Die ethische Idee der Vollkommenheit . 203 weise ist . Der Charakter heißt nicht bloß kurzweg sittlich oder gut , sondern hoch oder niedrig , fein , zart , erhaben , heilig . Und warum loben oder tadeln wir den Charakter ? loben und tadeln ihn mehr und in eigentlicherem Sinne als die Tat ? loben und tadeln ihn nicht bloß als Summe aller Taten ? Nicht bloß darum weil die tugendhafte Gesinnung oder die terische Betrachtungsweise einheitlicher Quell und kraft der einzelnen Werke ist , sondern noch mehr weil sie nicht etwas Gegebenes , sondern etwas Erstrebtes und rungenes , also selbst eine sittliche Tat ist , und die sittliche Urtat . Und diese sollte nicht eine eigentümliche Beurteilung verlangen , die mit dem Urteil über ihre einzelnen Werke noch nicht gegeben ist ? Sie verlangt nicht bloß die sammenfassung derjenigen Ideen , welche bei der Wertschätzung jedes einzelnen Werkes angewant sind , sondern eine neue Idee , welche aus der Zusammenfassung hervorgeht . Hier ist der eigentliche Sitz der Idee der Vollkommenheit . Das ethische Urteil , welches die Menschen fällen , trifft meist nicht eine einzelne Tat , sondern die Person . Dieses Urteil gründet sich freilich auf viele Urteile über einzelne Taten dieser Person ; aber die Taten gelten nur als zeichen des Charakters . Und mit vollem Recht . Der rakter vertritt ganz die Stelle der Arten in der Botanik und Zoologie ; um das Einzelne als solches , das Exemplar , bemüht man sich nicht ; und so auch nicht um die einzelne Tat . Mit der Art , dem Charakter , ist das Einzelne genügend bestimmt . Der Charakter aber ist nicht wie die Art die bloße straction des Urteilenden ; er ist vielmehr eine ganz concrete , wirkliche , wenn auch nicht materielle , so doch ideelle Macht , welche fortwährend Gutes oder Böses hervorbringt . Und sie ist eine Macht , die der Mensch nicht in sich findet , sondern die er durch sittliche Arbeit an sich selbst erst in sich erzeugen , wachsen lassen muss . Der Charakter ist der telligible Mensch ; indem er seinen Charakter schafft , schafft er sich selbst , und so als Selbstschöpfer ist er frei . Dies stimmt mit dem was wir schon gefunden haben . Die Vollkommenheit betrifft nicht das Quantum der Willens -