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Spiess , Boite :
Kofoert Holsten , Woher stammt die Weizacker Tracht ? Pyritz , 1911 ( Programm des Königl . Bismarck - Gymnasiums zu Pyritz ) . 19 S . 4° .
Es ist sehr erfreulich , dass sich die wissenschaftliche Beilage eines programms auch einmal ein volkskundliches Thema zum Gegenstand genommen hat . Dass es eine Untersuchung zur Trachtenkunde war , auf die die Wahl fiel , ist wohl in den örtlichen Verhältnissen begründet : Pyritz liegt im Mittelpunkt des Weizacker Trachtengebietes . Leider wird der Wert der vorliegenden Arbeit durch eine Reihe methodischer Fehler ganz erheblich in Frage gestellt . Zunächst vermisst man eine eingehende Beschreibung der Tracht . Der Verweis auf Abbildungen in Trachten werken ( S . 2 ) oder auf die Beschreibung an anderen Orten ( S . 2 Anm . ) genügt schon deswegen nicht , weil erst eine genaue Trachtenbeschreibung eine sichere Grundlage für die ganze Untersuchung schafft . Es kann darum auch die Abgrenzung des Trachtengebietes , die der Vf . vornimmt ( S . 2—4 ) , nicht als gesichert angesehen werden . Ferner liefert die Befragung von Gewährsmännern kaum ein wandfreies Material . Auch gebildete Einheimische , wie Pfarrer , Lehrer und besitzer können nicht ohne weiteres als Sachverständige betrachtet werden . Denn der Begriff einer bestimmten Volkstracht und damit auch die Feststellung ihrer räumlichen Verbreitung kann nur durch genaue Vergleichung von Ort zu Ort wonnen werden , bei der man dann am Ende den charakteristischen Typus der Tracht erhält . Es gibt Volkstrachten , die auf den ersten Blick zusammenzugehören scheinen und die doch ganz verschiedenen Trachtentypen angehören . Und gekehrt sind Trachten , die anscheinend gar nichts miteinander zu tun haben , bei näherer Untersuchung nur Varianten desselben einheitlichen Trachtentypus . — Ist so die ganze Grundlage , auf die die Untersuchung gestellt ist , unsicher , sa ist auch die Alternative : 'entweder ist die Weizacker Tracht ein Erzeugnis des Bodens oder sie ist von auswärts gekommen1 ( S . 4 f . ) unhaltbar . Ein 'Erzeugnis des Bodens' ( an sich schon ein unklarer Ausdruck ) ist die Volkstracht nirgends wesen , wenn darunter verstanden werden soll , dass die Bewohner eines bestimmten Gebietes ihre Tracht selbst erzeugt , sozusagen 'erfunden' haben . Die Volkstracht ist überall eine Nachahmung städtischer Modekleidung gewesen . Es hätte darum versucht werden müssen , die Weizacker Tracht soweit wie möglich zurück - zuverfolgen — denn auch die Volkstrachten haben oft eine sehr lange wicklung hinter sich , in deren Verlauf sich unter Umständen das äussere bild vollkommen verändern kann — und für ihre älteste feststellbare Form ein Vorbild in der zeitgenössischen Mode zu finden . Die eingehenden geschichtlichen Untersuchungen dagegen , die der Vf . vornimmt ( S . 9 — 16 ) , sind für die Beantwortung der Frage , die er sich gestellt hat , ohne Bedeutung . Wenn er zu dem Ergebnis gelangt , dass die Weizacker Tracht von deutschen Kolonisten stammt , welche von den Colbatzer Mönchen ins Land geholt wurden ( S . 9 ) , so ist das schon deswegen nicht richtig , weil zu jener Zeit — wohl im 11 . oder 12 . Jahrhundert ? — von einer tracht im heutigen Sinn noch gar nicht die Rede sein kann ; diese hat sich erst viel später entwickelt . Auch hätte doch der Umstand , dass dies Ergebnis mit dem geographischen Befund nicht stimmt , den Vf . gegen seine Folgerungen miss - trauisch machen sollen . Denn er muss zugeben , dass die Tracht einerseits das Colbatzer Gebiet nicht ausfüllt und andererseits darüber hinausgeht . Und wenn er selbst es 'auffallend' nennt , 'dass ältere Berichterstatter wohl des Weizackers Erwähnung tun , aber die Weizacker Tracht nicht nennen' , so hätte ihn das vielleicht doch zu dem Schluss führen können , dass die Tracht unmöglich schon sieben Jahrhunderte dort heimisch sein kann ( S . 7 ) . — Trotzdem wäre es an sich .