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Band XXVII .
JZ 18 .
Iii besonäerer Herüc^sicktigung Äer Antkroxologie und Gtknologie .
In
Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von
Karl Andree .
Braunschweig
Jährlich 2 Bände . Jeder Band enthält 24 Nummern . Monatlich 4 Nummern . Preis pro Band 12 Mark . Einzelne Nummern 50 Pf .
187 5 .
Von Delhi nach Calcntta .
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In Calcntta . — Die ersten Eindrücke . — Kennzeichnung der Bengalis . — Reformbestrebungen der Mittelclasse . — Die Babus ; der Brahmo Soinadsch . — Verehrung der Göttin Kali ; die Ccremonie des Charak Pndscha . — Ein Turnplatz . — Fanatismus und Kastenwesen . — Im botanischen Garten . — Der Adjutantenvogel . — Ein Ausflug in das Stromgewirr der Sanderbands . — Ueber Goalauda nach Dakka . — Diamond Harbonr .
Calcutta macht auf den Europäer , welcher nach einer Seefahrt den Hngly aufwärts dampft und die Hauptstadt Indiens in Sicht bekommt , einen großartigen Eindruck . Vor ihm erhebt sich eine lauge Reihenfolge von Prachtpalästen , im Hasen liegen zahlreiche Schiffe , am Ufer drängt sich eine geschäftige Menge , stattliche Carosseu sausen neben Palankins vorüber ; er ist erstaunt über die bunten , malerischen Bilder , die sich vor ihm hin - und herbewegen . Er geht ans Land , in die Stadt hinein und glaubt sich in die vornehmen Stadt - viertel Londons versetzt ; die stattlichen Wohnhäuser sind von Gärten mit Teichen umgeben ; in den Straßen liegt ein prachtvoller Waareuladen neben dem andern , viele Gebäude nehmen sich mit ihren Säulen und Giebeln wie griechische Tempel aus . Wenn er aber weiter ins Innere eindringt , verschwindet dieser Glanz ; er betritt schmale , dunkele Gassen und sieht nur armselige Strohhütten ; der Uebergaug vou Pracht zur Armseligkeit ist schroff , nicht , wie in Bombay , allmälig durch Uebergäuge vermittelt .
Auch bietet in Calcutta die Bevölkerung keineswegs die bunte und pittoreske Mannigfaltigkeit dar , welche für Bom - bay so sehr kennzeichnend ist ; dort am Hngly sieht man aller - dings Leute aus den verschiedenen Völkerschaften Indiens : Hindustanis , Kaufleute aus Marwar , die vorzugsweise Geld -
Globus XXVII . Nr . 18 .
Wechsler sind und mit europäischen Mauusacturwaaren hau - delu ; Lastträger aus Orissa oder Birbhum , dauu und wann eiueu Chinesen oder Birmanen ; aber die überwiegende Mehr - zahl der Volksmenge und der Mittelclasse besteht ans Ben - galis ; die Adelsaristokratie ist spärlich vertreten , desto mehr die Classe der reich gewordenen Emporkömmlinge .
Rousselet kann von den Bengalis im Allgemeinen nicht viel Gutes sagen . Er schildert die unteren Classen als uu - wissend , abergläubig , feig , verschmitzt uud fanatisch , als ein trauriges Wuster der Hiudurace ; dagegen erschien ihm die Mittelclasse interessant , weil diese Babus in Folge viel - sacher Berührung mit Europäern in mancher Beziehung Reformen zugänglich sind . Sie gründeten Lehranstalten , in welchen die Wissenschaften auf europäische Art gelehrt wer - den ; die in denselben gebildeten jungen Männer bestanden die Prüfungen und hatten damit ein Anrecht in den Staats - und Verwaltungsdienst zu treten . Wir gehen gelegentlich näher auf die Stellung ein , welche diese Inder den Eugläu - deru gegenüber einnehmen und deuten hier nur einige Re - formen an . Das Lossagen von dem mit vielen wüsten Dog - men überladenen Brahmanismus der Gegenwart kann Leuten , welchen die europäischen Wissenschaften zugänglich geworden sind , nicht schwer fallen ; sie kennen aber ihre Landsleute hin -
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