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1.-5. Tausend
Alle Rechte vorbehalten
die Hälfte des Keinertrages ist für die vom Kriege
unmittelbar betroffenen Grenzgebiete bestimmt
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8 *
Universitätsbibliohnek x
EAn sRern
Druck von Oskar Leiner in Leipzig. 30073
—
Und dies geheimnisvolle Buch
von Nostradamus eigner Hand
Ist dir das nicht Geleit genug?
Goethe. Urfaust.
7s war am 28. August 1870, als die „vVossische Zeitung“ einen
—9— Dierzeiler unter dem Namen des Nostradamus brachte, der dem
zweiten französischen Kaiserreich eine Lebensdauer von genau
1754 Jahren zumaß. Da sein Beginn vom 2. Dezember 1852 datiert,
so mußte es genau am 2. September 1870 sein Ende erreichen. Daß
Napoleon sich damals bei dem Heere Mac Mahons befand, war wohl
sjelbst den Cingeweihten bei uns unbekannt. Deswegen dürfte der Zusatz
der betreffenden Notiz, daß der Neffe des großen Napoleon gerade für
diesen Tag einen ihn vernichtenden Schlag fürchte, mit einiger Skepsis
aufgenommen worden sein. Aber, wie alle wissen, behielt der Seher
nit der Schlacht von Sedan recht.
Sonderbarerweise ist jedoch diese Prophezeiung nicht auf Nostradamus
selbst zurückzuführen. Er hat allerdings auch darauf hingewiesen, aber
wie wir 8. 10 sehen werden, in ganz anderer Form. Wie Dr. R. Hennig
angibt!i), findet er sich 1869 in den in London erschienenen „Dornen
imd Disteln“ (Ronces et Chardons) des Chevalier J. B. F. E.
de Chatelain. Wenn man erwägt, wie abhängig die Bonapartes von
ihren Ahnungen waren, so kann man sich leicht die niederdrückende
Wirkung einer soichen Weissagung vorstellen.
Was wir hier an Napoleon III. beobachten, ist jedoch ein allgemein
menschlicher Zug, der auch jetzt bei manchen Naturen zu Tage getreten
ist. Er läßt sich aber durch festen Willen vielfach ausschalten. Es
1) Nach dem auch sonst verwerteten Buch von De. Kemmerich, Prophezeiungen.
Mmünchen. S. d.
liegt für uns wahrhaftig kein Grund vor, der unsern Glauben an den
Sieg erschüttern dürfte. Wohl ist der große Augenblick der Weltgeschichte
von gewaltigem Ernst, und wer von Angehörigen und Freunden, die
ins Feld ziehen, Abschied nimmt, wird auch den Gedanken durch seinen
Sinn ziehen lassen, daß ein Wiedersehen mit jenen erst im Jenseits
eintreten werde. Wenn auch der Krieg ungeheure Opfer edlen Blutes
fordert, so kehren doch viele zurück. Deswegen soll man trüben Ahnungen
nicht Raum gewähren. Ist es doch viel wahrscheinlicher, daß ein Kämpfer
wiederkehrt, als daß er auf dem Felde der Ehre bleibt!
Daß solche Todesahnungen wirklich nicht auszulöschen sind, kommt
verhältnismäßig selten vor. Wir greifen aus den HRufzeichnungen von
de Baudus in den „Studien über Napoleon“ folgendes heraus:
Cines Morgens fand er den Marschall Bessieres sehr niedergeschlagen
und traurig, ohne jeden Appetit auf das Frühstück. Endlich gab er
auf Zureden nach und meinte: „Nun, wenn mich diesen Vormittag
eine Kugel trifft, so soll sie mich wenigstens nicht mit nüchternem Magen
finden.“ Während der bald entbrennenden Schlacht hatte er kaum
den Befehl gegeben, einen eben Gefallenen schnell zu verscharren, als
eine Kugel seine linke Hand zerschmetterte und ihm dann durch den
Teib drang. Die Uhr blieb stehen .... Seine Stunde hatte geschlagen.
In seinen Memoiren von St. helena erzählt Napoleon von dem
General Lasalle, daß dieser ihm vor der Schlacht von Wagram, in dem
sicheren Bewußtsein. darin zu fallen, die Bitte vorgelegt habe, das
Majorat auf seinen Sohn übergehen lassen zu wollen. Lasalles Ahnung hat
sich völlig bestätigt. — Der Korse berichtet noch mehr solche Erinnerungen.
Als in der Schlacht bei Bautzen der Marschall Duroc fiel, der das Ge⸗
fühl davon kurz vorher ausgesprochen hatte, schlug sich Napoleon vor
die Stirn und rief: „Meine Ahnungen trügen niemals!“
Auf den entgegengesetzten Sall, der ja ebenfalls eintreten muß,
wurde vor kurzem auf Grund einer italienischen Quelle hingewiesen:)
„Der General Le Jeune wurde, nachdem acht Pferde unter ihm
erschossen waren, endlich im spanischen Kriege zum Gefangenen gemacht
und zum Erschießen verurteilt. Aber die Gewehre des Exekutions⸗
— —— — —
Beiblatt zur National⸗Ztg. 1914 NUr. 226.
kommandos gingen nicht los. 17] Man versuchte ihn dann mit dem Gewehr—⸗
kolben zu erschlagen, aber der General leistete verzweifelten Widerstand
und wurde schließlich von zwei Soldaten gefaßt und zur Erde geworfen.
Man verurteilte ihn zum hängen. Gerade als man dabei war, den
General aufzuknüpfen, hörten die mit der Vollstreckung des Urteils
betrauten Soldaten Flintenschüsse, die sie bestimmten, ihr Heil in der
Flucht zu suchen. Sie nahmen den Todeskandidaten mit und retteten
sich mit ihm zu Pferde ins Gebirge. Dort sollte er in Placencia
endgültig aufgeknüpft werden.“ Auch daraus wurde nichts, da die
Begnadigung rechtzeitig eintraf.
Wenn auch diese Erzählung etwas poetisch aufgearbeitet sein mag,
so ist sie doch ein Paradigma dafür, daß jemand, dessen Tod noch nicht
bestimmt ist, auf keine Weise zu früh umgebracht werden kann.
Damit hätten wir Ahnungen, die sich auf das Schicksal Einzelner
beziehen, in ein paar Fällen gestreift. Ein weit schwierigeres Gebiet
betreten wir, wenn wir nun einen Blick auf die Prophezeiungen werfen,
die das Schicksal von Massen, den Ausgang von Kriegen betreffen.
Ein sehr naheliegendes Beispiel, bei dem eine Kombination doch
vielleicht teilweise möglich“) war, enthält ein Brief Bismarcks vom
18. Dezember 1881 an Kaiser Wilhelml. Daraus istfolgendes von Interesse:
.Ew. Majestät Mitteilung ermutigt mich zur Erzählung eines
Traumes, den ich im Frühjahr 1863 in den schwersten Konfliktstagen
hatte, aus denen ein menschliches Auge keinen gangbaren Ausweg sah.
Mir träumte, und ich erzählte es sofort am Morgen meiner Frau und
anderen Zeugen, daß ich auf einem schmalen Alpenpfad ritt, rechts
Abgrund, links Felsen; der Pfad wurde schmaler, sodaß das Pferd sich
weigerte, und Umkehr und Absitzen wegen Mangel an Platz unmöglich;
da schlug ich mit meiner Gerte in der linken Hand gegen die glatte
Felswand und rief Gott an; die Gerte wurde unendlich lang, die Fels—
wand stürzte wie eine Coulisse und eröffnete einen breiten Weg mit
dem Blick auf Hügel und Waldland wie in Böhmen, preußische Truppen
mit Fahnen und in mir noch im Traume der Gedanke, wie ich das
1) C. Staudenmaier. Die Magie als erperimentelle Naturwissenschaft.
Ceipzig 1912, 8. 162.
schleunig Ew. Majestät melden könne. Dieser Traum erfüllte sich!)
und ich erwachte froh und gestärkt aus ihm.“
Aus den großen Tagen von Preußens Fall und Erhebung vor hundert
Jahren sind eine Anzahl sehr weitschweifiger Protokolle der Visionen
des Landwirts Johann Adam Müller aus der heidelberger Gegend
erhalten?), aus denen hervorgeht, daß dieser Prophet mit KRecht
Friedrich Wilhelm IIl. und den Kaiser von Rußland als die zur Demütigung
Frankreichs und zur Befreiung der Völker bestimmten Herrscher erkannt
und geweissagt habe. Leider sind seine vielleicht nicht üblen Vorschläge da—
mals kaum beachtet worden. Wohl nicht mit Unrecht wird von einem der
damaligen Gewährsmänner angenommen, daß Müllers unerschütterlicher
Glaube an die Kichtigkeit seiner Angaben während der Freiheitskriege
Blüchers Zuversicht wesentlich gestärkt habe. Wir mußten auch damals
siegen!!
Über den gegenwärtigen Weltkrieg haben sich auch schon aller—
hand Seher vernehmen lassen. In Brasilien wollte man uns eine
Niederlage andichten, ein besser informierter „Prophet“ in Japan trat
dagegen für unseren Sieg ein. Selbst während der schweren Tage,
die über Ostpreußen hereinbrachen, trug viele der Glaube an eine
dort verbreitete Weissagung von deutschen Siegen.
Alle diese stellt aber der französische Seher Michael Nostra damus
in Schatten, der uns schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts weit
bedeutendere Erfolge weissagte, als die modernen Propheten.
Goethe hat ihn durch den „Faust“, wie das Motto dieser Schrift
erweist, so populär gemacht, daß wir vorerst in großen Zügen einen
Umriß seines Lebens geben müssen.
Unter Ludwig X. wurde Nostradamus am 14. Dezember 1503
als Sohn eines zum Judentum übergetretenen Juristen in St. Remy
geboren. Seine beiden Großväter waren Leibärzte an fürstlichen Höfen,
ein Beruf, der auch dem Enkel große Erfolge einbrachte. Gerade
als Pestarzt trat Michael wiederholt durch große Aufopferung hervor
und sicherte sich unter seinen von der Seuche furchtbar heimgesuchten
) 1866.
2) Bei RNemmerich a. a. O. mitgeteilt.
Candsleuten große Hochachtung. Mit dem Doktortitel ausgestattet,
eröffnete er in Agen eine bedeutende Tätigkeit und trat in freund—
schaftliche Beziehungen zu einem der größten Gelehrten, Julius Caesar
della Scala (Scaliger).
Über die Vorbereitungen zur Erzielung des autohnypnotischen
Zustandes (Selbsteinschläferung), während dessen er die Visionen hatte,
berichtet er etwa folgendes. In seiner Wohnung zu Salon zog er sich in einen
kleinen Beobachtungsraum zurück, der einen Umblick über den ganzen
Sternenhimmel gestattete. Zu nächtlicher Stunde vertiefte er sich dort in
die Schar der Lichtpunkte, die ihm als Rückstrahlung des Sternenlichtes
aus einem Wasserbecken neben seinem Platz entgegenleuchtete.
„Sitzend auf dem ehrnen Stuhl, alleine,
Die geheime Wissenschaft enthüllt
Bei dem nächtlichen Geflimmerscheine
Dinge, die der Zeiten LCauf erfüllt.“
So schildert er selbsty) im ersten Vierzeiler die Vorgänge. Das
Verfahren, durch strenge Fixierung leuchtender Punkte Hypnose her—
vorzurufen, wurde schon bei den indischen Yogin geübt und heißt heute
Zraidismus.
Das schlagende Eintreffen mancher Weissagung, die man vorerst
für absurd gehalten hatte, veranlaßte viele gekrönte Häupter, ihm
Anfragen politischer Natur vorzulegen. Der Gemahlin Heinrich II.
Catharina von Medici, weissagte er zum Beispiel, daß ihre vier Ssöhne
bis auf den letzten gekrönt werden würden. In der Tat bestiegen
Franz II., Karl IX. und Heinrich III. den Thron — aber nur, weil
tets der vorgehende mit Tode abgegangen war.
Wie er selbst vorhergesehen, starb er — seinen Freunden aber
zanz unerwartet — am 1. Juli 1566. Er war durchaus kein Teufels⸗
beschwörer oder Schwindler, sondern ein gläubiger Christ, der oft die
Sakramente empfangen hat.
Seine während der Trance-Zustände in dunklen Worten notierten
Ahnungen übertrug er später in gereimte vierzeilige Strophen (Quatrains),
die nach hundertern (Centuries) abgeteilt und dabei nach einem nicht
1) Nach der deutschen Ausgabe von Ed. Roesch, die nach besserer Lesart gelegent—
lich geändert wurde.
erkennbaren Plan angeordnet wurden. Die ersten sieben Centurien
erschienen 1555 und die nächsten drei — so waren es rund Tausend
Prophezeiungen — drei Jahre später. Diese zehn Centurien sind
bibliographisch gesichertes Cigentum des Nostradamus. Bei dem großen
Ruhm, den sie ihm einbrachten, ist es kein Wunder, daß später
Fälschungen dazu fabriziert wurden. Diese haben für uns aber kein
Interesse.
Bei der außerordentlich vielseitigen Bildung des südfranzösischen
ssehers wäre volles Verständnis seiner Werke nur ganz Wenigen
möglich — und unter diesen wagt wohl nur ein winziger Bruch—
teil, in dies Gedankenlabyrinth einzudringen. Nur ein krankhaft enorm
gesteigertes Kombinationsvermögen, wie es nach den darüber bekannten
Tatsachen etwa Edgar Allan Poe besaß, mag dazu imstande sein.
Deswegen geben wir es von vornherein auf, hier den ungeheuren
Apparat aufzubauen, der zur richtigen Würdigung der Prophetengabe
des Nostradamus nötig wäre, und greifen aus der Fülle nur einige
besonders interessante Stücke heraus.
Vorerst darf vielleicht aus der „zweiten Vorrede“ des Nostradamus
an Heinrich Il. eine Bemerkung erwähnt werden: .... „bis zum
Jahre 1792, von dem man glauben wird, daß es die Erneuerung des
Jahrhunderts sei.“ Das ist so zu verstehen, daß in diesem Jahr die
Zählung abbricht, und eine Erneuerung des Jahrhunderts eingeführt
wird. Bekanntlich führte die französische Revolution einen neuen
Kalender ein, dessen Beginn auf den Herbst-Anfang 1792 verlegt
wurde. Man muß wahrhaftig staunen, daß der Seher bei einem auf
keinen Fall zu kombinierenden Faktum die Jahreszahl genau treffen
konnte.
Unter den Quatrains ist die Napoleon-Serie wohl das Bedeutendste,
der wir uns jetzt zuwenden wollen. Zunächst (1, 60):
„Ein Kaiser wird bei Italien!) geboren werden, der dem Kaiser⸗
reiche teuer zu stehen kommen wird. Es werden die Leute sagen, mit
denen er sich verbündet, man finde an ihm weniger einen Fürsten als
einen Schlächter.“ Kann man den Vorsen mit weniger Worten ebenso
treffend kennzeichnen?
1) Corsika.
Doch weiter 8, 57. Roesch übersetzte:
„Vom Soldaten zur Regierung g'langt,
Don dem kurzen Rocke zu dem langen,
Tapf'r in Waffen preßt er, wie der Schwamm
s Wasser, d' Priester, 's darf der Rirche bangen.“
So schwang sich Napoleon in der Tat, von unbezähmbarer herrschgier
zetrieben, vom einfachen Soldaten zum Kaiser empor.
Den Tatsachen gemäß!), nennt Nostradamus dann Napoleon „das
geschorene Haupt.“ Er sagt 1, 88:
„Weh wird schnell den großen Fürsten finden,
Kurz nachdem die Frau geehlicht hat,
Seine Stütze“schnell, sein Ansehn schwinden,
Dem geschornen Haupte stirbt der Rat.“
Dabei ist zu bedenken, daß der Kaiser sich ja Ende 1809 von Josephine
Beauharnais scheiden ließ und sich dann wieder mit Marie Louise
(1810) verheiratete. Damit schwand aber, besonders im folgenden
russischen Feldzug, sein Glück dahin — genau wie der Seher es
angab.
Wielange währte sein Kaiserreich? Wir wissen es jetzt genau,
vom 19. Nop. 1799 bis 13. April 1814. Das sind also 14 Jahre
fünf Monate. Was hat Nostradamus dem „geschorenen Haupt“
prophezeit? Wir finden es 7, 13:
„Von der zinsbar'n Stadt am Meer?) gelegen,
limmt's geschorne Haupt die Satrapies),
Jagt die Schmutzigen, die ihm entgegen,
Dierzehn Jahr hat er die Tyrannie.“
Und wenn Nostradamus nicht mehr geleistet hätte, als die vier
vollständig harmonierenden Napoleon-Quatrains — er wäre einer der
größten Propheten!
1) Napoleon hatte sich als symbolische Seremonie das lange Haar schneiden
lassen.
2) Toulon!
) Persisch für „Herrschaft.“
nun werfen wir einen Blick auf den ‚Neffen des Großen“ — womit
der Seher niemand anders als Napoleon IIll. meint. Er sagt 2, 91:
„Feuer, goldener Schein vom himmel zur Erde sichtbar, geschlagen
von hochgeborenen“!), wunderbare Tatsache; großes Menschenmorden;
die Gefangennahme des großen Neffen; ein theatralischer Cod geht
an dem hochmütigen vorbei.“
Nostradamus will offenbar besonders darauf hindeuten, daß es
dem „großen Neffen“ nicht vergönnt war, inmitten seiner Cruppen zu
sterben. Von heftigen Schmerzen gepeinigt stand er lange im Kugel—
regen — aber keine wollte ihm den ersehnten Tod bringen.
Während diese Vierzeiler bereits eingetroffen sind — von den
Tausend ist etwa der fünfte Teil bereits enträtselt — steht bei anderen
der Vorgang erst bevor. Im Jahre 3797 soͤllen sie alle abgelaufen sein.
Wären Nostradamus Schriften allgemein verständlich, so hätte
wohl ein furchtbarer Kismet-Glaube die Hände der herrscher gelähmt.
Der Seher hat deswegen die Vorfälle so verzeichnet, daß man die
Erfüllung seiner Worte erst dann erkennen soll, wenn sie eintreffen
oder eingetroffen sind.
Es wird den Leser ebenso wundern wie den Verfasser, der nach
den ersten beiden Kriegswochen auf die Stelle stieß, daß Nostradamus
auch den Fall von Lüttich vorhergesagt hat. 6, 30 lautet wörtlich
wiedergegeben:
„Durch den Anschein einer fingierten Heiligkeit (Schein⸗Neutralität)
wird der Bischofssitz (Kloster) den Feinden verraten werden. Bei Nacht,
wo man in Ruhe schlafen zu können glauben darf, werden die von
Cüttich bei Brabant marschieren ·..
Eine für uns erfreuliche Aussicht über das Verhältnis zwischen
Frankreich und — England bietet folgender Vierzeiler (6, 83). Die
„Blume“ ist bei Nostradamus natürlich die Lilie des französischen Wappens:
„Dem sie soviel Ehr' und Lieb' erweisen,
Wenn er belgisch Gallien betritt, J
Der wird nachher sich sehr roh erweisen,
Feindlich er der Blum' entgegentritt.“ —
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1) Da die uns vorliegende französische Nostradamus⸗Ausgabe einen sinnstören—
den Druckfehler an dieser Stelle enthält, folgen wir dem Text bei Kemmerich.
Wenn wir bedenken, wo unsere Truppen im Westen jetzt kämpfen,
so wird uns folgendes mit neuer Zuversicht erfüllen können (10, 51):
„Orte, niedriger gelegen als Lothringen, werden mit Niederdeutschland
vereinigt werden, durch die von der Belagerung der Picardie, Normandie
und Le Maine und werden auf Kreise (Kantone) zurückgeführt werden.“
Doch weiter! Der Seher verkündet uns den erhofften Gesamt—
erfolg (2, 87). Der vierzeiler ist verhältnismäßig leicht zu enträtseln:
„Danach kommt von den äußersten Ländern (d. h. aus den äußersten
Grenzen seines Reiches) ein germanischer Fürst auf dem goldenen Thron:
In Knechtschaft kommt die Dame auch durch widrige Gewässer (d. h. durch
Sturmflut oder mißlungene Operationen der Marine), ihre Zeit hat
nicht länger gedauert.“
Wer ist der germanische Fürst auf dem goldenen Thron? Daß
der goldene Thron nur das gewöhnliche Emblem sein soll ohne besondere
Bedeutung, ist im Hinblick auf die dunkle Ausdrucksweise des Nostradamus
ausgeschlossen. Es soll vielmehr heißen: Ein Fürst, dessen Regierung
den Charakter eines goldenen Zeitalters hatte, eine Friedensregierung,
also offenbar Wilhelm Il. dessen Herrschaft doch wohl am längsten von
allen den Frieden verbürgte.
Außer diesen Vierzeilern kommen wohl gegenwärtig noch eine
ganze Reihe in Frage, es ist jedoch überaus schwierig, sie einigermaßen
richtig zu deuten. Wie gesagt, erkennt man den Zusammenhang der
Prophezeiung meist erst dann, wenn sie eintrifft. Da wir über Rußland
bei Nostradamus nichts Aktuelles finden, so soll wenigstens der berühmte
„England-Quatrain“ hier Platz finden. Cigentlich ist er, von einem
Zusatz nach 1568 abgesehen, der letzte von allen (10, 100)9):
„England wird die große Herrschaft führen,
Mehr denn drei Jahrhundert Allgewalt,
Meer und Land groß' Truppenmacht passieren,
Was den Cusitanern nicht gefallt.“
Die CLusitaner sind nach antiker Ausdrucksweise die Spanier (und
Portugiesen). Die Spanier hatten vor England die Weltherrschaft zur
— — — — —
)J Etwas geändert gegen Roesch.
14
See inne bis zu jenen gewaltigen Herbststürmen, die Schiller in einem
Gedicht besingt — Flavit lehovah et dissipati srunt —
„Gott der Allmächt'ge blies,
Und die Armada flog nach allen Winden.“
Die Denkmünze dazu wurde jedoch nicht in England sondern in
holland geschlagen, als die Kiesenflotte Phillips I. vernichtet war. Das
war 1588. Es ist nicht genau festzustellen, ob Nostradamus schon von
hier ab zählt, oder erst seit der Uberwindung der niederländischen
Flotte. Jedenfalls stände das Ende der englischen Herrschaft in diesem
Jahrhundert bevor. Daß das gerade den Spaniern nicht gefallen wird,
ist aus dem Grunde augenscheinlich, weil die früher inne gehabte
Zeeherrschaft nicht wieder an sie zurückkommen wird.
Die Frage, die sich nun bei alledem aufdrängt, nämlich ob man
denn überhaupt mit der Möglichkeit der richtigen Sehergabe rechnen
könne, ist schwer zu erledigen. In manchen Fällen wird man aller—
dings eine sehr geschickte Kombination von einer Prophezeiung nicht
unterscheiden können. Das gilt aber nur für Zeiträume, innerhalb
deren solche Schlüsse als menschlich aufstellbar angenommen werden
können. Wenn es sich dagegen wie hier um zwei bis drei Jahr—
hunderte handelt, dann ist eine bloße Kombination ausgeschlossen.
Berücksichtigt man jedoch die Umwälzungen unserer Vorstellungen
von Raum und Zeit, die die letzten Fortschritte der Physik hervor—
gebracht haben, so kann man sich immerhin denken, daß ein Hinter⸗
einander der Vorgänge, wie wir es erleben, in einem vollkommener
arbeitenden Gehirn zu einem Nebeneinander wird. So schildert uns
Nostradamus in der Tat seine Visionen. Um uns diese begreiflich zu
machen, muß er das Nebeneinander als ein Hintereinander geben, da
wir in jedem Augenblick unsere Aufmerksamkeit nur einem Gegenstand
zuwenden können. Nur wer selbst solche Anlagen besitzt, wird sich in
die Welt des Sehers einfühlen können.
Doch selbst wenn wir uns über diese psychologische Seite der Frage
klar wären, dann erforderte die Möglichkeit einer so weitreichenden
2
Prophezeiung jedenfalls, daß zu der Zeit, wo sie in dem Gehirn des
Propheten zur Auswirkung gelangt — sodaß ihm also der zukünftige
Vorgang klar wird — dieses Ereignis im Weltplan bereits festgelegt ist.
Damit stehen wir vor einem der tiefsten Probleme, um die der
Menschengeist sich seit Jahrtausenden gemüht hat, vor der Frage nach
der Praedestination (Vorherbestimmung), also des Verhältnisses zwischen
Hott und Welt. Man gelangt am leichtesten zu tieferem Verständnis
desselben, wenn man sich das „Uhrenbeispiel“ des ersten großen
deutschen Philosophen, Gottfried Wilhelm von Leibniz (1646- 17 16),
vor Augen hält.
Wenn zwei Uhren (die eine der Leib, die andere die Seele) einen
ganz gleichmäßigen Gang aufweisen, so kann das erstens daran liegen,
daß z. B. ein zwangsläufiges Getriebe beide Werke verbindet. Das
gliche einer mechanischen Cinwirkung des Leibes auf die Seele. Zweitens
kann aber ein Beobachter angestellt sein, der die beiden Uhren fort⸗
während neu zu regulieren hat. Das ist die Lehre des sogenannten
Okkasionalismus, wonach Gott, nachdem er einen körperlichen Vorgang
hervorgerufen hat, auch den zugehörigen seelischen bewirkt. Drittens
können aber auch beide Uhren so konstruiert sein, daß ihr Lauf stets
miteinander übereinstimmt, daß eine „praestabilierte Harmonie“ besteht.
Dann befinden sich auch die geistige und die körperliche Welt in steter
Ubereinstimmung. Aus dem Wesen Gottes folgert Leibniz weiter, daß
sein Streben auf eine möglichst vollkommene Welt hinzielt. Damit
ist aber nicht gesagt, daß sie absolut vollkommen, sondern nur, daß sie
die vollkommenste der möglichen Welten überhaupt sei.
Nur wenn ein großes Gesetz den Weltlauf regiert, ist eine
Prophezeiung desselben denkbar, da bei rein zufälligem Cintreten
der Ereignisse die Angaben darüber ebenso oft zutreffend wie unrichtig
sein müßten. Greift man nun vom mathematischen Standpunkte aus
die Frage an, z. B. allein die Napoleon-Serie, so läßt sich leicht beweisen,
daß hier von einem „Zufall“ nicht mehr die Kede sein kann, sondern
daß Nostradamus wirklich der Blick in die Zukunft gestattet war.
Wenn wir nun ein Urteil über die Wirkung dieser Weissagungen
gewinnen wollen, so können wir folgendes erwägen. Napoleon III.
wußte 3. B., wie wir eingangs berichteten, daß er die Schlacht bei
3
Sedan verlieren würde — und suchte deswegen im Kugelregen den
Tod, ohne ihn dort zu finden. Von unserm Marschall „Vorwärts“
wurde oben erwähnt, daß die Prophezeiungen J. A. Müllers in ihm
die Siegeszuversicht stärkten. In diesem Sinne können wir also nur
Gutes von der Verbreitung dieser Schrift erwarten. Ja sogar doppelt,
da die Prophezeiungen aus französischer Quelle stammen. Daß man
in dem sehr abergläubischen England auch viele Leute finden wird,
die dem ungünstigen Prognostikon des Nostradamus Glauben schenken,
ist ebenfalls anzunehmen, besonders wo dort die gebildeten Kreise das
weltgeschichtliche Unrecht ihres Landes einsehen.
Natürlich muß man damit rechnen, daß man auch gegen uns auf
diesem Wege auf die Stimmung einzuwirken suchen wird; und die
Fälschung wird wohl selbst vor unserem Nostradamus nicht Halt machen.
Aber das kann unseren Glauben an den Sieg nicht erschüttern.
Für uns gilt noch heute das Wort hektors, das er im Kampfe
vor Troja dem Polydamas entgegnete, als dieser auf ein ungünstiges
Vogelzeichen aufmerksam machte:
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9—
PVic olovòocg οο νεοο αο αιο[Msα.
„Nur dies Vorzeichen gilt, das Vaterland kämpfend zu schirmen“.
14
verlag von K. F. Koehler Ceipzig
Wie England
unser Feind wurde
hvon—
Dr. Selix Salomon
hrofessor der Geschichte an der Universität Ceipzig
Preis 50 Pfg.
der volle Keinertrag wird an die Nationalspende für die hinterbliebenen
gefallener Krieger überwiesen.
Men hat den gegenwärtigen Krieg rein wirtschaftlich erklären
wollen. England wolle seinen handelskonkurrenten nieder—
ringen, das sei des Pudels Kern. Salomon, ein genauer Kenner
der englischen Geschichte, ist anderer Meinung.Seiner Ansicht
nach ist die Hauptursache des Weltkrieges durchaus politisch.
Die Uberspannung des Imperialismus, des Machtgedankens
ist es, die England den Weltbrand entzünden ließ. Salomon
beweist das Schritt für Schritt, beginnend mit der Siluation
nach 1870. Als Kenner aller Zusammenhänge, als gerechter
uind durch Gegnerschaft unverblendeter Beurteiler dürfte er von
keinem deutschen Gelehrten übertroffen werden. Seine Schrift
liest sich in ihren beweisenden Teilen wie die vernichtende An—
zlagerede eines Staatsanwalts, im zusammenfassenden Urteil
wie ein unverbrüchlicher Kichterspruch. Es ist zu erwarten,
daß sie die öffentliche Meinung aufs stärkste beeinflussen wird.
Tine wichtigere Frage als die der Auseinandersetzung zwischen
Deutschland und England gibt es ja zurzen nicht.
zu haben in allen Buchhandlungen.
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Am 2. September erschien:
An die deutsche Jugend
im Weltkriegsjahr 1914
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Tugen Kühnemann
Professor an der Universität Breslau.
Preis 25 Pfg. Bei Bezug von 100 und mehr
Preis 20 pᷣfg. für das Exemplar.
Innerhalb vier Wochen wurden 30000 Exemplare verkauft.
41.-650. Tausend. I
die Hälfte des Reinertrages ist für die vom Kriege
Unmillelbar betroffenen Grenzgebiete bestimmt.
Tremplaren:
Urteile:
das preußische Kriegsministerium:
die schrift verdient wegen ihrer trefflichen Worte weiteste Ver⸗
hreitung in der deutschen Jugend.“
der Oberbürgermeister von Königsberg Dr. Körte:
„Die begeisterten und begeisternden Worte Rühnemanns
werden ihre Wirkung auf alle jugendlichen Deutschen üben. Ich
werde insbesondere den Jugendklubs und Vereinigungden der Jugend
die Schrift empfehlen.“
der
Leipziger Literaturhistoriker Geheimrat Prof. Dr. Albert Köster:
„Die schöne Kühnemannsche Ansprache an die Jugend trifft den
rechten Ton. Betrachtungen —V— und Ent⸗
schlüsse, die wir alle in diesen Wochen tausendfach, gerade aus dem
lund der Jugend sich äußern hörten, hier sind sie geklärt und doch
wieder fast mit den gleichen Woͤrlen ausgedrückt, die sich jedem aus
die Zunge drängen. das sichert dieser kleinen edelherzigen Ansprache
zen Widerhall und gewiß auch die weiteste Verbreitung.“
Zu beziehen durch die Buchhandlungen.
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