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Brunner :
in Holland 'kerf' , in England 'score' oder 'tally' , in Frankreich 'taille' , in Italien 'taglia' , in Spanien 'talla' . In Österreich wird das Kerbholz ziemlich allgemein , auch in deutschen Gebieten 'Robisch' oder 'Robitsch' , 'Rowitsch' , 'Robasch' , südslawisch 'Rabosch' ( vom böhmischen vrub = Kerbholz ) genannt .
Wie in Europa wohl überall , so ist das Kerbholz auch in Asien , Afrika und Amerika weitverbreitet1 ) .
Zahlreich wie die Gebiete seines Yorkommens sind auch die Formen und Yerwendungsarten des Kerbholzes . Das einfachste Kerbholz ist ein Stab , in welchen zur Erinnerung an Leistungen oder Zahlungsverpflichtungen Kerben geschnitten werden . Diese Art zeigt uns Abb . 1 in mehreren Formen . Das ursprünglichste dieser drei Kerbhölzer ist ein Zweig , an dem die Kerben durch die Rinde in das Holz geschnitten sind . Es stammt aus Brandon in Suffolk , England , und wurde als Kerbholz für Reisbündelschneider ( faggot tally ) bezeichnet . Seine Länge beträgt 27 cm . Einen gleichartigen , aber 128 cm langen Kerbstock besitzt die Sammlung für deutsche Yolkskunde aus Nandorvalya bei Broos in Siebenbürgen . Er wird dort Rovasch genannt und diente zur Berechnung der Steuern und Weinschulden . Ausser den Kerben sind auch ganze Ringe um den Stock geschnitten und stellenweise breite Streifen der Rinde abgeschält . Diese eigentümliche Erscheinung ist vielleicht geeignet auf die Entstehung einer mecklenburgischen , bei Fritz Reuter z . B . öfter wiederkehrenden Redewendung 'up sinen Schalm nehmen' in der Bedeutung 'auf eigene Rechnung setzen' Licht zu werfen . Denn 'Schalm' ist nach Grimm D . Wb . 8 , 2097 das Zeichen an einem Baum , das durch Abschlagen oder Abschälen eines Rindenstückes gemacht wird2 ) . Ein Kerbstock , dessen Rinde also teilweise abgeschält wird , wie es bei dem siebenbürgischen Stücke geschehen ist , würde demnach als Schalmstock oder volkstümlich abgekürzt als Schalm bezeichnet worden und so Schalm mit Kerbstock gleichgesetzt sein .
Das zweite hier abgebildete Kerbholz einfacher Art stammt aus Konstantinopel und diente zur Abrechnung von Milchlieferungen3 ) . Es wurde im Hause des Abnehmers aufbewahrt und in Gegenwart beider Parteien an den Kanten gekerbt . Das dritte in Abb . 1 dargestellte Stück
ist aus Eichenholz gefertigt , mit einer eingebrannten Hausmarke ^
versehen und vermittels einer Säge , wie das in neuerer Zeit oft vorkommt , gekerbt . Es stammt aus Truchtersheim im Elsass und wurde mehrfach durch Wegschneiden 'Abkerben' der Striche erneuert , woraus sich die
1 ) Vgl . R . Andree , Ethnograph . Parallelen 1 ( 1878 ) S . 184f .
2 ) Vgl . auch Homeyer , Die Haus - und Hofmarken - ( Berlin 1870 ) S . 161 .
3 ) Mitteil . a . d . Ter . d . Kgl . Sammlung f . deutsche Yolkskunde Bd . 2 ( 1906 ) S . 160 .