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Drechsler : Der Wassermann im schlesischen Volksglauben .
damit , packte ihn dann und schlug ihn mit der linken Hand , so dass er sich nicht zu helfen wusste . Endlich liess sie ihn los , und er verschwand mit den beiden Mägden in die Tiefe . — Ähnliches erzählt man vielerorten .
Fragen wir nach der leiblichen Erscheinung , durch die er sich der menschlichen Bildung annähert , so hören wir in Schlesien :
Der Wassermann ist ein kleines ältliches Männlein von Kindergestalt . Er hat grüne Zähne , langes zottiges Haar , zuweilen mit grünen pflanzen durchflochten , trägt eine rote Kappe und rote1 ) Strümpfe ; sein Gesicht ist greisalt mit Glotz - oder Fischaugen . Wegen der roten Kleidung erscheint der Wassermann in oberschlesischen Sagen auch als roter Husar ( Beuthen O . - S . , Zabrze ) . Auf die roten Strümpfe zielt auch ein schlesisehes Kinderspiel , das Wassermannspiel . Ein Kind steht in einer Vertiefung , die den Wassergraben vorstellt , die anderen Kinder springen am Ufer herum und singen spottend dabei :
„ Wassermannel , zieh mich rei ( n ) !
Ich hô - 'n rût'n Strümp verlorn ,
Ich möcht'n garne wieder hon . "
( Kreis Leobschütz und Kreis Brieg . )
Der Wassermann hascht nach den Kindern und sucht eines von ihnen in die Tiefe zu ziehen ; vgl . Weinhold , Zeitschr . Y , 54 .
Ähnlich tanzen an der Tauber die Kinder am Ufer herum und rufen : Wasserfrale , Wasserfrale , zieh mi nei di Tauber ! " E . H . Meyer , Badisches Volksleben , 1900 , S . 51 f . — Im polnischen Oberschlesien , wo der mann noch heute eine grosse Rolle spielt , beschreibt man ihn als ein nacktes graues Mäunlein , das man im Wasser glucksen höre oder in hellen Nächten auf dem Ufer oder auf dem Flusswehre sitzen sehe . Oft läuft es aus einem Wasser ins andere ; dann trägt es ein rotes Gewand oder rote flatternde Bänder , die es auch am Ufer hinbreitet , um Kinder damit anzulocken . Gern zieht der Wassermann auch Jünglinge in die Tiefe und verheiratet sie in seinen prachtvollen Wohnungen ( vgl . Wolf , Beiträge , 2 , 290 ) mit seinen Töchtern oder behält sie zu seiner Bedienung : Lompa in Schles . Provinzalbl . 1862 , S . 395 ; vgl . Liebrecht , Zur Volkskunde , S . 357 . Vor dem Palaste des Wassermanns liegt auch nach schlesischen Sagen eine Wiese ; über sie müssen die ( wohl ursprünglich nur vom W mann hinuntergezogenen ) Toten . So erscheint der Wassermann als gottheit wie die Eân . Dies meint auch ein hierzulande geläufiges polnisches Sprichwort : „ Der kann's noch weit bringen oder : der wird schon kommen , wenn ihn die Liska nicht aussaugt " , d . h . nicht ins Wasser zieht und durch Aussaugen des Blutes ( Lebens ) tötet . Vgl . zu der Redensart „ der Nix hat sie gesogen " Wolf , Beiträge , 2 , 292 . Vielleicht hängt mit diesem Worte Liska die schlesische Form Lisse , Wasserlisse zusammen .
1 ) Vgl . Wolf , Beiträge , 2 , 282 ; Liebrecht , Gervasius , S . 121 .