Jo 10 .
Band xxvii .
Mit üesonäerer Herücksicktigung äer Anthropologie unä Gtllnologie .
In
Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von
Karl A n d r e e .
f Xu , ' . Jährlich 2 Bände . Jeder Band enthält 24 Nummern . Monatlich 4 Nummern . 0 ^ K
Braunschwelg 5ßte { § pro S8anb 12 m * . Einzelne Nummern 50 Pf . 187 5 .
Bilder aus
A u f W a
Die Landleute in Seeland machen auf den Fremden einen ganz angenehmen Eindruck , und manche haben in ihrer äußern Erscheinung etwas Vornehmes ; die Haltung ist ruhig und gemessen . Die meisten Leute siud mager , wohl - beleibte bilden nur die Ausnahme . Bei den Männern Wal - teu braune Augen vor , bei den Frauen graue oder blaue ; die Mädchen haben eine Gesichtsfarbe wie von Milch und Blut . Der ganze Typus ist niederdeutsch , altsächsisch . Die Bäuerin ist keineswegs phlegmatisch , sondern munter und aufgeweckt , zum Lachen aufgelegt ; sie hält sich im Gange schlank und gerade , Alles an ihr ist lecker und sauber , die Sprache weich . Selbst bei den armen Leuten trifft man , insbesondere wenn sie Calvinisten sind , eine gewisse Wohl - auständigkeit . Intelligent ist das Volk wie in den Städten so auch auf dem Lande . Man sieht , daß man es mit Len - teu altsächsischer Abstammung zu thun hat ; nur an einzel - nen Stellen , z . B . zwischen Hülst und Axel , ist etwas Mischung gallischen und ligurischen Blutes hinzu gekommen .
Die Sitte hat große Macht bei diesem Volke , und es trennt sich nicht leicht von dem ihm liebgewordenen Her - kommen . Alles hat seine gute Ordnung und Regel , von welcher nicht abgewichen wird . Das eine uud andere nimmt sich freilich komisch genug aus , z . B . ein Herkommen , dem - gemäß Knaben und Mädchen sobald sie lausen können ge -
Globus XXVII . Nr . 10 .
Niederlanden .
l ch e r e n .
kleidet werden wie Vater und Mutter . Die Tracht solch einer kleinen Tochter ist aus das Allergenaueste jener der Mutter nachgeahmt ; mit stijve langetten ( steifenTressen ) , kleiner Mütze , Schnürleib , Schürze , Röcken , Strümpfen , Sammetschuhen mit silbernen oder versilberten Schnallen , der Hoosdnaald an den Schläfen , den Ohrbammeln und dem Korallenhalsband .
Der Bauer läßt das Haar vom Hinterkopf bis über die Ohren , auch wohl bis auf deu Nacken herab hängen und dann rund schneiden . Das letztere geschieht auch mit den Haaren vor der Stirn . Man hält viel aus langes Haar , das als ein Zeichen der Freiheit gilt . ' Der Recrut ist sehr traurig , wenn man ihm beim Einstellen ins Heer das Haar verkürzt .
Bisher hat die Mode gegenüber der Volkstracht noch nicht viel ausrichten können . Die katholischen Priester eifern freilich , fehr überflüssiger Weise , gegen das Wamms von ge - blümten Stoffen , und die protestantischen Pastoren , eben so thöricht , gegen die zwanzig Filigranknöpse ; aber was haben diese Knöpfe und was hat das bunte Wamms mit Religion oder Kirche zu schassen ? Uebrigens liegt die Zeit doch weit zurück , in welcher die calvinistischen Pastoren Schern und Rasirmesser mit auf die Kanzel nahmen uud droheten , daß sie Männern den Schnauzbart , Frauen das allzulange Haar abschneiden würden ! !
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