cßänbez . J\ & 5 . Mit besonderer Herürksiclülgung äer AntKropolagie unü Gtknologie . n Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von Karl Andree . 0>£pfCtltBn * Wöchentlich 2 Bogen . Halbjährlich 3 Thlr . Einzelne Nummern , soweit der Vorrath reicht , ü , 4Sgr . 1889 . Eine Wanderung von Calcutta nach den Tempeln von Dschagganath . i . Die weiße und die schwarze Stadt in Calcutta . — Die Verehrung der Todesgöttin Kali und ihre Attribute . — Der religiöse Mörderbund der Thags und ihr königlicher Beruf . — Der Weg nach Kuttack ; die Pagode . — Pilger auf der Straße nach Puri - Dschagganath . — Die Büßer und ihre Heiligkeit . Calcutta , die politische Hauptstadt von Britisch - Jndien , zerfällt in zwei von einander scharf abstechende Theile , in die weiße und in die schwarze Stadt . Die erstere wird von den Europäern bewohnt , deren Häuser von Gärten umgeben sind und sich von außen gesehen ganz europäisch ausnehmen , während man sie int Innern auf eine dem heißen Klima entsprechende Weise eingerichtet hat . Nirgends fehlt z . B . ein Pankah , eine an der Decke angebrachte Vorrichtung , um Luftzug hervorzubringen und zugleich die lästigen Jnsecten zu verscheuchen . Nirgends fehlt eine um das Haus herum - laufende Veranda , welche gegen Sonne und Regen Schutz gewährt ; die Zimmer sind geräumig und derart eingerichtet , daß an der Decke überall Luftzug ist . Während die weiße Stadt sauber und behäbig erscheint , bildet die schwarze Stadt , Tschauringhi , zu ihr einen schroffen Gegensatz . Hier sind die Straßen eng und krumm ; eine Bude und ein Waarenlager befindet sich neben dem an - dern , namentlich in den Bazaren . Dort hat der neue An - kömmling vollauf Gelegenheit , das Leben und Treiben nicht nur der bengalischen Inder mit Muße zu betrachten , er sieht in der Weltstadt Calcutta orientalische Leute aus allen Län - dern von Arabien bis nach China . Än den^ nicht zu den Bazaren gehörenden Straßen findet er eine Menge armseli - ger Hütten mit niedrigen Wohnzimmern . Der ärmere Hindu behilft sich mit wenigem Hausgeräth ; eine Matte ersetzt ihm Globus XVI . Nr . 5 . ( September 1869 . ) unser Bett ; in den Winkeln stehen einige kupferne oder irdene Gefäße , und Palmblätter dienen ihm statt unserer Schüsseln . Stühle und Tische sind nicht vorhanden . Die reichen Leute , die Balms , haben allerdings einige europäische Möbeln und allerlei abendländischen Luxus : Spiegel , Pendulen , Spiel - nhren , Porcellanvasen und dergleichen mehr , sie wissen aber nichts Rechtes damit anzufangen . Für den Abendländer ist Calcutta kein angenehmer Auf - enthalt ; er verläßt denselben so bald als irgend möglich . Gewöhnlich wird er durch seine europäischen Bekanntschaften veranlaßt , sich mit einigen „ Merkwürdigkeiten " bekannt zu machen , die ein echt indisches Gepräge tragen . Die eine derselben ist die Verbrennungsstätte am Ganges , auf welcher die Leichen verbrannt werden , deren Asche man dann in den heiligen Strom wirft . Sie ist aus drei Seiteu von einer hohen Mauer umschlossen , auf welcher stets Geier uud Marabutvögel sitzen , um einige Beute zu erhaschen . Der Anblick dieser Ceremonie hat für den Europäer etwas zu - gleich Widerwärtiges und Erschütterndes , aber man betrachtet sich doch nicht ohne gespanntes Interesse ein für uns so neues und seltsames Schauspiel . Als der französische Reisende Alfred Grandidier im Jahre 1862 diesen Begräbnißplatz besuchte , traf er einige Hindu , welche die Leiche ihres Vaters in deu Ganges werfen wollten ; sie waren zu arm , um die Rupie ( 20 Silbergroschen ) zu zahlen , für welche das zum 9