Ueber Gebräuche und Aberglauben beim Essen . 375
und manche Bedenken , welche sonst der Fassang des schlusses vielleicht hemmend in den Weg - treten würden , verschwinden in diesem Momente . Tacitus berichtet ans von den Deutschen , dass sie ihre wichtigsten Beschlüsse während der Gelage fassten , Strabo und Plutarch von den Persern , dass sie beim Wein liber die wichtigsten Dinge beratschlagten ; 1 gleichfalls besagt ein griechischer Vers , den uns Plutarch aufbewahrt hat , 2 dass
„ Besserer Rat und Sinn bei vollem Magen sich finde "
und diesem Grundsatze entsprechend finden wir auch als alte griechische Sitte Beamtenberatangen in Form schaftlicher Mahlzeiten . 3 Ferner huldigen die Indianer Südamerikas vielfach gleichem Brauche : in Guiana wird der Kriegshauptmann beim Mahle gewählt , 4 am Ucayali berät man vor dem Kriege erst , nachdem man sich durch Chichagenuss in die nötige Begeisterung versetzt hat , 5 die Araukaner schlichten bei ihren großen Schmausereien die wichtigsten Staatsgeschäfte . 6 Auch die Bewohner Tongkins lieben es , ihre Angelegenheiten über Tisch zu verhandeln . 7 In eigentümlichem Gegensatz zum alten germanischen Brauche steht der moderne deutsche Aberglaube , dass gerade das , was über der Mahlzeit verabredet wird , misslingt8 — sollte sich hierin vielleicht christlicher Einfluss in bewusstem gensatze zum heidnischen Brauche erkennen lassen ?
1 Strabo 1333 . Plutarch . Tischreden 7 , 9 , 1 .
2 Tischreden 7 , 2 , 1 .
3 Tischreden 7 , 9 , 1 . ( Tischreden 7 , 10 findet sich eine längere Erörterung über die Frage , ob diese Beratungen beim Wein pfehlenswert seien . )
4 Bastian . Seele 125 .
5 E . Grandidier in Nouvelles Annales 67± 77 .
6 Neue Sammlung von Reisebeschreibungen . Hamburg 1780 ff . Bd . 4 * > S . 142 .
i Globus 32 , 330 .
8 Grimm No . 822 .
25 *