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H . Steinthal ,
aber , der Kinder - und Frauen - Mörder schrecklicher als der Mörder schlechthin . Warum das ? Hier sind offenbar kommenheits - Grade : worauf beruhen sie ? auf dem Quantum des Wollens oder der ausübenden Kraft ? Gehört etwa mehr Kraft des Willens oder der Arme dazu den alten Vater zu morden , als einen rüstigen Reisenden ? Wir nennen den Neid kleinlich : etwa weil wenig - Kraft auf seine Erzeugung verwendet wird ? Feindesliebe wird überaus gerühmt , dank geschmäht : werden wir hierbei von Quantitäts - Verhält - nissen des Wollens bestimmt ?
Es ist Wohlwollen , wenn der höfliche junge Mann sich bückt , um der Dame den fallen gelassenen Handschuh zuheben ; und es ist auch nur Wohlwollen , wenn der Mann einem armen unschuldigen Mädchen , dessen Not sich der Leser ausmalen möge , derartig hilft , dass sie ihr Leben in Ehrlichkeit und Reinheit weiter lebe . Nur letzteres aber nennen wir eine Tat ; in ersterem dagegen sieht man bloß ein Spiel , obwohl es doch eigentlich kein Spiel , sicherlich kein Nichts ist . Zwischen solchem Spiel und solcher Tat gibt es aber viele Mittelstufen . Was ist es nun , wodurch solche Grade oder Stufen bedingt werden ?
Wenn jemand seine Pflicht erfüllt , so findet das Billigung . Wenn aber jemand seiner Pflicht nachkommt zu seinem eigenen höchsten Nachteil , mit Aufopferung seiner selbst : so steigert sich unser Lob . Wir loben zwei Richter , die sich nicht haben bestechen lassen : sie waren beide unbestechlich . Dem einen aber war überhaupt keine Bestechung oder nur ein geringer Vorteil geboten , der andre hingegen wies eine große Summe Geldes ab : den letztern rühmen wir sonders . — Wort halten ist die Grundlage jedes Verkehrs und wird gelobt ; aber Regulus hat unsterblichen Ruhm gewonnen .
In diesen und ähnlichen Fällen erkennen wir Grade der Völlkommenheit in der Sittlichkeit und demgemäß Grade unseres Lobes und Tadels . Und was bedingt diese Grade ? — Die Kraft des Wollens ? Die Fülle des Wollens ? oder dessen Gesundheit ? Keinesweges , meine ich , könnten solche