•V & *
Band XXXVII .
M ! t besonderer HerücKsiclüiZung äer Antkroyologie uns Gtknologie .
Begründet von Karl Andree .
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von Dr . Richard Kiepert .
Jährlich 2 Bände k 24 Nummern . Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten i qq« •OtCliltt I ( t ) lt ) CtQ zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen . * c *
Die Republik H a y t i .
( Nach dem Französischen des Hrn . E . La Selve . )
II .
Mit einem gewissen Stolz machen die Einwohner von Cap Haitien jeden Fremden auf zwei gewaltige Bauwerke aufmerksam , die , einige Meilen landeinwärts von der Stadt gelegen , zu den größten Sehenswürdigkeiten des ganzen Lan - des gehören , doch muß der Reisende nicht erwarten , hier ausnahmsweise etwas Anderes zu finden als Ruinen ; denn das Schloß Sans - Souci sowohl als auch die Citadelle La - fernere liegen im traurigsten Verfalle — aber , auch sehen von dem Umstände , daß die beiden Riesenbauten in den ersten Jahrzehnten der Unabhängigkeit des Negerstaates nach den Entwürfen farbiger Baumeister von farbigen Ar - beitern aufgeführt worden sind , verdienen sie in der That die größte Beachtung ; und wenn König Henry , berüchtigten An - denkens , der staunenden Mit - und Nachwelt beweisen wollte , „ daß die juuge Monarchie der Farbigen keinen Vergleich mit den alten europäischen Königreichen zu scheuen brauche , " so hat er in dem Punkte architektonischer Bestrebungen , frei - lich auch uur in diesem , seinen Zweck erreicht .
In Begleitung eines der angesehensten Advokaten von Cap Haitien , Mr . Karnö's Gourgues , machte sich La Selve an einem Nachmittag zu Pferde auf den Weg nach der klei - nen Stadt Milot , in deren unmittelbarer Nähe Schloß ititb Citadelle sich befinden . Eine Fähre brachte sie Uber die Mündung des Flusses Haut - du - Cap ; dann ging es eine gute Strecke dicht am Meeresufer entlang , bis man die nach Sü - den abgehende Straße erreichte . Zur Rechten derselben er - hob sich das Fort St . Michel , das im Jahre 1802 an einem und demselben Tage von dem Negergeneral Pstion genom - Uten und von den Franzosen unter General Clause ! wieder
Globus XXXVII . Nr . 7 .
zurückerobert wurde . Zur Linken ließ man den Flecken Pe - tite - Anse liegen , der , auf der Stelle des größten festen Dor - fes des altindianischen Guakanagarik erbaut , während des Sklavenaufstandes lange Zeit das Hauptquartier Henry Christophe's , damals noch Obersten beim Negerheere , gewesen ist . Hier machten auch 1759 die Franzosen den ersten Ver - such , das von Martinique eingeführte Bambusrohr zu kulti - viren , einen Versuch , der über alle Erwartung günstig ans - siel und den reichen Hülfsquellen des Landes eine neue , unerschöpfliche hinzufügte . Die Straße war durch die Regen - güfse der vorhergehenden Tage vollständig aufgeweicht , und überall ragten ans dem Schlamme große Steine und Fels' stücke hervor ; aber die kleinen auf der Insel selbst gezogenen Pferde , die sich durch sicher» Gang und nervige Härte ans - zeichnen , überwanden alle diese . Hindernisse mit Leichtigkeit . Nach mehrstündigem Ritt durch die breite Savanne Grand - Pro , in der ein von Henry Christophe errichtetes befestigtes Lager sich befindet , kamen die Reifenden bei dunkeler Nacht in Milot an . Es war nicht leicht , in der finster» schlafen - den Stadt ein Nachtquartier ausfindig zu macheu , und erst nach manchem Umherirren fand man Aufnahme im Hause eines Mulatten . Milot liegt nicht weit voul Fnße des Monte - du - Bounet - K - l'Evkque , eines gewaltigen in Terrassen anstei - genden Berges , auf dessen unterster Stufe das Schloß Sans - Souci sich erhebt .
Bei glänzend klarem Sonnenscheine begaben sich La Selve und sein Begleiter am nächsten Morgen unter Führung eines ihnen von dem militärischen Befehlshaber der Stadt beigegebenen Negersoldaten nach den Ruinen , die aus einem
13