86 Cäcilie Seler: Kurzer Bericht über eine archäologische Reise durch Mexiko und Mittelamerika.
Totolapam, S. Carlos und S. Bartolo Yauhtepec, Jalapa
und Tequizistlan nach Tehuantepec. Der Weg ist gleich
förmig und langweilig, hügelauf, hügelab, der Busch
wald im Winter grau und trocken ; nur zwischen S. Carlos
und S. Bartolo durchreitet man schönen grünen Berg
wald, und der erste Blick auf den breiten, glitzernden
Flufs von Tequizistlan bietet dem Auge willkommene
Erquickung. Die archäologische Ausbeute auf dem Wege
war gleich Null, und auch von den Ruinen, welche
irgendwo an diesem Wege sollten vorhanden sein,
konnten wir nichts entdecken. — Von Tehuantepec aus
unternahmen wir eine Expedition nach den Ruinen des
Quien-gola, zu den Huaves nach S. Mateo del Mar und
durchstreiften die Umgegend mehrere Tage lang, Alter
tümer und Pflanzen sammelnd. — Zwischen Tehuantepec
und Tonalä besuchten wir Lao-yaga, Iztaltepec, Izhuatan,
wo wir zu dem grofsen Feste der Candelaria (Mariä
Lichtmefs) eintrafen, das manches Interessante bot.
Über Tapana und La Punta erreichten wir nach einigen
Nachtritten durch schönen Tropenwald Tonalä. Hier
gab es wiederum die ausgedehnten und gut erhaltenen
Ruinen zu besichtigen, die sich über den Berg hinter
der kleinen Stadt hinziehen, der noch in den Schluchten
nahe seinem Gipfel reichlich Wasser hat und mit seiner
schönen Lage und frischen, reinen Luft sicherlich zur
Ansiedelung geeigneter ist als das heutige, durch Hitze
und Fieber ausgezeichnete Tonalä. Nach einem Aus
flug an die Lagunen und einem Yorstofs in der Rich
tung nach Tapachula zu brachen wir nach Chiapas auf.
Wir wählten den etwas längeren, aber bequemeren
neuen Karrenweg, statt des altberühmten schlechten,
weil er uns durch das Thal von Cintalapa führte. Der
Weg ist nicht schlecht, doch hatten wir viel gegen
heftige, rauhe Winde zu kämpfen, besonders auf dem
Übergange über die Cuesta San Fernando. Da man
viele grofse Hacienden passiert, so ist keine Not an
Nachtquartier, oder Mangel an Nahrung für Menschen
und Tiere. Doch gingen die Hoffnungen auf reiche
archäologische Ausbeute leider nicht in Erfüllung. Das
wenige, was wir von Altertümern zu sehen bekamen,
konnten wir nicht erwerben, so z. B. die aufserordent-
lich interessanten, aus einem Höhlenfunde stammenden
Stücke, die wir in der Hacienda El Rosario, ganz nahe
bei Cintalapa, fanden, von denen sich aber der Besitzer
nicht trennen wollte. Über Jiquipilas und Petapa ging
unser Weg weiter und eine kleine Tagereise, ehe wir
Tuxtla-Gutierrez erreichten, bogen wir vom Wege ab
nach Ocozuquauhtla. Dieser Schritt vom Wege belohnte
sich reichlich durch Erwerbung von Altertümern, die
einen sehr eigentümlichen Typus zeigen. Es war das
erste Mal, seit wir den Isthmus verlassen hatten, dafs
wir unsere Sammlungen in bemerkenswerter Weise
bereichern konnten. Auch Tuxtla brachte uns nichts;
nur unbestimmte Nachrichten von Gegenden, in denen
manches gefunden werde. Aber gefunden wird eben
überall, nur nicht aufgehoben. Wer hier selbst graben
könnte, würde vermutlich durch gute Ausbeute belohnt
werden.
Von Tuxtla ab war es mit dem guten Wege vorbei.
Schon das kurze Stück nach Chiapas ist herzlich schlecht.
Vor Chiapas wird der schöne breite Strom übersetzt.
Über Iztapa und Cinacantan, durch von Zotzilindianern
bevölkertes Gebiet, ging es nun auf S. Cristobal zu,
dessen Markt ein Sammelplatz verschiedenster Indianer
typen und -sprachen ist.
Unser nächstes Ziel war Comitan, doch gingen wir
nicht geradeswegs auf dasselbe los, sondern wollten
erst nach Ocotzingo und die Ruinen von Toninä be
suchen. Über die Tzeltal-Dörfer Huiztan, Oxchuc und
S. Martin ging es auf herzlich schlechten Wegen, aber
durch sehr reizvolle und abwechselungsreiche Gegend
nach Ocotzingo und zu den Ruinen von Toninä, die wir
in trostlosem Zustande antrafen. Von etlichen interes
santen, mit Figuren und Hieroglyphen bedeckten Stelen
konnten teils Photographieen, teils Papierabklatsche ge
nommen werden. — Der" Weg von hier nach Comitan
ist ziemlich langweilig — man meint oft durch nord
deutschen Kiefernwald zu reiten — und bietet auch
ethnologisch und archäologisch wenig; nur bei Vergel
trifft man ausgedehnte Fundamente alter Siedelungen.
— Von Comitan aus ritten wir nach Zapaluta und er
reichten die grofse Strafse bei Hun Kanäl, aber nur, um
sie zu kreuzen, denn wir gedachten den Umweg über
die einem Deutschen gehörige Hacienda von Chaculä zu
machen, welches uns als eine an alten Resten reiche
Gegend geschildert worden war. Und trotz mancher
Enttäuschung, trotz häufiger falscher Gerüchte und
trügerischer Nachrichten liefsen wir uns doch nicht von
dem kleinen Umwege abhalten. Schon von Hun Kanäl
ab erblickt man häufige Überreste. Je mehr man sich
dem grofsen See von Tepancuapan nähert, um so be
deutender werden sie. Das ganze weite Gebiet von
hier bis über die Grenze hinüber mufs in alten Zeiten
dicht bevölkert gewesen sein. Was wir in Chaculä
sahen und erfuhren, beeinflufste zum Teil unsere spätere
Zeiteinteilung. Vorerst mufsten wir erst einmal nach
Guatemala kommen, um die Regierungsbriefe zu be
sorgen, die für erfolgreiche Arbeit im Lande unentbehr
lich sind, und um uns zu orientieren, was für Arbeit
unser sonst noch harrte. So ritten wir nach Nenton,
Jacaltenango, Todos los Santos — einem hoch im Ge
birge gelegenen grofsen Dorf, das durch merkwürdige
Trachten und abweichende Sprache seiner Bewohner
erwähnenswert ist. Zwischen Todos los Santos und
Chiantla wird die Sierra Madre in einer Höhe von etwas
über 11000' überschritten. Weiter ging es über Quiche
in Staub und Hitze auf Guatemala zu, wo wir am
17. April einritten, froh, einige Tage wohlverdienter
Ruhe vor uns zu haben.
Ehe wir nach der mexikanischen Grenze zurück
kehrten, um dort unsere Arbeiten zu beginnen, lag uns
daran, über die Gegend von S. Lucia Cozumahualpa
orientiert zu sein. So ritten wir denn über Antigua,
zwischen den beiden mächtigen Vulkanen delFuegound
del Agua hindurch, nach der Kaffeegegend hinunter,
wo wir schon in den Beginn der Regenzeit gerieten.
Hier ist ein grofser Teil der Pflanzungen in deutschen
Händen, und wir wurden also gut aufgenommen. Über
die Altertümer der Gegend war aber vorerst nicht viel
zu erfahren. In S. Lucia selbst erhielten wir solche
Informationen, dafs uns klar wurde, wir müfsten noch
einmal wiederkommen. Von diesem Ausflug zurück
gekehrt, trafen wir unsere Vorbereitungen zum Rückweg
nach der Grenze.
Am 4. Juni brachen wir von Guatemala auf. Wir
wählten den Weg über Quezaltenango und zwar den
Reitweg, der beträchtlich kürzer und viel schöner ist
als die Poststrafse. Über Patzun, Sololä und Nahualä
führt der Weg am hohen Ufer des herrlichen Atitlansees
vorbei und zwischen Nahualä und Quezaltenango wieder
in beträchtlicher Höhe über das Gebirge. Wir hatten
schon sehr unter der früh und stark einsetzenden
Regenzeit zu leiden. Unser Geschick führte uns am
Frohnleichnamstage nach Nahualä und es ist gerade
kein Vergnügen, an einem Feiertage unter strömendem
Regen in einem Indianerdorfe Quartier zu machen. —
Sobald wir Maultiere und einen Treiber dazu gefunden
und einen Burschen gemietet hatten, ging die Reise