Cäcilie Seler: Kurzer Bericht über eine archäologische Reise durch Mexiko und Mittelamerika. 87
weiter über Siha, Aguas calientes, Iiuehuetenango nach
Chiantla und von da denselben Weg zurück, den wir
vor zwei Monaten gekommen waren. Die Wege in dieser
Gegend sind zwar immer schlecht, aber im Regen
werden sie nicht besser, und ich will gleich vorweg
nehmen, dafs sie bei unserer Rückkehr, Anfang Sep
tember, einfach scheufslich waren. Aber schliefslich
kamen wir trotz aller Mühsale an unserem Arbeitsfelde
an. Während dreier Monate, die wir teils im Rancho
Uaxac Kanal, teils in Cbaculä zuhrachten, wurde nun
gegraben, abgebaut, photographiert, Altertümer und
Pflanzen gesammelt. Es war die entbehrungsreichste,
arbeitsreichste, aber auch die ergebnisreichste Zeit der
ganzen Reise. Ein ganz neues Gebiet lag vor uns:
Höhlen, Gräber, Pyramiden und skulpierte Steine, Gefäfse,
Scherben und Steinfiguren von ganz neuem Typus. Und
wir bedauerten nur, nicht Jahr und Tag hier arbeiten
zu können, um dem Boden seine Schätze zu entlocken.
— Als der August sich seinem Ende näherte, mufsten
wir an die Heimreise denken, wenn wir die Wege noch
benutzbar finden wollten. Das Einpacken und Fort
schaffen war noch eine schwierige Frage, die aber
schliefslich auch gelöst wurde. Wir mufsten uns ent-
schliefsen, den gleichen Weg über Nenton, Jacaltenango
und Todos los Santos zum drittenmale zu machen, da
der andere über S. Eulalia, von dem wir manches er
hofften, von kundigen Leuten für ungangbar erklärt
wurde. Von Huehuetenango aus besuchten wir diesmal
die Ruinen der alten Stadt, die aber als Steinbruch
benutzt und gänzlich zerstört sind. Yon Quezaltenango
aus nahmen wir die Poststrafse, um in Totonicapam
Station zu machen, das jedoch die in Bezug auf Alter
tümer gehegten Hoffnungen nicht erfüllte. Ehe Tecpam
erreicht wurde, besuchten wir einen Landsmann in der
Sägemühle von S. Elena, im herrlichsten Cypressenwalde
gelegen. (Herr Thom übergab uns seine ganze, sehr
interessante Sammlung für das Museum von Berlin.)
Müde und abgespannt trafen wir am 1. Oktober wieder
in Guatemala ein und gönnten uns einige Wochen zur
Erholung.
Ende Oktober ging es wieder zur Küste hinunter.
Bei Palo verde, einige Leguas oberhalb S. Lucia, nahmen
wir Papierabdrücke von drei herrlichen Reliefsteinen,
ganz im Stile der S. Lucia-Skulpturen, welche den Stolz
des Berliner Yölkermuseums bilden. Hatte uns hier der
Regen auch mancherlei Schwierigkeiten beim Arbeiten
gemacht, so fanden wir es in S. Lucia selbst ganz
unmöglich, in dieser Jahreszeit Papierabklatsche zu
machen, und mufsten uns entschliefsen, dies auf einen
dritten Besuch zu verschieben. Auch war unser Yorrat
an Papier zu Ende. So ging es denn wieder nach
Guatemala zurück und von dort nach der Alta Vera Paz,
über Chiquin, Salamä und Tactic nach Coban.
Dort wurde uns unser Reiseglück untreu, mein Mann
litt heftig an der Gürtelrose und zudem regnete es
so viel, dafs wir alle Ausgrabungspläne endgültig ein
stellen mufsten. Wir entschlossen uns daher, sobald
als möglich fortzugehen und ritten zu Weihnachten
nach Salamä zurück, froh, das trockene Thal zu erreichen,
in dem dieser Ort liegt. Leider gelang es uns nicht,
einen Indianer zu finden, der der mexikanischen Sprache
noch mächtig gewesen wäre, die früher hier gesprochen
wurde. Yon dort ging es weiter ins Thal des Motagua-
flusses hinein und die Gegensätze zwischen der vege
tations- und regenreichen Yerapaz und dem trockenen,
sandigen Motaguagebiet können gar nicht gröfser gedacht
werden. In S. Agostin, S. Magdalena und S. Cnstobal
Acazaguastan wurde Halt gemacht, teils um auch hier
vergebliche Sprachforschungen vorzunehmen, teils um
Ruinen zu besichtigen. In Zacapa erreichten wir den vor
läufigen Endpunkt des Ferrocarril del Norte. Wir benutzten
die Bahn bis zu dem Rancho Los Amates und fuhren
von hier im Einbaum eine Stunde stromabwärts, um die
herrlichen Ruinen von Quiriguä zu besuchen. Da hier
Maudsley und die Amerikaner schon viel Arbeit gethan
haben, auch in der noch feuchten Jahreszeit in diesen
dicken Wäldern an erfolgreiche Thätigkeit gar nicht zu
denken ist, begnügten wir uns mit dem mehrfachen
Besuche dieser prachtvollen Denkmäler. — Bei unserer
Rückkehr nach Zacapa gelang es uns, eine kleine, aber
recht interessante Sammlung von alten Thongefäfsen
zu erwerben. Obgleich Revolutionsgerüchte umgingen,
gelang es mit einiger Mühe, doch die notwendigen Last
tiere und Treiber zu dingen, um nach Copan aufbrechen
zu können, das wir über Chiquimala auf mühsamen
Pfaden nach drei Tagen erreichten. Yon diesen Ruinen
gilt das gleiche wie von Quiriguä ; es kommt noch hinzu,
dafs während der drei Jahre, seit die Amerikaner ihre
Arbeiten eingestellt haben, der Buschwald alles mit
dichtem Netz überzogen hat, so dafs wir, um nur die
hervorragendsten Punkte zu besuchen, den ganzen Tag
ununterbrochen mit dem Buschmesser arbeiten mufsten,
um uns einen Weg zu bahnen. —
Da wir in der ersten Hälfte des Januar uns be
fanden, der grofsen Festzeit des Wallfahrtsortes Esqui-
pulas, so scheuten wir den kleinen Umweg auf der
Rückreise nach Guatemala nicht, und besuchten diesen
weitberühmten Gnadenort, der zu dieser Zeit Pilger aus
ganz Mittelamerika sowohl, wie selbst aus Yukatan
und Chiapas, ja Kaufleute mit ihren Waren aus Oaxaca
beherbergt.
Die Wege hier im Osten von Guatemala sind nicht
die besten, um Unterkommen und Nahrung ist es oft
schlecht bestellt, und so war es denn doppelt unan
genehm, dafs wir gerade hier — in dem kleinen Orte
Ipala — von Krankheit überfallen wurden. Wir konnten
nicht weiter, mufsten unter mancherlei Schwierigkeiten
nach Chiquimula zurück, das wenigstens einige Möglich
keit der Pflege bot, und waren gezwungen, neun Tage
dort zu bleiben, ehe mein Mann wieder ein Pferd be
steigen konnte. Nun endlich konnten wir über Jalapa
den Rückweg nach Guatemala antreten. — Da das
Fieber meinen Mann nicht sobald verliefs, so blieb mir
nichts übrig als allein nach S. Lucia hinunter zu gehen
und die notwendigen Abdrücke zu machen. Unsere weiteren
Pläne waren durch den unvorhergesehenen Aufenthalt
und das Fieber unausführbar geworden. — Wir hatten
noch die Freude, eine der besten und interessantesten
Privatsammlungen — des Don Manuel Alvarado in
Antigua — zu erwerben. Dann schifften wir uns in
S. José ein, fuhren bis Manzanillo und über Colima und
Guadalajara nach Mexiko zurück 2 ).
2 ) Über den Lebenslauf und die Werke Dr. Eduard
Seler s, der als Direktorialassistent am Museum für Völker
kunde in Berlin wirkt, fügen wir noch folgende Skizze dem
obigen Aufsatze seiner Gattin hinzu. Eduard Seler, 1849
zu Crossen a. d. Oder als der Sohn eines Volksschullehrers
geboren, besuchte das Joachim sthalsche Gymnasium in
Berlin, von dem er 1869 zur Universität entlassen wurde.
Er begann sein Studium, das ursprünglich der Mathematik
und den Naturwissenschaften galt, in Breslau, setzte es,
nachdem er den deutsch-französischen Krieg mitgemacht
hatte, vom Herbst 1871 an in Berlin weiter fort und brachte
es 1875 mit der Oberlehrerprüfung zum Abschlüsse. Von
1876 bis 1878 war Seler Lehrer an der Dorotheenstädtischen
Realschule in Berlin. Krankheit veranlafste ihn nach Triest
zu gehen. Hier begann Seler Sprachstudien, insbesondere
Studien im Russischen und Sanskrit, die er nach seiner Rück
kehr nach Berlin 1880 unter der Leitung von Albrecht Weber
weiter fortsetzte. Während des Jahres 1880/81 war Seler an
der Friedrich-Werderschen Gewerbeschule thätig. Derer-