, Rel.-gesch) 246 läßt Odin den
Seinen ‘wirkliches Fortleben jenseits des | Grabes’ versprechen und
denkt sich diese ‘Vorstellung der persönlichen Unsterblichkeit”
irgendwo am Rhein den Istvgonen vermittelt.
2(8S.65). Besonders bei den Tonga insulanern beobachtet.
Rohde Psyche 1, 81 und die dort angegebene Lit., dazu Erman
Die ägypt. Religion (1909) 104. Wundt Völkerpsych. 2, 3, 557. 561.
574. 4*, 176. Gröon bech Vor folkext i oldtiden 2, 167. — Henoch
1. Mos. 5. 24. Menelaos Od. 4, 560 ff., vel. Rohde a. a. 0. 68ff.
3(85.66). Rohde a. a. O0. 1. 124.
4(8.66). Olrik Sakse 2, 158f. Die Deutung “‘südöstliche
Gefilde’ ist mit Much ZfdA. 47, 68 abzulehnen. Aber Muchs eigene
Deutung ist nicht sicherer, Sie beruht auf der Voraussetzung (die auch
Olrik und Herrmann Erläut. zu Saxo 139 teilen), daß ein
(unterirdisches) Totenreich gemeint sei. Aber das wird für die Fialler-
geschichte ebensowenig gelten wie für den isl. Ödäinsakr, dessen
Name dagegen spricht. (Die Gleichung ‘“Totenwiese’ = Paradies
[Leitzmann Beitr. 32,65f. Kauffmann Arch. f. Rel.-Wiss.
11,119] bedürfte einer Begründung aus. germ. Material.) — Mit
Bugge Studien 299 N. scheint mir anzunehmen, daß in der Fialler-
geschichte eine versprengte Erinnerung an einen alten Ynglinger-
könig steckt.
5(S. 66). Grimm Myth. 783. Vilmar I Dtsch. Altertümer im
Heliand 22, Müllenhoff DAk. 5,115 f. — Fremder Ursprung
ist mir wahrscheinlich.
6 (8.67). Od. 4, 566—568 — 6, 43—45. Rohde Psvche 1,69.
125
7 (8.67). Man erzählte sich von Einzelnen, daß sie einmal bei
den Göttern zu Gast gewesen seien: vgl. Rimbert Vita Ansk. c. 26,
wo ein Mann die Klage der Götter über Vernachlässigung überbringt;
den Namen Goögestr (Yngl.s., vielleicht zusammenhängend mit
der göttlichen Abstammung der Häleygiar, s. SnE 3, 459 N.); Star-
kads Besuch mit Hrosshärsgrani auf dem Götterthing. Das
Thing wird in einer Waldlichtung auf einer Insel gehalten. Das
Boot erinnert an Odins Fährboot in Sinfiotlalok.
7a (8.68). R.M. Meyer ZfdPh. 38, 174f. Doch hängt der Wolf
nicht ‘westlich am Tore’, sondern ‘westlich vom Tor’, d. h. vor dem
Westtor. Das wird sich auf die im Tempelhain hängenden Opfertiere
beziehen. Im übrigen vgl. oben VIII N. 3.
8 (8.68). Lokas. 60. Die an sich ehrende. Bezeichnung hat hier
einen boshaft-ironischen Nebensinn: ‘du bist mir ein schöner Ragnarök-
kämpfer!” Daß einheri an dieser Stelle etwas anderes meine als sonst,
ist eine unbegründete Annahme, die alle Tatsachen gegen sich hat.
Ob das Wort ursprünglich ‘“Einzelkämpfer’ bedeutete oder nicht,
hat damit nichts zu tun. Die Bildungsweise ist so unklar, daß wir
uns allein an den tatsächlichen Gebrauch halten müssen. Dieser spricht
gegen Müllenhoffs Änderung “einheriar” für eins heriar Hä-
vamäal 78.
9 (8. 69). Dies hat, wie ich nachträglich sehe, schon Kauff-
mann Balder 236 bemerkt.
10 (8. 69). Man erklärt gengi an dieser Stelle als ‘Hilfe’. Soweit
gengi anderswo —in der Prosa— eine solche Übersetzung erlaubt, liegt
doch der Sinn ‘Gefolgschaftleistung’ zugrunde (eigi munu ber mu
Burfa värs gengis eda lidsinnis, zum Könige gesprochen, Flat. 2, 126).
Odin wird aber nicht von sich sagen, daß er einem Menschen Gefolg-
schaft leiste. Und ‘Hilfe’ ist sehr blaß und beziehungslos. Daß der
Gott von seinem Gefolge spricht, zeigt klar die gleich folgende Va-
riation 0ollom einheriom. Sie ist gewählt, weil des Gottes Sprache
schrittweise deutlicher werden soll. Diesem Streben zuliebe wagt
der Dichter eine etwas kühne Verknüpfung, die kaum ein Recht gibt
zu Textänderungen (‘allra einheria’). Die Parallele von Häk. 16
126
und 10,3 ist schlagend. — An dem Mißverständnis der Stelle ist viel-
leicht auch der eggmödr valr 63,1 schuld. Der bestätigt aber nur,
daß, wenn Odin val bekommt, das nicht eo ipso bedeutet, er bekomme
gengi. S. oben S. 57. (Die Grimn.-Stelle ebenso beurteilt bei Kauff-
mann Balder 231.)
11 (8.69). Kauffmann a.a.0.230u.ö, setzt, seinem Heros und
dessen Kultus zuliebe, einheriar = e@sir, aber er begründet dies nur
insofern, als er die Bedeutungsgleichheit von c«@sir mit anses bei
Jordanes und mit Saxos semidei (‘verstorbene, göttlich verehrte
Edelinge’) nachzuweisen sucht (S. 235 ff.). Ks. Gedankengänge
verlaufen meist in solcher Ferne von den meinigen, daß ich die
Punkte, in denen wir zufällig zusammentreffen, nicht jedesmal zu
nennen brauche (vgl. oben N. 9 u. 10).
12 (S. 69). Um dieselbe Zeit, wo in Norwegen die HEir. gedichtet
wurden, entstand, vermutlich in Dänemark, das Ingeldslied, das
Hohelied der kriegerischen Vätersitte im Munde Starkads. Es schließt
in Saxos Wiedergabe mit den merkwürdigen Versen:
Ast ego qui totum concussi cladibus orbem,
Leni morte fruar, placıdoque sub astra levandıs
Funere, vi morbi defungar vulneris expers.
Die letzten 5 Hexameterfüße müssen auf einem Mißverständnis
Saxos beruhen (Olrik Danm. Heltedigtn. 2, 19). Aber dieses Miß-
verständnis wird nur begreiflich, wenn der unmittelbar vorangehende
Gedanke echt ist. Starkad hat also die Hoffnung ausgedrückt, in
‘sanftem Tode’ des Jenseits teilhaftig zu werden. Dies kann wohl
kaum etwas anderes bedeuten, als daß der Alte sich des Lebens in
Walhall getröstet. Spiegelt vulneris exvers ein altes greaddr ‘(von
Wunden) geheilt’ ?
13 (8. 70). Faegrskinna ed. Jönsson 27.
14 (S. 70). Die Heimskringla (1, 218) berichtet, der schwer
verwundete König habe befohlen, ihn (zu Schiffe, nordwärts die
Küste entlang) zu seinem Hof Alreksstadir zu bringen; ‘aber als sie
zur Hakonplatte (Häkonarhella) kamen, legten sie dort an; der König
war dem Tode nahe’. Er stirbt denn auch sehr bald dort auf der
127 —
Platte, wo er der Überlieferung nach auch geboren war (vgl. Hkr.
1,155 f.). — Es scheint, daß wir hier einen Beleg — den ersten alt-
germanischen, soweit mir bekannt — für die weit verbreitete Sitte
haben, Sterbende auf die Erde zu legen; vgl. Dieterich Mutter
Erde (? 1913) 25 ff. 127 f. — Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt,
daß sich wertvolle Nachweise über Gebären auf dem Erdboden bei
Fritzner Ordbog 1, 625a finden, und daß Oddrünargrätr
8: knätti mer ok mogr moldveg sporna von daher Licht empfängt.
(‘Bald kamen ans Licht ein Knab und ein Mädchen’, ‘Knabe und
Mädchen kamen zur Welt’ sind freie Übersetzungen.)
15(8.70). Vel. Hkr. 1. 208 ff.
16(S.70). Wir wissen nicht, ob Odin als Totenführer in irgendeiner
Form älter ist als die Walhallrunde. Doch fehlt es nicht ganz an
Stützpunkten für eine Konstruktion etwa folgender Art: Wodan
als Windgott war einerseits der nächtliche Jäger der Unholde, anderer-
seits der Führer des Totenheeres *; so wurde er der Anführer in dem
großen Kampf gegen die unholden Mächte, der beim Weltende in
der Luft ausgefochten wird; diese Vorstellung ist an Walhall geknüpft
worden. Aber selbst wenn wir absehen von dem stark hypothetischen
Charakter eines. solchen Gedankengangs, ist er klärlich für unsere
Frage bedeutungslos.
XWVI.
1(8.75). Mogk Myth. 41. Vgl. Herrmann Nordische.
Mythologie 94, der ebenfalls die Herfigtur mit dem Mahrenglauben
verbindet.
2(8S.75). Maurer Ztechr. f. dtsch. Myth. 2,341; Bekehrung
des norw. Stammes 2, 401. Heusler, Germanist. Abhandl. für
H. Paul 80. N. 1.
*% Ersteres für alt gehalten von Olrik Nord. Geistesleben 26f., letzteres
von Mogk Menschenopfer 11. 30,1f vdLeyen Götter und Göttersagen
125, Helm Rel.-gesch. 1, 261 ff. 360-(öBgieich er S. 264 Ef, die. Beweiskraft
der interpretatio Mercurius mit Recht ablehnt), Siebs in Schles. Landes-
kunde (1913) 2, 352 u. a.
3 (S. 75). Die alte Auffassung als ‘Walhall-kieserin® (‘ex proelian-
tibus dignos legens, qui in Valllallam recipiantur’, Lex, poet.) ist
nicht bloß unklar, sondern sprachlich unbefriedigend und sachlich un-
möglich, weil die valkyria TAT Sowohl Schullerus
wie Golther haben sich nachteiner andern Deutung umgesehen,
aber weder ‘“Kämpferin’ noch “Todwählerin’ ist annehmbar, denn
val- bedeutet weder ‘Kampf’ noch ‘Tod’, und was heißt ‘den Tod
wählen’? Die alte Auffassung war insofern besser, als sie mit den
Quellen in Fühlung blieb (Häk. 1). Sie gibt den jüngeren Sinn des
Wortes, den Eyvindr hineinlegte, richtig an (vgl. S. 88).
4 (S. 75). Grundar Hrundar hregg, nicht ‘tempestas campi bellici’
(Lex. poet, 406), sondern ‘tempestas clipei’, vgl. hregg hlifa Hätt. 62, 3,
andererseits baugvangr und ähnliche Bezeichnungen des Schildes.
5 (8.76). Nomin. algzfri oder Hifrir? Egilssons ‘gigas omnium’
ist im zweiten Teil richtig, vgl. &l/odr, deshalb muß der erste Teil
falsch sein, denn ‘Riesin’ schließt ein possessives oder objektives
Verhältnis aus. Egilsson verbessert sich denn auch: ‘i. e. res omnibus
maxime noxia’, er findet also in gifr(i) den Begriff ‘Schädiger’.
Dies bedarf nur noch der Verengerung. — Wis&ns ‘res quam
maxime noxia’ bedeutete einen, Rückschritt, einen weiteren F.
Jönssons ‘det fuldkomne uhyre’ (B 3); ein ‘verstärkendes’
al- tritt nicht vor jedes beliebige Konkretum. — Vigfüssons
Emendation valgifris (Corp. poet. 2,7) ist unnötig und metrisch
bedenklich (F. Jönsson Krit. stud. 14), aber seine Übersetzung
‘corse-greedy” hätte Aufmerksamkeit verdient. — Das Wort ist ein
gutes Beispiel für lexikalische Verflachung.
6 (S. 76). Die äußeren Halbverse des Helmings schließen sich als
Rahmen um die inneren, eine Gliederung, die ganz ebenso in der voran-
gehenden Str. 51 (1—4) erscheint jund dem erregten Pathos dieser
Strophen ebenso gemäß ist wie derh parenthesenreichen Stil der Vsp.
überhaupt. (12, 9—12 ist möglicherweise ebenso gegliedert: orlog
seggia zugehörige Variation zu log? [anders Beitr. 33,460 £.]) Die
äußeren Glieder beschreiben das Zerbrechen von Erde und Himmel,
die inneren den Untergang des Menschengeschlechtes. Die beiden
Halbverse stehen in frei varlierendem Verhältnis zueinander wie
129
50, 3.4 :5; 6 : 7, schildernde, das Bild weiter ausführende Satzvarla-
tionen vom hinteren zum vorderen Halbvers hinüber. Die Vorstellung
eines großen Sterbens wie bei einer Schlacht findet Ausdruck in den
zwei Bildern: Leichendämonen kommen auf ihre Beute gestürzt,
Männerscharen ziehen zur Hel. Gifr rata steht auch in zwei Hand-
schriften der Fioglsvinnsmäl (13,5; Sijmons 19,3). Selbst
wenn dies sekundär aus dem Vsp.-Text hereingekommen sein sollte
(eher ist mit Sijmons die Lesart für ursprünglich zu halten), so
bestätigt es doch, daß rata von der heftigen Bewegung gieriger Tiere
gebraucht werden konnte. Ist hrata zu lesen, so kann man auch
Alv. 1 vergleichen. (hratab ‘überstürzt’).
7 (8.77). Vgl. die Traumfrau Sturl. 1, 518:
Mun ek brätt fara beria griöti,
bar er beir beriaz Biorn ok Sigvatr.
8 (8.77). Ob es den Ausdruck valkyria gebraucht hat, ist frag-
lich, s. S. 82 über die Helgilieder. Aber die Vorstellung des kvelia
darf trotzdem an diesen Begriff angeknüpft werden.
9 (S. 78). Otul — ‘feindlich, gefährlich’ —, dmdtlig — ‘verhaßt’ —:
vgl. Bursa meyiar ämdtkar Vsp., ämätligastar von Hexen EM 85; über
den herabsetzenden Sinn von dmdtt- Bi. Olsen. Timarit 15, 40€.
10(8.78). Daß Guömundr Wölfe geboren haben soll (Str. 39), hängt
zusammen mit der Wölfe gebärenden Alten im Eisenwalde Vsp. 40,
vgl. Bug ge Helgedigt. 13 f. — Mit der Einräumung seiner Vater-
schaft knüpft Sinfiotli witzig an den Vorwurf von Str. 36 (Ähnliches
in Str. 44, Verf. Beitr. zur Eddaforsch. 360). Wie 37, 5—8 zeigen, denkt
Sinfiotli sich als Mutter der Wölfe die volva von Str. 37, ein Gedanke,
den ebenfalls die V sp. eingegeben hat (Vsp. 40 — 28!). Str. 38
unterbricht den Zusammenhang (s. Sijmons z, St.). Sie ist aber
nicht mit Sijmons und Gering auszuscheiden, sondern vor 37 zu
stellen. Die Strophen sind wegen der gleichlautenden Anfänge von
einem Abschreiber vertauscht worden.
11 (8.78). Skass gehört etymologisch zu Schade (N or een Gram-
matik 1,205). — Die Schreibung skars ist unberechtigt. Ich finde sie
Neckel, Walhall.
— 130
nur in der Flat. bei Hyndl. 40, 5; hier ist sie nach Noreen 8262 Anm. 3
zu beurteilen. Der Codex regius hat nur skass (Phot. Ausg. 41,28,
45,19). ss scheint auch in den jüngeren Handschriften zu stehen an
den von den Wörterbb. unter skass, skessa, skessiligr zitierten Stellen.
12 (S.79). Reg. 20. Landnäma (1900) 53f. Niäla (ed. F. Jönsson)
175,21. Häv. Isf. c. 9 mit Havards visa 3 (B 179, A 189). Sturl.
2,233. Mit Odinsopfer verbunden Hkr. 1,303. Vgl. Haraldskveedi 4.
13 (8.79). Ramma hregamma Einartr Vellekla 30 (B 122,
A 129), vgl. rammar fylgiur.
14 (S. 79). Golther 427 f. Auch der Dichter des Alten Sigurds-
liedes hat diese Vorstellung im Auge, wenn er die Kampfjungfrau
Brynhild reden läßt sem dlpt af baru (Vols. ed. Ranisch ec. 27, 50).
15 (8.79). Vgl. hwvit und hialmi mer Helg. Hi. 28, 3,. hvit Helg.
Hund. IL 48, 7, biort Atlakv. 43, 8, en gaglbiarta Atlakv. 39, 2,
nıveum capnput Biark. 33.
16 (S. 79). Gogl ala Gunnar systra ‘kämpfen’ Helg. Hund. IT 7, 3,
giödum dolgeisuw disar Glümr Geirason Gräfeldardräpa 2,
giödum sigfliöda PormödSr Trefilsson Hrafusmäl 5, haukr
Hlakkar Hätt. 5. — Bei gogl Skoglar Gizurr gullbrärskald
B 292 ist die Beziehung zweideutig, vgl. Sn E 1.513.
17 (S. 79). Diese Bezeichnung war wohl assoziiert mit Waffenbe-
zeichnungen wie sdrteinn, särlaukr (Gering übersetzt ‘Wunden
schlagendes Wesen’), aber offenbar enger mit den angeführten
Vogelbezeichnungen. Ist doch die sdrvir ebenso ein lebendes Flug-
wesen wie die alvitr und die altengl. @lwikt. Da -vitr auch Helg.
Hund. IT 26, 2 Sigrün bezeichnet, so darf man von der Möglichkeit
absehen, daß mit sdrvitr einfach die Schlachtvögel gemeint sein
könnten. Doch vielleicht hat der Dichter in dem Worte einen Doppel-
sinn empfunden; dafür spricht die unmittelbar folgende Erwähnung
des fressenden Wolfes.
Der ursprüngliche Sinn von sdrvitr dürfte sein ‘Wesen, das an
den Wunden saugt’. Das Wesen war unsichtbar. Man schloß seine
131 —
Anwesenheit aus dem Strömen des Blutes. Die Mintira auf der ma-
Jaiischen Halbinsel schreiben das Bluten von Wunden einem Krank-
heitsdämon zu, der auf der Wunde sitzt und saugt (Tylor Prim.
Cult. 2. 115).
18(S.80). Auch hier der term. techn. kiösa. Ob gaman Liebesgenuß
meint (F.J6 ns son Yngl. s. 29), ist nicht ganz sicher. Glitnis
wird hier hestsheiti sein (Sn E 2, 487. 571), denn Gnä ist
nach Sn 36 eine durch die Luft reitende Gottheit,; vgl. auch j6dis.
Die Verwandtschaft mit der valkyria geht also recht weit. Lautete
die Prosa auf Kampftod, so dürfte man von Identität sprechen und
Folgerungen daraus ziehen. Auch so gibt es zu denken, daß die
nipt Nara (vgl. iödis Ulfs ok Narfa) in Egils Hofudlausn auf der
Walstatt anwesend gedacht wird und dort die Leichen ‘tritt’. —
Vol. zur Dyggvistrophe auch Schück Studier 2, 178.
18a (S. 81). Vgl. dreyrug hr@ .. . 4 dal fyr valfugla Ragnarss. ed.
Olsen 171. 216. Ist an die tiefen Täler der Hel gedacht? Die Identifi-
zierung wäre zu vergleichen mit den Doppelbedeutungen in den
Grimn. Zu erwägen wäre noch, ob auch Ydalir (Grimn.) mit
solchen Vorstellungen zusammenhängt und also etwa == Folkvangr
ist (jr ‘Bogen’).
19 (8.81). Randgriör braucht nicht (oben S. 77) einer Beil-
kenning parallel zu sein; es kann auch bedeuten ‘die Gr. mit dem
Schilde’, wie R4ögriör ‘die ratende oder helfende Gr.’ sein muß (vgl.
radınn dauda Walk. 7, 6).
20(8.83). Von Gislason und J6önsson geändert.
21 (S. 83). Während in valdrös die Bedeutung von val- stark ver-
blaßt ist und das Wort also mit der prosaischen valkyria auf einer
Stufe steht, bleiben zwei ähnliche, vermutlich ältere Bildungen
dem Ursprünglichen näher: valmer (alf valmeyiar deyta, Äslaugar-
visur Hauksb. 466) und valfreyia (valfreyiu stafr deyia Niäla 174).
Die Kenningar an diesen Stellen sind proleptisch: sie bezeichnen
den Krieger, schon ehe er gefallen ist, als der valkyria gehörig; vgl.
oben S. 29. Es wäre wohl zu kühn, hierbei an den Liebesbund des
3%
— 132 —
Helden mit der valkyria zu denken und -freyiw in Verbindung zu
bringen mit der Göttin von Folkvangr (s. S. 87). Aber aus dem
‘Baum des Kampfes‘ und ähnlichen Kenningar allein kann man
diese Ausdrücke nicht ableiten. Das Nebeneinander von wval- und
deyia kann nicht Zufall sein. Hildimeidr und dergleichen sind nicht
befriedigend erklärt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß valfreyiu
stafr zu ihrer Erklärung beitragen kann.
22 (8.83). Diese Deutung sucht dem Nebeneinander von hapt
heptidun und heri lezidun gerecht zu werden, das angesichts des
Namens Herfietur und. der Synonymität von altnord. hapt und fzotur
(vgl. Häv. 149), auch des bildlichen Gebrauchs noch von mhd. haft
heften (s. Grimm a. a. O.) und von altnord. hepta umso weniger
für Zufall gelten darf, als das Auseinanderreißen der beiden Vor-
stellungen zu einer künstlichen Auffassung führt, die keine Stütze in
den Quellen hat. Denn die germanischen Weiber und die Schild-
mädchen, auf die Müllenhoff Denkmäler 2, 44 sich beruft,
gehören nicht hierher und würden auch nicht das ganze Bild decken.
23 (8.84). Vgl. auch Sax o 112 £. über die silvestres virgines.
24 (8.85). Hallfreöarsaga am Schluß. Anders Niäla
94,3. Vgl. Vals. ed. Ranisch ec. 35; 11£.: md vera at Binar disir
hatti hat verit (wohl Mißverständnis der Quelle).
95 (8. 85). Viga-Glümss, c.9 (dis, in der Prosa hamingia ). Hall-
fredarsaga bei Vigfüss on Fornsögur 114 (Fylgiukona . . . i bryniu).
Austfirö. sög. 234 (konur ). Wahrscheinlich auch Helg. Hi. 35 Pr.
(fylgiur ). Vgl. etlarfylgia (Rieger ZfdA. 42, 279 f. 283). Dazu
Jön Arnason bij6ösögur 1, 354.
26 (8. 85). Ütst. (EM 71, disir). Vgl. die Vorstellung vom Kampf
der beiderseitigen fylgiur Gullböriss. ed. Kaalund 17, 8 und die
rammar fülgiur der Vatnsdeela (Rieger a, a. O. 278. 279).
27 (8.86). Hof. 10. Son. 25.
133
28 (8.86). Die Lithotes durch Streichung des. -4 zu beseitigen,
sehe ich keinen Grund.
28a (S. 88). Freyja steht. der Gefion nahe, s. Olrik Danske
Stud. 1910, 3 £., der beide für Erdgöttinnen und Totenherrscherinnen
hält (beide nehmen besonders Frauen zu sich, vgl. Porgerör Egilss.
c. 78 und Sn 35). Die Annahme, daß Freyia von dieser Seite her zu
ihrem kiösa val gekommen. wäre, widerspricht dem oben Vorgetra-
genen nicht. — Eyvinds Kenning Valgrindur gefn (oben 8. 15)
enthält vielleicht einen Namen der Freyja (vgl. Sn 35).
29 (S. 89). Eine Travestie des Walkyrjengeleites ist die
Gudrun Ciükadöttir Sturl. 2, 243 ff. mit dem an den Schwanz ihres
grauen Pferdes gebundenen Mann.
XVIL.
1(8.90). Grundtvig Edda 189 und Olrik Om Ragnarok 50
beziehen halir an der letzten Stelle auf die Helbewohner (vgl. auch
Corp. poet. 1,420). Aber halr bedeutet das nur an einer etymolo-
gisierenden Stelle der Alvissmäl (28,3). Es ist zu beachten,
daß beim Raguarök die Heliar sinnar nicht beteiligt sind, trotz
Snorri Sn 63, trotz Bugges Konjektur zu Vsp. 51 (über die Olri k
Ragn. 66 N. das Richtige gesagt hat) und trotz Kau ffmann
Balder 232: ZfadPh. 35. 405.
2(8.90). Da Niöhoggr und seine Tätigkeit schon in Str. 39 ein-
geführt sind, so ist nicht einzusehen, wie er dazu kommen sollte, in der
Schlußstrophe die ‘neue, reine Erde’ von Leichen zu säubern (Detter-
Heinzel Edda2, 81 f.). Die Toten, die der Drache auf den Flügeln
trägt, stammen von dem Leichenhaufen, in dem er unten in der
Unterwelt gewühlt hat und der täglich von oben Zuwachs erhielt.
Der Flug des Drachen über das Feld ist einer der suggestivsten
Züge der großen, ahnungsvollen Komposition: als Kontrastbild,
als Veranschaulichung der gesprengten Höllentore und als Symbol
der Überwindung des Todes. — Auch Müllenhoff DAk.5, 36f.,
von dem Detter-Heinzel sichtlich ausgehn (B oe r in seinem Referat
ZfdPh. 36, 314 wirft beide zusammen), äußert sich über die Leichen
unbestimmter und doch, wie ich glaube, noch zu bestimmt.
— 134
3 (8.90). Müllenhoff DAk.\5, 33. Niedner ZfdA, 41,42.
Heusler bei Kahl Arch. f. Rel.-Wiss. 9,69. Olrik Om Rag-
narok 126. Letzterer schließt sich nur bedingt an: ‘Gimle schwebt
zwischen Christentum und Heidentum’. Dies kann man in gewissem
Sinne unterschreiben. Aber ich finde, daß bei Olrik das heidnische
Vorbild nicht ganz zu seinem Recht kommt. Er scheint mir der
Seelenwanderung zu viel Gewicht beizulegen auf Kosten
der Jenseitsvorstellungen, die sich an Walhall knüpften.
4 (8.91). Seit Sn orri hat man dem Beiwort dyggvar oft einen
christlich-moralischen Inhalt untergescheoben. Wie unberechtigt
dies ist, zeigt ein Blick auf die Parallelstellen: dyggva fylgiu ...
hrafns Reg., allir dyggvir skatnar viti... Niäla 1,116. 2, 427, aldyggr
arfi Tryggva let heriat vestrlond Rekstefia, Danir gerdu dyqgva for
Glelognskviöa. Das Wort wird mit Vorliebe auf das Gefolgschafts-
verhältnis bezogen (daher die Übersetzung ‘treu’, die aber nicht
immer paßt). Christliche Poeten haben es auf Gott und seine Ge-
treuen angewandt (gramr glyggranns ...sköp her dyggvan Marküs
Skeggiason), und es ist möglich, daß dem Vsp.-Dichter dieser
Gebrauch schon bekannt war. Aber auch dann wäre die eine Seite
des etwaigen Doppelsinns mit ‘g60ir menn ok siölätir’, ‘pi homines’,
‘gute Menschen’ schwerlich richtig wiedergegeben. Nun gar Treu’
und Redlichkeit in dem Worte zu finden (Müllenhoff DAk. 5, 33),
verbietet, die Kulturgeschichte aufs bestimmteste.
5 (8.91). Dieser Gegensatz wird scharf hervorgehoben durch
den Parallelismus der Schilderungen, |Ho for y Eddastudien 132 f.
Der Dichter hat ihn vermutlich verschärlt, aber er hat ihn vorge-
funden.
6 (S. 92). So viel wird man sagen dürfen, obgleich deutliche Hin-
weise auf den Frieden in der neuen Welt fehlen (die dyggvar
dröttir sind nicht die ‘friedliebenden’, und die valttvar sind. nicht die
“Friedebringer’, vgl. ZfdA. 41,42. 305 ff. Arch. f. Rel.-Wiss. 9,66 £.).
Müllenhoff DAk. 5,33:‘. .. wie in Valholl, nur ohne das wilde
Kriegerleben, wie es hier herrschte’. Aber im Sinne einer direkten Ver-
neinung darf dieses ‘ohne’ nicht gemeint sein.
— 135 —
Register.
A. Sachregister.
Aage og Else 19.
Aegirs Halle 63.
Ahnenhallen 31.
Asenburg 62
vgl. Asgard, Himmelsburg.
Asensaal, der, im Verhältnis zu Wal-
hall 64.
Asgard 61.
Atlakvida 60. 94. 98.
Axtkenningar 75. 131.
Bahrgericht 37.
Bärör Snafellsäss 66.
Bedeutungslehnwörter 49.
Bifrost 55.
Bilrost 55.
Böser Blick 74. 80.
Burkhard v. Worms 38. 87.
Disir 82. 83.
Einherier 4. 65. 68. 69. 90.
Eiriksmäl 25. 30. 54. 70.
Elysium 65. 67.
Entrückung 65. 66.
Fenia und Menia 82.
Fetische 102.
Fialler 66. 124.
Freyja 87. 133.
Fyleia 85.
Gefion 133.
Geruthus 28.
Gisli Sürsson 30. 86.
Glasisvellir 67.
Gladösheimr 52. 62.
Glitnis Gnä 80.
Godeskalk 55.
GoSheimr 34. 62. 67. 103.
Götterheime der Grimnismäl 61.
Grimnismäl 52. 74.
Griör 80.
Gullinbursti 99.
Gondul u. Skogul i. d. Häkonarmäl 88.
Hakon der Gute 25. 32. 126,
Häkonarmäl 25. 30. 53. 69. 70.
Hallen als Totenwohnung 30. 103.
Hamingia 85.
Hand, Umschreibungen der 11,
Haraldskvaee0i 18.
Hauchseele 107. 108
s. auch Psyche.
Heliand 66.
Hel (Ort) 51.
Hel (Göttin) 86.
Helgrindr 52.
Helgidichtung, Naturbild. der 21. 22. 24.
Helgi Hundingsbani 19.
Helgilieder, Walkyrjen der 82. 84.
Herfiotur 83.
Hermundurengelübde 58.
Hervorlied 50.
Hildelied 100.
Himinbiorg 52. 62.
Himmelsburg 68.
Hli6s 79. 81. ;
Hliöskiälf 60. 61. 94.
Hlokk 83.
Hrolfr kraki 50.
Hrssveler 81.
Ibn Fadhlan 35. 67.
TIdisi 82. 83.
Jenseitsstrafen 42.
Körperseele 106. 109. 110. 111. 113.
Krähe und Walkyrje 79,
Kräkumäl 19. 25. 104.
136 —
Langobardische Wodansage 60.
Leichenbraud 44. 45. 46. 47. 114.
Leichendämonen 42. 43.
Menschenopfer 58.
Merseburger Idisenspruch 83. 132.
Moorfunde, dänische 29.
Nägrindr 52.
Nästrond 52.
Niäla (ce. 125) 22.
Ödainsakr 66. 67. 73. 90. 92,
Odin 17. 28. 56. 122.
— als Stammvater 72.
— ss Leichenfreude 57.
Odinshelden 33,
Ofliöst 12. 96. 98.
Olymp 67.
Organseele 106. 110 N. 111.
Paradiesvorstellungen 65.
Patroklos 114.
Pfählung 111. .
Primitiver Totenglaube (lebende Lei-
chen) bei Germanen 37. 44. 47.
— bei Griechen 40.
international 38
s. auch Jenseitsstrafen.
Psyche 39. 40. 109. 111. 113. 115. 117.
Rabe als Schicksalsvogel 78.
Ragnarr loöbrök 32.
Ragnarrssaga 95.
Rechtliches Fortleben der Toten ‚37.
Riesin und Walkyrje 75. 80.
Rimhert 71.
Saxo 28. 37. 43. 51. 52. 66. 67. 86.
126. 132.
Schattenseele 106. 108. 114.
Seelenschlacht 19. 87.
Sessrümnir 17. 88.
Sinfiotli 32.
Skaldensprache 11. 96. 97.
s. auch ofliöst.
Speerritzung 47.
Steinzeitgräber 43. 45. 103.
SveigSir 34. 66. 103.
Thing der Götter 61.
Thorkelssaga (bei Saxo) ’28. 29.
Thorstein Dorschbeißer 30.
Thund 52. 53.
“Todeshalle’ 3.
“Totenberg” 3. 104.
Totenberge 30. 31.
“Totenhalle’ 3.
Totenreich, allgemeines 3. 31. 35.
— im Jenseits 46.
Totenwasser 51
s, auch Thund.
Traumfrau Gislis 86. 87.
Undensakre 66.
Unnr (Viga-Glümssaga) 30.
Unsterblichkeit, heidnische 70.
Unterweltflüsse s. Totenwasser.
Valgrind 52. 53. 54.
Vampyr 39. 109.
Volundarkvida, Walkyrjen der 82.
Voluspä 90.
Waffentote, Beschränkung der Wal-
hall auf 32.
‘Wahlhalle’ 2. 65.
Walkiesen 2. 16.
Walkyrjen 5. 15. 16. 54. 56. 74.
Walraub 8. 13. 14. 122.
Yogdrasill 66.
ni —
137
B. Wortregister
‚altnord. Wörter unbezeichnet).
A
ahma (got.) 50.
algifri 128.
Amättligr, ämättugr 129.
andi 116.
A val 7. 95.
B.
bast-ox 14.
behaben, daz wal (mhd.) 8.
bengriör 76.
beö 95.
bifa 55.
bifa (nisl.) 121.
brynflag 5 76.
C.
280san (ae.) 16.
BD.
daudr 50.
dis 82.
draugr 25. 50.
araugur (nisl.) 118.
dreyra 9
drös 82. .
aurchhouwen. daz wal (mhd.) 8.
E.
ecgwael (ae.) 7.
eiki, Ödins 12
einheri 68. 63. 125.
F.
falla ı val 6.
Farmatyr 123.
fella val 5.
Fengr 123.
flag 76.
f165, unda, fleina 9.
Folkvangr 17.
Fröswel (ae.) 6.
G.
Gagnrädr 122.
Gauts gätt 28.
gefa Ödni 17.
Geirahoö 77.
geist (wg.) 50.
gengi 69. 125.
gifr 75. 77. 78. 128.
gifre (ae.) 76.
gista ÖSin 17.
Glasisvellir 67.
glaumr ‚98.
Glitnis Gnä 131.
Goögestr 125.
grit (mhd.) 76.
griö(r) 76.
Gridr 81.
MH.
häla 75.
Häva Hall 63.
harmdogg 21.
heimr 6l.
hel: fara, senda til heliar 19.
helfüs (ae) 10.
helfüss 10.
Herfiotur 75. 132.
hialdrgods hlif 29.
hialmskass 78.
hildisvin(i) 15.
Hildr 77.
Hlokk 75.
Hrist 75. 77. ;
Hropts sigtoptir 18. 64.
Hropts hialmeldr 29.
Hrund 75. 76
hrzfl65 9.
Hul3 76.
idis (we.) 82.
L.
138
. K.
kiösa 16. 57. 95. 131.
kiosa val 2, 5. 16. 27. 78. 81. 88.
krelia 77.
L.
lJikamr, likami 1216.
O.
Öddinsakr 66.
öskasynir 73.
öskmegir 73.
ÖSdins eiki 28. 29.
Ödins hurd 98.
R.
Randgriör 77. 81. 131.
Räderidör 77. 81.
8.
saiwala (got.) 49.
sal 49.
särvitr 130.
sawol-1&8as (ae.) 49.
seele (germ.) 48. 49.
sedia ulfa 18.
sieg (germ.) 122.
sige kiesen (mhd.) 16.
sinni 99.
skass 78. 129.
Skeggiold 77.
slä unpersönl. 21.
sökngifr 76.
Sväfnis salnzfrar 27.
Sveigis salr 101.
Svolnis garör 28.
Svolnis salpenningr 27.
sefa val 192
T.
tafn 58.
trören (mhd.) 9.
U.
Undornsakrar 66.
ür 20.
ürdrifinn 20.
ürigr 20.
ürsyalr 20.
ürbveginn 20.
:V.
val stn. 2. 12.
val-Falken- 11.
val-‘Kampf- 14.
val-welsch 11.
yvalbassi 12.
valbaugr 14.
valbiörr 12.
Valbiorg 11.
valbl6ö5 9. 12.
valbrandr 13.
valbraut 11.
valbräd 12.
valbreki 12.
valbrik 3.
valbroddr 12.
valbygg 11.
valbost 14.
valdreyri 9. 12.
valdreyrugr 9. 12.
valdrös 131.
valdyr 12.
valdogeg 21.
valfasti 12.
valfrekr 12.
valfreyia 131.
valfugl 12.
Valfoör 15. 28.
valgagl 12.
valgammr 212.
Valgautr 15. 28.
valgiarn 12.
valgiödr 12.
Valglaumnir 15. 98.
Valglitnir 15.
Valgrind 15. 99.
Valgrindar Gefn 133.
139
valgriöt 13. 14.
valgoltr 13. 15.
valhknot 11.
Valhrimnir 13. 14.
valiorö Al.
valklif 11.
valkyria 75.76. 77. 78. 84. 88. 128.
valkostr 1%.
valtün 11.
Valtyr 28.
valvond 12.
Valbiöfr 11. 96.
valbidurr 12.
Valbognir 28. 58.
väpngefugr 29.
v4Ddir Väfadar 29.
Vegtamr 1283.
Valland 11.
valmeiödr UL.
valmzer 131.
valnadr 12.
valnistendr 11.
valr 2. 4. 7. 57. 73.
s. auch & val,
falla I val,
fella val,
sefa val
valrauör 14.
yalreyndan’ 97.
valrof 9.
valrugr 11.
valrüun 11.
valsendir 12.
valserkr 13. 14.
valsinni 15.
valskikkia 11.
valslongva 11. 14. 96.
vals ormr 12.
valstafn 11.
valstefna 12. 14.
valstoö 11.
valsefendr 12.
vyaltafn 12.
valteigr 11.
valteinn 12. 14.
valtivar 15.
Ww.
wal (mhd.) 8.
walaraupa (ahd.) 9.
walbluot (mhd.) 9.
walgenöz (mhd.) 9.
walphat (mhäd.) 9.
walstat (mbd.) 9.
walvlöz (mhd.) 9.
Wealhbeow (ae.) 11.
wig ceosan (ae.) 16. 95.
wigspeda gewiofu\(ae.) 27.
wuol (ahd. mhd.) 3.
wühlen 3.
wol (ae.) 6.
waelbed (ae.) 10. 96.
waelbend (ae.) 3.
waelcsdasig (ae) 16. 78.
waeleceyrige (ae) 16. 75.
waeld&ad (ae) 10.
waeldröor (ae) 9.
walfäg (ae) 10.
waelfeall (ae.) 6. 10.
waelfel (ae.) 10.
waelfüs (ae) 10.
waelfyll (ae.) 6. 10.
waelfyr (ae) 10.
waelgifre (ae.) 10. 70.
welhlenca (ae) 10. 13.
waelhwelp (ae.) 10.
welrsöaf (ae) 9. 10.
welrest (ae.) 10. 16.
waelrün (ae) 11.
140
waelsceaft (ae) 10.
walseax (ae.) 10. 13.
waelslyht (ae) 6. 10.
welsteng (ae) 10.
waelstöw (ae) 8. 10.
waelwong (ae) 10.
welwulf (ae) 10.
Ydalir 131.
Y.
D-
bundar gräklx Si 29.
D,
ond 48. 49. 116. 117.
141
C. Verzeichnis der besprochenen Stellen.
Atlakvida 46 -
27,10
41,3
Atlamäl 28,3 .
Beowulf 448 .
1042 .
1070 .
1128 .
12212. - -
Bragi: s. Ragnarsdräpa.
Ezill, Hofudlausn 8,7
— Sonartorrek 18
Eiriksmäl 3 . . + +
Eyvindr skaldaspillir,
Lausavisur 5 .
11
ee 2 14. 98.
14.
‚. 10.
86. 133.
7,
J
10.
5.
28.
33.
55.
13.
11.
Glümr Geirason,
Gräfeldardräpa 6 +. + +
Grimnismäl 8 -
13.
16.
17.
17.
‚. 38
69. 125.
126.
14
19
20
51
63,1 . , . +
Guthormr sindri,
Häkonardräpa 2 . - -
5,7
6...
Hallfreör, Lausavisur 26,7 .
Hävamal 73,1 . + + +
87.4
12.
LOL,
13.
20.
125.
5.8.
Helgakvida Hundingsbana
236—39 ...
129.
38 . 78.
II 13,5 20.
31,7 20.
40 ff 19.
45,11 . . 0.0. +4 22.
Hofgaröa-Refr, Ferdavisur 2,4 20.
'\ 8,3 20.
Ingeldslied, schlussverse . . - 126.
Lokasenna 60,5 . .. +. + 125.
Oddrünargrätr 8,1—2 . . + + 127,
Ragnarsdräpa 9,8 . . . 76. 128.
Ragnarssaga Str. 11,5 . . + 95.
Ruine 26 +. .0.00.00.00000000 7.
Sturlungasaga 1,518 (Strophen) 80.
Vafbrüönismäl 41 . . ; 18.
Valkyrienlied 6,7 5.
9 25.
Vegtamskvida 5 . - 23.
Volsungasaga c. 27,50 130.
c. 29,31 77.
Voluspä H 38,4 76.
52,5 . 128.
52,6 . 76.
62,6 18.
Ynglingatal 7 131.
321—2 .... 108.
piodölfr enn hvinverski: s. Ynglingatal,
pormöör Trefilsson,
Hrafnsmäl 1 = + + + +13. 97.
142
D. Autorenverzeichnis.)
Meyer, E. H. 99.
Meyer, R. M. 101. 103. 124. 125.
Mogk, E. 99 101. 102. 105. 120. 122.
Much, R. 124.
Müllenhoff, K. 51, 98. 119. 121. 132.
138
Boer, R. C. 133.
Brunner, A. 105.
Bugge, S. 120. 122. 133,
Detter, F. 8. 98. 100. 133.
Dieterich, A. 114. 120.
Egilsson, Sveinbjörn 2. 97. 98. 121.
1928.
Niedner, F. 99.
Noreen, A. 101. 104
Falk, Hj. 95. 116.
Fustel de Coulanges 113.
Olrik, A. 25. 88. 95, 120. 124. 133. 134.
Paul, H. 1.
Powell, F. York 118.
Roeder, F. 96.
Rohde, E. 108. 113. 115.
Gering, H. 8. 97. 98. 129. 130.
Gislason, Konräd 94. 97. 101.
Golther, W. 3.
Grein, C. W.M. 7.
Grimm, J. 2. 48. 65. 83. 105.
Grundtvig, Sev. 65.
Grundtvig, Sv. 120. 133.
Saussaye, Ch. de la 108.
Schoning, O. 108.
Schrader, O0. 117.
Schück, H. 104. 108.
Schullerus, A. 3. 33.
Sijmons, B. 129.
Spencer, H. 40. 106. 107. 108.
Sperber, H. 12.
Stjerna, K. 97. 98.
Sturluson, Snorri 133. 134.
Torp, A. 95. 116.
Tylor, E. B. 108. 117. 119.
Uhland, L. 19.
Unwerth, W. v. 104.
Heinzel, R. 8. 98. 100. 133.
Helm, K. 111. 123. 127N.
Herrmann, P. 124. 127.
Heusler, A. 104.
Holthausen, F. 10.
Jönasson, Jönas 118.
Jönsson, Finnur 94. 95. 97. 100, 121.
1928.
Kauffmann, F. 94. 100, 114. 116, 123.
1925. 126. 133.
Leitzmann, A, 124.
Lods, A. 115.
Vigfüsson, Guöbrandur 116. 128.
Voss, J. H. 113.
Magnussen, Finn 2.
Magnüsson, Eirikur 118,
Mannhardt, W,. 51,
Martin, E. 9.
Maurer, K. 118.
Weinhold, K. 122,
Wisen, Th. 121. 128.
Wundt, W. 106. 112. 113. 114. 115.
Ziegler, K. 112.
1) Der Einheitlichkeit halber sind die isländischen Gelehrten unter ihrem
Patronymikon aufgeführt.
— MM —
Inhalt.
Seite
I. Einleitung .....
IL. Germanisch wala .
IT. Die himmlischen val-Begriffe .
IV. Grimnismäl und Vafprüönismäl
V. Helgis Wiederkehr . . .
VI. Häkonarmäl und Walkyrjenlied
VII. Rückblick . 2... +00 ++
VIII. Die Halle aus Speeren und Schilden + + +... +. + +
IX. Andere Totenhallen und Walhalls Verhältnis zu ihnen . > +
X. Die Grundlage des Walhallglaubens . . .....
XI. Die Toten bei Germanen und Griechen
XII. Walhall und Hel .
XII. Odin und Walhall
XIV. Die Asenburg . .
XV. Unsterblichkeit .
XVI. Die Walkyrjen . -
XVII. Der Saal auf Gimle . . + +00.00000 400 4
Anmerkungen und Exkurse (Überblick s. 93) .
1
4
15
16
19
25
26
27
30
34
57
51
56
59
65
74
90
9.
— 144 —
Berichtigungen.
S. 14 Z. 7 fehlt hinter war die Verweisung auf N. 14, ebenso S. 59
Z. 6 hinter Brünnen die auf N, 4.
S. 16 Z. 8 lese man vid und Z. 11 goldglänzende, weite
Walhall, Z. 12 tilge man daneben.
S. 55 Z. 6 v. u. ist das Komma zu tilgen, S, 56 Z. 4 v.w gebil-
deten in gebildeter zu ändern.
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Zweiabibliothek Europäische Ethnologie
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STUDIEN ÜBER GERMANISCHEN
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