CHINESISCHE BOOTFÜHRERINNEN
SCHLEGEL.
Mit Tafel I.
VON
Ju schöne Bootführerin,
Treibe den Kahn an’s Land 5
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen, Hand in Hand. ;
(Frei nach HEINE).
Die Hauptstadt der südlichsten Provinz China’s, Kuang-tung, von den Europäern
zewöhnlich Canton genannt, liegt an einem der schönsten Flüsse China’s, dem „Perlen-
Fluss”, von den prosaischen Engländern einfach „Canton-river” genannt. Die Stadt war
zur Zeit das grösste Handels-Emporium: im ganzen Osten, und schon im 9. Jahrhundert
uhren arabische Kaufleute nach Canton um Handel zu treiben; sie hatten dort sogar ihre
"este Niederlassungen und ihre Moscheen.
Als am 15. December 1856 die europäischen Factoreien von chinesischer Soldateska
und Gesindel verbrannt worden waren, richteten die Europäer sich zeitweilig in Honam,
ler Stadt Canton gegenüber, ein.
Seitdem hat man eine bei der Fluth regelmässig überstremmte Schlammfläche, von
len Chinesen Scha-min ({b a) „Sandfläche” genannt, eingediämmt, mit Sand und Schutt
zufgehöht und darauf ein europäisches Viertel gebaut. Diese ‘künstliche, mit starken und
nassiven Granitwällen umgebene. Insel .ist ungefähr 2850 Schuh lang, bei einer grössten
3reite von 950 Schuh.
Da keine Brücke den riesigen Perlenfluss überwölbt, so wird die: Verbindung zwischen
jer Canton- und der Honam-Seite durch zahllose Fährboote unterhalten, wovon die meisten
von Frauen und Mädchen geführt werden, welche Passagiere für ein Paar Pfennige über
jen Fluss rudern.
Unter diesen Bootführerinnen finden sich oft die herrlichsten Gestalten , deren Körperbau
/ollkommen symmetrisch, und von den schönsten, durch die mühselige Arbeit kräftig ent-
wickelten Formen, die einen Bildhauer in Entzücken versetzen würden. Dabei sind sie oft
von heller, italienischer Gesichtsfarbe, leicht rosenroth angehaucht. und. im Gegensatz zu