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Band xvil .
UL >8 .
Mit besonderer Herücksiclltigung äer Anthropologie unä Gtknologie»
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Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von
Karl Andree .
Jttttt Monatlich 4 Nummern . Halbjährlich 3 Thaler . Einzelne Nummern , soweit der Vorrath reicht , ü , 4Sgr . 187^»
Madrid .
Ein spanisches Städtebild von Franz Koppel .
I .
Wo man auch landen mochte an der spanischen Küste , oder auf welchem Paß man die Pyrenäen überstieg , von jedem Punkte der Grenze aus rechnete man vor Alters , ja schon zu Strabo's Zeit , nenn Tagereisen bis ins Herz des Landes , bis nach Toloitela , der erhabenen Warte oder Hochwacht , von der die Araber sagten , sie läge aus dem Nabel der Halbinsel . Etwas prosaischer ausgedrückt , lag sie fast mathematisch geuau in der Mitte der ueucastili - scheu Hochterrasse und behauptete ihre domiuirende Stellung bisj ins sechzehnte Jahrhundert , von dessen zweiter Hälfte an ein anderer , etwas künstlich geschaffener Mittelpunkt sich das Uebergewicht zu verschaffen wußte , indem Philipp der Zweite im Jahre 1560 den bisher unbedeutenden Flecken ( pueblo ) Madrid ausdrücklich für die Hauptstadt der spa - nischen Monarchie erklärte . Diese unbestreitbare historische Thatsache hat jedoch die ruhmredigen Spanier natürlich nie abgehalten , über die uralte Gründung und Glorie ihrer Haupt - stadt die stolzesten Fabeln zu ersinnen . Unter Anderm be - hauptete der Professor Juan Lopez de Hoyos , welcher den Cervantes nie anders als mi amado discipulo nannte , die an den Ruinen des Arco de Santa Maria zu Madrid eut - deckten Inschriften seien chaldäisch und der Triumphbogen selbst sei zu Ehren des babylonischen Königs Nabuchodonosor bei Gelegenheit seiner Durchreise errichtet worden !
So fern es mir liegt , unsere Leser durch Auszählung solcher Wunderlichkeiten zu ermüden , so kann ich doch nicht
Globus XVII . Nr . 18 . ( Juni 1870 . )
unerwähnt lassen , daß der „ guia oficial " ( der amtliche rer durch die Hauptstadt ) vom Jahre 1869 die genauesten Daten über das Alter Madrids zu besitze» scheint , indem er eben dieses Jahr unserer Zeitrechnung als das zweitausend - sechshundertuudneuuzehnte seit der Gründung Roms , zugleich aber als das viertausendfünfunddreißigste seit der Gründung Madrids beziffert ! ! In demselben Buche steht dann verzeichnet , daß die Römer diese Stadt Mantua tauften , und zwar mit dem Beisatz Carpentanornm , wahr - scheinlich um sich und späteren Generationen alle Verwechs - lungen mit Mantua , dem Geburtsorte Virgils , ein - für alle - mal zu ersparen .
Ob dergleichen Weisheit des „ guia oficial " in den len des heutigen spanischen Interregnums gelehrt wird , habe ich nicht erfahren können ; zu Zeiten der Königin Jfabella geschah es ganz gewiß nicht , weil es nur Schule» gab , die Niemand besuchte . Doch lassen wir den Scherz , hinter dem freilich bitterer Ernst steckt , bei Seite ; Madrid ist alt , so neu und frisch geprägt es immer aussieht , es ist uralt .
Im Jahre 933 wird die Stadt zum ersten Male ge - schichtlich erwähnt , und zwar unter dem arabischen Namen Mahubib oder Mazerit ; es ist ein stark befestigter Waffen - platz , welcher von Ramiro dem Zweiten den Arabern nur nach heftigem Widerstande entrissen wird .
Unter wechselndem Waffenglück , heute in christlichen , mor - gen in maurischen Händen , wuchs dem Orte eine ziemlich
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