Berichte und Bücheranzeigen .
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Deubner , De incubatione ( Leipzig 1900 ) , von Otto Weinreich , Antike wunder ( Giessen 1909 ) , im 8 . Bande der für die Volkskunde des klassischen Altertums bedeutungsvollen , von Albrecht Dieterich , dem verdienten Neubegründer dieser Wissenschaft , in die Wege geleiteten , jetzt von seinen Schülern R . Wünsch und L . Deubner weitergeführten Sammlung : 'Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten' . Es kann daher auch nur dankbar begrüsst werden , wenn in dem hier zur Besprechung vorliegenden Gymnasialprogramm Herrlichs der Versuch einer Zusammenfassung und allgemeinen Orientierung gemacht wird .
Der kenntnisreiche Verfasser , der für sein Thema eine alte persönliche Liebe mitbringt — seine Programmabhandlung von 1898 desselben Gymnasiums schildert nach eigener Anschauung 'Epidaurus , eine antike Heilstätte' — berichtet in dem ersten Teil eingehend und sorgsam abwägend über die seit Meibom ( 1659 ) bis in die neueste Zeit zur Inkubation erschienene Literatur . Er kommt ( mit Kavvadias , Wilamowitz , Diels u . a . ) zu dem gewiss richtigen Ergebnis , dass die an den Asklepieen berichteten Heilungen ausschliesslich auf der von dem Gotte selbst im Schlaf vollzogenen Wunderwirkung beruhen ; nicht aber , wie andere gemeint haben ( so neuerdings R . Herzog und Aravantinos ) , dass gleichzeitig mit der Traumdeutung am Orte vorzunehmende Kuren von den Priesterärzten angeordnet worden seien . Ebenso sei die antike Überlieferung entschieden abzulehnen , dass Hippokrates , der Begründer der antiken Medizin , seine Wissenschaft hauptsächlich aus den im Asklepieion zu Kos inschriftlich aufgezeichneten Heilkuren geschöpft habe . Kurz ausgedrückt : die antiken Asklepios - Kultstätten hatten mehr Ähnlichkeit mit Lourdes als mit Marienbad ( S . 18 ) !
Der zweite Teil handelt eingehender vom Traume überhaupt , dem Glauben der Alten an vorbedeutende Träume ; von dem Tempelschlaf an den Kultorten des Asklepios , Trophonios und Amphiaraos . Die Vorstellung von einer besonders sunden Lage und Heilwirksamkeit dieser Ortlichkeiten wird zurückgewiesen : Die Asklepieen seien 'weder klimatische Kurorte noch Kaltwasseranstalten noch endlich Mineralbäder gewesen . Nur von dem menschenfreundlichsten der Götter erwarteten die Pilger Befreiung von ihren Leiden' ( S . 30 ) . Erst in späterer Zeit tritt an die Stelle der wunderbaren Heilung durch den Gott während des Schlafes die führung besonderer , von dem Gotte angegebener Verhaltungsmassregeln . Aber auch diese waren nur sinnlose Prozeduren oder geradezu Zaubermittel . Zum Schluss werden einige interessante Fälle des Vorkommens von Inkubation im heutigen Griechenland mitgeteilt . — Wenn ich an den lehrreichen , gründlichen Darlegungen des Verfassers etwas aussetzen soll , so hätte ich gewünscht , dass der Leser zuweilen unmittelbarer , anschaulicher an die Dinge selbst herangeführt worden wäre , statt bloss über sie zu hören . Warum immer nur von den legenden lamata - Inschriften reden , statt einige besonders markante mitzuteilen und an den Anfang der Untersuchungen zu stellen ? Zumal der Verfasser unter den Lesern doch wohl auch reifere Schüler seiner eigenen Anstalt wünscht , die gewiss nicht das griechische Corpus zur Hand haben . Hat sich doch auch Wilamowitz nicht gescheut , in seinem Isyllos von Epidauros , der zum Teil denselben Stoff zum Gegenstande hat ( Berlin 1886 ) , eine grössere Heilinschrift in Original und Übersetzung zu geben ! — Übrigens waren diese Inschriften statt GIG I\ ( z . B . S . 19 , 6 . 25 , i ) vielmehr zu zitieren IG IV ( nach der Neubezeichnung , 1902 schienen ; jenes bezeichnet den Band der älteren Sammlung von 1877 ) . Die treffenden Inschriften stehen , um dies hier nachzutragen , auch bei Dittenberger , Syllogell2 n . 802 , cf . 803 . Eine kleine Auswahl jetzt bei W . Janell , Ausgewählte Inschriften griechisch und deutsch ( Berlin 1906 ) , S . 1 IG ff . V ielleicht wäre auch
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