über Land zu gehen. Beim dritten Male aber redete ich sie an: ‚Wo—⸗
hin gehst du, heilige Jungfrau?‘ Da sprach sie: Ich will nach
Kulm gehen und dort die Messe hören. Lebe wohl!‘ Da erschrak
ich sehr und fiel vom Bett und eilte ihr nach bis zur Haustür, und
dort verschwand sie; und da sah ich euch kommen in Waffen. Un—
zweifelhaft ist es daher, daß die Burg euch durch das Verdienst und
die Vorbitte der Heiligen in die Hände gegeben ist, damit ihr ihre
Reliquien gen Preußen bringt, wo sie frömmer als hier verehrt
werden.“ Hernach brachte Bruder Dietrich die heilige Reliquie nach
Kulm, wo sie unter einer großen Prozession von Geistlichen und Volk
zur Schloßkirche getragen wurde; dort genoß sie lange Zeit wegen
der vielen Wunder, die sie verrichtete, große Verehrung. Bald danach
aber kam König Wenzel von Böhmen zum Bruder Dietrich von
Bernheim; der bat ihn gar sehr, ihm einen Teil der Reliquie zu
schenken. Da gab Bruder Dietrich dem Könige einen Teil des hei—
ligen Hauptes. Der brachte es gen Prag und baute bei St. Claren
eine Kapelle zu Ehren der St. Barbara. Da war nun der untere
Teil des heiligen Hauptes, der obere aber blieb zu Kulm, und es
geschahen beiderorts viele Zeichen und Wunder.
VIII. Von heiligen Frauen in Preußen
35. Ein Wunder der heiligen Barbara
Zu der Zeit, da König Adolf in Deutschland regierte, wurde ein Jüng⸗
ling aus ritterlichem Stand vor dem königlichen Richter angeklagt, einer
Jungfrau Gewalt getan zu haben. Und da man ihn in den Kerker
warf bis zum Gericht, so bat er dringend, ihm einen Beichtiger zu
geben. Der Beichtvater wurde gerufen, hörte ihn an und fand ihn
unschuldig. Da redete er dem Jüngling zu, sich ganz dem Dienste der
heiligen Barbara zu weihen und nicht eher wieder nach Hause zu
kommen, bis er die heilige Reliquie in Kulm besucht und verehrt
habe. Das versprach jener. Die gekränkte Jungfrau aber bat den
Richter unter Tränen, das Urteil fällen zu lassen. Als nun das Ge—
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