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Krauss:
noch viel höherem Grade als Nahrungsmittel benutzt worden sind. Wenn
auch zugegeben werden muss, dass die Hauptepoche ihrer Nutzbarmachung-
längst vorüber ist und da endete, wo der Nomade zum Ackerbau über¬
ging, so sind doch die erhaltenen Reste ihrer Yerwendung bedeutsam
genug geblieben, um selbst heut noch volkswirtschaftliche Beachtung zu
verdienen. Es liegt am Tage, dass namentlich in Südeuropa, neben dem
wachsenden Yerbrauch der mehlhaltigen Cerealien, es eine andere Bauni-
frucht gewesen ist, die den Eichelgenuss nach und nach verdrängt hat.
Es war dies die echte Kastanie, die von ihrer, wie es scheint beschränkten
vorderasiatischen Heimat aus, Europa erobernd, der einstmaligen dort vor¬
waltenden Balanophagie ein Ende gemacht zu haben scheint. Mehr als
eine Qualität sicherte ihr den Vorrang selbst vor den besten Speiseeicheln;
nicht zum mindesten wohl die widerstandsfähigere, stachelige Bewehrung
der Frucht gegen tierische Übergriffe.
So dürfen wir uns denn nicht darüber wundern, dass, bei Bewahrung
der Ursitte des Verzehrens einer halbwilden Baumfrucht, für viele Länder
und ihre Bevölkerung, der Titel eines Brotbaums von der Eiche auf die
Edelkastanie übergegangen ist.
Der Tod in Sitte, Brauch und Glauben der Siidslaven.
Vorwiegend nach eigenen Ermittlungen.
Von Friedrich S. Krauss.
Vorwort.
Die bedeutsamsten Überreste des ältesten Glaubens behaupten sich bei
allen Völkern in den Totengebräuchen; denn sie unterliegen verhältnis¬
mässig wenigen Veränderungen, da sie durch die besonderen, Herz und
Gemüt aufs mächtigste erschütternden Ereignisse eine eigene Weihe und
Heiligkeit besitzen, infolge welcher sie immer wieder neu aufgefrischt und
in Übung erhalten werden.
Es ist klar, dass uns auf diesem Gebiete eingehende Erhebungen ge¬
schulter Volksforscher bei allen Völkern der Gegenwart tiefe Einblicke in
die Entwicklung ursprünglicher religiöser Anschauungen und Vorstellungen
eröffnen müssen. Je gründlicher und sorgfältiger derartige Ermittlungen
angestellt werden, und je weniger sie durch subjektive und parteiische