Don 60°
Exemplar Nr. 155
TE TOHUNGA
ALTE SAGEN AUS MAORILAND
In Bild und Wort von Wilhelm Dittmer
VERLAG ALFRED JANSSEN, HAMBURG
[1806,71
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VORWORT
Nau, i waka aua te kakahu, he taniko taku.
Du: wobst das Gewand, ich tat die Borte herum.
Maori-Sprichwort.
Mit den Zeichnungen fing es an.
Bruchstückweise klang aus den Worten einiger alter Maori eine ver-
schollene Welt. Die fremde Natur ringsumher ließ sich schweigend be-
wundern; in ihren Einsamkeiten wohnte die Sehnsucht.
Von Maorikunst hatte ich nie gehört; doch als sie mir geboten wurde,
hatte ich keine Wahl mehr. Als ich sie zuerst erblickte, stieß sie mich ab.
Was aber half es? Die Tage mußten benutzt werden. Die gewaltige
immergrüne Natur war so köstlich, und verlockend war ihre Einladung,
das Leben in ihr zu vergeuden, wie sie selbst vergeudete., Davor mich
zu schützen, entstanden die ersten Skizzen nach alten Schnitzereien.
Es wurden mehr.
Mir zusehend, erzählte ein alter Maori von den Taten seines ge-
schnitzten Urahns, den ich skizzierte. Es waren gewaltige Taten. Am
einsamen Lagerfeuer wurden sie in mir wieder lebendig, und die Phan-
tasie suchte mit neuen Formen ungelenk etwas Neues auszudrücken.
So entstand die erste Zeichnung.
Bücher lehrten mich die alten Sagen; doch die abgebrochenen Er-
zählungen meines alten Maorifreundes zeigten sie lebendig meinem
Auge. Die Zeichnungen mehrten sich; planlos, zwecklos. Was zuerst
mich abgestoßen, zog jetzt mich an; der Urwald träumte dazu, der Fluß
rauschte, und ein fremdes Volk erweckte Interesse und Freundschaft. —
Da kam eines Tages ein Reisender aus Europa durch das Land; er
sah die Zeichnungen und sprach das Wort: „Buch machen!“ Und das
magische Wort: „Ich verlegs!“ Dann ging er wieder nach Europa. Es
ist vier. Jahre her.
Weil diese Worte im fernen Lande gesprochen wurden, ist dies Buch
antstanden. Sonst wäre es den ersten paar Zeichnungen wohl ergangen
wie allen Dingen in der großen Natur: Verwelkt, verweht; — ich glaube,
as wäre schade darum gewesen.
Dann aber kam das Schreiben. Ich wollte, ein anderer hätte es ge-
schrieben. Es sind bessere Bücher geschrieben, von Leuten, die Gelegen-
heit hatten, die alten Sagen noch unverfälscht von den Wissenden zu
hören. Von meinen alten Freunden konnte mein Stift das Leben und die
Formen erhaschen, mit der Feder aber hatte es seine liebe Not.
Ein Bruchstück nur der alten Sagen enthält dies Buch: Es will leben-
dig erhalten, was ich von meinen tätowierten Freunden in langen, langen
Tagen und Nächten eines sonderbar fremden Lebens empfangen. Das
wenige, was in dem Buche neu gesagt ist, macht auf Wissenschaftlich-
keit keinen Anspruch; es sollen nur Begleitworte sein zu den Bildern
und ihnen den Weg bahnen.
Und doch wäre vielleicht nichts aus dem Buche geworden ohne die
Freunde, die sich die Zeichnungen allmählich erworben, die ihre Hilfe
svendeten, vor allem aber ohne Augustus Hamilton. Seine Phantasie,
sein Kunstsinn, seine Liebe zur Maoriwelt und vor allen Dingen seine
Freundschaft gaben Zuversicht der schwankenden Hoffnung, die welt-
fremden Ideen künstlerisch festzuhalten.
Zuletzt wurde alles fertig, und die Trennung kam, von der neuen
Heimat zurück zur alten.
Dort erlebte ich bald die Freude, einen heimatlichen Verleger zu finden,
und nun begann das Ausarbeiten des Textes in der Muttersprache. Wenn
in dem deutschen Buche größere Klarheit und Einfachheit des Ausdrucks
ist als in dem englischen Original, so danke ich das der treuen Mit-
hilfe des Landrichters Richard May. Ich hoffe, unsere gemeinschaftliche
Arbeit hat auch ihm frohe Stunden bereitet. —
Ich aber denke am liebsten an den Anfang zurück: Als am breiten
£flusse unter der Weide das Zelt aufgeschlagen war, vom Maoridorfe
fröhliche Laute herüberschallten und langsam das Verständnis für eine
neue Welt in mir erwachte. An die Zeit, da jeden Morgen die Sonne
goldig über die Hügel aufstieg und nachts die Sterne sich im Flusse
spiegelten; da allmählich die Weide sich gelblich färbte und mit ihren
fallenden Blättern das Zelt vergoldete, das Lagerfeuer fröhlicher knisterte,
der Rauch blauer in die Lüfte stieg und die ersten Zeichnungen ent-
standen.
WORTERKLÄRUNG
(Die Aussprache der Vokale in Maori ist die gleiche wie in der deut-
schen Sprache; wh sprich f, nga etwas nasal.)
Reinga: Das Totenreich der Maori.
Taiaha: Eine schwertartige Holz-
waffe.
Tangi: Begräbnis, Klagegesang,
Klageversammlung.
Taniwha: Ein Seeungeheuer, ein
Wasserdämon.
Tapu: Heilig. Mit übernatürlichen
Kräften ausgestattet. Verboten.
Taua: Kriegerabteilung.
Tiki: Der zuerst erschaffene Mann.
Eine aus Holz geschnitzte oder
anders dargestellte Figur eines
Menschen.
Tohunga: Ein Priester. Ein Be-
sitzer übernatürlicher Kräfte.
Tohu-mate: Todes-Omen.
Tupuna: Vorfahre, Urahn.
Wairua: Geist, Seele.
Whare: Eine Hütte aus Farren-
stämmen mit einem Schilfdach.
Whare-puni: Großes und oft mit
schönen Schnitzereien und De-
korationen innen und außen ge-
schmücktes Haus. Ein Versamm-
lungshaus.
Whare-kura: Der heilige Tempel
der Maori in Hawaiki. Die-
jenigen, die in der Whare-kura
einst versammelt waren, werden
jetzt als die höchsten Götter an-
gesehen.
Whare-kura ist auch der Name
für die heilige Geschichte (Weis-
heit) der Maori.
‘Whaka-papa: Die Genealogie der
Maori oder eines Stammes oder
einer Familie.
Ariki: Herr, Führer, oberster Häupt-
ling.
Aroha: Zuneigung, Freundschaft,
Liebe.
Atua: Ein übernatürliches Wesen,
ein Gott.
Atua-toko: Ein kleiner geschnitzter
Stock, das Symbol eines Gottes.
Er wird in den Boden gesteckt,
während Sprüche und Karakia
dem Gotte, den er symbolisch
darstellt und vertritt, darge-
bracht werden.
Haere-mai: Komm her, Sei will-
kommen.
Haere-ra: Geh, Lebewohl.
Haere-mai-ra, me Oo tatou mate:
Komm her, damit ich mit dir
weinen kann.
Karakia: Anrufungen, Gebräuche,
Zeremonien, Gebete.
Kehua: Spuk, Geist.
Kia-ora: Willkommen, Viel Glück,
eine Begrüßung.
Kura: Rot, die heilige Farbe der
Maori. '
Mana: Macht, Autorität, Einfluß,
Heiligkeit, Glück.
Mere-pounamu: Eine Maoriwaffe,
ausseltenem Grünstein gemacht.
Mua: Eine polynesische Gottheit
der Vorzeit.
Pa: Befestigtes Maoridorf.
Piu-piu: Eine schurzartige Matte
aus Flachsblättern, verziert mit
reichgeflochtenem breiten Gür-
tel.
Po: Nacht, Dunkelheit, Unterwelt.
Rangatira:Häuptling, Krieger, Herr.
INHALT
Einleitung .
Tiki, der Vater der Menschen ...
Rangi. Die Erschaffung von Hawaiki
Der Poi-Tanz .........
Tane. Die Erschaffung der Sterne
Der Sang von Rangi-nui ....
Tane. Die Erschaffung der Natur .
Tradition (Maui) .......
Maui. Die Erschaffung Neuseelands
Mahuika, die Mutter des Feuers .
Mauis Sonnenkampf .... .-
Te aroha o Hinemoa. Eine Legende
Maui und Irawaru . . .
Mauis Tod .. ..
Die Nebelgeister (nach James Cowan)
Tihi-o-te-Rangi ... . ii -
Der Kampf der Riesen. .
Die Wanderung der Maori (nach James Cowan) .
Tradition. Tama te Kapua .
Ein Tangi. .. ..
Te Reinga (nach James Cowan) ,
Te Heu-heus Begräbnis auf dem Tongariro
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EINLEITUNG.
1
Ai knisternden Lagerfeuer hängt der „Billy“, der Kessel,
zum letzten Male summend und kochend im Maoriland.
Durch die dunstige Atmosphäre sinkt die Sonne, kraft-
{os und glühend rot, zum Horizonte, und es wird Nacht!
Eine gewaltige Nacht!
Mächtige Rauchwolken ziehen vom brennenden Ur-
wald empor: die erste weit sichtbare Betätigung von Menschenwille
und Arbeit; denn das Feuer hat nur das Werk der Axt zu vollenden
und den gefällten Urwald zu verzehren. —
Silberne Sterne übersäen den Osten, der Westen aber glüht in Karmin
und Gold und goldigem Weiß. Mit dem Morgen wird dann die Arbeit
und die Sorge der gewaltigen Zerstörung folgen; denn die verzauberte
Schönheit dieses immergrünen Landes muß der Fruchtbarkeit weichen;
die Freiheit der Natur muß in der schaffenden Arbeit zur Frucht reifen.
Eine Frucht dieser Arbeit aber wird die Kunst sein, die Kunst von ewiger
Kraft.
In dem Dunkel der Wälder hat einst eine Kunst gelebt.
Es muß einmal eine gewaltige Inspiration über die Maoriwelt ge-
kommen sein; packend und überzeugend, muß sie zum Schatze des
Volkes geworden sein.
Von dem sagenhaften Geburtslande Hawaiki wurde dieser Schatz
dann mit auf die Wanderungen über die Meere genommen bis an die
Gestade der „Großen weißen Wolke“, der bleibenden Heimat des Maori-
volkes: Neu Seeland.
| Te Tohunga.
In den vom ewigen Meere eingeschlossenen dunklen Urwäldern schuf
diese Inspiration sich Formen auf den Wegen, die die unermüdliche Natur
zeigte. Unscheinbare Werkzeuge, ungemessene Zeit und endlose Arbeit
schufen diese Formen.
Generationen auf Generationen folgten sich und schabten mit Muscheln
und scharfkantigen Steinen die Riesen des Waldes zu gewaltigen Kriegs-
canoes oder mächtigen Götterbildern und wetzten die Grünsteinmassen
zu Kriegswaffen, den herrlich geformten und polierten Mere-pounamu.
Wie die Natur, nachwachsend, immer nachwachsend, entstand Canoe
auf Canoe, Götterbild auf Götterbild, Waffe auf Waffe.
Feiner verwebt, ja bis zur Vollendung, wurden die Verzierungen, doch
die Grundformen glichen sich immer, wie die Werkzeuge immer die-
selben waren, wie die heiligen Sprüche, mit denen die Götter angerufen
wurden, um Kraft in die Werkzeuge zu senden, immer die gleichen
blieben.
Die Kunst der Verzierungen wechselte wie die Macht der miteinander
ringenden Götter. In den Zeiten der Götter des Unheils starb die Form
wie ein Baum bis zur Grundform ab; in den Zeiten der Götter des Heils
schmückte sie sich wieder mit neuem Schmuck.
Der Schmuck erstreckte sich von den hochkünstlerischen Tätowie-
rungen bis auf das allergeringste Hausgerät, aber immer in den einmal
empfangenen Ausdrücken.
Wie die Natur aufblüht und abstirbt, blühte und welkte die Maori-
kunst, — aber eine Frucht hat sie niemals eingeheimst.
Es war eine Kunst ohne Hoffnung.
War doch die Dunkelheit die Mutter des Alls, hält doch der ewige
Ozean alles umschlungen, und muß das Ende nicht sein, daß die Dunkel-
heit wieder alles verschlingen wird?
Viele Generationen von Weisen hatten ihr Leben verbracht, indem
sie, über den Rauch ihres kleinen Feuers gebeugt, zur Weisheit formten,
was ihre Augen erspäht von den Wundern des Tages oder ihre Sinne
erfaßt von den Gewalten der Natur.
Die Form dieser Weisheit sind die götterbezwingenden Spruchge-
sänge und Gebräuche, die Karakia.
Diese Sprüche und Gebräuche sind tapu, heilig.
Der Besitzer der Spruchweisheit ist ein Tohunga. Ein Tohunga ist
tapu. Sein Tapu ist von den Göttern ererbt, und so auch ist seine Weis-
heit.
Die Götter aber stammen von der „Großen-Mutter-Dunkelheit“ ab,
der Urgöttin Hine-nui-te-po, und sie sind die Urahnen der Menschen,
die mit jeder Generation sich weiter und weiter von den Göttern ent-
fernen.
2
Die Spruchweisheit erstarrte allmählich zur festen Form. Das Leben
der Menschen wurde zum Leben der Natur, gebärend und tötend wieder,
um zu leben. Die Nahrung des Menschen wurde der Mensch.
Mit der aufgehenden Sonne kommt der alte Freund und wirft trockne
Zweige auf das sterbende Lagerfeuer. Ein Liebesdienst, denn er ist ein
Rangatira-Tohunga, ein Priester-Häuptling von großer Mana über seinen
Stamm, und sein Tapu verbietet ihm jegliche Arbeit; denn alles was
seine Hände berühren, wird ebenfalls tapu. Trauer steht in seinem
Gesicht; schweigend setzt er sich und legt ein Geschenk auf den
Boden. ,
Auf dem Flusse spiegelt sich das zur Reise beladene Canoe, und die
Sonne spielt in den Blättern der Bäume, der Kinder des Gottes Tane-
mahuta.
Dann spricht der alte Freund:
„Nimm die Weisheit des alten Mannes mit dir, mein Wanderer,
die Weisheit, die bald vergessen sein wird von den Kindern seines
Stammes. Sie folgen jetzt den Wegen der „Neuen Freunde”, die
zu uns kamen und die Wahrheit ihres Gottes brachten; und wir alle
sind jetzt Kinder der großen Königin über dem Meere, die versprach,
ınsere Mutter zu sein.
Geh in Frieden, mein Freund.“
Gedankenverloren blickt er in die glühenden Feuerreste und wir folgen
unseren Gedanken. — — — — -
Fern in Hawaiki ist die Welt erschaffen, und dort ist die Heimat der
Maori. Hawaiki war der Geburtsplatz und der Wohnort ihrer Urahnen,
die jetzt Götter sind und in den Himmeln oder in den Unterwelten
herrschen.
Die Urahnen bauten die Whare-kura in Hawaiki, den großen heiligen
Tempel. Er stand nach Osten gerichtet auf dem Platze Mua.
In der Whare-kura versammelten sich die Häuptlinge und die To-
hunga; dort verkehrten sie mit den Geistern und Göttern, dort lehrten
sie und wiederholten sie die Namen und Heldentaten ihrer Ahnen, da-
mit die Herzen der Lebenden sich mit ihnen füllen und nie vergessen
Sollten, daß sie die Nachkommen seien von den ältesten Göttern, die
in der „Dunkelheit“ wohnten, dem „Nichts“ und dem „Anfang aller
Dinge“.
In der Whare-kura empfingen und erweiterten die Tohunga aller
Stämme die heilige Weisheit der Sprüche und Traditionen von Te Kore,
3
dem „Nichts“, zu Te Ao, dem „Licht“, zu Rangi-nui, dem „Großen
Himmel“, zu Paapa-nui, der „Großen Erde“,
Dort lernten sie die heiligen Karakia und Sprüche, die zu Tane und
den anderen Göttern gerichtet werden, zu Maru, dem Kriegsgotte, zu
dem Gotte über alles Eßbare und zu dem Heer der Atua, die unablässig,
bald helfend, bald hindernd, das Leben der Menschen bestimmen.
Von Hawaiki wanderten die Ariki, die großen Häuptlinge, und ihre
Stämme über die Meere, und die Tohunga, die sie begleiteten, nahmen
lie Weisheit der Whare-kura mit sich in die neue Heimat.
Als Heiligtum hüteten die Tohunga diese Weisheit, sie nur den
Würdigsten ihrer Nachkommen oder den Häuptlingen von hohem
Rang und Ehrgeiz anvertrauend, und nichts von dieser heiligen Weis-
heit ist verloren gegangen von der Zeit von Te Kore bis auf die Gegen-
wart; aber jetzt wird sie bald sterben mit den letzten noch lebenden
Tohunga. .
Wenig nur ist uns bekannt von der heiligen Weisheit der Maori. Die
Furcht vor den alten Göttern lebt noch in den Herzen der Maori, doch
bald hat die letzte Stunde geschlagen für die wenigen Alten, die noch,
ihre tätowierten Häupter über ihr kleines Feuer gebeugt, zögernd und
traurig von der großen Vergangenheit murmeln. —
Gedankenvoll blickte der alte Freund auf mich und ich sprach: Lebe-
wohl, Freund! Weit hast Du mir Dein Herz geöffnet, und ich will Deine
Liebe mit mir nehmen in die „Große Entfernung“, wo meine Heimat ist,
mein Hawaiki. Und in den fernsten Tagen will ich an den Tohunga der
Maori denken, an den Rangatira, meinen Freund.
Herrlich ist die Schönheit des Landes Deiner Vorfahren, des Landes
meiner Freunde; und schön ist, was Du mir gabst von der Weisheit
aus Deinem Hawaiki. Doch weit und weit und weit ist die Natur, und
schlecht nur waren meine Werkzeuge, sie zum Bilde zu schaben. Die
Vielheit der Natur verschlang oft mein bißchen Wissen, und mein Herz
füllte sich mit Dunkelheit, und bitter war die Not um die großen Sprüche
zu den Atua, die die Kunst in Verwahrung haben, den Göttern, die
Freude und Hoffnung im Herzen erwecken, Mitempfinden und Vertrauen.
In der Wharepuni meiner Freunde aber fand ich diese Sprüche und mehr
noch, eine Freundschaft, welche die Dunkelheit davonfliegen machte
wie die Feder eines Vogels im Morgenwind.
Lebewohl! — — —
„Haere, e tama taku — Lebe wohl, mein Sohn, und nimm mit Dir
diesen Spruch aus alter, alter Zeit. Deine Augen können in die ferne
Zeit zurückblicken, und Deine Hände zeigten mir, was Du davon er-
spähtest; meine Augen aber müssen, ach, Neues überall sehen und sind
trübe geworden wie meine Weisheit. Bald aber wird mein Blick wieder
klar, bald, auf dem großen Wege zur Reinga, zu meinen Vorfahren.
Und meine Marke habe ich Dir unter den Spruch gesetzt, damit Du
Deinen Freund nicht vergessen sollst.
Lebewohl — — — —
— — Kia — ora —
_— Kia — ora.“
„O, du Sonne, du Hochaufstrebende,
Du Rotglühende — Weitstrahlende!
O, du Mond, nun aufwärts wandernd
Deine schwächeren Strahlen hernieder sendend!
Die Besitzer der Himmel,
Die Götter dort
Können sehen und euch bewundern!
Hinweg, du verborgene
Ursache der Blindheit meiner Augen!
Du blutroter Schleier
Von fließenden Wassern über das Licht!
Hinweg, daß ich
Mög leben und sehen wieder
{Jnd bewundern, was mir gewohnt.“ —
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a der alte To-
hunga, hockt mur-
melnd auf dem Boden
neben seinem geschnitz-
ten Urahn Tiki.
Tiki ist ein Gott, der
einst die Welt bauen half;
nun trägt sein geschnitz-
tes Bildnis den Mittel-
pfeiler des Hauses. Seine
Perlmutteraugen, die einstmals in den zehn Himmeln befahlen und voll
Feuer und Weisheit waren, schimmern aus der schweigenden Dämme-
rung heraus; sie starren weit, weit hinaus in das Dunkel, das Hine-nui-
te-po draußen ausbreitet, die „Große Mutter der Nacht“, die jung einst
war und schön und die Natur gebar. —
5
„Haere-mai, e te manuhire, haere-mai!“
— Willkommen, Fremder, willkommen; so spricht der alte Tohunga,
dann rollt er sich wieder in seine Flachsmatte und murmelt noch einmal:
„Haere-mai.“
Und wieder, wie zu sich selbst: — „Haere-mai“.
Doch bald folgen seine Augen wieder denen seines Urahns, weit hin-
aus zur schweigend heraufziehenden Nacht, der alten Göttin Hine-nui-
te-po, der „Großen Mutter der Ruhe“. ;
Weisheit paart sich mit den Bejahrten, und Murmeln ist das Zeichen,
daß die Weisheit in ihnen reif ist. Fortfliegend vom Munde des Alten,
wird sie nun Mutter und Weib dem lauschenden Ohre.
„Lausche mein Gast: . .
Wenn „Mann“ stirbt, dann kommt sein Körper nicht wieder, ihm
ergeht es nicht wie der Himmelstochter „Te Marama“, dem Monde,
die immer neu geboren wird aus der „Quelle der lebenden Wasser“, er
wird eingesogen und verschlungen von Hine-nui-te-po, der „Großen
Mutter der Natur“, der Ersten unter den Göttern; und Mann ist ihre
Nahrung.
Ha, höre von Tiki, unserem Vater, dem Vater der Menschen.
Als Rangi-nui, der „Große Himmel“, und Paapa-tu-a-nuku, die „Weite
Erde“, von einander geschieden wurden, da, mein Lauscher, kam Licht
über Paapa-tu-a-nuku, die Mutter von Tiki, welcher der erste Mann war.
Und er war der erste Mann, ihn erfüllte die Sehnsucht nach der Kraft,
die ihn über Paapa ausbreiten sollte. Vater der Menschen wollte er
werden.
Weit und weit und weit waren seine Wanderungen über Hawaiki,
suchend und forschend; und wieder und wieder wanderte er fort über
all die Lande, sein Herz voll Sehnsucht. .
Ach, mein Lauscher, voll von Sehnsucht war sein Herz; und zuletzt
kam er an den Fluß in Hawaiki, dessen Name Wai-matu-hirangi ist.
Hier rief er aus: a
„O, Tochter von Hawaiki, Kind des murmelnden Wassers, wo ist sie,
die mich zum Vater des Mannes machen will? Wo ist sie, die Tochter,
die mir die Macht gibt? Die Neue, die mir Entzückung gibt?“ N
Und der Fluß Wai-matu-hirangi in Hawaiki antwortete: „Ha, Tiki,
Sohn des Himmels und der Erde, geh und suche die Sprüche, die macht-
vollen Beschwörungen der Götter, die die Kraft und Sehnsucht des
Mannes in Verwahrung haben, mit ihnen komme zurück; denn das
Weib ist hier: Das Kind des Mannes und die Mutter des Mannes soll
aus den „Murmelnden Wassern“ in Hawaiki geboren werden! Geh
und suche!“
— O, höre von Tiki unserem Vater, dem Vater der Menschen. —
Weit nun wanderte Tiki zu den Göttern des Po, der Unterwelt, und
zu den Göttern, die in den zehn Himmeln wohnen, um die heiligen
Sprüche zu gewinnen, die „Karakia“, die er suchte; zuletzt erhielt er
sie, hoch oben in den Himmeln. — Ach, mein Lauscher!
Dann kehrte er zum Flusse in Hawaiki zurück und sprach:
„O, Tochter des Vielgesichtigen Wassers, ich bringe die Karakia von
den machtvollen Göttern, den großen Spruch für Tikis Macht und Ent-
zücken! — Ha, ich bringe ihn.“ Dann kniete er nieder und mischte —
wie die Götter es ihm geheißen hatten — mit dem feuchten Ufersand
das heilige Rot, und formte daraus eine Gestalt nach seinem Abbild,
wie er es in dem Spiegel des Wassers sah.
Mit großer Freude formte er den Leib und den Kopf, die Gliedmaßen
und die Augen, und dann begann er die große Karakia, die Beschwörung,
die da beginnt:
„Forme die Kinder in Hawaiki,
Schüttle in Entzückung,
DO, bebe in Entzücken;
O, Tiki, der Vater,
Tiki, der Sucher,
Schüttle in Entzückung ...“
Dann gab er mit Hilfe der „Zitternden Wärme“ und des „Echos“, der
Kraft der Vervielfältigung, Leben dem ersten Weibe.
Marikoriko, das „Zwielicht“, war das erste Weib. —
Marikoriko, mein Lauscher, stammt nicht von den Göttern ab, sie
ist gemacht aus dem Ufersand und dem heiligen Rot zu Hawaiki; sie
stammt von der „Zitternden Wärme“ ab und von dem „Echo“, und sie
war Tiki, unseres Vaters, erstes Weib. —
Ihre Tochter war Hine-kau-ata-ata, der „Fließende Schatten“, und
die Kinder von Hine-kau-ata-ata machten sich auf und wanderten als
Wolken über den Himmel, als dunkle und helle Wolken.
Die hellen Wolken flogen weit, weit fort. Die dunklen Wolken waren
schwarz und unbeweglich und zerflossen. Und dann, mein Lauscher,
lag Paapa-tu-a-nuku, die Erde, unter dem zuerst erwachenden
Tag. —
Viele Kinder hatten Tiki und Marikoriko.
Ihre Söhne waren die „Kraft der Sprache“ und die „Kraft des Wachs-
tums“; und sie nahmen ihre Schwester zum Weibe, und Te-a-io-wha-
x
ka-tangata, „Er-der-Mensch-war“, wurde geboren, und er wurde der Vater
von vielen Kindern, mein Lauscher: — den Maorikindern der Welt. —
Dies ist die Weisheit von Tiki, unserem Vater und Marikoriko, seinem
Weibe, den Eltern der Menschen, die die Erde bevölkern. Die Weisheit
von Tiki, unserem Vater. — ;
Willkommen, mein Gast aus der großen Ferne, willkommen! Du gabst
Freude meinen Augen und in Dein Ohr flog die Weisheit von Tiki. —
Willkommen, Freunde meines Gastes. — — —
Willkommen, alle. — —
Willkommen. —*“
a4
„AARE-RUITE-Po hat wieder die Welt ver-
schlungen, und Rangi der Himmel, blickt
wieder auf Paapa-tu-a-nuku aus seinem
„Auge der Nacht“, dem Monde, und ent-
faltet langsam sein gewaltiges Gewand,
das geschmückt ist mit den Augen der
Tapferen, die im Kampfe gefallen, den
Sternen.
Flackernd und feurig blickt Maru auf
die Weiber, die das Kochfeuer schüren.
Maru war der Gott des Krieges in Ha-
waiki, und er war ein böser Gott, voll von
Bosheit und Zorn, von ihm stammt Krankheit und Mord ab. Er schuf
sich viele Feinde; doch zuletzt wurde’ er getötet und verzehrt — aber
der Geist in ihm flog hinauf zu Rangi und wurde der flackernde, feurige
Stern Maru.
Rauriki, die älteste unter den Weibern, die das Feuer schüren, murmelt.
Alt ist sie, doch sie ist ein Weib und murmelt keine Weisheit. — Sie
murmelt Sprüche in das Feuer: lauschen soll es auf Maui, der es von
Hawaiki durch List in die Welt gebracht, hell und warm soll es sein,
das Essen zu kochen für die Hungrigen und für den Gast. —
Weit und friedvoll ist die Nacht. Die große Mutter der Natur ver-
schlingt schweigend die alten Gesänge, die aus den Hütten schallen,
und die leisen Gespräche aus der Wharepuni, dem Versammlungshause.
Ngawai, Raurikis Enkelkind, trägt nun die glühenden Feuerreste in die
Wharepuni und schüttet sie vor Tiki auf den Boden, das Haus zu wärmen.
2 Te Tohunga.
Fr
A:
Draußen webt die Nacht ihre einsamen Wunder.
Die Menschen, die um das Feuer versammelt sind, starren in die
Flammen, ihre Herzen füllen sich mit Hine-nui-te-po und ihren Schauern,
und die alten Sagen werden lebendig auf ihren Lippen.
Versonnene Gesichter erleuchtet der Feuerschein.
Feuer funkelt aus den Perlmutteraugen des alten Urahns, und Licht-
lecken flackern über die Gruppen um das Feuer, bald die künstlerischen
Linien des Tätowierers in den Gesichtern hervorhebend, dann wieder
die phantastischen Schnitzereien an den Wänden oder ein in schreienden
Farben gemaltes Ornament plötzlich beleuchtend, den Rest verhüllend
in undurchdringliche Schwärze.
Jede Linie, die das Licht enthüllt, hat ihre Bedeutung, jede Farbe gibt
Auskunft, jedes geschnitzte Bildnis redet von der lebenden Geschichte
des Volkes. Die Familiengeschichte der Gruppe, die um das Feuer ver-
sammelt ist, ihre „whaka-papa“, wird von dem Gotte des Feuers auf das
schwarze Gewand der Nacht gezaubert — und mit dem Feuer wird sie
im Dunkel verschwinden, verschlungen von Hine-nui-te-po.
Und so wird alles vergehen, die Worte, der Sprecher und der Lauscher:
sie alle werden am Ende verschlungen von der Nacht, der Mutter des
Alls, die die Welt gebar, Rangi, den Himmel und Paapa, die Erde; und
Paapa gebar Tiki, der der Vater der Menschheit ist.
Aus Hine-nui-te-po kam die Welt und zu ihr muß alles wieder zurück-
zehren, wie das Feuer zur Asche.
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RANGI.
DIE ERSCHAFFUNG VON HAWAIKI
Stimmt an den weitschallenden Sang: —
Wie die Haut sich nicht nach der Nessel sehnt,
Habe auch du keine Sehnsucht nach Rangi, 0 Paapa!
Stimmt an den weitschallenden Sang: —
Teilt euch den Ozean, Rangi und Paapa,
Die Nähe umschlinge dich, Paapa, auf die Ferne stütze sich Rangi!
Seid vereinigt in den Ozeanen,
O, Rangi und Paapa, voneinander gebrochen!
— Stimmt an den weitschallenden Sang: —
Traure nicht um die zerbrochne Liebe,
Traure nicht um deinen Geliebten, o Paapa!
Stimmt an den weitschallenden Sang!
„Sitz nieder, mein Freund“, spricht Ngawai, „neben den alten Mann
meines Volkes und lausche auf den Sang von den Göttern, der in dem
Munde des blinden Mätapo wohnt.
Wahrheit wohnt auf seinen Lippen. Höre, was er spricht!“
11
dieses sind meine Worte für Dich, mein Wan-
derer, die Worte des alten Mätapo, des Ältesten
seines Volkes. Seine Augen sind geschlossen
ınd sie können dich nicht sehen. doch sie sind
(2
wiedergeöffnet in seinem Innern, und was sie sehen, können deine Augen
nicht erkennen; denn auf jenen, die im Leibe der Nacht wandern, ruhen
seine Augen.
Höre:
Im Anfang war J-o, der große Atua, die Gottkraft. Das Weltall füllte
Te-po-nui, die große Dunkelheit. Ach, Te-po-nui füllte allen Raum vom
ersten Raum zum hundertsten Raum, zum tausendsten Raum.
Ha, mein Lauscher, da begann der Atua seinen großen Schöpfungs-
gesang, und die Dunkelheit gebar das Leben. '
Und die Dunkelheit gebar Hine-nui-te-po, die Nacht.
Und die Dunkelheit gebar Te Ao, das Licht.
Ach, mein Hörer, Te Ao aber, ha, er gebar Rangi-nui! Rangi, den
zroßen Himmel.
Und weiter sang der Atua seinen Schöpfungsgesang:
Und die Dunkelheit gebar Tangaroa, den Gott der Meere.
Und die Dunkelheit gebar Paapa-tu-a-nuku, die weitgestreckte Erde,
ha, da war die Erde geboren! die Erde, und Rangi, der Himmel.
Ach, Rangi-nui, der große Himmel! |
Rangi nahm Hine-nui-te-po zum Weibe, und ihr Sohn war Ha-nui-o-
rangi, der „Große Atemzug des Himmels“. Und Ha-nui-o-rangi regte
sich und ihm entsprang Tawhiri-mätea, der Vater der Winde, Und
Ha-nui-o-rangi regte sich wieder, und ihm entsprang Te-ata-tuhi, „das
erste Lichtglimmern“,
Te-ata-tuhi war ein Weib und Rangi: vermählte sich mit ihr.
Te-ata-tuhis Tochter war Te marama, der Mond, und Rangi sprach
voll Freude: „O, Weib, Ata-tuhi, blicke auf die Schönheit von Rangis
Tochter, ach, es ist seine gute Tochter, die er gesucht!“ Und er machte
sie zu seinem Auge, seinem Auge der Nacht. ; .
Mit seinem Nachtauge nun seinen Weg beleuchtend, wanderte Rangi
suchend fort, suchend nach dem Sohn; und er fand das Weib Te-wera-
wera, die „Wärme“, und sein Herz wandte sich ihr zu, und er nahm sie
zum Weibe.
Nun wurde Te-Ra geboren: die Sonne! Da sprach Rangi voll großer
Freude: „O, Weib, wera-wera, blicke auf die Schönheit von Rangis Sohn,
ach, es ist sein großer Sohn, den er gesucht!“ Und er machte ihn zu
seinem anderen Auge, seinem Tagauge. .
Ha, mein Lauscher, groß nun war Rangis Macht. Rangi der
Schöpfer! | , ,
Seine Augen erblickten voll Bewunderung, wie Paapa-tu-a-nuku, die
„Weitgestreckte Erde“, aus der Dunkelheit hervorleuchtete, und sie war
voll großer Schönheit, und Rangi beschloß, sie zum Weibe zu nehmen
und Hawaiki zu schaffen. und ihr erster Sohn war Rehua.
{3
Mit ihm wurden die Lichtstrahlen geboren, und er flog hoch hinaufin die
höchsten Himmel, und sie wurden seine Behausung. Er wurde der Vater
der „Höchsten Bergesspitze“ und der „Himmels-Locken“, der Mittags-
strahlen, und der Ahnherr und Beherrscher der Geister in den Himmeln.
Dann wurde Tane geboren. Er war die Gottmacht des männlichen
Geschlechtes und der Vater der Bäume und Vögel. Er und seine Brüder
nahmen Paapa-tu-a-nuku als ihren Wohnort.
Der nächste Sohn aber von Rangi und Paapa — ha! lausche, mein
Wanderer, — war Tiki, unser Vater, der Marikoriko sich zum Weibe
earschuf und der Vater der Menschen wurde. — Ach! — — —
Ach, Rangi und Paapa! — — — ach!
Rangi blickte auf die Weitgestreckte Erde mit seinem Auge der Nacht
und bewunderte ihre Schönheit, und er blickte auf sie mit seinem Tages-
auge und sein Herz ward froh, und er sprach: „O, Weib, Paapa, ich will
nimmer von dir scheiden, und wir. wollen die Welt sein, die Eltern:
Rangi und Paapa!“
Dann wurde ihr vierter Sohn geboren, Rongo; er war die Macht des
Guten und der Atua des Tapu und der heiligen Sprüche und Bräuche;
er war der Erschaffer der Nahrung und zeugte die Kunst des Kochens
und die Beschwörungen über alles Eßbare.
Und ihr fünfter Sohn war Tu, der Atua der bösen Mächte und der
Gott des Krieges. —
Ach! — —
Wie du deine Ohren geöffnet dem Gesange des alten Mannes, der
dein Freund ist, mein Lauscher, — so öffne jetzt auch deine Augen, daß
sie dir zeigen mögen, wie die Nacht sich auf die Erde preßt und wie die
Dunkelheit alles verschlungen hat; denn sieh: So war die Nacht und die
Dunkelheit, die zwischen Himmel und Erde herrschte, lastend, von der
ersten Zeit zur hundertsten Zeit, zur tausendsten Zeit. —
Ach, vernimm mein Freund! Als die Welt noch in Te-Po-nui wohnte,
hatte Tangaroa, „Der Ozean“, schon Paapa zum Weibe genommen, und
ihre Söhne waren Tinirau, „Die Vielen Hunderte“, und sie gründeten die
Familie der Wellen, die die Erde umschlingen.
Als Tangaroa nun den „Ersten Lichtschimmer“ über der Welt ent-
deckte, wanderte er fort, das „Tor des Tages“ zu finden. — Ach, weit
waren seine Wanderungen; bis in die fernsten Dunkelheiten wanderte
er, und als er wieder zurückkehrte, da, ha! mein Lauscher! da fand er
Rangi als Eheherrn Paapas. _
Ach, da war der Himmel der Eheherr der Erde! —
Ergrimmt fiel Tangaroa nun über Rangi her und schlug ihm gewaltige
Wunden, daß er fiel und sich nicht mehr von Paapa heben konnte. Und
kein Raum, kein Licht konnte zu seinen Kindern kommen.
14
Ach, die Söhne, deren Wohnplatz auf der Erde war, sie lebten in
Dunkelheit und Nacht. — Ach! — Ha! — Aber die Söhne, ha! die Söhne!
Ihre Herzen sehnten sich nach Licht, damit Fröhlichkeit sie erhellte;
und ihre Herzen sehnten sich nach Raum, damit die Kraft in ihnen
geboren werden könnte. Ha, die Sehnsucht in den Herzen der Kinder von
Rangiund Paapa wurde die Mutter der großen Sprüche, mit deren Macht
sie den Raum schaffen konnten zwischen Himmel und Erde, damit das
Licht zu ihnen komme wie ein Weib zu allen.
Und die Stimme von Tu sprach aus der Dunkelheit:
„Hört, alle meine Brüder, laßt uns zusammen über Rangi kommen
und ihntöten, denn er gibt unskeinen Raum und bedeckt uns mit Schwärze!
Laßt uns ihn töten!“ — 8
Aber, mein Lauscher, die Stimme von Tane antwortete aus der Dunkel-
heit, und dies ist was sie sagte:
. „Hört, alle meine Brüder, wie können wir Rangi erschlagen? Ist er
nicht unser Vater? Hört, alle meine Brüder! Dies ist Tanes Rat:
Nein, laßt uns ihn nicht töten, doch laßt uns die Sprüche suchen, die
Rehua-zwingen und die Götter oben, uns nach unserem Willen zu
helfen, und laßt uns die Karakia halten, damit wir unseren Vater auf
die Gipfel der Berge heben können: Laßt ihn fern von uns sein und laßt
uns mit Paapa, unserer Mutter leben.“ —
Ha, das war Tanes Rat! Und die Stimmen aus der Dunkelheit sprachen
ihre Zustimmung, und alle Stimmen vereinigten sich und sangen große
Sprüche zu Rehua und dem Heer der Geister und Götter, über die er
herrscht.
Dann, mein Lauscher, hielten sie die heilige Karakia, die Kraft ver-
leiht, und stimmten alle zusammen den machtvollen Sang an:
„Ha! Entgegen dem großen Tag,
Dem langen Tag,
Dem klaren Tag,
Hebt Rangi auf eure Rücken.
Für den nachtvertreibenden Tag,
Für den hellmachenden Tag,
Sei stark, o Rücken von Tane!
Für den fortschreitenden Tag,
Für den heißen Tag,
Hebt Rangi auf eure Rücken!
D Söhne von Paapa!“
Tu nahm den scharfkantigen Stein und zerschnitt die Sehnen und
Bänder, mit denen Rangi die Erde umklammerte; und fürchterlich waren
die Schmerzensschreie des Himmels, ach. — -
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Tane trennt Himmel und Erde.
Dann riefen die Söhne nach der Hilfe Rehuas und der Götter, und
ihre Stärke wuchs und wuchs und wuchs — ach! — o, mein Lauscher,
— — — ach, all ihre Stärke, — doch wo war die Kraft, die die Eltern
scheiden konnte? ach, — ach.
Rangi, der Machtvolle, konnte nicht von Paapa getrennt werden; Tu
konnte nicht die Kraft finden, und wo war Rongos Kraft? Und die Kraft
von Tiki?
Da kam Tane. \
Ach! — — Tane. — —
Öffne die. Augen deines Geistes, — wie du deine Ohren und Augen ge-
öffnet, — öffne die Augen deines Geistes, mein Lauscher, damit sie sehen,
wie Tane Himmel und Erde trennt. — Sieh, wie er das Haupt seiner
Gottmacht in den Schoß der Erde preßt. — — Sieh, seine Haare wachsen
und schlagen Wurzel — — Ach, — — Sieh, wie seine Gliedmaßen sich
gewaltig strecken und in einen Baum verwandeln — — hoch, hoch
oben die Füße werden Äste und Zweige: — — Sieh, wie seine Stärke
wächst, — o, wie seine Macht gewaltig in den Himmel hineinwächst.
— — Ach; sieh, wie seine Kraft die Macht Rangis überwältigt! — Ha
ar hebt ihn!
Er hebt den Himmel!
Höher! — — —
Höher! — — — Ha, der Himmel ist hoch!
Ach, Himmel und Erde sind geschieden! —
Hawaiki ist geboren!
O0, Tane! — — — .
Ach, mein Lauscher, Rangi und Paapa sind geschieden. = —
Aus der Höhe rief er nach Paapa, daß es über die „Weitgestreckte
Erde“ schallte, und er sang viele Worte des Lebewohls,
Ach, seine Tränen fielen auf Paapa und wurden der Morgentau; und
Paapa sang Worte des Lebewohls, und ihre Seufzer flogen als weiße
Wolkenboten hinauf zu Rangi. — Ach! —
Groß war die Liebe der Eltern, mein Lauscher. ;
Groß war die Macht der Kinder! —
Dein Ohr hat die Schöpfung von Hawaiki vernommen, der Heimat
meines Volkes, der Maori.“
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Te Tohunga,
17
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DER POI-TANZ.
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LS VL,
"NE +TE-NAMA
EI schrille Stimme durch-
schneidet das Halbdunkel der
Wharepuni. Bald wird sie be-
gleitet von anderen Stimmen und
von klatschenden Händen, die den Takt zum Poi-Tanz beginnen.
Eintönig überschrillt die erste Stimme das lachende Lärmen und die
Aufregung des Vorbereitens und Platzmachens für die Tänzerinnen, für
die jungen Frauen und Mädchen.
Geschmeidige Figuren, angetan mit Piu-pius, kommen hervor, lebens-
froh, lachend und Poi wirbelnd, und alles ist Bewegung und Fröhlich-
keit; denn der Poi-tanz erfreut höchlichst Zuschauer und Tänzer.
Wie ein Uhrwerk arbeiten die klappenden Hände; die schrille Stimme
übertönt den Chorus und all die alten Weiber und Männer, die im Kreise
herumhocken, fallen ein in den unermüdlichen „Sang“.
In zwei Reihen stehen die Tänzerinnen, leuchtenden Auges, Ge-
schmeidigkeit und Lachen in allen Bewegungen.
Ngawai ist Leiterin, Hine-te-haka.
19
Ein scharfer Schrei fällt von ihren Lippen und wird beantwortet von
dem dumpfen Tsadd-Laut der Poi'), die um den Kopf gewirbelt und mit
der linken Hand klappend aufgefangen werden.
Viermal flattern die Poi durch die Luft, und viermal, genau im Zeit-
maß, folgt das dumpfe „Tsadd“. Derweil summt der Sang, und scharf und
kurz klappen die taktschlagenden Hände; nun ein kurzer Schrei, und
rhythmisch beginnen die Körper der Tänzerinnen sich zu bewegen, lang-
sam, zu graziösen Stellungen, während klatschend die Piu-piu gegen die
nackten Glieder schlagen; und das Spiel der Poi beginnt.
Ein ununterbrochenes Wirbeln um die Köpfe, über die Schultern, in
der Luft, oder vor der Brust nun, nun hinterm Rücken, aufschlagend
nun mit dem dumpf-graziösen Tsadd auf Hand, Kopf, Schulter oder Erd-
boden, unter den rhythmischen Biegungen der Körper, sanftem Stampfen
der bloßen Füße, dem Klatschen der Piu-piu und Klappen der Hände,
und endend wieder in dem vierfachen Tsadd.
Wreude blinkt aus den Augen der Zuschauer, Fröhlichkeit kommt in
den monotonen Gesang; die Hände klappen schneller und die Busen
atmen tiefer. Wie wundersame Vögel umflattern und umwirbeln die
kleinen Poi die Köpfe; musikalisch sind die auf und nieder rollenden
Bewegungen der Arme der sich drehenden und biegenden Gestalten mit
den schwingenden und klatschenden Piu-piu.
Wundervoll präzise sind alle Bewegungen, das Tsadd all der Poi
ist ein Laut, das rollende Heben, Strecken und Senken der Arme, die
Bewegungen der Körper sind wie der Rhythmus eines Körpers.
Schneller wird das Klappen der Hände, lauter kreischt Ngawai, wilder
werden ihre Drehungen.
Sie steht den Tänzerinnen gegenüber, alle folgen ihren Bewegungen.
Ein kurzer Schrei, ein Zischen, ein Zurückwerfen des Kopfes, eine
Biegung des Körpers, ein wildes Kreischen rufen immer neue, graziöse,
zirkelnde Wendungen und Biegungen der Körper hervor. Wirbelnd,
zirkelnd, klatschend, stampfend wird der Tanz; rollende Arme, zurück-
geworfene Köpfe, sich biegende Hüften und schneller sich hebende
Busen; wilder noch wird Ngawais Kreischen, schneller die Bewegungen,
verschwommener die Menge der umherflatternden Poi. — Lachen und
Geschmeidigkeit ist jede Bewegung des ganzen lebendigen Körpers von
webenden, rollenden, biegenden Gestalten; Lachen in den Gesichtern,
Glanz in den Augen.
Wie schwarze Wellen umfließen die Haare die Köpfe, die Busen heben
sich schneller und schneller, und das Atemholen mischt sich mit dem
1) Ein Poi ist ein eiförmiges Dingelchen aus Raupo (Schilf) geflochten, an einem kleinen
Flachsbändchen hängend.
20
Sang der Zuschauer. Ein großer, wunderschön bewegter Körper ist das
Ganze; unglaublich leicht und bewegt machen ihn die immer zirkelnden,
immer wirbelnden Poi. —
Ein lauter Schrei, und alles ist beendet, plötzlich mit einem Tsadd.
In der plötzlichen Stille flattern die Tänzerinnen umher und auf den
Boden wie eine Vogelschar; laut nun bricht der Beifall aus, und Ngawai,
mit lachenden Augen und raschem
Atem, steht vor uns, und mit glück-
lichem Lächeln aufblickend läßt
sie das kleine Poi uns zu Füßen
fallen. —
AN
A
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TRADITION.
‚wer kann die Wahrheit von den
alten Göttern leugnen? Wer kann
die Sonne am Himmel leugnen,
wer den Sonnengott: Maui?
Alle sind eingeschlafen in der Wharepuni; zuletzt auch Ngawai.
Matapo hatte murmelnd von der Schöpfung der Welt erzählt, von
Generationen von Göttern und Urahnen in Hawaiki; dann war auch er
eingenickt. Alles ist Einsamkeit und Schwärze; denn Hine-nui-te-po hat
ihre große Mahlzeit beendet und die Welt wieder verschlungen. .
Nur das Feuer lebt noch und Tiki; aus dem verlöschenden Feuer
knistert es noch hin und wieder wie leise flackernde Fragen, und
antwortend sprühen Funken aus den Perimutteraugen des alten Ur-
ahns.
Die Götter sind die Urahnen der Menschheit, Helden, die übermensch-
liche Taten vollbrachten, Menschen, die Götter wurden. Wie war es
möglich, daß Maui dies große und schöne Land aus dem Meere fischen
konnte? Maui, der Held. Aber ist Maui nicht der Sonnengott? Und ist
es nicht die Sonne, die die Dunkelheit der Nacht zerstört, daß die Augen
der Menschen das Land sehen: — Te ika-a-Maui oder Mauis „Fisch“,
wie er auf dem Meere schwimmt?
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Mauis Geburt in Mahiku-rangi,
In den dunkeln Nächten am knisternden Feuer wurden in den Herzen
der Weisen und der Träumer die Helden geboren; unerschütterlich
wurde der Glaube an sie, und mit dem Wachsen von Generationen auf
Generationen wurde er zur Wahrheit.
Und ist es nicht Wahrheit? Beginnt nicht dort drüben mit dem Morgen-
dämmern der Gott wieder sein gewaltiges Tagewerk? Bereitet er sich
nicht eben jetzt wieder vor, sein großes und schönes Land aus dem
Ozean der Dunkelheit zu heben: seinen Fisch Te ika-a-maui?
O, wer kann die Wahrheit von den alten Göttern leugnen? Wer kann
die Sonne am Himmel leugnen; wer den Sonnengott: Maui?
Te Ra, die Sonne, ist Rangis Sohn, aber Maui ist der Sonnenheld, den
das menschliche Herz sich geschaffen hat; in seinen Taten nur können
die Menschen die Wunder der goldenen Sonne erfassen.
Maui wollte einst Hine-nui-te-po töten, doch die Göttin erwürgte ihn,
wie sie allabendlich die Sonne erwürgt und auch jetzt die Welt wieder
verschlungen hat. Te Ra wandert nun durch die Höhlen der Unterwelt,
und Hine-nui-te-po füllt mit ihren Schrecken die Herzen der Menschen,
solange die Sonne verborgen und Maui noch nicht mit ihr in Mahiku-
rangi, dem Himmelsende, geboren ist. — -
Das letzte knisternde Flackern des Feuers ist erstorben und die Perl-
mutteraugen des alten Urahns sind verschlungen von der Dunkelheit. —
O, wer kann die Wahrheit von den alten Göttern leugnen? Wer kann
die Sonne am Himmel leugnen, wer den Sonnengott:
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das Tag-Auge Rangis, sendet einen letzten
glühenden Blick! über die Erde, über den
friedvoll träumenden Moana-rarapa, den See
der „Glitzernden Wasser“, Sanft murmelt der
See und spiegelt das „Heilige Rot“ wieder, mit
dem einst Tane den Himmel geschmückt hat.
Schwarze Schwäne ziehen wie träumende
Gedanken über das Gesicht des Sees, Lang-
sam zerfließt das Rot, hinwegsterbend in blau;
tiefblau und klar zieht der letzte Atemzug des Tages hinauf zum Himmel.
Ein Canoe stößt vom Ufer, Kinderstimmen begleiten es leichtherzig
mit Fröhlichkeit und Lachen über den See, der nun klar und glitzernd
grün hinauf zu den flimmernden Sternen blickt.
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Dann verwischt ein leichter Lufthauch den Spiegel, und der Tag ist
verschieden. —
Hupene, der alte Freund, verläßt uns, er wandert heimwärts, denn er
fürchtet die Dunkelheit.
Seine Matte hängt er uns über die Schulter und spricht: „Denke an
meine Worte, dieweil du den Nachtschmuck Rangis betrachtest. Groß
ist die Macht von Tane, und sein sind die Sterne.
Sein sind die Sterne.“ — —
Hell flimmern die Sterne in der Sommernacht und die Erde atmet
Stille und Klarheit, das Herz zur Ruhe leitend und doch es füllend mit
Wünschen und Unrast.
Tane begab sich einst auf die große Wanderschaft, Gewand und
Schmuck für den Himmel, seinen Vater, zu suchen, den er nackt stehen
sah bei Tage hoch über Paapa und kalt und einsam in den Nächten,
und er sprach:
4A Te Tohunga:
25
„O, Vater Rangi, mein Herz blickt auf dich in; Trauer, und darum will
ich fortwandern und will nach dem Schmuck suchen, nach deinem
großen Schmuck, mit dem du die Augen Paapas und ihrer Kinder er-
freuen sollst.“
Suchend wanderte er durch die zehn Himmel. Hier fand er Te Kura,
„Das Rot“, und nahm es mit sich auf die Erde.
Als er sich sieben Tage und sieben Nächte ausgeruht, begann er sein
Werk und bedeckte mit dem Rot den ganzen Himmel. Doch sieh, als
er diese große Arbeit beendet hatte und nun auf die Erde herunterstieg
und auf den in Rot gekleideten Himmel blickte, fand er ihn nicht schön
genug. Traurig tat er den schlechten Schmuck wieder fort, nur etwas
davon ließ er in Mahiku-rangi, „Am Himmels-Ende“, Seit der Zeit bis
auf unsere Tage ist die rote Farbe die heilige Farbe der Maori. So oft
das Himmelsauge zum Po sich wandte am Abend, so oft es aus dem
Tagestor hervortrat am Morgen, war Rangi wunderschön; doch immer
wieder verschwand die Schönheit in den Tagen und in den Nächten.
Sieben Tage und sieben Nächte betrachtete Tane seinen Vater, und
dann sprach er:
„O, Rangi, du bist noch dunkel und kalt und einsam, von der ersten
Nacht zur zweiten, zur zehnten Nacht, bis deine Tochter „Te-marama“
aus der Quelle der lebenden Wasser wieder emportaucht und du mit
deinem Nachtauge traurig auf Paapa blickst. Wie nur kann ich dich
schmücken, daß dein Anblick Paapas Herz erfreut?“
So machte er sich wieder auf seine Wanderung, weit, weit über die
Erde und weiter in die „Große Entfernung“, bis er zuletzt an den Po
kam, „Die Unterwelt“,
Hier fand er Hine-a-te-ao, die „Tochter des Lichts“, sie hütete das Tor
ier Unterwelt. Müde von seiner Wanderung, schlief er in ihrem Hause.
In der Dunkelheit der Nacht sah er dort zwei Sterne leuchten sie
waren Ira — des Glanzes — Kinder, und ihre Namen waren: „Einsamer
Süden“ und „Himmelsufer“, Ihre Schönheit entzückte ihn, und er blickte
iange auf sie. Am Morgen suchte er Hine-a-te-ao und zeigte hinüber zu
den beiden Sternen, die in der Dunkelheit des Po flimmerten, und bat um
sie als Schmuck für seinen Vater Rangi. Und Hine-a-te-ao antwortete:
„Geh, Sohn, und nimm sie.“ Und wieder bat er:
„O, Hine, Tochter des Lichts, zeige mir den Weg, daß ich zu ihnen
zehe und sie nehme. Da antwortete Hine: „Sohn, weit ist der Weg. Geh
zum Hause von Tupu-renga-o-te-po, dem „Wachsenden Dunkel“, er
ist der Hüter über die beiden Sterne, und sein Haus steht in Mahiku-
cangi, dort frage nach den beiden Sternen, deren Namen sind: Toko-
meha und Te pae-tai-o-te-rangi.
Geh, und nimm die Sterne für deinen Vater.“
26
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Tane sucht die Häuser des Morgensterns und des Abendsterns.
Tane ruhte, auf den nackten Himmel blickend, und sang Sprüche der
Trauer über die Blöße seines Vaters, dann machte er sich auf den Weg
nach Mahiku-rangi, zum Hause des Sternhüters Tupu. Ihm beschrieb
er die Leiden und die Nacktheit seines Vaters und bat Tupu um die Sterne
als Schmuck für Rangi. Und Tupu antwortete:
„Tane, Sohn Rangis, die schönen Sterne, die du dort flimmern siehst,
sind die heiligen Halter der Welt: Hira-uta, der Fisch des Landes; Hira-
tai, der Fisch der See; Parinuku, die Erdklippe; und Pari-rangi, die
Himmelsklippe.“
Und Tane sprach: „Tupu, willst du mir von den heiligen Sternen geben,
meinen Vater Rangi damit zu schmücken?“ Und Tupu antwortete:
„Ja, es ist mein Wunsch, daß du mit den Sternen den Himmel
schmückst.“ Er gab ihm die vier „Heiligen Halter der Welt“, die Sterne
der vier Himmelsrichtungen, und dann gab er ihm die.vier Sterne Ao-
tahi, Puaka und Tuku-rua, Tama-re-reti und Te waka-a-tama-rereti.
Tane nahm die Sterne und befestigte die ersten vier in den vier
Himmelsrichtungen, mit den anderen bildete er ein Kreuz im Süden des
Himmels.
Viele Sterne noch brachte Tupu, und Tane verbreitete sie über den
Himmel von den Gipfeln der Berge aus, während noch die Sonne am
Himmel, stand. Da wurde sein Herz wieder traurig, denn seine Augen
sahen, daß die Sterne nur ein armer Schmuck für seinen Vater waren.
Doch als er seine Arbeit beendet, war es um die Zeit, daß die Sonne
wieder zur Unterwelt hinabwanderte. Als sie am Himmelsende an-
langte, zog das heilige Rot wieder über den Himmel, und als die Sonne
versunken, sahen die staunenden Augen Tanes, wie Stern auf Stern
flimmernd erwachte und Rangi in leuchtender Schönheit sich über Paapa
spannte. Da war sein Herz glücklich, und er sprach: „O, Vater, deine
Schönheit ist die Quelle der Freuden von Paapa und ihren Kindern!“
Dann warf er die beiden Sterne, die über den Winter und den Sommer
wachen, und die beiden Sterne, die das Pflanzen der Kumara bestimmen,
hoch in den Himmel und sprach wieder: „O, Vater, mein Herz ist voll
Fröhlichkeit über deine Schönheit; in Wahrheit bist du nun der Ariki
Paapas, ihr Herr, und all ihre Kinder werden dich lieben!“
So hatte der alte Freund gesprochen; gelehrt in der Weisheit der
Whare-kura. ;
Vom sonnenglitzernden Moana-rarapa herüber spielte der Wind in
den Bäumen, und Frühlingszeit lag über der Erde, die Kinder Paapas
befruchtend, — befruchtend auch den Geist der Menschen.
28
DER SANG VON RANGI-NUL
na
[N schweigender flimmernder Ozean von Sternen um-
spannt die Erde:
] Rangi in seiner unbeschreiblichen Schönheit.
k Ach, die schweigende Nacht sendet Furcht in die
Herzen der Menschen, und sie murmeln Sprüche: denn Mäkutu, die
schreckliche Zauberkraft, und das Heer der bösen Geister wandern über
die Erde unter der himmlichen Schönheit von Tanes Sternen. t
In der Hütte sang der alte Freund von Rangi, von Rangi, dem Mäch-
tigen; doch die Leute seines Stammes hatten sich in ihre Matten gehüllt,
ihre Augen bedeckt und ihre Ohren verschlossen, denn gefährlich ist
es, auf die Weisheit zu. lauschen.
Ängstliches Schweigen füllt die Hütte.
Ein paar neue Zweige knistern im Feuer.
29
Singend fährt der alte Freund fort:
„Ha, folge meinen Worten in die Räume des Himmels, in den ersten
Raum, in den zweiten Raum, in den zehnten Raum. Folge, damit du
erfährst von der Größe Rangis; denn wisse, zehn Himmel zusammen
sind Rangi.
Ha, Rangi-nui, der große Himmel!
Der unterste Himmel ist Tawhiri-mätea, die Behausung des Gottes
der Winde, der Himmel der „fließenden Luft“, ihm entspringt die frühe
Morgenröte.
Durch den gewaltigen Raum Tawhiri-mätea folge meinen Worten in
den nächsten Raum, ha, er ist die Bahn der Sonne und des Mondes; er
ist die Behausung der Mittaghitze.
Doch folge meinen Worten weiter bis in den dritten Raum, den Raum
der Seen und Gewässer, Ha, oft fährt der Gott der Winde durch ihn hin
von dem einen Ende des Himmels zu dem anderen; dann stürmen die
Gewässer und türmen sich und fließen über und fallen auf die Erde
nieder.
Einmal in schrecklichem Zorn trampelte Rehua, der oberste Gott, auf
den Boden dieses Himmels. Ha, er zerstampfte den Boden, und die Ge-
wässer strömten auf die Erde nieder, und die Erde verschwand in den
gewaltigen Wassermassen, die aus den Himmeln herabströmten und
alles bedeckten und alles töteten.
Der Oberste der Götter, die in diesen drei Himmeln herschen, ist Maru,
der Gott des Krieges. Er leitet dieHerzen der Menschen zu großen Taten.
Ha, ist er nicht der Gott des Krieges? Und wandern die Seelen der er-
schlagenen Helden nicht als Sterne hinauf zu den Sternen in den Himmeln
von Maru?
Ach, mein Lauscher, viele meiner Vorfahren zogen dort hinauf — und
ich weiß es!
Aus den Räumen, die die Sonne durchwandert, aus den Räumen der
Gewässer und der Sterne folge mir in die drei Himmel, in denen Taw-
haki herrscht. Ha, folge mir in den vierten Raum, dort hausen die
Geister, ehe sie in die neugeborenen Kinder sinken. Folge mir in den
fünften Raum wo die Atua wohnen, die niederen Götter, die zahllos,
immerwährend in das Leben der Menschen eingreifen. Die es formen,
helfend oder hindernd, in Freundschaft zu ihnen oder in Feindschaft. Sie
tragen die Wünsche der Menschen zu den obersten Göttern und die Be-
fehle der Götter zu den Menschen.
Doch der Herr der Atua ist Tawhaki, der im sechsten Himmel wohnt.
Wisse, zu den drei Himmeln Tawhakis richten sich die meisten Ge-
sänge, Sprüche und Beschwörungen; zu ihnen hinauf reicht die Macht
der Tohunga!
30
Ha, ich weiß es von meinen Vorfahren!
Tohunga waren meine Vorfahren, und es waren Tohunga von großer
Mana! Ha, gewaltig herrschte ihre Stimme von der Erde hinauf in die
drei Himmel der Geister und Atua, die Freuden und Leiden den Menschen
bereiten. '
Ha, ich weiß es. Von meinen Vorfahren auch erlauschte ich die WEeis-
heit von Rangi-nui. Folge meinen Worten in die letzten Himmel, in
ihnen allen herrscht Rehua, der Oberste der Götter.
In ihnen werden die Geister der Menschen geschaffen. .
In dem wundervollen Raum Akumea hausen die Geister, bevor sıe
auf Tawhakis Ruf in seine Himmel sinken, um Menschen zu werden.
Ach, Akumea, ha! Das ist der große Ort der Geister! Doch der oberste
Himmel, das ist Tuwarea, in dem die höchsten Götter hausen, Tiki und
Tane; Rehua aber herrscht über sie alle, der Sohn Rangis und Paapas.
Rehua ist der Gott der Nahrung; darum ist er der Ariki über die Götter.
Er gewann viele Siege über Maru, den Kriegsgott. Viele waren die
Geister gefallener Helden, die hinauf zu Maru und seinem Sternen-Helden-
himmel wanderten. Dann ihr Verlangen änderten und dem Rufe Rehuas
folgten: denn er ist der Gott des Speisens; wahrlich, er ist der macht-
vollste Gott!
Ach, du bist meinen Worten in die Räume des Himmels gefolgt, von
dem ersten Raum in den zweiten Raum, in den zehnten Raum, Du hast
die Größe von Rangi erfahren und weißt: Zehn sind der Himmel, und
sie zusammen sind Rangi!
Ha, Rangi-nui, der große Himmel!“
Schweigen füllt wieder die schlafende Hütte.
Draußen verhüllt das „flimmernde Gewand“ die Behausung der Götter.
Gefährlich ist es, wenn der Geist des Menschen den sehnenden Augen
hinauf in die glitzernde Größe folgt und Hine-nui-te-po zu durchdringen
sucht. Maui einmal hat es versucht, er wollte durch Hine-nui-te-po hin-
durchkriechen und sie töten, die den Menschen das Leben kürzt. Immer-
währendes Leben wollte er den Menschen bringen, doch das war Mauis
Tod.
31
ws.
GEN erwacht der Morgen, und mit der Morgenröte kommt
Ngawai.
Sie wandert vom Ufer herauf mit lachenden Augen und spricht:
„Wohin wandern die Blicke meines Freundes? Seine Augen blicken
in die Ferne, doch sie sehen nichts, denn die Ferne ist verborgen ım
Morgennebel.“ |
„Die Augen, Ngawai, folgen den Gedanken in die Vergangenheit deines
Volkes,und auch sie ist verborgen, und mein Geist grübelt über die wenigen
Worte der Weisheit, die ich erhalten, Weisheit aus der Whare-kura.“
Ngawai lächelt, denn die Gedanken an die Geister und Götter sind
nicht immer angsteinflößend. Die Schönheit des Tages bannt die Furcht.
Abstammung von den Ariki und Tohunga gibt Sicherheit dem Men-
schen.
Der Mensch ist machtvoll in all seiner Kraft, was immer die Gewalt
der Götter sein möge! Aus Ngawais Augen blitzt es lächelnd: „Grüble
nicht über die dunklen Sagen, mein guter Freund; denke der Götter, die
Freuden in das Herz der Menschen senden!“ —
„Erzähle mir, Ngawai, von Tane, der Rangi, seinen Vater, schmückte;
erzähle mir von seiner Liebe zu Paapa“.
„Komm in den Schatten der Bäume, mein Freund, den Schatten von
Tanes Kindern, und ich will dir von seiner Liebe zu Paapa erzählen.
Komm in den Schatten von Tane-Mahuta.“ —
.
TeE-ATUA-TeM- -TAne-(MAn TA:
5 Te Tohunga,
32
OTT Tane
verwan-
delte sich
in einen Baum und hob
seinen Vater Rangi hoch
über die Gebirge, o, hoch
über die Schneegipfel;
hoch, hoch hob er ihn mit
Hilfe der Götter, die über
der Erde wohnen.“ Da war
Rangi einsam und nackt,
Oo, er war weit und schön,
aber einsam, und Tane schmückte ihn mit den Sternen: o, da war Rangi
sehr, sehr schön!
Als Tane nun diese Arbeit vollendet hatte, da ruhte er sich auf der
Erde aus und ließ seine Augen voll Freude über den Himmel schweifen;
und dann, mein Freund, ließ er seine Augen über Paapa wandern, und
sein Herz wurde schwer und traurig, denn er sah, daß sie nackt lag unter
den Augen Rangis und der Götter. Ach, seine Liebe zu Paapa war groß,
und darum preßte er sein Haupt an ihren Busen und flüsterte: O, Mutter,
ich will, daß du nicht länger über deine Blöße trauern sollst: ich will
=>,
34
dich schmücken, und weit will ich wandern, deinen Schmuck zu finden
Traure nicht, o Mutter Paapa!
Auf der langen Wanderung, die er nun begann, wurde er der Vater
der „Wasser, der vielen Gesichter“, der Seen; und viele der schillernden
Gesichter verbreitete er über Paapa; Gesichter, die hinauf lachen zu Rangi
am Tage und die heilige rote Farbe stehlen zur Zeit der Morgenröte.
Sieh, mein guter Freund, wie der Wairarapa sich in Rangis Schmuck
kleidet. — Ach, Paapa und Rangi, sie haben sich lieb!
Tane wanderte weiter, da fand er das Mädchen „Säuseln in der Luft“
und nahm sie zum Weibe.
Die Bäume sind die Kinder der säuselnden Luft: der Totara-Baum,
der Manuka, der Rimu und der mächtige Kauri — ach, blicke hoch hinauf
zum Himmel, mein guter Freund, sieh, wie gewaltig die Krone des Kauri
uns überschattet. Ach, Kauri, das Kind Tanes! Und die Töchter waren
die Kahika, — die Schlingpflanzen, die Farren und der Flachs.
Tane ließ die Kinder in der Obhut der Mutter und wanderte weiter und
ruhte nimmer, bis er die zwei Schwestern fand, die ihm die Vögel zu
Kindern gaben; die Vögel, die leichtbeschwingt in den Lüften leben oder
gleitend über das Wasser ziehen. — Dort, Freund, hörst du das süße
Pfeifen? da? dort nun, überall, ach, das ist der schwarze Tui. Hörst du
das Schwirren über uns? Die Kereru, die wilden Tauben, sind es, höre,
wie sie fröhlich sind. Komm weiter in den grünen Schatten, mein guter
Freund, und fülle dein Herz mit Tanes Schönheit.
Ja, mein Freund, als Tane diese Familien gegründet hatte, kam er mit
ihnen zurück zu ihr, die noch immer nackt lag zwischen den Seen, den
vielen Gesichtern, und begann seine Arbeit: die Erde mit ihrem großen
Schmuck zu überdecken.
Ach, laß uns wandern unter Tanes Schatten, damit deine Augen sehen,
wie die Vielheit der Bäume sich über die Erde ausbreitet und sie einhüllt
in ein wundervolles Gewand, Schatten gebend und Glück den Kindern
von Tiki.
Erkenne in dem wundervollen Gewande, das Paapa nun bekleidet, die
große Gottmacht ihres Sohnes: Tane Mahuta. — ,
Schließe deine Augen, mein guter Freund, daß Ngawai deinem Geiste
den Weg zeige, auf dem er erspähen kann, wie Tane, der Gott, die Viel-
heit seiner Kinder über die Erde verbreitet. Ach, — ha! kannst du er-
spähen, wie er sie mit ihren Füßen in den Boden pflanzt?
Ha, ha! sie wollen nicht stille stehen, sie recken ihre Häupter zu Rangi
hinauf und schreien, sie wollen gehen, wohin es ihnen gefällt; ha, ha,
mein Freund. Sie sind rebellisch und kämpfen miteinander und zer-
zausen sich; sie wollen nicht wachsen und sich ausbreiten und Gewand
und Kühle der Erde geben, ha, ha! —
A
27
ka
Ach, kannst du erspähen, wie Tane sein erstes Tagewerk betrachtet
und den Aufruhr erblickt; siehst du den schrecklichen Zorn? den ge-
waltigen Zorn des Gottes? Ha, ha. .
— Ach, er kehrt um und fährt unter die Kinder. Er reißt sie aus dem
Boden und wirft sie auf die Erde, und dann, als Mahiku-rangi sich rot
wieder färbt, dann beginnt er sein großes Werk noch einmal. Ha, ha,
mein Freund, ha, ha, können deine Augen sehen, wie er sein Werk be-
ginnt? Höre: er nimmt seine Kinder und pflanzt sie wieder in den Boden,
doch, ha, ha, ach, ha, ha, er pflanzt sie mit den Köpfen ein, daß sie auf-
recht stehen müssen und die Füße zum Himmel hinaufstrecken; ha, ha,
können sie sich da wohl vom Flecke bewegen? Ach, — ach, ihre Haare
beginnen in die Erde zu wachsen und werden zu Wurzeln, und ihr Mund
trinkt den Tau, die Tränen Rangis um Paapa, und sendet ihn hinauf in
die Füße als Kraft und Leben. Ha, die Füße wachsen und teilen sich in
Zweige und bedecken sich mit Blättern. Ha, die Kinder; ha, ha, Tane!
Ach, mein guter Freund, als Tane sah, wie seine Kinder gewaltig in die
Höhe wuchsen, kam Freude in sein Herz. Weit über Paapa pflanzte er
sie, und sandte sie weit, weit hinaus, und sie wuchsen und wogten.
Nun war Paapa in den wundervollen Schmuck der Wälder gekleidet,
und größer wurde Rangis Liebe zu ihr, und er sandte die Strahlen seines
Tag-Auges hinab, und sie schufen die Blumen. — ;
O, mein Freund, folge Ngawai in die Dunkelheit, in Tane Mahutas
fröhliche Schöpfung; sieh, all das Leben des Waldes und all das Leben
in der Luft ist sein Werk; ach, er ist der große Freund der Menschen,
Tane, der große Sohn Rangis; a
Tane, der Paapa liebte, ;
Tane, der Freund der Menschen. —“
Zum leisen Murmeln sinkt Ngawais Stimme; murmelnd mit den
Blättern der Bäume, murmelnd mit dem Gesang der Vögel, murmelnd
mit den Geistern des Waldes. die alle Kinder sind von Tane Mahuta.
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TRADITION.
Maui ist der Sonnengott.
Als Maui-roto ist er der Gott der Nachtsonne, der Held der Unter-
welt; als Maui-waho ist er der Gott der Tagsonne, der Held des
Lichtes.
Maui-roto lebt in dem Glanz und dem Feuer der Unterwelt, dort auch
hat er sein Felsenkind, die Erde, gezeugt. Maui-waho aber wandert über
sie hin und nährt sie mit seinem Blute, das als Abendröte über der Erde
ausströmt und als Abendglanz noch nach seinem Erkalten an der Erde
haften bleibt.
So nährte und nährt Maui sein Felsenkind, die Erde, Abend für Abend
seinen Glanz auf ihr lagernd. Und weil er abendlich auf dem Tongariro
am längsten glüht, wurde dieser der Besitzer des höchsten Tapu: der
heilige Berg des Maorivolkes.
Als Maui-pötiki, Maui, das Kind, fährt die Sonne in ihrem Canoe aus
der Unterwelt herauf und hebt die Erde aus dem Meere der Dunkelheit.
Höher hinauf in den Luftraum fährt die Sonne, doch aus Maui, dem
Kinde, ist jetzt ein Mann geworden, dessen Haupt die „Goldenen Locken
des Mittags“ umwallen und auf die Erde niederstrahlen. Langsam
wandert er wieder zum Meere hinab, und nun, als Maui-mua, die
Abendsonne, knüpft er die Erde an seine Angelschnur: den scheidenden
Sonnenstrahl. Als Maui-poötiki aber fischt er am Morgen die Erde wieder
aus der Dunkelheit hervor. -
RE
ze
38
Mani tritt in Hine-nui-te-pos Vorratskammer ein.
Hine-nui-te-po ist die Göttin der Nacht und die ganze Welt ist ihre
Vorratskammer.
Sie befiehlt ihren Sklaven: wenn ein Mann, mit dem Kopfe voran, auf
allen Vieren kriechend, im Canoe angefahren kommt, sollen sie ihn ein-
lassen, denn er ist ein Atua und deshalb tapu; wenn er aber aufrecht
stehend im Canoe gefahren kommt, dann sollen sie ihn ergreifen.
Maui-potiki nun, die Morgensonne, kommt kriechend, das Antlitz
nach oben, in die Welt, und darum wird er unbelästigt in Hine-nui-te-
pos Vorratskammer eingelassen. Doch er steigt über die Mittagshöhe
und wieder hinab, und als Abendsonne, Maui-mua, fährt er im Canoe
aufrecht. stehend nach unten und wird von den Sklaven ergriffen und
von Hine-nui-te-po zwischen ihren Lenden zerdrückt: die Nacht ver-
schlingt den Abend. —
Maui-potiki aber, als Morgensonne, nimmt dann Rache, indem er von
dem unterirdischen Feuer seiner Urahne Mahuika stiehlt und Hine-
aui-te-po verbrennt: die Nacht verlodert in der Morgenröte.
40
( x schießen die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont,
während unser Canoe den Fluß hinaufarbeitet. Honewaka singt:
„Wer paddelt mein Canoe dort über den Fluß?
Das ist Hine, mein Herz nimmt sie mir fort.
Schwarze Wolken wirf ihr entgegen, o Rangi,
Daß meine Liebste nicht gleitet mir fort!
O Tangaroa, Welle türme auf Welle,
Daß meine Liebste nicht eilet mir fort!“
Honewaka steht in der Mitte des Canoes und feuert, in der Hand die
Grünsteinwaffe, mit Gesängen seine Mannschaft an, die, in den Refrain
einfallend, zum Takte des Sanges ihre Ruder eintaucht.
Unter Singen und Lachen gleitet das Canoe zwischen den hohen
Klippen unter den überhängenden Baumfarren dahin.
Honewaka besitzt große Mana als Führer im Canoe; er kennt jeden
Wirbel im Flusse, und er kennt die Menschen! Er weiß, wann ein
Canoe unter geselliger Fröhlichkeit vorwärtsgleiten darf, und er weiß,
wann der Augenblick kommt, die Geister zurückzurufen und sie mit
mächtigen Gesängen anzufeuern. Wenn die Macht der Stromschnelle
sich dem Canoe entgegenstemmt, dann müssen sie zu ihrer größten
Stärke in den Rudern vereinigt sein; sonst ist es unmöglich, den Strom
zu besiegen.
Dort rauscht eine Stromschnelle.
Die Augen des Führers rollen, er atmet kürzer. Er schüttelt seine
Waffe, er singt: „Wer paddelt mein Canoe dort über den Fluß?“ —
Die Mannschaft, mit Kraft sich in die Ruder legend, antwortet:
„Es ist Hine, mein Herz nimmt sie mir fort!“
Das Wasser rauscht und schäumt um das Canoe. Schneller schwingt
die Hand des Führers den Grünstein. Schneller singt der Chor, schneller
yaddeln die Ruder.
Plötzlich macht Honewaka einen Sprung und schreit:
„O, sie ist schön, — sie ist schön!“
Eine Stimme: „Kitzle sie!“ — „Ah!“ — und frohes Gelächter.
Blitzschnelles Leben kommt in die Ruder, während die Hälfte der
Mannschaft nach den Toko greift, den langen, zähen Stangen.
492
Die Gefahr ist erreicht.
Hone, aufgeregt, mit wilden Grimassen, schreit:
„O Tangaroa, Welle türme auf Welle!“
Mit einem Ruck stemmt sich die Mannschaft in die Toko. Die Stangen
beißen sich in die Steinblöcke und in die Felswand, sie biegen sich, zittern,
ächzen, — fast reißt das Wasser das Canoe mit sich fort, doch die Toko
halten es; langsam klettert das Canoe vorwärts in der Stromschnelle.
Nun aber kommt der höchste Punkt! Fast unmöglich ist es, das Canoe
gegen die herabschießende Wassermenge vorwärts zu treiben.
Honewaka, mit größter Aufregung:
„O, sie ist schlank wie die Rata!“
Die Mannschaft:
„Das ist Hine, mein Herz nimmt sie mir fort.“
Hone:
„O, sie ist biegsam wie der Toe-toe!“
Die Mannschaft:
„Schwarze Wolken wirf ihr entgegen, o Rangi!“ —
Die Geister der Mannschaft sind entfesselt.
Alle Kraft stemmt sich gegen die Toko. Das Canoe zittert, die Toko
zittern, das Wasser rast und tobt! Bis zum Brechen biegen sich die
Stangen, doch das Canoe steht still. —
Ha, da stößt Honewaka seinen anfeuernden Schrei aus! Die Adern der
Mannschaft schwellen, ihre Rücken krümmen sich, die Toko biegen sich
zum Zersplittern. Einen kurzen Augenblick noch steht alles still auf dem
hinwegrasenden Wasser, da plötzlich hört das Zittern auf, die Stangen
scheinen zurückzuschnellen, und das Canoe schießt in die schweigende
Stille des höheren Wasserspiegels. —
Ngawai, die mit gekreuzten Armen im Sterne des Schiffes sitzt, blickt
lächelnd zurück, nun die wundervolle Stille des höheren Wasserlaufes
arreicht ist.
Mit dem fernen Rauschen mischt sich Honewakas Stimme, die Ge-
schichte der Taniwha erzählend, die in der Höhle am Woassersturze
wohnt und manchen braven Canoefahrer verschlungen hat, wenn sein
Gesang nicht mächtig genug war, die Taniwha zu bezwingen. Dann
zerbrach sie die Canoes an den Steinblöcken und zog in ihre Höhle die
starken Männer und die schönen Weiber zum Fraß. |
Geringschätzig blickt Ngawai zurück; denn der Kampf ist gewonnen,
und Weiber verachten den besiegten Feind, ob Mann oder Geist.
Das ferne Rollen der Stromschnelle klingt wie ein Lachen über das
Wasser, und klagend mischt sich damit der Willkommensruf vom Dorfe
auf der Klippenwand: Haere-mai-ra, me 0 tatou mate! — klagend wie
jeder Willkommensruf der Maori.
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AT aasunte EHEM RG De
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[LANGE lange Zeit ist es her, Freund, seit der Mann deines Volkes
zu mir kam, — ach, er war ein großer Tohunga des weißen Mannes,
und schön waren die Worte von der Wahrheit seines großen Buches.
Von der Wahrheit seines Gottes.
Ich war jung damals, und Takakö6piri hatte mir die Weisheit der
Whare-kura gegeben. Takakö6piri war so alt, daß er Te Repo-repo, das
große Kriegscanoe, noch gesehen hatte, als es als Baum des Waldes
seiner Größe entgegenwuchs. Er aber hatte seine Weisheit von seinem
Großvater erhalten, von dem Tohunga-tapu: Te puha-o-te-rangi, den
die Häuptlinge nur begrüßen durften, indem sie ihre Nasen gegen seine
Kniee preßten; so groß war sein Tapu.
Lang und mit vielen, vielen Zähnen geschmückt war seine waka-
paparanga-rakau,') von Ahn zu Ahn hinaufleitend bis zu Maui, der von
Hawaiki kam und der Vater unseres Landes ist, — des Landes Te-ika-a-
Maui, Mauis Fisch.
Die Weisheit, mein Lauscher, ist aus der Dunkelheit geboren, und
sie wurde meinen Urahnen in Hawaiki gegeben.
O, groß war ihre Weisheit!
O, machtvoll war Maui!
Freund, viele Male starb der Mond und wurde wiedergeboren aus der
Quelle der lebenden Wasser, während ich die Worte des Buches erfragte.
Ja, schön ist die Wahrheit des weißen Mannes! Schön ist die Wahrheit!
Nicht zu zählen vermag ich die Fluten, die den Fluß hinunterkamen
vom großen Vater Tongariro, so oft er sein weißes Schneegewand ab-
schüttelte. Sieh, Freund: mein Fleisch ist zu den Knochen getrocknet
und meine Augen sind nur nach innen gewandt, doch immer noch kann
mein Mund von den Worten des großen Buches erzählen; denn, Freund,
ich liebte die Wahrheit, die der weiße Tohunga gebracht. — Ach, sie
war meinem Herzen willkommen; aber sie wurde nicht wie ein Weib
zu mir, sie gab mir keine Frucht.
Ach, in meinem Herzen lebt die Vielheit der Stimmen aus der Ver-
gangenheit, und meine Hände, die die waka-paparanga-rakau tasten,
fühlen die Geister meiner Ahnen. Sie kommen und nähren mich mit
Freuden, wie Kinder die Alten nähren, und mein Herz wird warm von
der Macht meiner Ahnen, von der Macht Mauis, des Starken. Ach!
Ach, die große Kraft, die in ihm wohnte, ließ ihn seine größte Tat
versuchen: das Herz Hine-nui-te-pos zu töten, damit die Menschen leben
sollten, bis alle Tage beendet wären. Aber seine Sprüche waren machtlos
gegen die Mutter des Alls, und sie verschlang ihn, wie sie alles verschlingt.
Ach! „Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga.“
) Ein langer gezahnter Stock, dessen Zähne je einen Ahnen repräsentieren.
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AUSCHE.
Taranga war seine Mutter; aber ach, wenn Tama-nui-
ki-te-rangi nicht gewesen wäre, der „Große Himmels-
sohn“! Ach, was wäre ohne Tama aus Maui geworden?
Was anderes als die Beute der Seevögel! Ach.
Tama sah ein Bündel, mit weichen Seequallen und mit
Seegras umkleidet, am Ufer des Meeres. Er sah, wie das
Heer der Seevögel sich schreiend darüber sammelte, schreiend und um
die Beute kämpfend. /
Er verjagte das Heer der Vögel, nahm das Bündel und entkleidete es
seiner Hüllen.
Was, mein Freund, was anderes enthielt dieses Bündel wohl als Maui?
Maui, das Kind: Maui-pötiki!
Die Quallen und das Seegras waren seine Kleidung. Die Kleidung, die
ihm das Meer gegeben hatte, als es ihn an das Ufer getrieben. Es war
Maui, das Kind. erfahren in all der Weisheit der See, die ihm von Tan-
46
garoa gegeben war und von seinen Kindern, den Fischen, den See-
gewächsen und den Wellen.
Ach, was wäre aus Maui geworden ohne Tama-nui-ki-te-rangi? Maui-
pötiki allein unter dem Heer der Seevögel!
Bevor seine Zeit gekommen, wurde Maui geboren. Taranga, seine
Mutter, gebar ihn am Ufer des Meeres und wußte, daß er das Leben nicht
leben konnte, — ach! Traurig schnitt Taranga mit einer scharfkantigen
Muschel ihre Haare ab, wickelte Maui darin ein und warf ihn in die
Brandung des Meeres. Dann sang sie die machtvollen Sprüche gegen
die bösen Geister; — denn wisse, sie lauern auf die Kinder des Menschen,
die zum Leben geboren werden, bevor ihr Leben reif ist. Sie hocken
um den Körper, und wenn die Sprüche, die ihn beschützen, zu schwach
sind, dann füllen sie den scheidenden Geist des Kindes mit Haß und
Bosheit gegen die Menschen, deren Glück und Freuden es nie erfahren
und besitzen konnte: Freund, die totgeborenen Kinder werden zu bösen
Geistern.
Ach, stark waren Tarangas Sprüche, doch was wäre aus Maui ge-
worden ohne Tangaroa, den Gott der Meere? Was wohl, mein Lauscher?
Wisse, Tangaroas sind die Wellen, und sie rollten und schaukelten
das Kind in Schlaf, und sie formten es und gaben ihm Kraft. Ach, sie
nahmen Maui-potiki als ihr Eigentum und gaben ihm die Macht des
Meeres und die Weisheit des Meeres: die großen Sprüche, die Himmel
und Erde verbinden; und sie gaben ihm die schreckliche Zauberkraft
der See. Dann rollten sie ihn sanft auf den Strand, und die Seequallen
und das Gewächs des Meeres bekleideten und beschützten ihn. Ach,
mein Lauscher! —
Tama-nui-ki-te-rangi wurde sein Pflegevater, und Maui lebte bei ihm,
bis er zum Manne aufwuchs.
Viele Taten voll Kraft und Schlauheit füllten seine Jugend, und er
iernte die Sprüche, die ihm die Kraft verliehen, nach Wunsch die Form
eines Vogels anzunehmen.
Dann füllte sein Herz sich mit Sehnsucht nach seinen Eltern und seinen
Brüdern. Er wanderte fort und wanderte und wanderte, bis er an den
„Abgrund der aufsteigenden Sonne“ kam, wo er die große Wharepuni
fand, in der alles Volk tanzte und voll Fröhlichkeit war.
Er sah, wie ein Weib ihre Söhne zählte:
„Maui-i-mua, der Älteste,
Maui-i-roto, mein Zweitgeborener,
Maui-i-taha, mein dritter Sohn,
Maui-i-pai, mein anderer Sohn.“
Ihre Augen bemerkten dann Maui-potiki, und sie brach in den Ruf aus:
„Wer ist es, den ich unter meinen Kindern sehe?“
41.7
Da verwandelte sich Maui vor ihren Augen in eine Taube und flog
auf das Haupt Rangis, dessen Bildnis den Mittelpfeiler des Hauses trug,
und sprach:
„Bist du Taranga, meine Mutter? Dann wisse, ich bin Maui-pötiki,
dein jüngster Sohn!“
Ha, groß war die Weisheit, die ihm von Tangaroa gegeben war, und
groß seine Schönheit und Kraft, geformt in den Stürmen des Meeres.
Schnell warf er die Form des Vogels wieder ab und zeigte sich als ein
Mann, und seine Mutter, die seine große Zauberkraft und seine Schön-
heit sah, glaubte ihm, und wußte, daß er ihr Sohn war.
Sie sprach die heiligen Fragen:
„Kommst du aus dem Norden gewandert?“ Und Maui antwortete
„Nein“,
Und wieder fragte sie:
Wandertest du aus dem Süden?“ Und wieder antwortete Maui: „Nein“.
Und Taranga fragte wieder:
„Wandertest du aus dem Westen?“ — Und Maui antwortete wieder:
‚Nein“,
Dann fragte sie:
„Kommst du aus dem Osten gewandert?“ Und wieder antwortete Maui:
‚Nein“,
Seine Mutter fragte nun:
„Kamst du auf den Wellen des Meeres?“ Und Maui sprach:
„Die Wellen des Meeres schaukelten mich!“
Sie fragte nun:
„Kamst du aufden Wellen des Windes?“ Und Maui antwortete: „Ja“!
Da rief Taranga: „O, es ist die Wahrheit, es ist mein jüngster Sohn, dem
ich Leben gab und dessen Körper ich in die Brandung des Meeres warf,
weil er nicht reif war für die Freuden des Mannes. Er ist zurückgekommen
zum Leben; er ist hier; es ist wahr, es ist wahr, es ist wahr! Er ist mein
Sohn, er ist „Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga!“ (Maui geformt in dem heiligen
Haarknoten Tarangas.)
Ach, lausche, mein Freund, und höre von Maui, meinem Urahn.
Seine Brüder und all das Volk in der Wharepuni gerieten nun in Furcht
und Ärger, denn sie hatten gesehen, daß Maui Besitzer der großen Zauber-
kraft war und sich in einen Vogel verwandeln konnte; und sie wollten
nicht glauben, daß Maui Tarangas Sohn sei. Aber Taranga sang, weit
in die Nacht blickend, die Sprüche zu den Göttern, die die Vergangenheit
in Verwahrung haben, und mit Hilfe der Götter erzählte sie allem Volke,
was geschehen war seit Mauis Geburt. Und alles Volk war voll Be-
wunderung und glaubte, daß Maui ihr Sohn sei:
Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga.
18
Taranga sprach zu Maui:
„Komm mit mir, mein jüngster Sohn, du sollst im Hause deiner Mutter
schlafen.“ Und Maui schlief zum ersten Male in seinem Leben im Hause
seiner Mutter.
Als er am Morgen erwachte, war Taranga verschwunden.
Dreimal schlief Maui im Hause seiner Mutter, und dreimal verschwand
sie vor der Morgenröte. Darüber ward Maui traurig und er besann sich
auf eine List, seine. Mutter zurückzuhalten. Am Abend, als Taranga
wieder zu ihren Kindern gekommen war, wartete Maui, bis alle fest ein-
geschlafen waren, und dann verstopfte er alle Öffnungen, durch die Licht
in das Haus kommen konnte, und versteckte Tarangas Federschurz und
Gürtel, damit sie nicht fliehen konnte.
In der Dunkelheit nun erwachte Taranga nicht früher, als bis es heller
Tag war. Schreiend suchte sie ihren Gürtel und ihren Schurz, und als
sie sie nicht finden konnte, lief sie nackt zu einem Büschel Schilf, das
in der Nähe des Hauses wuchs, zerteilte es und verschwand in der
Öffnung. Maui aber folgte ihr, und als auch er das Büschel aufhob,
fand er, daß unter ihm der Eingang zu einer tiefen Höhle war. Ah.
Schnell verwandelte er sich in ‚eine Taube und schmückte mit dem
schneeweißen Gürtel seiner Mutter seinen Hals und band den schwarzen
Federschurz auf seine Brust, und so zeigte er sich seinen Brüdern.
Ach, ihre Bewunderung über den schönen Vogel war laut, und als er
sich nun nahe zu ihnen auf einen Zweig setzte und zu ihnen sprach, da
riefen sie: „Ach, wahrlich, es ist Maui, es ist Maui!“
Da sprach die Taube zu ihnen: „Ja, meine Brüder, es ist Maui-pötiki,
und er will unsere Mutter finden, damit wir nicht mehr an den Tagen
um sie trauern müssen.“
Und seine Brüder riefen: „Geh, Maui, und suche unsere Mutter.“
Dann flog er zum Eingang der Höhle, hob das Büschel und betrat die
Höhle und flog und flog durch die lange Dunkelheit, bis er zuletzt das
Volk: von Hawaiki erblickte. Dorthin flog er und setzte sich auf den
Baum in Hawaiki.
Vom Baume sah er, daß seine Mutter und sein. Vater unter dem Volke
waren, und er warf Beeren auf sie und traf beide: Taranga und Makea-
tu-tara, seinen Vater. |
Sie dachten, die Beeren seien vom Baume gefallen, aber Maui warf
und traf sie wieder, und dann noch einmal. Zuletzt sahen alle, daß die
Taube, die im Baume saß, die Beeren geworfen hatte, und begannen
Steine nach ihr zu werfen, um sie zu töten.
Doch Maui, im Schutze seiner Sprüche, konnte nicht getroffen werden,
bis er getroffen sein wollte; da fiel er flatternd zu den Füßen seines
Vaters. Das Volk drängte herbei, ihn zu töten, aber schnell verwandelte
7 Te Tohunga.
19
er sich wieder in einen Mann, und alles Volk stand erstarrt vor Furcht
und blickte entsetzt in seine roten Augen, die so rot waren, als wären
sie aus Kokawali.
Ach, mein Lauscher, da erkannte Taranga ihren Sohn.
Sie sang den großen Sang des Willkommens, der in dem Volke von
Hawaiki gebräuchlich war, und alles Volk wußte, daß Maui Tarangas
Sohn sei.
Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga.
Und von der Zeit, mein Lauscher, lebten Maui und seine Brüder mit
dem Volke von Hawaiki zusammen. —
Dann aber wuchs der große Wunsch in Maui, der Wunsch nach einer
Waffe, mit der er gewaltige Taten vollbringen könnte, wie kein anderer
Mann. .
Doch woher sollte er eine solche heilige Waffe wohl nehmen, mein
Lauscher?
Höre!
Er sah, daß das Volk seinem Ahnen Muri-Rangi-Whenua, „Himmels-
und Erdende“, täglich Speise brachte, und sprach voll List: „Gebt mir
die Speise, damit ich sie Muri-Rangi bringe, denn er ist ein heiliger Mann.“
Sie gaben ihm die Speise; er aber brachte sie nicht zu seinem Ahnen
Muri-Rangi-whenua, sondern verschüttete sie.
Viele Tage nahm er die Speise, aber niemals brachte er sie seinem
Ahnen, dessen Schreie lauter und lauter wurden; denn er war sehr alt
und sehr hungrig.
Zuletzt begann das Leben Muri-Rangis zu schwinden. Es hielt seine
letzte Rast im Kinnbacken, und dadurch wurde dieser tapu, denn von
hier aus schied der Geist Muris zur Reinga. —
Ach, sieh, mein Lauscher, wie Maui den Kinnbacken seines Ahnen
nimmt.
Sieh, wie er wandert, bis er an einen Platz kommt am Flusse in
Hawaiki. Sieh, wie er alle Speisen verschmäht.
Sieh, wie er das große Tapu über den Platz verbreitet und ihn heiligt
{ür die machtvollsten Götter allein, und, — ach, sieh, wie er den Kinn-
backen Muri-Rangis in einen wundervollen Angelhaken formt. Ha, er
schmückt ihn mit kunstvollem Schnitzwerk und er gibt ihm Augen
aus Perlmutter; und, ach, mein Lauscher, sieh, wie er voll Schlauheit
die Zähne zu Widerhaken umbiegt!
Dann, ha! lausche, lausche, er gibt seinem Angelhaken den großen
Namen seines Urahns: Muri-Rangi-whenua. — Ha!
Ha! dann hielt Maui die große Karakia über seinen Angelhaken!
Er sang die Sprüche über ihn, die ihm von Tangaroa und seinen
Kindern gegeben waren.
50
um
X
1
Mauis Karakia.
Ya
Als er die mächtige Hilfe der Götter gewonnen hatte, ha, da verbärg%
er seinen Angelhaken in seinem Gürtel und wanderte dorthin, wo seine
Brüder beschäftigt waren, Fische zu fangen. Ha, er blickte auf ihre
Arbeit und sah, daß ihre Haken keine Widerhaken hatten und sie die
Fische nicht landen konnten. ;
Als Maui das sah, lachte er spottend und sprach:
„Brüder, laßt uns zusammen auf das Meer hinausfahren und sehen,
wer den größten Fisch fangen kann.“ —
Doch seine Brüder fürchteten Mauis Schlauheit und Zauberkraft und
verließen am nächsten Morgen das Ufer, bevor Maui erwacht war, und
yzingen ohne ihn auf den Fischfang.
Als Maui erwachte und die List seiner Brüder sah, ha, ha, da lachte
ar und verwandelte sich in den kleinen Vogel Ti-wäka-wäka und flog
hinaus aufs Meer, weit, weit hinaus, bis er das Schiff fand. Er setzte
sich auf das geschnitzte Ende des Canoes und zwitscherte und sang
lustig. Ha, ha, da erkannten ihn seine Brüder und riefen:
„O, wer ist der lustige Vogel? Ha, es ist Maui. Maui ist gekommen,
Maui!“
Und Maui, mein Freund, flatterte über das Canoe und zwitscherte:
„Ja, es ist Maui, es ist Maui, ja, meine Brüder, es ist Maui, Maui, Maui.“
Ha! Dann warf er seine Federn ab, und als er wieder die Form des
Mannes angenommen hatte, sprach er:
„Ha, ha, meine Brüder, nun sollt ihr sehen, wie Maui den größten Fisch
fängt, und ihr werdet den Namen des Fisches nicht kennen!
Doch laßt uns weiter hinaus aufs Meer fahren, meine Brüder, laßt uns
dorthin fahren, wo das Meer tief ist, denn dort ist Mauis Angelplatz.“‘“
So paddelten sie denn weiter aufs Meer hinaus, bis seine Brüder er-
mattet waren, und sprachen:
„Wahrlich, Maui, dies muß dein Fischplatz sein, denn wir können das
Land von Hawaiki nicht mehr sehen.“
Aber Maui antwortete:
„Laßt uns weiter und weiter fahren.“
Zuletzt kamen sie bis in die Mitte des Ozeans, und Maui sprach:
„Eh-hu, meine Brüder, dies ist der Ort für Mauis Fischfang; der große
Angelplatz für seinen Haken. Muri-Rangi-whenua! “
Nun nahm er mit großer Vorsicht, mein Freund, damit seine Brüder
die Widerhaken nicht sehen konnten, seinen Angelhaken und bat die
Brüder, ihm von ihrem Köder zu geben, aber die lachten und sprachen:
„Ho, ho, mächtiger Maui, zeige uns deinen großen Fisch, den Fisch,
den wir nicht kennen! Den Fisch, den du ohne Köder fängst! Ho, ho,
den großen Fisch Mauis!“
Ha. ha. mein Freund!
592
Da wurde Maui zornig und wild; er raufte sich die Haare aus und
tauchte sie in sein Blut und steckte sie als Köder an seinen Angelhaken;
nun warf er seine Leine weit hinaus, weit hinaus ins Meer. Ha!
Und dann, mein Wanderer, sang er seinen großen Spruchgesang:
„Laß es wehen sanft aus Wakarua,')
Laß es wehen sanft aus Mawaki;')
Meine Angel, ziehe kräftig,
Meine Leine, ziehe stark!
Ha, er ist gefangen;
Er ist gekommen,
Das Land, es ist da —
Der Fisch ist in der Hand!
Der Fisch, den Maui gewollt,
Mauis Stolz —
Seine große Beute!
Sein Verlangen ist erfüllt!“
Ha! siehst du, wie der Fisch den Haken verschlungen hat? Ha, wie
er an der Leine zerrt.
Siehst du, wie Maui zieht und zieht mit all seiner mächtigen Kraft?
Sieh, wie seine Kraft das Canoe unter Wasser preßt!
Ha! höre, wie seine Brüder schreien und jammern! Ha! ha! Ha, ha,
„Maui, Maui, laß los, laß deinen Fisch; o laß los, laß los, Maui“.
Ha, ha! Ach sieh, wie Maui zieht und zieht und zieht; drei Monde
lang!
Höre, wie er ausruft: „Was Maui einmal in seinen Händen hat, das
kann er nicht wieder loslassen!“ Ha, ha!
Lausche du auf seine großen Gesänge zu den Göttern, die schwere
Dinge leicht machen!
Ach sieh, sieh, wie er all seine mächtige Kraft zusammenfaßt, — ach
sieh, sieh ihn ziehen; sieh ihn ziehen! — Ach!
Ha, Freund, siehst du das Meer schäumen? Wie es wirbelt und tobt?
Ha, o siehst du?
Ach — ach sieh: Mauis Fisch, Te-ika-a-Maui!
Ach, Freund, siehst du dieses Land.
Siehst du Te-ika-a-Maui. — Neuseeland?
Ha, lausche auf die Weisheit meiner Vorfahren:
Mauis Angelhaken hob zuerst den Tongariro aus dem Meere und
lann folgte das gewaltige Land, und all das Land war Mauis.
Mauis Fisch. Te-ika-a-Mauli.
1) Himmelsrichtungen.
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„Öffnet eure Kehlen, die heiser sind vom Jammern und Schreien,
meine Brüder, und nennt mir den Namen meines Fisches!“ So sprach
Maui voll Stolz und Hohn; aber sie konnten nicht antworten.
Da gab Maui dem Lande seinen Namen: Te-ika-a-Maui! —
Das Canoe war auf den Bergen in Hikurangi gestrandet. Mauis Brüder
nahmen ihre Waffen und sprangen auf die Beute, verwundeten und
töteten den Fisch, den Maui gefangen, ach, mein Freund! —
Von der Zeit stammen die Hügel und die Täler und Berge dieses
Landes; sie sind Wunden und Fußtapfen, denn die Brüder folgten nicht
Mauis Rat.
Maui opferte den Göttern, damit sie seinem Fange geneigt würden
und dem Lande für immer die schöne glatte Oberfläche des Fisches er-
hielten. Aber seine Brüder warteten nicht, sondern schlugen dem Fische
Wunden.
Nein, sie folgten nicht dem Rate Mauis.
Ha, und es war Mauis Fisch!
Ach — Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga. — —
Angi angi ki te wakarua — — —
Angi, — angi ki-te — ma — wa — — ki — —
Takıu — — — — a ho — — — to" — — — —
In leisem Murmeln ersterben die Worte des alten Mannes.
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48
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Taranga und Maui.
TRADITION.
USER dem Himmel im Osten ziehen wieder die glänzenden Licht-
streifen: „Mahuikas Finger“ und bald wird Maui-pötiki, die Morgen-
sonne, aus dem Meere in die Welt treten. Durch die Unterwelt hat die
Sonne ihre Wanderung nun beendet, gefolgt von der Phantasie der
Maori. Aber in ihrer Phantasie war sie dort Taranga, die Nachtsonne,
die durch die Höhlen der Nacht bis zum Meere gewandert ist und dann
am Gestade tief, tief im Osten Maui-pötiki gebiert.
Der „Große Himmelssohn“ hebt ihn dort aus dem Meere, und bei ihm
lernt er seine Weisheit, die Weisheit des Glanzes und der Strahlen. Sich
in Strahlen-Vögel zu verwandeln, Strahlen-Speere zu schleudern und
Strahlen-Angelschnüre auszuwerfen, ist die Weisheit Mauis. Im Voll-
besitz seiner Sonnenweisheit wandert er fort, seine Brüder zu finden;
die Götter der Mittagssonne, der absteigenden Sonne, und der Abend-
sonne und seine Mutter Taranga, die Nachtsonne. —
In der Phantasie der Maori spinnt sich um den Lauf der Sonne ein
Netz von Vorstellungen und Mythen. Einmal ist es Maui-pötiki, der
fortwandert, seine Mutter und Brüder in der Unterwelt zu suchen. Dort
überlistet er seine Mutter und folgt ihr durch die Höhlen der Unterwelt
nach Hawaiki. Dort schleudert er seine Strahlenbeeren, wird von seiner
Mutter erkannt und von seinem Vater gegen die Gefahren der Welt, in
die er als Sonnenaufgang eingetreten ist, mit Sprüchen und Beschwö-
rungen geschützt.
Die glänzenden Finger Mahuikas haben sich nun ausgebreitet, und
der ganze Osten des Himmels ist ein Feuermeer. In ihm steigt plötz-
lich die Sonne empor, höher und höher, umwallt von dem mächtigen
Himmelsfeuer: Maui auf der Flucht.
Wieder ist die Phantasie Maui durch die Unterwelt gefolgt und hat
sein Tun dort in den Mythos von Mahuika verwandelt. Nun sehen auch
die Augen die Folgen von Mauis Treiben in der Unterwelt; sie sehen,
wie er dem Feuer Mahuikas zu entfliehen sucht; sie sehen, wie er die
Götter des Windes und der Wolken zu Hilfe ruft; wie er durch die
Fluten als Sonnen-Adler hindurchbricht und sich endlich im Westen
als Sonnenuntergang ins Meer stürzt.
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alles
Und Matapo er-
zählt: „Lausche,
Kreund.“
„Maui verlöschte
alle Feuer in Ha-
waiki; ha, da war
alles kalt und dun-
kel — ach. —
Da rief er aus: „O, Sklaven, wo seid ihr? Maui ist hungrig, wo seid
ihr, Sklaven, seine Speise zu kochen?“ Da erwachte alles Volk und fand,
daß die Feuer verlöscht waren in Hawaiki.
Ach. —
Hast du von Mahuika gehört, der Ahnfrau Mauis? Sie hielt ihre
Kinder, die Feuerflammen., die in ihren Fingern wohnten. in sicherer
58
Verwahrung! In ihrem großen Wohnplatz in der Unterwelt hauste sie,
aber es war schrecklich, sich ihr zu nähern. ,
Ha! Maui allein, der große Held, Maui, mein Urahn, 0, lausche, mein
Wanderer! — Maui allein hatte den Mut, einen Finger von seiner Ahn-
frau zu holen.
Er wanderte durch die Höhlen der Unterwelt und näherte sich Mahu-
ika, sein Herz voll Mut und Schlauheit! Doch.ha! als er sie erblickte, da
begann auch er sich zu fürchten; er konnte nicht sprechen, so fürchtete
er sich! — Ach, Freund, Mahuika war wundervoll anzusehen in der
dunklen Höhle, umgeben von ihren Kindern, die aus der Dunkelheit
hervorleuchteten. Doch sie war schrecklich!
Zuletzt konnte Maui wieder sprechen und er sagte:
„Mahuika, Alte, willst du mir von deinem leuchtenden Feuer geben?“
Ha, Mahuika war fürchterlich anzusehen, ach, sieh, mein Lauscher:
umgeben von leuchtendem Feuer, ach, sie ist fürchterlich; ach, sie ist
schrecklich! Ha, sie schrie: „Au-e, wer ist das, den mein Feuer be-
leuchtet?!“
Und Maui antwortete: „Es ist Maui, dein Enkel.“
Da fragte sie ihn die vier heiligen Fragen, und Maui antwortete ihr,
wie er Taranga geantwortet hatte, bis sie ihn zuletzt erkannte und wußte,
daß er Maui sei, Maui, der Enkel des Feuers — Maui, mein Tapuna!
Da sprach sie: „Ja, Sohn, du sollst von meinem Feuer haben.“ Und
sie nahm einen ihrer Finger und riß ihn aus und gab ihn Maui.
Mit dem Feuer wanderte er zurück; doch als er einen Teil seines
Weges gegangen, wuchs seine Bosheit wieder mächtig in ihm und er
besann sich auf eine List, alles Feuer von Mahuika zu stehlen.
Ha, ha!
Im Wasser des Flusses tötete er den Feuerfinger, den Mahuika ihm
gegeben, und wanderte zurück zu ihr. „Ha, Alte“, sprach er, „ich habe
4as Feuer verloren, das du mir gabst, gib mir ein anderes von deinen
leuchtenden Kindern.“ Und Mahuika gab ihm einen anderen Finger,
ha, ha. Er aber tötete auch diesen im Flusse, und kam zurück und bat
um neues Feuer. Ha, ha.
Ach, Maui kam wieder und wieder und Mahuika gab ihm alle Finger,
bis sie nur einen noch hatte. Ha, ha. Maui aber tötete all das Feuer!
Doch — ach, als er zurückkam und um den letzten Finger bat, da wußte
Mahuika, daß er sie töten wollte, und geriet in schrecklichen Zorn.
Ha! sie nahm ihr letztes Kind, ihren letzten Finger, und schleuderte
ihn auf die Welt, und die Welt füllte sich mit Feuer — ha!
Ach, da rannte Maui!
Die Flammen wurden größer und verfolgten ihn; und er rannte in
1jen Wald, und die Wälder fingen Feuer — ach, — Maui, mein Urahn.
29
Ach, ach, er liefin den Fluß, doch der Fluß begann zu kochen — ach, — er
verwandelte sich in einen Adler, doch die Flammen folgten ihm in die Luft!
Ach, er.sang Sprüche zu Tawhiri-mätea und den Göttern und sie
sandten Regenwolken.
Die Regenwolken wanderten vom Himmelsende herauf, und Regen
fiel, schwerer Regen fiel und fiel; ha! Durch den Regen flog Maui nun
hinab und stürzte sich ins Meer — ach.
O, mein Lauscher, fast wäre Maui umgekommen in dem schrecklichen
Feuer, das die Welt durchflog; aber, ach, Mahuika!
Als die Fluten auf die Welt niederfielen, wußte sie, daß sie sterben
müsse, und sie schrie, daß es weit, weit über die Lande schallte, und mit
all ihrer großen Schnelligkeit, — ist sie doch die Mutter des Feuers, —
lief sie durch die Regenfluten, ihr Kind, das Feuer, zu retten. Und sie lief
und lief, daß kaum die Wasser ihr folgen konnten, bis sie den Kai-
Kamaki-Baum fand und das Feuer darin verbarg — und der behütet es
bis auf diesen Tag; seine trockenen Zweige reiben die Menschen zu-
sammen, bis die Flammen, die einst in Mahuikas Finger gewohnt, wieder
zum Leben kommen. —
J_\
Du hast erfahren, wie Maui seine Ahnfrau betrog und.tötete, und du
hast gesehen, wie er fast in den Flammen umkam; lausche auch auf den
Sang von Mauis großer Stärke und Tapferkeit, mit der er Te Ra, die
Sonne, selbst bekämpfte, und dieses sind meine Worte:
Es waren die Tage, als unsere Vorfahren noch in Tawhiti-nui lebten
in der „Großen Ferne“, und die Tage waren kurz. denn die Sonne
60
wanderte schnell über den Himmel und langsam durch die Unterwelt.
Die Tage flogen dahin, schneller und schneller. ;
Ach, unsere Vorfahren, die in Tawhiti-nui lebten, fanden die Nächte
lang und nahe miteinander verbunden. Da wuchs die Sehnsucht im
Herzen Mauis, und aus ihr wurde die große List geboren, die lange
Tage schaffen wollte und die Sonne bezwingen!
Ach, lausche, wie in Tawhiti-nui Maui seine Brüder beredet, und sie
zusammen ihr großes Werk unternehmen.
Voll Furcht waren die Brüder zuerst, doch als Maui seine Kunst zeigte,
aus Flachsfasern lange, lange Stricke und Schlingen zu flechten, da
wurden auch ihre Herzen begierig auf den Kampf. Ja, Maui war es, der
seine Brüder lehrte, Stricke und Schlingen zu machen, und von ihm kam
dieses Wissen auf unsere Vorfahren. —
Zuletzt, mein Lauscher, waren alle Stricke und alle Schlingen fertig,
und die Brüder beluden sich damit und machten sich auf den weiten,
weiten Weg. Maui aber nahm seine heilige Waffe und führte seine Brüder
und zeigte ihnen den Weg.
Ha, sie wanderten durch die lange Nacht, bis das heilige Rot in Hiku-
rangi erschien. Dann verbargen sie sich unter Felsen, damit die Sonne
sie nicht sehen sollte und ihr Vorhaben erraten und sich verstecken
konnte. Doch als die Nacht wiederkam, ha, da wanderten die Brüder
weiter, bis die neue Morgenröte erschien und die Schlauheit Mauis neue
Verstecke fand.
Und wieder wanderten sie bei Nacht und verbargen sich, und wanderten
wieder bei Nacht viele, viele Nächte; und sie wanderten weit, weit fort,
bis sie zuletzt an den Abgrund kamen, aus dem die Sonne am Morgen
aus der Unterwelt hervorkommt.
Ha! hier suchten sie Verstecke und warteten auf ihren Feind, die
Sonne! :
Ha, mein Lauscher, höre, wie Maui seine Brüder warnt und sie die
Schlauheit lehrt, sich nicht den Sonnenpfeilen auszusetzen, damit sie
nicht getötet würden in dem Kampf; — ach, Maui, der Held! Er sprach
zu seinen Brüdern, bis alle Furcht ihre Herzen verließ, und sie begierig
wurden, sich auf ihren Feind zu stürzen.
Dann zeigte er ihnen, wie sie die Sonne in ihren Schlingen fangen und
wie sie sie in den Stricken halten sollten: fest und fest und fest; damit
die Sonne machtlos sei, und er sie mit seiner heiligen Waffe erschlagen
könne. —
Sieh, wie die Sonne langsam über dem Abgrund erscheint; sieh, sieh,
wie sie sich in den starken Schlingen verwickelt; wie die Brüder mehr
Schlingen um sie werfen; sieh, o sieh, die Sonne ist gefangen! Ha, die
Brüder halten und halten fest.
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Mauis Sonnenkampf.
Ha, sieh, Maui! Maui springt vor mit seiner heiligen Waffe, — die
Sonne schreit fürchterlich!
Ha, Maui schlägt ihr Wunden; sieh, wie sie blutet — sieh, wieder
schlägt er, wieder und wieder — schrecklich schreit die Sonne. Ach,
ach Maui hat ihr den Flügel gebrochen, o Maui, der Held! — Ha, das
ist ein großer Kampf!
O, die Perlmutteraugen an Mauis Waffe blitzen in dem Licht der
Sonne, — ach, sieh, die Schnitzereien, die sie verzieren, sieh die Hunde-
haare, die sie schmücken — ach, sie ist unübertrefflich schön!
Ha, sieh, wie die Pfeile der Sonne fliegen, — Maui’ der Tapfere!
Ha, die Sonne schreit, — Freund, sie zittert, sie zerrt, sie zieht, und
ihr Blut färbt den ganzen Osten des Himmels. — Ha, Maui, Maui, mein
Urahn! — Ha!
O, — ha! Sie hat sich losgerissen von ihren Feinden! Blutig geschlagen,
lahm und mit zerbrochenem Flügel, zieht sie unter Schmerzensschreien
ihre Bahn. — Ha, langsam, langsam, langsam, — 0, Maui!
Sie jammert, höre, sie jammert.
Was sagt sie? — — „Ach, Mann, weißt du, was du getan? — — ach,
Mann, warum willst du Tama-nui-ki-te-Ra töten? — — ach — —“
Ha, da ward zum ersten Male der gewaltige Name der Sonne in Hawaiki
bekannt:
Tama-nui-ki-te-Ra!
Ach, mein Lauscher, als Maui den Namen hörte, da wußte er staunend,
daß er den größten Heldenkampf bestanden, und den „Großen Sonnen-
sohn“ gezwungen hatte, zu gehorchen und gleiche Zeit zu spenden den
Himmeln und der Unterwelt, damit die Tage schön seien für die Nach-
kommen Tikis. —
Geh, und vergiß Maui nicht, den Urahn deines Freundes; deines
Freundes Matapo.“ —
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och über den Dünen breitet Rangi, der Gewaltige, sein Tages-
. . gewand aus; geschmückt mit einer Borte schneeweißer Wol-
zen, ruht es auf den fernen Hügeln Paapas.
Auf Paapa, — der Glücklichen. —
Ach, sie sendet die weißen Wolkenboten ihrer Liebe weit über das
Meer hinauf zu Rangi, zu Rangi, dem Lachenden, Paapas Geliebten. —
Sein goldenes Tagauge blickt voll Zärtlichkeit auf Paapa, und das Blut
steigt ihr in die Klippenwangen und hinauf in die feurige Glorie der
blühenden Pohutakawa-Bäume, die die Klippen krönen.
Die feuerroten Blütenblätter flattern auf den Strand hernieder, von
lem Tangaroa, der Nimmerruhende, wieder Besitz ergreift. Langrollende
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Linien weißen Schaumes wirft er ans Ufer unter donnernden Gesängen
zu Paapa, der Schönen.
„Sieh, wie Rangis Tagauge herniederschaut, mein guter Freund, und
die Herzen mit Sehnsucht füllt.“
Erzähle mir, Ngawai, was du von den Helden deines Volkes ge-
hört hast; von denen, die lange Zeit vor uns den Pfad zu Hine-nui-te-po
wanderten,
„Ach, von vielen Taten der Helden spricht der Mund der Bejahrten;
doch sieh, mein Freund, wie zärtlich Rangi auf der Brust Paapas ruht:
auf dem schneebekleideten Taranaki. Während wir an der endlosen
Schaumborte Tangaroas entlang wandern, lausche auf die Worte, —
denn sie sind schön — auf die Worte von Hinemoas Liebe.
Höre, mein guter Freund, von der Liebe, die war, der Liebe der beiden,
der Liebejvon Hinemoa und Tutanekai.
Höre:
Schöne Weiber spiegelten die klaren Wasser des Waitemata; schöne
Weiber die fließenden Wasser des Waikato und die bodenlose Tiefe des
Taupo-moana; — doch ach, kein Wasser spiegelte je solch schönes
Weib, wie wenn an schweigenden Abenden Hinemoa hinab in die Tiefe
des Rotorua-Sees blickte und ihr Bildnis betrachtete.“ — — —
So beginnt Ngawai ihre Erzählung.
In ihren schwarzen Haaren zirkelt die Sonne einen goldigblauen Kreis;
blaugoldig spielt das Licht über ihre braune Haut; ihre Lippen zucken
und ihre großen, glänzenden Augen erblicken in der Ferne das, was ihre
Lippen erzählen. —
— — „O, Hinemoa ist voll Frohsinn und lächelt auf ihr Bildnis;
denn über den See schallt die süße Musik der Flöte und des Hornes, die
Tutanekai und sein Freund Tiki spielen, weit, weit drüben in der Mitte
des Sees, auf der Insel Mokoia, Tutanekais Heimat.
Hinemoa lauscht und murmelt zu dem Wasser: O, Tutanekai, wie süß
ist deine Musik meinem Ohre; wie süß ist deine Musik meinem Herzen.
Viele schweigsame Nächte lauschte Hinemoa, und ihre Freude wuchs
und immer glücklicher wurde ihr Herz. —
Zu Zeiten, wenn große Versammlungen des Volkes auf dem Festlande
im Pa des Ariki Amukaria, des Vaters von Hinemoa, waren, kam auch
Tutanekai von Mokoia herüber. Inmitten der Ausgelassenheit aber saß
ar allein und sandte schnelle Blicke hinüber zu dem schönen Mädchen,
die unter den Frauen saß wie ein weißer Kranich unter einer Herde Kiwi.
Seine Hände begannen zu zittern, und er schämte sich darum, und Furcht
zog in sein Herz.
Q) Te Tohunga., -
65
Ach, er fühlte Furcht und Zittern und großen Zorn über seine Schwäche.
— Ein böser Atua, eine Eidechse, mußte an seinem Herzen fressen. Ach,
er sehnte sich nach Kämpfen mit mächtigen Feinden, damit er im Kampfe
sein Zittern verliere und seine Schwäche vergesse.
Darum versammelte er seine Kriegsfreunde, und mit ihnen überzog
er wie eine dunkle Wolke den Stamm seines Feindes in den Bergen und
forderte ihn zum Kampfe heraus.
Mächtig waren seine Feinde und groß war das Fechten. Viele waren
der Erschlagenen in dem Kampfe, aber Tutanekai blieb Sieger und machte
rziele Sklaven und hielt große Opferungen zu dem Gott des Krieges.
Ach, die großen Opferungen gefielen dem Kriegsgotte und er sandte
Stolz und Frohsinn in Tutanekais Herz; da war alles Zittern und alle
Beschämung vergessen. —
So kehrte er wieder nach Mokoia zurück, und bald schallte seine süße
Musik wieder auf den See hinaus. In den schweigenden Nächten zog sie
wieder über den See, und leise zog sie sein Herz mit hinüber zu Hinemoa,
dem schönen Mädchen, und brachte ihr Bildnis zurück, wie sie am Ufer
saß und lauschte — und Trauer wieder nagte wie eine Eidechse an dem
Herzen Tutanekais.
Zuletzt sandte er Tiki, seinen Freund, zu Hinemoa, ihr zu erzählen,
wie sein Herz voll Traurigkeit sei, fern von ihr, und wie Zittern ihn über-
falle, wenn er nahe ihrer Schönheit sei; und dann sollte Tiki sprechen:
O, Hinemoa, komm und gib deine Schönheit Tutanekai, denn sein Herz
sehnt sich nach Fröhlichkeit, seine Arme sehnen sich nach Hinemoa! —
Wachsam war Amukaria, doch Tiki brachte seine Botschaft Hinemoa,
und frohlockend antwortete sie: E-hu, wachsen wir beide denn einer im
Herzen des andern? Und sie versprach, zu Tutanekai hinüberzukommen
im Canoe, wenn die Nacht am dunkelsten sei und seine Musik am
süßesten über den See schalle, sie durch die Dunkelheit zu leiten. —
Amukaria wollte Hinemoa nur einem Rangatira von größter Mana
zum Weibe geben; denn ihre Schönheit war wie die Morgensonne über
dem See, — und er, die Macht und die Gefahr solcher Schönheit er-
kennend, ließ alle Canoes hoch auf das Ufer ziehen. Ach, dann schallte
in der dunklen Nacht die süße Musik Tutanekais über den See, und sie
rief und rief nach Hinemoa, — doch die wanderte am Ufer und Tränen
kamen aus ihrem Herzen, aber sie konnte Tutanekais Ruf nicht folgen.
Ach!“ — — —
Die Augen voll Tränen, wandert Ngawai an den langrollenden Schaum-
wellen entlang; sie erzählt, leise zu sich selbst sprechend, von den
Schmerzen Hinemoas, wie sie hilflos der Musik Tutanekais nicht folgen
konnte. Ngawai begleitet ihr leises Murmeln mit Handbewegungen, die
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Verzweiflung ausdrücken; sie preßt ihre Hände an ihren Busen, dann
streckt sie ihre Arme sehnsüchtig über das Meer aus und preßt sie wieder
auf ihren Busen — und dann verfolgt sie ihre Erzählung, doch mit ver-
änderter Stimme und schnellem Wortfall:
— „Eines Abends saß Hinemoa auf dem Felsen Iri-iri-Kapua
und lauschte traurig auf Tutanekais Musik, als plötzlich wie eine Erd-
erschütterung die Sehnsucht sie durchzitterte: Die Furcht der Liebe und
der Mut der Liebe flossen über in ihrem Herzen! —
Ach, sie floh hinüber zum Vorrathause, nahm sechs trockene leere
Kürbisflaschen und band sie mit Flachs zusammen; damit floh sie hin-
unter zur Klippe, die Wai-rere-wai genannt ist, warf ihre Matte von
Kiwifedern ab und stürzte sich in den See. Ach. —
Ha, sie wollte den langen, langen Weg mit Hilfe der Kürbisflaschen
schwimmen!
O, mein Freund, sieh, wie Hinemoa sich wie ein herrlicher fliegender
Stern ins Meer stürzt! — — ;
OQ, Hinemoa, die Mutige!“ — — —
Ngawai schweigt, ihre Lippen murmeln die Sprüche zu Tangaroa,
ihre Hände zittern, ihre Brust atmet schwer, in die Ferne starren ihre
Augen. —
— — „Ach dort, sieh, sie ist dort, wo der Stumpf des versunkenen
Baumes aus dem Wasser ragt. —
O, Hinemoa! Ihre Arme sind müde, ihre Brust hebt sich wild, — ach,
sie hat den Stumpf ergriffen. O, wie ihre Glieder zittern! — —
Ha! Nun hat die Dunkelheit sie verschlungen: O, Hinemoa, sie ist
nutig!
Weiter schwimmt sie, weiter, weiter; müde sind ihre Glieder, ihre
Brust schmerzt. Dunkelheit umgibt sie, aber näher und näher kommt
die süße Musik; näher und näher Tutanekais Lockung — da, zuletzt,
mit ihrer letzten Kraft, ergreift sie den Felsen von Mokoia, dort, wo
die warme Quelle in der Höhle Wai-ki-miha ist. Ach! — — — In Wai-
zi-miha sucht sie Schutz: ihr ist kalt, sie zittert wie das tote Blatt des
Baumes!
Ha, ihre Hände zittern, doch ihr Herz ist voll Fröhlichkeit. —
Müde sind ihre Glieder, doch ihre Liebe ist glücklich!“ — -
Mit schnellen Schritten eilt Ngawai vorwärts; Leuchten ist in ihren
Augen, leise murmeln ihre Lippen; ihr Herz und ihre Gedanken ’aber
wandern weit, weit zu den Wassern des Rotorua-Sees und begleiten Hine-
moa, ihre Ahnfrau, auf ihrer wundervollen Reise. Alle Schmerzen, Freu-
den und Leiden teilt Ngawai in Gedanken mit Hinemoa. —
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„Lang, ach lang war ihr Weg über das Wasser. O, groß
war die Liebe Hinemoas! —
Als sie sich in der Höhle wärmte, erschien in dem Eingang ein Sklave,
den Tutanekai gesandt hatte, Wasser zu holen. Er füllte seinen Cala-
basch. Da sprach die Stimme Hinemoas aus der Dunkelheit: „Für wen
ist das Wasser, das du geschöpft?“
Der Sklave, erschreckend, antwortete: „Für Tutanekai, meinen Ariki.“
Da sprach Hinemoa: „Ist es für Tutanekai, so gib es mir.“ Der furcht-
same Sklave reichte ihr den Calabasch, und sie trank daraus und zer-
brach ihn an den Felsen. —
Der Sklave rief: „Warum hast du Tutanekais Calabasch zerbrochen?“
aber Hinemoa antwortete ihm nicht.
Wieder sandte Tutanekai den Sklaven, und wieder sprach Hinemoa:
„Ist das Wasser für Tutanekai, so gib es mir,“ — und der Sklave, voll
Furcht, reichte den Calabasch in die Dunkelheit, und sie trank daraus
und zertrümmerte ihn. —
Als nun Tutanekai die Erzählung des Sklaven vernahm, ergriff er voll
Wut und Zorn seine Kriegswaffe aus Walfischknochen und rief, daß
es über die Insel schallte: „Ha! Wehe dem Manne, wehe dem bösen Geist,
der meine Calabasche zerbrach! Ha, ich will einen Calabasch aus seinem
Schädel machen!“ — — —
— Rauh kamen diese Worte von Ngawais Lippen, doch voll Lachen
sind ihre Augen, und sie wandert eine Weile vor sich hin lächelnd. —
— „In der dunklen Höhle, die machtvolle Waffe zum tödlichen
Schlage erhoben, schrie Tutanekai wütend: „Wer ist der schlechte
Feind? Seinen Namen will ich dem Becher geben, den ich aus seinem
Schädel machen werde!“
[Ind eine Stimme antwortete aus der Dunkelheit: „Ich bin es“, und die
schöne Rangatira, von ihren langen Haaren wie von einem Mantel um-
wallt, stand vor Tutanekai und streckte ihre Arme voll Sehnsucht ihm
entgegen: „O, Tutanekai, mein Ariki, töte mich, töte Hinemoa!“
Da fiel die mächtige Waffe wie ein toter Stock auf den Boden; ver-
gessen war der Gott des Krieges, vergessen die Eidechsen, Trauer und
Furcht, und jubelnd schallte Tutanekais Stimme durch die Höhle:
— „Hinemoa!“ —
Und von den Felsen schallte das Echo über den See: — „Hinemoa!“
Lange starrt Ngawai auf ihre Hände, dann formen ihre Lippen das
Wort:
„Hinemoa“.
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MAUI UND IRAWARU.
[_ANGSAM treibt mit der Flut das Canoe den Fluß hinauf.
Am rosig gefärbten Himmel naht sich die Sonne dem Untergang.
Im Bug des Bootes sitzt Hupene. Er starrt nach Westen hinaus und
murmelt leise vor sich hin. Ngawai spielt müßig mit dem Steuer, sie
wiederholt träumend, was der Alte murmelt.
Möwen schweben über den Dünen im Abendsonnenschein, sie schießen
über unsere Köpfe und am Canoe vorüber zum Wasser nieder. Ihre
Schreie wecken unsere Gedanken aus den Traumwelten, in die sie sich
wieder und wieder, der scheidenden Sonne nach, verlieren.
MHupene senkt, geblendet von dem breiten Sonnenspiegel des Flusses,
das Haupt und murmelt singend. Von Maui singt er, ja, von Maui, dem
Liebling seines Volkes. Er singt:
‚Maui und Irawaru zogen einst auf den Fischfang. Ha, viele Fische
wollten sie fangen, einmal, vor langer, langer Zeit. Maui und Irawaru,
der Mann seiner Schwester Hinauri. Aber Maui konnte keine Fische
fangen und Irawaru fing viele.“ — — — —
Tiefer sinkt die Sonne, während Hupene murmelt. Das gewaltige
Schauspiel des Sonnenunterganges leiht Kraft und Zauber den Worten
des Singsangs. Denn um den Sonnenuntergang spinnt sich die Legende,
von der Hupene murmelt: um Maui, den Sonnenhelden,. um seine
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Schwester Hinauri, die Erde, und um Irawaru, den breiten goldenen
Widerschein der Sonne auf dem Meere. Der Sonnenwiderschein ist der
Erde vermählt: Irawaru ist der Gemahl Hinauris.
Maui und Irawaru sind auf den Fischfang gezogen. — Was anders
kann ein Mann auch auf dem Meere zu tun haben? ;
„Ah,“ singt Hupene, „Irawaru fing viele Fische, eine große Menge, und
Maui blickte auf seine Arbeit und sah und sah, wie Irawaru die vielen
Fische aus dem Wasser hob und zappeln ließ. Ha, da wurde er neidisch
und zornig! Er nahm ein Bündel seiner Angelschnüre und warf sie
zwischen die Leinen Irawarus, und alle Schnüre und Leinen ver-
wickelten sich. Ein großer Fisch biß an, Maui konnte fühlen, wie er
zappelte. Schnell zog er seine Leinen ein und mit ihnen die Leinen
{rawarus, die mit den seinen verwickelt waren. Ha, er zog und zog!
Zuletzt erblickte er den Fisch an der Oberfläche des Meeres.
Er greift nach ihm. Er hat ihn! Ha, ha — da sieht er, daß Irawarus
Haken den Fisch gefangen! Ha, da sieht er aber auch die Widerhaken,
mit denen Irawaru seinen Haken gewaffnet hatte, ohne Maui sein Ge-
heimnis zu verraten. Ha, sieh, wie er rot erglüht vor Zorn, als er merkt,
wie Irawaru ihn hintergangen. Sieh, wie er schwillt und glüht in ge-
waltigem Zorn!“ — — — —
So singt Hupene, in den Westen blickend.
Von der Sonne schießen die letzten scharfen Strahlenschnüre in das
Meer, die spitzen Schnüre, die tiefeindringen, aber die Fische nicht halten
können. Breit aber liegen Irawarus Schnüre auf dem Meere bis zum Fluß
hinauf. Deutlich zeigten sie im Wellengekräusel jetzt die Widerhaken,
deutlich auch zappeln dort die Fische. Von dem großen Zorne Mauis
handelt jetzt der Singsang Hupenes; von dem großen Zorne Mauis und
von der Bosheit und List, die in ihm erwachte, Irawaru zu strafen.
„Ha, blutrot vor Zorn spricht Maui: Ho-ho, Irawaru, sieh, mein Canoe
ist am Himmelsende angekommen, komm, krieche unter mein Canoe
und hebe es auf das Ufer der Unterwelt.“
Leise lacht Hupene in sich hinein. „Ha,“ schreit er plötzlich, „Irawaru
ist einfältig und gutmütig! Ach, er kennt nicht Mauis Schlauheit! Er
kriecht unter das Canoe — ach, — Irawaru. Ha! da springt Maui auf und
wirft sich mit all seiner großen Kraft in das Canoe nieder. Er springt,
er preßt — ha, er preßt und schwillt und springt und preßt, dunkelrot
vor Wut und Zorn. Ach, Irawaru, Maui tötet ihn! Ha, sieh, Maui!
Er springt aus dem Canoe; er trampelt auf Irawaru, er tanzt auf Ira-
waru! Ah, sieh, wie der Körper Irawarus sich verlängert! Ha, sieh, Maui
trampelt auf ihm. Sieh, er verwandelt ihn in einen Hund! Ha! Sieh, Maui,
er selbst sinkt erschöpft in die Unterwelt, doch mit seiner letzten Kraft
noch trampelt er auf dem langen Schwanz des Hundes Irawaru! Ha!“ —
792
Während der Alte erzählte, schien die blutigrote Sonne am Horizonte
zu zittern, ehe sie versank. Ein schmaler canoeförmiger Wolkenschatten
hat sich zwischen die Sonne und den Reflex gelegt. Noch einmal scheint
die Sonne zu zittern. Schmal, langgestreckt wird ihr Widerschein auf
dem Wasser. Die Sonne versinkt, und am Canoe vorbei huscht der
Widerschein zum Ufer, in die Gebüsche, auf die Hügel, um dort sich
zu verbergen.
Leise stößt unser Canoe an das Ufer, um Hupene auszusetzen, der in
seiner Hütte am Flusse übernachten will. Sein Singsang aber ist noch
nicht beendet, und so steht er am Ufer vor der goldenen Abendröte und
endet schreiend seinen Sang. Ngawai, im leise fortgleitenden Canoe,
lauscht auf seine Worte und wiederholt sie murmelnd:
„Höre, er singt: Hinauri fragt den scheidenden Maui, wo Irawaru, ihr
Mann ist, Irawaru; denn sie kann ihn nicht sehen. Maui ruft ihr zu:
„Ha, der Bursche hat sich in den Gebüschen versteckt, geh und rufe
moi-mo-i, Irawaru, moi-moi, moi-mo-i.“!) Hinauri geht und ruft
und ruft: Irawaru, moi-moi, Irawaru, moi-mo-i. Da kommt ein Hund
zu ihr gelaufen, und sie weiß, daß es Irawaru ist, ihr Mann, den Maui
aus Bosheit so fürchterlich verwandelt hat. Da klagt und seufzt sie,
daß es kalt und erschauernd in die Bäume und auf das Meer fährt. und
dann stürzt sie sich verzweifelnd in den Ozean.“ —
Schwärze füllt die Natur, Dunkelheit lagert auf dem Flusse. Schlaf
und Schweigen verhüllt das Dorf am Uferrand. —
Hinauri, die Erde, hat sich der scheidenden Sonne nach in die Dunkel-
heit gestürzt.
MAUIS TOD.
hatte viele Nachkommen. Sie lebten mit
dem Volke in Hawaiki und mit dem Volke
in Aotea-roa, der „Großen weißen Wolke“,
Maui hatte seinen Kindern dieses Land
geschaffen.
Maui hatte Tama-nui-ki-te-Ra bezwungen und lange Tage geschaffen.
Maui hatte Mahuika, seine Ahnfrau, betrogen und getötet und hatte
das Feuer in den Komaki-Baum gebannt. — Ha! da wuchs der große
Wunsch im Herzen Mauis, seine alte Feindin Hine-nui-te-po zu be-
zwingen!
!) Lockruf für Hunde und andere Tiere.
iQ Te Tohunga.
73
Ah, Hine-nui-te-po! Maui wollte sie töten, die Menschenverschlingende:
dann sollten seine Nachkommen immer leben, immer und immer in Ha-
waiki, immer und immer in Aotea-roa, immer und immer, ake, ake, ake! —
Zum Baume in Hawaiki, der das Dorf seiner Eltern beschattete, wan-
derte Maui, sich Rat zu holen. Doch seine Eltern waren noch zornig
auf ihn wegen seines Streiches, den er Mahuika gespielt, und der ihm fast
das Leben gekostet hatte. Da sprang er auf und lachte: „Ho, ho, alte
Leute, ho, ho.“ — „Ha,“ schrie er, „ha, wer hat größere Taten vollbracht
als Maui?“
Wer hat den großen Fisch bezwungen, Te-ika-a-Maui? —: Maui!
Wer hat Tama-nui-ki-te-Ra bezwungen? — : Maui!
Wer hat das Feuer bezwungen? —: Maui!
Ha, alte Leute, wer will stärker sein als Maui?
Ha, hört, Hine-nui-te-po will er töten. Hine-nui-te-po, die Nacht, Hine-
nui-te-po, den Tod!
{mmerwährendes Leben soll in Hawaiki herrschen; immerwährendes
Leben in Aotea-roa! Immer und immer, ake, ake, ake! Ha, wer ist stärker
als Maui?“
Da antwortete sein Vater: „Hine-nui-te-po, die dort drüben am Hori-
zonte lauert, ist stärker als Maui! Ha, ihre Augen, die dort flimmern,
sind dunkel wie Grünstein; ihre Zähne sind scharf wie der Feuerstein.
Ihr Mund ist wie das Maul des Baracuta-Fisches und ihre Haare sind
wie das Seegras auf den Meeren. Ach, ihr Körper allein hat mensch-
liche Form.“
„Ho, ho,“ schrie Maui, „ist ihre Macht so groß, wie die Macht der
Sonne? Ist ihre Weite so gewaltig wie der Ozean, den ich mit Land ge-
“ullt? Ist ihre Schnelle so groß wie die Schnelle des Feuers?“
Da mußte sein Vater antworten: „Du hast recht, mein jüngster Sohn.
Gehe mutig hin, wo deine Feindin am Horizonte blitzt, und bezwinge
sie. Geh, mein jüngster Sohn!“
Schnell verwandelte Maui sich in einen wunderschön leuchtenden
Vogel und flog in den heiligen Baum von Hawaiki. Dort sang und
zwitscherte und lockte er, bis alle Vögel sich um ihn versammelten.
Der Tui und der Huia und der kleine Ti-waka-waka, alle Vögel folgten
den Lockrufen Mauis. Ha, da war großes Jubilieren und große Fröhlich-
zeit im Baume von Hawaiki; denn alle Vögel zwitscherten und sangen,
was sie wußten.
Als es Abend wurde, flog Maui und die ganze Vogelschar hinüber
zum Westen, wo Hine-nui-te-po wohnte. Dort ließen sie sich nieder
und fanden die alte Göttin schlafend.
Schnell verwandelte Maui sich wieder in einen Mann. Dann trat er
anter die Vögel und bat sie, ganz still und verschwiegen zu sein und
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nicht zu lachen, damit die alte Göttin nicht aufwachte. Er erzählte ihnen,
daß der Augenblick seiner größten Heldentat gekommen sei: er wolle
in den Schoß seiner Ahnenfrau Hine-nui-te-po zurückkehren und ihr
Herz rauben, dann würden die Menschen immer und immer leben, ake,
ake, ake!
Als die Vögel das hörten, da flatterten sie umher und zwitscherten
voll Angst und riefen: „Maui, tu es nicht, tu es nicht, Maui, nicht, Maui,
nicht, nicht; Maui, tu es nicht!“ Aber Maui warf seinen Federschurz ab.
Ha, da sahen alle Vögel die leuchtende Tätowierung, die von dem Gotte
des Regenbogens um seine Hüften gemeißelt war, und sie flatterten lustig
umher und waren froh über Mauis Schönheit.
Maui aber ergriff seine heilige Waffe und drang mutvoll in Hine-nui-
te-po ein.
Alldieweil flatterten die kleinen Vögel umher und flogen hierhin und
dorthin und waren voll Angst um Maui. Sie huschten geräuschlos durch
die Büsche und höher hinauf auf die Bäume. All die glitzernden Augen
blickten neugierig auf Maui, sie blitzerten und glitzerten voll Freude
auf das Schauspiel. Die Lust zur Fröhlichkeit und zum Lachen über-
wältigte die Vögel fast, doch Mauis Warnung eingedenk. flatterten sie
schweigend höher und höher.
Ach, da, als Maui fast in Hine-nui-te-po verschwunden war, da plötz-
lich brach der kleine Ti-waka-waka in ein herzliches Lachen aus mit
seiner süßen, fröhlichen Stimme.
Ach, der süße Laut weckte die alte Göttin, und ihre Grünsteinaugen
Sffnend, sah sie Maui. Schnell preßte sie ihre Schenkel zusammen und
zerdrückte Maui in ihrem Schoß.
Das war Mauis Tod. —
So tötete die Göttin der Nacht den Sonnengott
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DIE NEBELGEISTER.
ERN auf den Bergen wohnen die Patu-paiarehe, die Nebel-
geister Maorilands. Auf den dichtbewaldeten Bergen des Nor-
I __ _ dens hausen sie am liebsten. Dort leben sie in ihren kleinen
Pas (Dörfern), die mit Pallisaden umgeben sind wie die Pas der Maori
77
und ebenso geschmückt sind wie diese, mit winzigen Schnitzereien und
köstlichen kleinen Figürchen ihrer Geister-Vorfahren.
Der Berggipfel Pirongia ist im Besitze der Nebelgeister. Er ist ein
Maunga-hikonga-uira, ein „Blitzstrahlender Gipfel“. Manchmal, wenn
unten über der Ebene der Himmel sich streckt, blau und klar, dann hört
das Maorivolk, wie die Donner den Berggipfel entlang rollen, und ihre
Augen sehen, wie Blitzstrahlen aus den Himmeln sich auf die oberste
Spitze herabschmettern. Das ist das Tohu-mate, ein Omen des Todes
und des Unglücks dem Maorivolke: ein Häuptling von großer mana
wird sterben, oder ein schweres Unglück wird das Volk treffen.
Hoch um die höchste Spitze des Berges leben die Patu-paiarehe.
Te Puhi, mein Maorifreund, und ich wurden einst auf den Höhen von
Pirongia von der Dunkelheit überrascht. Ein mächtiges Lagerfeuer
wurde angezündet, während Tama-nui-ki-te Ra hinter den westlichen
Hügeln in seine Meerhöhlen sank. Die Abendnebel krochen aus den
Bächen und Schluchten hervor und stahlen sich geräuschlos an den
schwarzen Wäldern entlang. Vom Lagerfeuer schossen lange, tanzende
Lichtreflexe unheimlich in den dunklen Wald, und Te Puhi hockte nahe
am Feuer und starrte voll Furcht in die dunklen Waldgänge.
„O, Freund“, murmelte er plötzlich mit unterdrückter Stimme, als
fürchte er sich, die Nebelgeister hervorzulocken, — „o, Freund, es ist gut,
daß du, ein Weißer, bei mir bist, sonst würde der Stamm der Patu-
paiarehe mich heimsuchen. Wer weiß, wie es mir ginge! — Wer
weiß?
Lausche! Mein Vorfahr, Ruarangi, ein großer Häuptling, wohnte mit
seinem Weibe Tawhaiatu nahe am Waipaflusse. Die Ebene war mit
jen Kochfeuern des Maorivolkes bedeckt; noch war der weiße Mann
nicht zu den Ufern dieses Landes gekommen.
Tawhaiatu war ein schönes Weib.
Höre!
Eines Morgens, als im frühen Grauen Ruarangi vom Aalfang zurück-
kehrte, fand er seine Hütte leer; sein Weib war verschwunden. Er suchte
und suchte. Als es endlich voller Tag geworden war und er sie nicht
gefunden hatte, da wußte er, daß die Patu-paiarehe sein Weib gestohlen
hatten, und es ergriff ihn große Trauer!
Er nahm seinen Speer und sein Grünstein-mere und wandte seinen
Weg dem Berge zu, auf dem die Patu-paiarehe hausten: — hierher!
Oft unterbrach er seinen Weg und hielt Karakia zu den Göttern und
sang Sprüche zu ihnen und Klagegesänge zu Tawhaiatu.
Endlich, nach vielem Suchen kam er zu dem Platze, nach dem die
Nebelgeister Tawhaiatu gebracht hatten, — ha, seine Sprüche zu den
Göttern schützten ihn davor. daß er von den Patu-paiarehe entdeckt
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wurde, sonst wäre er ein toter Mann gewesen! Er entkam mit seinem
Weibe, bevor es dem Häuptling der Nebelgeister gelang, sie einzuholen. —
Sie wußten, daß der Häuptling mit seiner Schar kommen würde, Taw-
haiatu wieder zu ergreifen. a
Als sie in ihrer Trauer während der dunklen Nacht fest aneinander-
geschmiegt in ihrer Hütte hockten, da kam der Geist eines Tohunga-
vorfahren zu ihnen und sprach vom First der Raupohütte herab mit
pfeifender Stimme: „O, Freunde, ich grüße euch! Hört auf meine Worte,
hört, hört. Nehmt die heilige rote Farbe Kokowai und bemalt eure
Körper damit, und bedeckt damit eure Hütte und die Türpfosten, die Tür
und den Boden. Hört, hört. Kokowai ist stärker als die Patu-paiarehe;
Feuer ist stärker als die Patu-paiarehe! O, Freunde, lebt wohl.“
Ruarangi und sein Weib taten, wie es die Stimme ihres Vorfahren
ihnen zugerufen hatte, und sie entzündeten ein mächtiges Feuer vor der
Hütte; dann erwarteten sie die gefürchtete Ankunft der Nebelgeister.
Und in der Nacht, aus der schwärzesten Dunkelheit kamen sie; voran
der Häuptling von den nebelbedeckten Bergen. Er stand auf dem Platze
vor der Tür und blickte in die Hütte. Ha, er sah den roten Kokowai an
den Türpfosten und an den Wänden und an den Körpern des Mannes
und des Weibes, die an dem kleinen Feuer in ihrer Hütte hockten und
Sprüche zu den Göttern sangen. Ha, da konnte er sich nicht nähern.
Er stand und starrte während der ganzen Nacht in die Hütte, und während
der ganzen Nacht schallten Ruarangis und seines Weibes Sprüche aus
der Hütte heraus. Da, als sie erschöpft innehielten, hörten sie, wie aus
dem Morgengrauen das dünne Stimmchen des Häuptlings klang. Er sang
einen langen Klage- und Abschiedsgesang zu Tawhaiatu, und dann
wandte er sich zurück zu seinem Pa auf dem hochaufstrebenden Pirongia.
Das heilige Kokowai und das Feuer hatten seine Macht gebrochen. —
— — Ha, es ist gut, daß du, ein Weißer, bei mir bist. Wer weiß, wie
es mir ginge? Bin ich doch ein Nachkomme Ruarangis und Tawhaiatus?
Wer weiß, wie es mir ginge? — — — — -
Selten sind die Patu-paiarehe sichtbar, und ein Tohunga nur kann die
Häuser und Pallisaden ihrer Pas wahrnehmen.
Die alten Maori aber wissen, daß sie immer noch die hochaufstrebenden
waldbekleideten Berge Ao-tea-roas bewohnen. Manchmal, in düsteren
und traurigen Tagen, wenn dichter Nebel die spitzen Felsen und tiefen
Schluchten einhüllt, ist das Geistervolk zu hören, wie es mit dünnen
Stimmchen singt, begleitet von den trübseligen Tönen der Geister-
trompete und der Koauau, der Nasenflöte; dazwischen aber hört man
die Kinder der Patu-paiarehe lachen und singen hoch über den Wolken.
Sie sind ein zahlreiches und freundliches Volk, einige von ihnen
winzige Gnomen und Elfchen, andere wieder den Männern und Frauen
80
dieser Welt gleichend, aber kleiner und lieblich geformt, mit hellem
Haar und heller Haut, gerade wie die Europäer.
Manchmal wohl quälen und ängstigen sie das Maorivolk, aber in
Wirklichkeit sind sie freundlich und dem braunen Volke zugetan.
Ein alter Maori erzählte von ihnen:
Eines Nachts sahen ein paar Maorimänner und Weiber, die sich spät
auf dem Wege befanden, wie die Patu-paiarehe damit beschäftigt waren,
Fische zu fangen. So fleißig waren sie, daß das Tageslicht sie überraschte;
das aber fürchten die Nebelgeister mehr als alles, und schnell, so schnell
es ihnen nur möglich war, suchten sie sich auf die Berge zu flüchten.
[In ihrer Eile hatten sie die Netze und Fischkörbe zurücklassen müssen,
und die Maori, die im Gebüsch versteckt während der Nacht das ge-
schäftige Geistervolk beobachtet hatten, fürchteten sich, näher zu gehen
und das Geistereigentum zu betrachten und berühren. Zuletzt aber faßten
sie Mut und krochen näher zu den Netzen und Körben hin, und schnell
verging ihnen der Tag, während sie die Art und die Muster und die
Stiche zu lernen suchten, die man wissen muß, um große Fischnetze
zu machen. Plötzlich war es Abend geworden, und sie wurden von den
zurückkehrenden Nebelgeistern überrascht. In großer Angst suchten sie
sich zu verstecken, aber sie wurden von den Patu-paiarehe entdeckt und
hervorgezogen. Eine große Schar der Geister umzog aufgeregt die
armen Maori, die sich zitternd dicht aneinander drängten und glaubten,
daß sie sterben müßten. Da trat der Häuptling der Patu-paiarehe auf sie
zu und sprach freundlich zu ihnen und sagte, daß die Geister beschlossen
hätten, ihnen die Kunst des Netzemachens su zeigen, damit auch sie mit
Netzen im Meere fischen könnten, aber unter einer Bedingung nur: sie
dürften nicht alle Fische des Meeres fangen.
Das versprachen die Maori voll Freude. '
Dankbar halfen sie während der Nacht den Patu-paiarehe beim Fischen
und lernten, wie man die Netze auswirft und einzieht, und alles, was nütz-
lich und nötig zum Fischfang. Kurz vor Morgengrauen verabschiedeten
sie sich unter Klagegesängen von ihren neuen Freunden, und dann
wanderten sie zurück zu ihrem Pa und zeigten ihrem Volke die Netze
und Körbe, die die Patu-paiarehe ihnen zum Geschenk gemacht, und
lehrten es die Kunst, mit Netzen im Meere zu fischen.
„Von den Patu-paiarehe haben die Maori diese Kunst gelernt,“ schloß
der alte Maori seine Erzählung.
11 Te Tohunga.,
81
Yımı=o-TE-SANnG
DE Geistespfad der Maorijugend führt
heute weit ab von Kämpfen und Siegen.
In wenigen nur rinnt das Blut der alten
Rangatira, die Herren waren über die blutdürstigen Wilden; oder das
Blut der Weiber, die wohl Sklavinnen waren, aber doch manchmal
Tohunga und mächtige Meister über die wilden Leidenschaften. Das
Weib gab dem Manne Leben im Namen des Kriegsgottes. Um geringes
wurde oft des Mannes Waffe des Weibes Tod.
892
Im Kampfe tötete Mann den Mann, und der Besiegte ward zum Fraß
des Siegers.
Draußen auf dem See tummelt sich das Volk beim Fischfang unter
dem Sonnenhimmel, und einsam brütet das Halbdunkel der Wharepuni
über die Vergangenheit.
Schweigend stehen die geschnitzten Ahnen an den Wänden, und
schweigend umziehen draußen die Dunstwolken den fernen schnee-
bekleideten Bergriesen. ;
Es ist die Stunde der Geister und der Lockungen der Natur. Die Sonne
scheidet und Tawhiri-mätea, der Gott des Windes, ruht. — — —
„Höre.“
„Viele Männer und viele Weiber meines Volkes lebten und starben,
ja, viele, viele, seit Tupoho kam, der große Häuptling der Nga-Puhi, und
meine Vorfahren bekämpfte und ihren Pa zerstörte: meine Vorfahren,
die von der „Großen Lichtkraft“ abstammten und sich fortpflanzten
durch viele Generationen zu Tama-te-Kapua, der der Ahne war von
Tihi-o-te-Rangi. — |
Zu dem Pa meiner Vorfahren kam Tupoho mit seinen Kriegern, und
sie waren eine große Menge und kamen in dunkler Nacht, ihre Herzen
voll Kriegslust und Wildheit. —
Ach, Freund, groß war die Zahl der Erschlagenen meines Volkes!
Viele von ihnen opferte Tupoho dem Kriegsgotte; und viele Tage
währten die Feste und Schmause, denn groß war der Haß der Nga-Puhi
gegen mein Volk, und darum töteten und fraßen sie alle Gefangenen und
schütteten ihre Gebeine über die Lande. —
Unter den Gefangenen war Matike, die Schwester Tihi-o-te-Rangis,
und sie wurde die Sklavin der Nga-Puhi; — ach! .
Tihi-o-te-Rangi, der Krieger, weilte fern in den Gebirgen, und viele
Tage vergingen, bevor das Wehklagen des Tangi sein Ohr erreichte, des
Tangi für die Erschlagenen seines Stammes!
Ach, mein Freund, Tihi weilte in den Bergen, Tauben fangend und
jagend, während die Weiber der Nga-Puhi Tag auf Tag die Erschlagenen
seines Volkes zum Schmause zubereiteten.
Ach. —
Schrecken würde über Tupoho gekommen sein!
Tihi würde sein Blut dem Kriegsgotte geopfert haben; ach, er hätte
seine Augen verschlungen! Er würde ihn zum Schmause seinem Volke
vorgesetzt haben! — Ach, Tihi weilte in den Bergen; Tihi weilte in den
Bergen, ach Freund!
Ach, mein Freund. —
Endlich kam die Botschaft zu Tihi.
A
WZ
Zwei Weiber seines Stammes kamen zu ihm; sie kamen nackt und
von Dornen zerfleischt, die weiße Klematis-Blume in den Haaren. In
dunkler Nacht kamen sie und brachten das Haupt ihres getöteten Mannes,
and sie zerschnitten ihre Gesichter und Brüste mit scharfen Steinen, so
daß ihr Blut an den Gliedern herablief.
Ha, fürchterlich war ihr Jammern und ihr Schreien!
Schrecklich waren die Weiber in ihrer Wut und ihrem Jammer!
Ha, da füllte Tihis Herz sich mit dem Feuer der Rache gegen seinen
Feind Tupoho!
Er tötete den kleinen Vogel Ma-tata und opferte das Blut Maru, dem
Kriegsgotte, damit das Kriegstapu über ihn käme, und dann wandte er
sein Auge auf den Weg zu Tupoho.
Tupoho hatte Matike als Sklavin seiner Tochter Te-marama gegeben.
Groß war die Schönheit der beiden Mädchen: Matike, mit ihrem lang-
wallenden Haar und ihrer stolzen Gestalt, war wie eine Blume aus
den Bergen; aber die großen Augen und die sanft schwebenden Be-
wegungen Te-maramas glichen der Schönheit der Pohutukawa-Blume
von den Ufern des Nordens.
Die beiden Mädchen wanderten mit dem Stamme der Nga-Puhi zu-
rück zum Norden. Viele, viele Tage wanderten sie ihren weiten Weg. —
Am Meere fand Tihi den Stamm seiner Feinde.
Seine Schwester zu befreien, gebrauchte er List. Er mischte sich unter
die Sklaven und half die Proviantkörbe tragen, und tat die Arbeit eines
Sklaven! —
Ach, Tihi, der Rangatira von großer Mana, der Besitzer des hohen
Tapu seiner Vorfahren, trug Proviant und Nahrung wie ein gemeiner
Sklave! —
Eines Abends erblickte ihn Te-marama, Tupohos Tochter. Sie sprach
höhnend: „Wahrlich, von allen Kriegern scheinst du der stärkste zu sein,
ınd schön ist die Tätowierung deines Gesichtes und deines Körpers; du
aber tust das schmutzige Werk der Sklaven! Ha, wahrlich, du hast das
Antlitz des Kriegsgottes, doch du hast das Herz einer Taube!“
Und Tihi antwortete: „Du sprichst wahr, ich bin ein Sklave, um meine
Schwester Matike zu befreien; doch die Krieger deines Volkes sind
Weiber nur, denn sie bekämpfen Weiber!“
Dasprach Te-marama mit leiser Stimme: „Wahrlich, von allen Kriegern
bist du der stolzeste, denn du erniedrigst dich zum Sklaven, um ein Weib
zu befreien! Höre: Matike ist nicht länger eine Sklavin, sondern sie ist
von Takerangi zum Weibe genommen. Matike ist keine Sklavin, sondern
sie teilt das Lager und die Mana des Rangatira Takerangi!“
Da sprach Tihi voll Freude: „Süß ist es für die Augen, auf die „Blume
dies Nordens“ zu blicken, und Freude gibt das Lauschen auf ihre Worte.
34
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Höre: Wenn Tihi die gewaltige Kriegswaffe seiner Vorfahren seinem
Kriegerzug voraus in das Land Tupohos tragen wird, den Tod und die
Schmach seines Volkes zu rächen, dann will er Rache gegen alle Krieger
der Nga-Puhi in seinem Herzen tragen, doch Frieden will er bringen in
die Wharepuni, der „Blume des Nordens!“ —
In der Dunkelheit der Nacht entschlüpfte er auf die Hügel. Doch
wieder und wieder, Tag auf Tag, folgte er dem Stamme seiner Feinde
und spähte von den Hügeln herab nach Te-marama, die schweigsam
unter den Frauen der Heimat zuwanderte. |
Zuletzt wandte er seinen Weg zurück zu seinem Volke.
Er sandte Boten aus, alle Krieger der Dörfer über die er Ariki war,
zum Rachezuge zu versammeln. Kriegerzug auf Kriegerzug erschien,
alle glühend nach Rache für die Schmach, die Tupoho ihrem Volke an-
getan. Doch am heißesten kochte der Durst nach Rache in Tihi.
Er baute hohe und unbesiegbare Pallisaden um den Pa und machte
ihn zu einer gewaltigen Festung, — doch immer wenn die Schatten des
Abends herniedersanken, dann formte sein Geist das Bildnis des schönen
Mädchens, und die Lockungen und Gebote des Kriegsgottes waren ver-
wischt wie von einem Wolkenschleier. Er saß einsam und sandte Ge-
schenke zu dem Tohunga und ließ ihn Sprüche halten zu den Göttern,
die das Herz des Weibes lenken. —
Ach, das war um die Zeit, als fern in Nga-Puhi Te-marama 1lustlos
und schweigsam am Ufer des Meeres saß. -
Viele Tage und viele Nächte saß sie lustlos und schweigsam.
Eines Morgens, als die Sonne wieder in den Himmel fuhr, sprang sie
auf und rief ihrer Sklavin zu, Nahrung in Körbe zu packen und ihr zu
folgen. —
Ah, das, Freund, war der Anfang von Te-maramas langer Wander-
schaft über das pfadlose Land, durch den verwachsenen Wald, an den
endlosen Ufern!
Sie folgte den Göttern, die Tihi durch seine Sprüche zur Hilfe ge-
zwungen hatte, folgte ihnen, folgte ihnen, weiter und weiter, von
wilden Beeren des Waldes lebend und von der Nahrung, die das Meer
gibt. Sie schlief verborgen unter den Felsen der Küste oder auf den
Ästen der Bäume, das Herz voll Furcht vor der Unzahl der Geister.
— Ach!
So wanderte und wanderte Te-marama mit ihrer Sklavin, bis sie zu-
letzt den großen Fluß erreichten, an dessen Ufern Tihis Pa stand. Dort
machten sie ein Floß aus trocknem Holz, das sie mit Flachsblättern zu-
sammenbanden, und setzten über den Fluß.
Endlich kam Te-marama an den Pa Kau-ara-paua und fragte nach
Tihi-o-te-Rangi.
RG
Tihi aber lebte in dem Pa Tuke-a-Maui, viele Meilen den Fluß hinauf.
Sie bat um ein Canoe, und die Leute in den Dörfern an den Ufern waren
zut zu ihr und gaben ihr Nahrung und Hilfe, und bewunderten ihre
Schönheit.
Viel fragte sie nach Tihi und wo sie ihn finden könne, und eines
Abends, während sie in der whare Rongo-mais ausruhte, erzählte sie
die Geschichte ihrer langen Wanderung und sagte, daß sie Te-marama
sei, Tupohos Tochter. —
Ah, Freund, da überzog schwarzer Ärger und Zorn das Gesicht
Rongos-mais!
Ach, alle seine Verwandten waren erschlagen von Tupoho in dem
xroßen Kampfe. Wie Feuer zog der Wunsch nach Rache in Rongos
Herz!
Ha, er sprang auf, und vor dem versammelten Volke auf und nieder
tanzend, schwang er sein Taiaha.
Mit rollenden Augen und unter gewaltigen Sprüngen schrie er fürchter-
liche Worte zu den Geistern seiner toten Verwandten, die immer noch
weinend im Walde umherirrten; denn ihre Gebeine waren über die
Lande zerstreut und ihr Fleisch war gegessen, und ihr Tod war nicht
gerächt.
Seine Wut wurde schrecklich! — Ha! — Ach, plötzlich sprang er vor-
wärts und tötete mit einem gewaltigen Schlage seines Taiaha die schöne
Rangatira Te-marama! — Ach, ach. Die fürchterlichen Worte hatten die
Herzen der Hörer mit Wut und Rache gefüllt. Wilde Schreie erfüllten
die whare. —
Ha, sie nahmen das Herz Te-maramas, und der Tohunga opferte einen
Teil den im Walde umherirrenden Geistern der Verwandten. Dann be-
reiteten sie den Körper und hielten einen schrecklichen Schmaus! Ha!
Das war die schwerste Beleidigung für Tupoho! Ach, sie hielten ihren
grausamen Schmaus an dem Körper des schönen Weibes, das gekommen
war, Freude dem Herzen Tihi-o-te-Rangis zu geben! Ach, das schöne
Mädchen, welches so weit gewandert war, um das Feuer in der Whare-
puni Tihis zu schüren und Freude seinem Nachtlager zu geben, ach, sie
wurde verschlungen von ihren Feinden, aus Rache für die Geister der
Erschlagenen. — Ach!
Ach, mein Freund! Tihi war nahe, doch die Freude seines Herzens
und die Süße seines Geistes war getötet!
Ach, mein Freund. —
Die Sklavin entkam.
Fluten waren ihre Thränen und gellend waren ihre Schreie mit denen
sie nach Tihi rief. Schrecklich waren die Worte der Beleidigung und
Schmach, die sie in Tikis Ohr kreischte:
87
„O, Tihi, blicke auf Te-marama, die in Wahrheit deine Sklavin war!
Blicke auf sie! Blicke auf ihre Knochen in den Mäulern deines Volkes
von Hunden! Geh, und suche die Augen deines Mädchens im Magen
des Hundes Rongo-mais! Geh, damit die Hunde deines Volkes dich
fressen! Geh, Rangatira eines Volkes von Hunden!“
Da stürmte Tihis Blut und seine Augen brannten und sein Herz. Mit
seinem mere spaltete er den Schädel der Botin, die die schlechte Nach-
richt gebracht; dann schnitt er sein Haar ab und opferte es über dem
Feuer den Göttern.
Dann nahm er seine schreckliche Rache!
Er erschlug Rongo-mai und alle seine Leute, er erschlug alle die Teil
am Fraße genommen hatten, und er erschlug alle ihre Verwandten. Alles
Volk schmauste von den Erschlagenen und zersplitterte ihre Knochen
und streute sie über die Lande! — —
——
ER
Lange, lange Zeit saß Tihi allein an dem Feuer seiner Wharepuni.
Ha, dann aber sprang er auf und versammelte seine Krieger zu dem
großen Kampfe, von dem die Völker beider Stämme die vielen Klage-
lieder singen, dem Kampfe, in dem Tupohos und Tihi-o-te-Rangis Leute
einander zerfleischten.
WEN
A , N
NN
BEN y
88
ARMIN und golden, blau und silberweiß mit
huschenden Schatten und blitzenden Lichtern
türmt sich die Gebirgswelt aus den Wolken-
wellen in den neugeborenen Tag. Wie ein Frie-
denbringer ragt der schneebedeckte Riese über
die Welt.
Klein ist der Mensch, wenn er über das endlose
Vorland des Berges wandert, über die ausgebrannte, tote Steinwüste.
Kein Grün, kein Gras belebt die Wüste, die leise aufsteigend zur ein-
samen Größe emporwächst. —
Dies ist Ngawais Erzählung.
Die Riesenliebe:
„Siehst du dort das ferne Haupt des Taranaki, wie es herüberblickt
nach den beiden Gipfeln Ruapehu und Tongariro?“
Einmal wohnten die Vulkane Taranaki, Ruapehu und Tongariro nahe
beieinander. Das war die Zeit, als Tongariro in ihrer wundervollen
Schönheit die feurigen Herzen der beiden Riesen bezaubert hielt, als die
Fröhlichkeit der Mächtigen den Himmel mit gewaltigen Feuerwolken
erfüllte und mit dunkelglühendem Herzblut von feuriger Lava und ge-
schmolzenen Steinen die Erde bedeckte. Sanft antwortete solchen Aus-
brüchen die schwankend aufsteigende Dampfsäule Tongariros, von der
Abendsonne vergoldet, zulächelnd den beiden Bewerbern.
12 Te Tohunga,
89
TONGARIRO war ein Weib.
Beide, der mächtige Taranaki und der gewaltige Rua-
pehu mit ihren wolkenumwobenen Häuptern, mit ihren
in der Sonne blitzenden, fleckenlosen Schneegewändern,
mit ihren von Leidenschaft glühenden Lavaströmen,
wurden geliebt von Tongariro.
}
)
90
Aber der Schnee der Winter und die Sonnen der Sommer kamen und
gingen von dem ersten Male, zu dem tausendsten Male, und immer noch
war Tangariro unentschieden, welchem ihrer Bewerber sie ein Eheweib
sein wolle. — ;
Sie wurde der heilige Berg des Maorivolkes. Ihre Schönheit nahm
alle Herzen gefangen.
Sie wurde die Besitzerin des höchsten Tapu.
Kein Menschenfuß wagte sich auf ihren heiligen Leib, auf den in
Scheu nur die Augen der Neugeborenen gerichtet wurden, und die Augen
der Sterbenden voll Liebe blickten, wenn sie ihren Weg zur Unterwelt
wanderten, zur Reinga, der Behausung der Seelen: — die Augen von
Generationen auf Generationen.
Die Werbung der Riesen war ein wundervolles Schauspiel. Sie deckten
sich in glitzernde Schneegewänder oder hüllten sich in gewaltige Wolken-
schleier; sie wanden wundervoll gefärbte Wolkengürtel um ihre Lenden,
ihre Häupter weit in den goldenen Himmel hebend und dann wieder
in gewaltige Leidenschaft ausbrechend, bedeckten sie die Lande mit
schwarzen Dampf- und Aschenwolken. —
Ach, Tongariro erweckte der Riesen Leidenschaft, entzündete das Blut
aus Feuer und geschmolzenen Steinen; ach, sie machte die Vulkane
zittern! Das Donnern ihrer Stimmen schallte schrecklich in die Weite,
Beleidigungen und Hohn hinüber- und herüberbrüllend. Tödliche Blitze
zerrissen die Nächte und schwarze Wolken verschlangen die Tage; die
Ohren der Menschen wurden von der brüllenden Leidenschaft der Riesen
betäubt, und ihre staunenden Augen sahen immer Tongariro, die Schöne,
zulächelnd beiden Bewerbern.
Zuletzt konnte nur ein Kampf der Nebenbuhler entscheiden. —
Nun folgten Tage voll Stille.
Die Riesen sammelten Kraft und schmolzen Steinmassen in ihren Ein-
geweiden. So standen sie schweigsam und grollend und ließen die Sonne
ihre prachtvollen Schneegewänder vergolden; lächelnd sandte Tonga-
riro ihre graziösen Dampfsäulen in den Himmel, und das Maorivolk
blickte verwundert auf die friedvolle Landschaft. —
Doch dann wuchs ein Grollen in die Nacht, und Grollen füllte die Tage;
lauter und lauter, Nacht auf Nacht, Tag auf Tag wuchs das schreckliche
Grollen, dumpf und tief.
Plötzlich erschütterte ein krachender Donner die Erde und aus dem
Schlunde Ruapehus brach eine feurige Masse geschmolzener Steine und
schwarzen Hasses hoch empor und fiel auf Taranaki als ein fürchter-
liches Feuergewand, während die fliehenden Winde heulten und die
schmelzenden Eiswasser donnernd ins Tal entflohen.
Eine wundervoll aufragende Form gab die Feuer- und Aschenmasse
Die
|
dem Riesen Taranaki; doch er bebte in furchtbarer Wut und riß sich
hoch aus dem Boden.
Die Erde schüttelnd und das Land zerreißend, suchte er sich auf Rua-
ıehu zu stürzen und ihn zu erdrücken. Ruapehu aber kochte das Wasser
seines Sees hoch oben nahe seinem Gipfel und sandte es hinab in die
Risse und Öffnungen, die Taranaki in den Erdboden gebrochen hatte.
Die kochenden Wasser verbrannten die Eingeweide des Riesen, der, die
Luft zerreißend mit brüllendem Schmerz und donnerndem Wutgeheul,
aine gewaltige Steinmasse zu Ruapehu hinüberschleuderte, die die
höchste Spitze des Riesen traf und sie zertrümmerte.
In schweigendem, tödlichen Haß verschlang Ruapehu seinen zer-
schmetterten Gipfel und entfachte ein Feuer in seinen Eingeweiden, das
bis an den See Roto-aira hinabbrannte.
Die Wasser des Sees schwollen hoch auf und erfüllten die Erde mit
solch gewaltigen Dampfmassen, daß sie Taranaki blendeten. Dann sandte
Ruapehu die kochenden Wasser des Sees auf Taranaki hinab, seine Erd-
risse und Schluchten füllend und ihn hoch aus dem Boden hebend, aus
dem er sich selbst ja lösgerissen hatte.
Nun schmetterte sich auf Taranaki, indem der Tag sich in Nacht ver-
wandelte, die gewaltige geschmolzene Gipfelmasse aus dem Schlunde
seines Feindes Ruapehu herab! .
Da lag seine einzige Rettung im Rückzug: geblendet, verbrannt in den
Eingeweiden und zerschlagen von der geschmolzenen Gipfelmasse seines
Feindes Ruapehu. — ;
Er stöhnte und hob sich seufzend und grollend, und taumelte und
schüttelte sich, und suchte nach einem Weg zur See, seine brennenden
Schmerzen zu kühlen. Schmerzbrüllend mußte er fliehen, und sein Pfad
iurch die Lande höhlte tief den Boden.
Da schmolz Ruapehu schnell all sein Eis und Schnee und sandte es
den tiefen Pfad hinab, den sein Feind gemacht hatte. Damit er nicht
zurückkehren solle zum neuen Kampfe, denn auch seine Wunden waren
fürchterlich, und seine Kraft verbraucht. —
Hinab zum Meere wanderte Taranaki und als die Schmerzen erträg-
licher geworden, blickte er zurück auf seinen Besieger. Er sah, wie sein
nun dreigezackter Gipfel wieder mit frischem Schnee bedeckt war; er
sah ihn als alleinigen Herrn über alle Lande und als Eheherrn Tonga-
riros! Sie beide waren nun die Ariki über das endlose Land, doch es war
verwüstet und tot, denn der gewaltige Kampf hatte das Maorivolk und
alle lebenden Wesen ringsumher getötet. —
Ach, dann brach es noch einmal aus Taranaki hervor: eine schwarze
Wolke von Haß und Zorn! — Und ihm antwortete wieder die wunder-
volle, schlängelnde Dampfsäule Tongariros.
92
Dann wanderte er fort an der Meeresküste entlang, bis er einen Ruhe-
platz für sich und seine Trauer fand.
Dort steht er schweigsam und Rache brütend. —
„Und mein Volk weiß, daß er zurückkommen wird, geraden
Weges zurück und Rache nehmen und Ruapehu besiegen. In gerader
Linie wird er zurückkommen und keiner meines Volkes will leben oder
begraben sein in der Linie zwischen den Bergen; denn eines Tages wird
ar zurückkommen und um Tongariro kämpfen.“ — —
„Wer weiß?“ — — ı
E
Taranakis Pfad zum Meere aber ist nun der Wanganui-Fluß, genährt
von den Schneewassern Ruapehus: ;
94
N
Aal Be
V9N Tahiti, dem Goldenen, stieß eines Tages, vor langen, langen
Jahren, ein mächtiges Doppelcanoe in den „Großen Ozean von Kiwa“.
Zahlreich stand das braune Volk an der hellglänzenden Bucht; es weinte
und trauerte und nahm geräuschvollen Abschied von der tapferen Schar
von Seefahrern, die voll Abenteuerlust in weite, unbekannte Regionen
zog, um dort ein neues und besseres Land zu finden. In der Mitte stand,
auf seinen Häuptlingstab gestützt, Hou-mai-Tawhiti, der ehrwürdige
Patriarchen-Häuptling des Volkes. Sein weißer Bart fiel tief über seine
Brust herab. Viele; viele Jahre hatten seine Gestalt gebeugt, doch
95
schallend war seine Stimme, als er sein poroporoaki, sein Lebewohl, zu
den Reisenden hinübersang: „Geht! Geht! Verlaßt uns, damit ihr euer
neues Land findet. Laßt Streit und Krieg hinter euch. Folgt nicht länger
den Pfaden des Kriegsgottes, sondern haltet euch an die Taten Rongos!
Haere! Haere! Haere atu-ra! Lebtwohl, Lebtwohl, Lebtwohl!“ —
Wie ein gewaltiger Seevogel flog das Doppelcanoe unter seinen drei
Segeln über die blaue Lagune, und tapfer sprang es auf die große rollende
Ozeanwelle, die „Schäumende Wohnung Tangaroas“, des Seegottes. Der
frische Passatwind füllte die Segel, und weiter fort sprang es und flog es
hinüber nach Südwesten, kleiner werdend, kleiner und kleiner, bis es Zu-
letzt den Blicken des Volkes am Ufer entschwand.,
Es war das Arawa Canoe, das berühmteste von allen Canoes, die
Tausende von Meilen über den Pacifischen Ozean wanderten, um dieses
neue Land zu finden, Ao-tea-roa, „Die Große Weiße Wolke“.
Tama-te-Kapua, „Der Wolkensohn“, war der Führer und Häuptling
jes Arawa Canoes; er war ein tapferer und verschlagener Mann. Durch
sine List entführte er Ngatoro-i-Rangi, den mächtigen Tohunga. Er bat
ihn, an Bord des Canoes zu kommen, damit er dort zum Abschied der
Seefahrer die heiligen Gebräuche übe, die Karakia halte und die Sprüche
sänge, die nötig sind, um für die Fahrt die Gunst der Götter zu gewinnen.
Ngatori-i-Rangi folgte seiner Einladung. Als er aber die Karakia hielt,
und sein Geist mit den Göttern kämpfte, da gab Tama-te-Kapua heimlich
das Zeichen zur Abfahrt und entführte Ngatoro-i-Rangi und sein Weib
Kearoa. Er wußte, daß Ngatoro unter dem Schutze der Götter und der
atuas stand, ja, daß er beinahe ein Gott selber sei, und darum sollte er
der Tohunga der Arawa werden.
Weiter und weiter ging die Fahrt, viele, viele Tage, beschützt durch
die mächtigen Sprüche Ngatoros. Da, eines Tages, als Ngatoro wieder
seine Karakia hielt, bemerkte er, wie Tame-te-Kapua heimlich die
Zuneigung Kearoas gewonnen hatte. Ha, da zog ein gewaltiger Zorn
über Ngatoro, und er beschloß, das Canoe und alle, die es enthielt, zu
verderben! Mächtige Karakia hielt er zu den Göttern, und sie sandten
die Nacht über den „Großen Ozean von Kiwa“ und gaben den Ge-
stirnen neue Plätze an den Himmeln. Er sang Sprüche der Rache, und
mächtige Gewalten preßten sich gegen das Canoe. Es wurde aus seinem
Kurs gedrängt und mußte die Richtung auf Waha-o-te-Parata, das
„Maul des Seeungeheuers“, nehmen. Ha, das ist ein schreckliches Un-
geheuer, ein Strudel, ein Mahlstrom in der Mitte des Ozeans, dort-
hinein wurde das Canoe in der Dunkelheit getrieben. Es hatte schon den
äußeren Kreis dieses ungeheuren Strudels erreicht, und näher und näher
trieb es dem Schlunde des Seeungeheuers zu. Der fürchterlich brüllende
Lärm, womit das Ungeheuer die Wasser des Oceans verschlang, schlug
6
an die Ohren der vor Schreck erstarrenden Wanderer. Ihr Klagen und
Jammern mehrte das fürchterliche Geräusch, das die Luft erfüllte, aber
Ngatoro kümmerte sich nicht um ihr Heulen und Flehen, seine Augen
blickten starr hinüber zum Ungeheuer, und dem Blicke seiner Augen
folgte das Canoe. —
Da erhob sich Ika, der mächtige Häuptling, und hielt die Karakia zu
Rangi, daß er die Wellen Tangaroas erschlagen und das Canoe retten
möge. —
Aber die Ohren der Götter waren geschlossen, und tiefer und tiefer
versank das Canoe in den Strudel. Ha, das Brüllen und Grollen Waha-o-
Paratas wurde schrecklicher und schrecklicher, und furchtbebend riefen
Männer und Weiber nach Ngatoro und flehten ihn an, sie zu retten. Da
hoben sich Ngatoros Blicke von dem Ungeheuer, und sie richteten sich
auf das Volk der Jammernden und Flehenden, — da, in höchster Gefahr
sprang der Rangatira-Tohunga auf; er stieg auf die am höchsten aus
dem Wasser ragende Spitze des Canoes, und in mächtigen Sprüchen
rief er Tangaroa! Laut überschallten seine Awa-moana, seine sturm-
bezwingenden Sprüche, das Brüllen des Ungeheuers; lauter sang er,
lauter, lauter: „Unuhia, unuhia te pou tapu, Ko te pou mua! — — Er
kämpfte mit den Göttern um das heilige Canoe, das einst als ein Baum
in den Wäldern Tanes gewachsen war. — Er zwang die Götter, das
Schiff Ngatoros dem Schlunde des Ungeheuers zu entreißen! Er rief
nach den Geistern von Ruarangi, von Maui-i-tiki-tiki-a-Taranga, er rief
nach ihnen, daß sie auf dem Pfade Tawhakis herniedersteigen sollten
und die Ozeanbahn Ngatoros von allen Gefahren befreien! Ha, da be-
zwangen seine Sprüche die mächtigen Götter!
Das fürchterliche Branden der See mußte sich beruhigen, das weit
offene, verschlingende Maul des Seeungeheuers mußte sich schließen,
und die hohen Wellen hörten auf, über dem Canoe zusammenzubrechen!
Ha, die Dunkelheit wurde bezwungen und der neue Tag stieg im Osten
herauf. — Gerettet fuhr das Arawa-Canoe über den Ozean von Kiwa! —
Mittsommer war es, als die seeerprobten Abenteurer endlich die fern
sich streckenden Küsten der „Großen Weißen Wolke“ erreichten, die
weiß wie Kreide im Sonnenschein glänzten und gekrönt waren mit
einer Borte herrlicher Bäume, den Pohutukawabäumen, die sich in ihrer
sarminroten Blütenpracht glühend in dem klaren Wasser spiegelten.
Viele der Canoefahrer trugen rote Schmuckstücke im Haar, geschätzte
und wertvolle Andenken an Hawaiki. Als sie nun die herrlichen roten
Blumen sahen, warfen sie ihre roten Kopfornamente in die See und
sprangen ans Land, sich mit dem schöneren roten Schmuck der neuen
Heimat zu schmücken, dann erst sahen sie, daß es nur zarte Blüten
waren. die unter ihrem Griff zerfielen.
08
-
An einer sandigen Bucht landeten endlich die seemüden Abenteurer.
Ngatoro-i-Rangi hielt die Karakia zu den Göttern, umgeben von ihren ge-
schnitzten Abbildern, die die Seefahrer von Hawaiki mitgebracht hatten,
und er sang die großen Sprüche des Dankes für die glücklich beendete
Fahrt. Dann opferte er Seegras und zwei Schollen der neuen Erde, sie
hoch über seinem Haupte gen Osten haltend, der Wohnung der Götter
und dem fernen Heimatlande Hawaiki entgegen. Das heilige Feuer wurde
angezündet und die Kumera (süße Kartoffel) daran geröstet als ein Opfer
zu. den Geistern dieses großen fremden Landes, von dem sie nun Besitz
ergriffen: Ao-tea-roa, die „Große Weiße Wolke“, —
Der Stamm der Arawa und der Stamm der Ngati-tu-wharetoa sind
die Nachkommen der tapferen Seefahrer. Sie bewohnen das Geyserland
vom See Rotorua bis hinab zum Taupo-See und dem heiligen Tongariro.
Der mächtige Tohunga Ngatoro hat einst die Geyser und die heißen
Quellen geschaffen, einst, als er die eisige Höhe Tongariros bestiegen
hatte und dem Tode des Erfrierens nahe war. Da riefen seine Sprüche
die heiligen Feuer von Hawaiki, die noch bis auf diesen Tag den Boden
des Landes durchglühen und in den Geysern und Vulkanen leben.
Von Ngatoro-i-Rangi stammt die lange Reihe mächtiger Tohunga
ab, der Vorfahren Te Heu-heu Tukinos, des jetzigen Häuptlings vom
Taupo-See, — — — — — —
‚Ha, Tama-te-Kapua, ruhe hier, daß dein Geist den weiten Ozean
überblicke, daß dein Geist über das weite Land Ao-tea-roa schweife!
Die Winde, die über den „Großen Ozean von Kiwa“ stürmen, singen dein
Oriori, deinen wilden Schlafgesang; ruhe hier, Tama, auf der luftigen
Bergspitze Moehau.“ — — — — — —
Das war der Gesang der Söhne, als sie die mit Federn geschmückten
Überreste Tamas zur Ruhe legten, und bis auf den heutigen Tag nennen
die Maori das Kap-Gebirge, auf dem die Reste Tamas ruhen: „Te-moehau-
Tama-te-Kapua,“ die windige Schlafstelle Tama te Kapuas.
100
‚UF schmalem Pfade
A führt uns Ngawai
durch das weiß-
blühende Ma-
nuka-Gestrüpp.
Um berstende
Kraterlöcher
schlängelt sich
der Pfad. Wir
treten hinaus
aut eine hohl-
klingende Kalksteinebene, die zerrissen ist durch unzählige kleine und
große runde Löcher voll kochender Masse, aus der Blasen aufsteigen
und an der Oberfläche mit einem Knall zerplatzen. Dampf zischt über-
all aus den unzähligen Rissen des Bodens.
Vor uns schwebt eine dünne Dampfwolke; sie schwebt über einer
Anzahl großer Kraterlöcher, die mit dampfenden Wassern gefüllt sind.
Wundervoll durchsichtig ist das Wasser in den kochenden Kratern.
Es ist grün, blau, auch weiß, und bei allen kann das Auge die mächtige
Dampfsäule metertief verfolgen, wie sie aus der unergründlichen Tiefe
durch die Wassermenge hindurch an die Oberfläche heraufwächst und
dort gurgelnd in sich zusammenfällt.
Ein schönes, aber beklemmendes Schauspiel sind die kochenden
Krater: herzlos, todbringend, gurgelnd, kochend seit ewiger Zeit, seit
der Zeit, da Ngatoro-i-Rangi sie durch seine Sprüche von Hawaiki ge-
rufen hat. —
Den schwindelnd engen Pfad zwischen zwei Kratern führt Ngawai,
dort macht sie Halt. Schweigend dampft der Krater zur rechten neben
101
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dem gurgelnden Nachbar. Plötzlich, wie durch Zaubermacht, ver-
schwindet das Wasser des Kraters. Kaum ist es verschwunden, da
schießt aus der Mitte des Trichters eine mächtige Wassersäule wieder
herauf. Hochauf, weit sichtbar, schießt sie in die Luft, gewaltige Wolken-
massen dem Winde zum Spielzeug gebend. Dann bricht sie dumpf
grollend, plätschernd in sich zusammen. Die kochenden Wasser fließen
über den Kraterrand und füllen bis zum Rande ein riesengroßes Wasser-
becken, einen alten, seit undenklichen Zeiten erloschenen Krater, den
nur eine dünne Kalkwand vom Geyser trennt.
In dem Becken baden die Maori und ihre weißen Freunde. Wohltuend
ist das Wasser, doch unheimlich; denn noch nie ist es einem Manne ge-
Iungen, die Tiefe des Bodens zu erreichen.
Pfeife rauchend, lachend und des Lebens sich freuend, heben sich die
Köpfe der Badenden über das Wasser, des Grollens und Zischens des
Geysers jenseits der dünnen Kalkwand spottend.
Während der Nacht grollte, plätscherte und knallte der kleine Geyser,
4er unserer Hütte gegenüber am Flüßchen emporschoß, und in den
Pausen schallten die Schüsse und Explosionen der ferneren Geyser zu
uns herüber.
Die fremden furchteinflößenden Geräusche der Nacht begleiteten die
Erzählungen des alten Freundes; manchmal unterbrachen sie sein
Murmeln, wundervolle Bilder vor unsere Augen stellend, in dem Halb-
schlaf, der die Erzählungen des Alten aneinander knüpfte, manchmal
gaben sie mit ihren krachenden Ausbrüchen und dem nachfolgenden
Wasserplätschern Nachdruck und Glaubwürdigkeit den Worten des
Alten.
Vom Morgengrauen angelockt, wandern ‚die Gedanken nach dem
Sonnenlande Hawaiki. |
Der alte Freund aber ist eingeschlafen.
103
= NCOATORS-1-KANCGIEZ ZZ
ZZ = TAMA-TE - KAPUA SE==)
- A
SAN
AS MSN
nn
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mA
Je
‚1
MM,
RADITION.
Auch die Wanderung der Maori ist ein Sonnen-
mythos, wie so viele ihrer Sagen.
In der Phantasie ist Ngatoro-i-Rangi die Sonne selbst.
Tama-te-Kapua, die Wolke, lädt die Morgensonne
1N4
ein, mit ihm sein Canoe zu besteigen. Ngatoro folgt der Einladung der
Wolke. Er erscheint im Osten und bringt auch sein Weib mit, die
Erde, die mit ihm zugleich aus der Dunkelheit aufsteigt.
Während der Fahrt erklimmt Ngatoro das Himmelsdach und bindet
sein Weib mit seinen Sonnenstrahlen an sich.
Doch die Wolke breitet sich über der Erde aus, löst die Sonnenstrahlen
und tut der Erde Gewalt an.
In schrecklichem Zorn stürzt sich die Sonne in den westlichen Ab-
grund, und die Sonnenfahrer kämpfen hilflos in dem Meer der Dunkel-
heit. Vergebens ruft die Wolke die Sonne um Rettung an. Endlich aber
erbarmt Ngatoro sich der Fahrer und steigt im Osten aus der Tiefe empor.
— Ngatoro steuert das Canoe gen Westen nach Aotea-roa. ;
- ei — ZZ am a
Ngatoro ergreift Besitz von dem Lande.
Er will den Tongariro besteigen. Seine Gefährten sind am Taupo-See
zurückgeblieben und beobachten seinen Aufstieg.
Sie sehen, wie die Sonne höher und höher wandert dem Gipfel ent-
gegen. Sie sehen, wie sie blasser und blasser wird, — ha, sie sehen, wie
die Sonne, am Gipfel angelangt, schwächer und schwächer wird und
fast erfriert in der eisigen Höhe Tongariros.
Ha, die Sonne ist in der eisigen Höhe erfroren!
Unten hören sie, wie die Sonne klagt. Schwächer wird ihre Stimme,
schwächer, schwächer. Ach, sie singt Sprüche zu den Göttern in Hawaiki.
Da kommt Hilfe von den Göttern: sie senden das Feuer.
Es kommt auf den Wegen der Unterwelt. Es bricht durch die Erde
hervor, an den Orten Roto-ehu, Rotorua und Tarawera; hier, dort, über-
all bricht es durch die Erde, bis es zuletzt in den Tongariro hinaufsteigt
und dort einen Vulkan schafft.
Ha, die Gluten des Vulkans erretten den Sonnenhelden Ngatoro-i-
Rangi vom Tode.
„Ngatoro-i-Rangi aber, mein Lauscher, ist der Urahn des Stammes
der Ngati-tu-wharetoa.
Wir alle sind Nachkommen Ngatoro-i-Rangis, und der heilige Ton-
zariro ist der Beschützer meines Volkes. Meines Volkes, das Ngatoro
ainst von Hawaiki geführt. — —
N
Gt“
RD
;
i4 Te Tohunga., ;
105
M7. einem wundervollen Farbenspiel bricht der Morgen an. Die auf-
gehende Sonne verdichtet den Dampf, der über der Landschaft hängt,
zu einer großen weißen Wolke, in die die Krater wie mit Granaten
schießen. Bald hängt eine gewaltige Dampfwolke, von einer goldenen
Borte eingefaßt, über unseren Häuptern. Die nahen Hügel glitzern im
frischen Schnee. — — —
Da ist auch der alte Freund frohen Herzens geworden. _
Am Rande des warmen Wasserbeckens hockt er, in seine Matte ge-
hüllt, und in den herrlichen Tag blickend, endet er seine letzte Er-
zählung: — —
- — „In den Rauch des kohlenden Ofens sang Roi-roi-whenua,
der Erderschütterer, seine große Karakia zu den Göttern der Unterwelt:
Hört, o hört ihr, die in der Dunkelheit lebt, schließt die Dunkelheit
ein und laßt den Tag zu uns kommen! Öffnet das Tor des Tages, es ist
unser Recht! .
Das Licht, das Licht, laßt es kommen, es ist unser Recht!
Da schallten durch die raucherfüllte Dunkelheit der Welt, in der Rois
Ofen stand, gewaltige Schläge! Ha, da zitterte die Unterwelt, und ein
schwacher Lichtschimmer brach hervor.
Sieben furchtbare Schläge erschütterten die Welt. — Da, ha, Freund,
da brach das Tor in dem Wall, den die Dunkelheit um Paapa zog, und
herein strömte das Licht.
Das helle Licht des Tages!
Ha, Freund!“ — —
Er zeigte mit knochigem Zeigefinger auf die Sonne und sprach nicht
mehr.
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Ein Bergsturz hat den Häuptling Te He-u He-u getötet und sechzig
seiner Krieger.
Mit der roten Häuptlingsmatte bedeckt, liegt He-u He-u unter dem
immergrünen Totara-Baume, umgeben von den Schätzen seines Volkes,
in der Hand das Grünstein-mere seines Stammes haltend.
Den Leichnam umgeben Männer und Weiber, heulend, tanzend und
die Gesichter verzerrend.
Das Wehklagen liegt wie eine Wolke auf der Erde und hängt wie
Nebel um die Gruppen der Heulenden. Ein scharfer Schrei durchbricht
plötzlich die lärmende Dumpfheit, ein kreischender Lobruf aufden Toten
zerreißt die Luft, dann verdichtet sich alles wieder zu einem monotonen
herzbrechenden Klagechor.
Der Tote war ein Rangatira-Tohunga, und tief ist der Schmerz seines
Volkes von den Bergen und seines Volkes am See. Die Weiber seiner
nächsten Verwandtschaft zerreißen sich die Brüste mit scharfkantigen
Muscheln: blutend und heulend ist ihr Schmerz. —
Stamm auf Stamm nähert sich unter mißtönenden Klagen, empfangen
von den alten Weibern der nächsten Verwandtschaft, mit der langge-
zogenen, kreischenden Einladung zum Tangi.
Die Weiber nähern sich unter schrecklichem Heulen, Zweige um die
Köpfe gewunden und Zweige mit ausgestreckten Armen auf und nieder
schwingend — auf und nieder, ein Zeichen der Trauer. Weinend und
gesenkten Hauptes folgen die Männer, Kkriegerische Gestalten. Tränen
überströmen die tätowierten Gesichter.
Canoe auf Canoe bringt neue Züge, und alle nähern sich in langen
Linien, laut heulend, lauter und lauter, bis sie vor dem mit der roten
Häuptlingsmatte bedeckten Körper stehen. Hier bricht die ganze Masse
in ein schreckliches Kreischen, Schreien und Gesichterverzerren aus,
begleitet von dem gesteigerten dumpfen Schmerzgeheul der den Körper
umgebenden Menge, das unten am See aufgenommen wird von dem
Geheul der Neuankommenden.
Es ist wie ein Gewittersturm, der abflaut und dann wieder mit neuer
Kraft losbricht, ungebändigt und schrecklich, bis sich langsam über die
Landschaft wieder die dumpfe Klagewolke lagert. —
Langsam sinkt die Nacht herab und erstickt den Jammer in Dunkel-
heit und Schwärze. — ;
„Groß war die Mana des toten Rangatira; schrecklich war sein Tod,
und großer Schmerz erfüllte die Herzen seines Volkes.“ — —
Die Sternennacht in leuchtender Klarheit blickt auf den toten Häupt-
ing herab, in dessen Hand das Grünstein-mere funkelt.
Langsam zieht der Mond herauf über die Tausende, die schlafend den
toten Häuptling umgeben.
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TE REINGA.
N IMMERRUHENDE Wellen donnern gegen die nackten Felsen-
wände ‘und Riesenseegras wirbelt schlangengleich, dort wo der
Eingang zum Geisterland der Maori ist, auf Muri-whenua, dem „Land-
ende“, der äußersten Spitze Ao-tea-roas.
Dort ist Te-Reinga, das Totenreich.
Eine hohe, scharfkantige Felsenwand, wächst Muri-whenua aus dem
Meere hervor, und dorthin wandern die Geister der Toten, einzeln und
zu zweien und in Kriegszeiten in großen Zügen, ihren traurigen Einzug
zu halten in Te Reinga.
Unsichtbare Fußtapfen hinterlassend, wandern die Geister über sandige
Dünen und steile Klippen, über weite Ebenen und um schaurige Ab-
gründe; wilder Schmerz erfüllt sie und Trauer um die Heimat, die sie
verlassen mußten. Sie ruhen wohl auf ihrem Wege und blicken zurück
auf den langen ermüdenden Pfad, den sie gewandert und mischen ihre
Klagegesänge mit dem melancholischen Heulen des Seewindes. Und
weiter und weiter wandern sie dann nach Muri-whenua und suchen
klagend ihren Weg in die Reinga.
Die langen Flachsblätter, die auf den Geisterpfaden zur Reinga wachsen,
sind oft verschlungen und zusammengeknotet, und die Maori wissen,
daß es Zeichen ihrer geschiedenen Freunde sind, die ihnen zeigen sollen,
welchen Weg sie zum „Tor der Unterwelt“ gewandert sind, als sie diese
Welt des Lichtes verlassen mußten.
An die Freunde denkend, wandern und wandern die Geister, bis sie
Muri-whenua erreichen. Dort wächst ein gewaltiger Pohutukawabaum
mit mächtigen verknoteten und verschlungenen Ästen, von denen zähe
Schlingpflanzen hinunter bis ins Wasser hängen. Carminrote Blüten
bedecken den Baum, unter dem die Geister ihren letzten Abschieds-
gesang singen. Den letzten Blick richten sie auf den heiligen Tongariro
— dann ergreifen sie die langen Schlingpflanzen und steigen hinunter
unter dem trübseligen Schreien der Seevögel und dem Ächzen der Wellen.
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Unten öffnet sich das wirbelnde Seegras einen Augenblick, den Geist
zu empfangen, und dann schließen sich die dunklen Wasser über ihm
für immer. Er ist eingetreten in „Tatau-o-te-Po“, das Tor des Todes,
das Tor, das zum dunklen Reiche von Miru führt, der Göttin der ewigen
Nacht. — — — —
„E tomo, e Pa —
Ki Muri muri-te-Po,
Te Tatau-o-te-Po,
Ko te whare tena
O Rua-Kumea,
O Rua-toia,
O0 Miru ra-e!
O tuhouropunga,
O kai ponu-kino.
Nana koe i maka
Ki te kopae o te whare — i!“
Tritt ein, Krieger,
In die Tore des Landes,
So schaurig und dunkel,
In die Tore der endlosen Nacht,
In die Wohnung
Von Rua-Kumea
Von Rua-toia,
Von Miru, der unerbittlichen Gottheit,
Der Unersättlichen,
Die dich hinabgezerrt
In ihr freudloses Reich —!
— — Heute noch singen die Maori auf dem Tangi ihres Häuptlings
dies Bruchstück eines uralten Klagegesanges.
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RÄUMEND starrt Ngawai in die Feuerreste, während
das blasse Morgengrauen durch die Spalten der aus
Farrenstämmen gebauten Wände in die Gebirgs-
hütte hereinfällt. Kalt und blaß zuerst malen‘ sich
lange Lichtstreifen auf den Boden, langsam gehen
sie in warme und glühende Töne über und erleuchten
die Calabasche, die Netze, Paddeln und Matten, die rauchgebräunt an
den Wänden und unter dem Raupo-Dache hängen.
Leuchtender werden die Streifen, und plötzlich durchfluten sie mit
wunderbar goldenem Licht die Hütte; leise zieht darin der letzte kräu-
selnde Rauch lichtblau zur Dunkelheit des Daches empor.
15 Te Tohunga.
113
Nun wird es überall lebendig.
Der Sonnenschein flutet durch die offene Tür.
Langsam zieht der Tag herauf.
Im Mittagssonnenschein spiegeln sich die Bergriesen in dem See.
Länger werden die Schatten wieder, goldig färben sich die Gletscher.
Heut ist der Tag des allgemeinen Aufbruches.
Alles wandert auseinander: an den See hinunter; in die Hauptstadt;
an das Meer und — so denke ich mit Wehmut und Freude — auch über
das Meer; morgen wird die Gebirgshütte verlassen sein. —
Die alte Rangi-a-mohio, die Tochter des berühmten He-u He-u, erzählt
von dem Begräbnis des großen Häuptlings auf dem Tongariro.
Sie erzählt:
„Der ganze Stamm der Ngati-tu-wharetoa zog unter feierlichem
Lärmen über die gewaltige verbrannte Wüste, aus der der feurige Stein-
leib des Tongariro-tapu hervorwuchs.
Tohunga, Häuptlinge, Krieger, Weiber und Kinder, den geschmückten
Leichnam He-u He-us in der Mitte, stiegen und kletterten wir über die
gewaltige einsame feurige Wüste, die dein Auge dort rings erspäht.
Ach, blicke über all die Lande, blicke auf die Beschützerin der Lande,
blicke auf die Rangatira der Lande!
Blicke auf den Tongariro-tapu! — — —“
Die Pferde scharren.
Der Mond ist aufgegangen und ein blasser Silberschein liegt über
den Schneefeldern, die in den dunkeln Himmel wachsen. Die Männer
schnallen die aufgerollten Schlafdecken an die Sättel. Die Weiber binden
die Säuglinge in Wolldecken auf den Rücken.
[mmer noch erzählt Rangi-a-mohio den im Kreise um sie hockenden
Hörern.
Einer nach dem andern steht auf und steigt aufs Pferd. Dann steht
auch Ngawai auf, blickt noch einmal zurück und folgt ihrem Volke.
„Hae-re, Hae-re-ra —*“ schallt es herüber, „Enoha, Enoha —“ ant-
worten die wenigen Zurückgebliebenen: „Lebt wohl“.
Über die mondbeschienene Landschaft saust die Kavalkade in fliegen-
diem Galopp zum fernen Pa.
Vom Tongariro steigt eine zierliche silberne Rauchsäule in die Luft.
Rangi-a-mohios letzte Erzählung lautete:
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Iwikau, der Nachfolger des alten He-u He-u, führte den großen Zug
der Leidtragenden und Jammernden. Ihm folgten die Träger, die in
einer geschnitzten Kiste die mit dem heiligen Rot bemalten und mit
Huia-Federn geschmückten Überreste des toten Rangatira trugen, die
vier besten Krieger des Stammes. — Der versammelte Stamm hatte be-
schlossen, den toten Häuptling dem gewaltigsten Totengrund in Aotea-
roa zu geben: — dem Krater des heiligen Tongariro! Wahrlich, Tonga-
riro, der Berg des höchsten Tapu, sollte den Rangatira, der die größte
Mana im Leben besaß, verschlingen. —
Die verbrannten toten Cinderfelsen zerschneiden die Füße der Träger;
der Schwefel.in der Atmosphäre erstickt das Frohlocken — und nichts
kann durchgeführt werden im Maoriland ohne Frohlocken.
Die Füße der Träger beginnen zu bluten; die Karakia der Tohunga
werden schwächer; zaghafter werden die Hohngesänge Iwikaus zu den
Göttern des Berges, Schweigen und Furchtsamkeit fällt geisterhaft über
lie Menge der Folgenden. —
Tiefer werden die Abgründe, steiler der Bergrücken und höllischer
die Schwefeldämpfe. —
Hoch oben aber türmt sich der Kratergipfel — ein gewaltiges Grab
für den Rangatira!
Der heilige Gipfel soll die Überreste des Häuptlings verschlingen, wie
der Fuß des Gebirges im Sturz sein Leben verschlungen hat. —
Gewaltig war der Gedanke, und tapfer wird er ausgeführt unter
der hohen Rauch- und Schwefelsäule, die Tongariro aufsendet und
der Himmel wieder niederpreßt in zorniger Verteidigung der Heilig-
keit. — — —
Ein Rollen wächst in die Luft, leises Donnern erschüttert den Boden,
und fürchterlich pressen die Schwefeldämpfe. Hart und schwer kommt
der Atem aus den Lungen der Träger; Schrecken wächst im Herzen des
Leiters.
Gewaltig streckt sich die Welt ringsumher, und klein und macht-
los sind die Menschen um die Überreste ihres toten Rangatira ver-
sammelt.
Der Berg verteidigt seinen heiligen Krater mit gewaltigen Rauchaus-
arüchen, höhnendem Donnern und erstickenden Schwefelmassen.
Vor Schrecken versagt die Kraft der Träger. Sie lassen ihre Bürde
auf einen gewaltigen Steinblock sinken. Die Herzen der Tapfersten
zittern!
Die Heiligkeit Tongariros kann nicht überwunden werden; nein, nicht
einmal von den heiligen Überresten des Rangatira. Und immer noch
-agt vor ihnen schwarz und zornig der Kratergipfel.
Da versagen die Herzen!
116
Niemand wagt es, die Überreste Te He-u He-us zu ergreifen; sie lassen
sie auf dem Felsen, übertürmt und beschützt von dem majestätischen
Gipfel mit dem rollenden, donnernden, rauchenden Krater — und fort
stürzt alles; hinunter, hinunter in wilder schrecklicher Furcht, in schreien-
der Angst vor dem heiligen Riesen.
Hinunter, hinunter.
Doch hoch auf dem heiligen Berge ruhen die Überreste eines der
zrößten Ariki
Aotea-roas.
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Die Maori, unter denen der Verfasser dieses Buches gegen sieben
Jahre gelebt hat, sind die Eingeborenen Neuseelands.
Bald wird die englische Kultur ihre Stammesart ganz verdrängt haben.
Die Herkunft der Maori ist ungeklärt und vielumstritten.
Sie müssen aus einem fernen Lande zugewandert sein und eine Kultur
mitgebracht haben, die in den Wäldern, Sümpfen und Gebirgen Neu-
seelands nach und nach verfiel.
Wer über ihre Geschichte.mehr erfahren will, findet es in den Büchern,
denen ich viel zu danken habe:
Sir George Greys „Polynesian Mythology“;
Rev. R. Taylors „Te ika a Maui“;
John Whites „Ancient History of the Maori“;
C. Schirren, „Der Mauimythos“ und in
‚Maori-Art“ von Augustus Hamilton, Esgq.,,
Direktor des Kolonial-Museums, Wellington.
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VERLAG ALFRED JANSSEN, HAMBURG
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