Band xxvu
Mit befondtm Herücksiclltigung der Antkroxologie unck Gtlinologic .
In
Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von
Karl Andree .
Braunschweig
Jährlich 2 Bände . Jeder Band enthält 24 Nummern . Monatlich 4 Nummern . Preis xrc» Band 12 Mark . Einzelne Nummern 50 Pf .
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Bilder aus den Niederlanden .
Die Provinz Seeland und ihre Bewohner . — Stürme und Wogen . — Untergang von Neimerswaal . — Walcheren . — Saubere Landhäuser . — Kirmeß in Oost Souburg . — Trachten der Bauern . — In einer Schänke . — In der Stadt Vliessingen .
Ein Blick auf die Karte zeigt , daß die niederländische Provinz Seeland fast ganz aus Inseln besteht . Die Stürme und Wogen der Nordsee haben dort im Lause der Jahrhunderte keine geringeren Verwüstungen angerichtet , als an der Westküste der cimbrischen Halbinsel . Alles ist vom Wasser völlig durchrissen und gegen den Andrang der Wel - len hat man das Land mühsam durch Deiche geschützt . Im Jahre 600 unserer Zeitrechnung zählte man nenn Inseln , welche nur durch Dünen gegen den Anprall der Wellen ge - sichert waren ; 1663 zählte man achtzehn Eilande , weil theils Stücke von den größeren abgerissen waren , theils sich Land angesetzt hatte . Andererseits ging aber auch fester Boden zu Grunde , so z . B . die Ortschaft Neimerswaal ; die - Leute dort waren so wohlhabend , daß sie , wie man sich heute noch erzählt , ihre Pferde mit silbernen Hufeisen be - schlugen .
Die Bewohner der seeländischen Inseln sind stramme Menschen von rein germanischem , niederdeutschem Blute ; etwas schwerfällig aber muthig , seetüchtig , rechtschaffen , fleißig , ausdauernd und ungemein zäh ; sie weichen nur ungern und nicht anders als im äußersten Nothsalle . Dafür lie - fert das eben erwähnte Neimerswaal den Beweis . Man hielt dort die Deiche gut im Stande , aber trotzdem kamen Brüche vor ; bei einem derselben , im Jahre 1557 , riß die Westerschelde eine ganze Straße fort , setzte die Polder unter
Globus xxvil . Nr . 9 .
Wasser und dieses stand in der Kirche 12 Fuß hoch . Vier - Jahre später war der Polder wieder vom Wasser frei und es wuchs Gras ; aber bald nachher drangen wieder Fluthen ein und am 11 . und 12 . Januar 1557 brach ein schweres Verhäuguiß über die Stadt herein . Der größte Theil der Häuser , die Thore , das Rathhaus uud das Spital wurdeu unterwaschen und stürzten ein . Was noch stehen geblieben , wnrde 1558 von einem großen Brande heimgesucht und 1561 kam wieder eine Ueberschwemmnng . Sechs Ueber - schwemumngen und ein großer Brand in zwölf Jahren ! Aber die Bewohner bleiben trotzdem am Platze . Im Jahre 1574 sind nicht weniger als 6000 Morgen Landes mit Wasser bedeckt , und nun wenden die Leute sich dem Fisch - fang zu ; seitdem bis 1631 hat der Ort nur noch einen Deich und ist zum Dorf herabgesunken . Nun erst räumen die Bewohner den Platz , weil die Kriegsschiffe der Spanier zu fürchten sind . Im Jahre 1634 werden die noch vor - handenen Häuser niedergerissen , das Pflaster wird anfge - Krochen und man ladet die Ziegelsteine in Fahrzeuge , um sie anderwärts zu verkaufen .
Unter den Inseln Seelands liegt Walcheren am wei - testen nach Westen hin und seine Südküste wird von der Westerschelde bespült . Dort liegt die Hafenstadt Vliessin - gen , welche den Ausgang des Stromes beherrscht . Die niederländische Regierung verwendet große Sorgfalt und
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