Höfler : Die Hedwig - Sohlen .
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Der liebe gethreue Gott , der verleihe und göbe durch Christum Jhesum , Unsern ainigen Erlößer und Seeligmacher , sein göttlich Hülff und Genadt , daß al , die diß Keller Recht lesen und wohl verstehn , gewißendtlich darnach sich kheren und Zeytt des Löbens befolgen , so recht und sittig ist . Amen , f 7 7
Mazzen am Set . Johannis Bapt . Tag im 1614 Jar .
Graz in Steiermark .
Die Hedwig - Sohlen .
Von Dr . Max Höfler .
( Mit Tafel VI . )
Eines der interessanteren volkstümlichen Gebildbrote ist das in Breslau , Geisse , Trebnitz und anderen schlesisclien Orten für den 17 . Oktober , den Tag der heil . Hedwig , gebackene und von den Pilgern zum Grabe dieser Heiligen in Trebnitz gekaufte Gebäck „ Strumpf - Sohlen " , auch „ Heclwigs - Solilen " genannt , dessen Abbildung ( Fig . 1—4 ) beigegeben ist . Die heil . Hedwig1 ) , welche häufig barfüssig mit einem Paar Schuhe in der Hand abgebildet wird , starb 1243 als Herzogin von Schlesien . ÏJacli ihrer Legende soll sie dieses Sohlengebäck in Breslau als Armenspende gestiftet haben2 ) , welches heute den Sonntagsbissen der ärmeren Bevölkerung in Trebnitz und in der Grafschaft Glaz bildet . Es ist dies ein flaches , zäli - teigiges , fettes Hefenteig - , auch Honigteig - Gebilde , welches die Form einer fussblattartig abgeschnittenen Schuhsohle oder eines ausgetretenen strumpfes hat .
Bei den volksüblicken Gebildbroten vereinigen sich nun nicht selten zwei sonst selbständige Opferformen ; dieses Gebäck wird die Um - wechselung oder Ablösung einer älteren Schuhsohlen spende in natura sein , in Vereinigung mit einem Brotopfer ( Opferfladen ) . Dass es sich dabei um ein herkömmliches Totenopfer handeln dürfte , erhellt wohl aus verschiedenen Momenten . Vor allem wallfahren die Pilger zum „ Grabe " 4 der Heiligen ; weiterhin fällt der Heiligentag zwischen St . Michael , der
germanischen Totenfeier ( s . Ztschr . d . Vereins f . Volkskunde 1901 , S . 193 ) und Allerheiligen , der christlichen Totenfeier . So wie man die Fischzinse in Brot - Zinsfischen abtrug , so konnte auch eine ältere Sohlenspende auch einmal in der Form eines Sohlen - Gebildbrotes an die Armen erfolgen .
1 ) Der Wirksamkeitsglauben , der an verschiedenen schlesischen Hedwigs - Brunnen haftet , hat wohl seinen Ursprung im Seelenkulte . Die hl . Hedwig übernahm als heilige viele Volksgebräuche des schlesischen Volkes , namentlich aus der Zeit der lichen Totenfeier .
2 ) Die in den „ Bildern der Hedwigslegende " von Wolfskron 184G abgebildeten brote zeigen diese Sohlenform nicht .