160
Adam Quiroga: Calchaqui-Altertümer.
Was den figuralen Schmuck dieser Urnen anbelangt,
so stellt dieser „Idole“ in menschlicher wie tierischer
Gestalt, insbesondere Schlangen dar. Diese Figuren
sind teils nur roh gemalt, teils auch in erhabenem Relief
angebracht. Die Idole haben meist lange Arme, welche,
den Bauch der Urne umschliefsend, sich hier die Hände
reichen. Menschliche Figuren, welche Erwachsene
immer darstellen, pflegen auf kleinen Täfelchen (Medail
lons) sich vorzufinden. Auf zwei Urnen sind zwei reich
gekleidete Weiber gemalt, auf der einen der beiden
Urnen hat das eine Frauenzimmer statt eines mensch
lichen Hauptes den Kopf eines Nandu (südamerikanischen
Straufses). Die Kleidung aller menschlichen Figuren
erinnert an die Grottenbilder von Cara-huasi, die in
dieser Zeitschrift abgebildet worden sind. Das Profil
der Köpfe zeichnet sich durch die grofse hakenförmig
gekrümmte Nase aus.
Auf einem Dutzend dieser Urnen tritt als Haupt
ornament die Schlange auf. Meist ringelt sie sich um
die Mitte des Kreuzes und weist einen oder zwei Köpfe
von unverhältnismäfsiger Gröfse auf. Bei einzelnen
Urnen schlängelt sich dies Ungeheuer so, dafs die Augen
der Schlange gerade über jenen des in der Urne bestat
teten Toten zu liegen kommen, so, als ob der Tote
durch die Augen der Schlangen gleichsam zu schauen
hätte.
Häufig ist auf dem Bauche des Kruges der Straufs
abgebildet, und zwar wie er mit ausgespreizten Flügeln
vor dem Winde läuft. Manche Straufse haben auf dem
Körper ein einfaches oder Malteserkreuz eingezeichnet.
Auf einer Urne tragen die Straufse eine zweiköpfige
Schlange im Schnabel.
Die gewöhnlichste Figur ist jene des „Gottes mit
den dicken Augenbrauen“, aus dessen verzerrten grofsen
Augen Thränen herabrollen. Der Hals der Urne bildet
den Hals und Kopf des Idoles, der Bauch der Urne den
Rumpf des Götzenbildes, dessen Arme bei dem in Relief
erhabenen Nabel endigen. Das Götzenbild, das auf
diese Weise eine Gesichtsurne bildet, besitzt keine Beine
und Füfse, ebenso wenig Ohren. Das Gesicht ist mit
Ornamenten (Nachahmung von Tättowierung?) in Linien-,
Kurven-, Schlangen- und anderen Mustern bedeckt.
Mancher dieser Gesichtsurnen fehlen die Thränen, mancher
der Mund, anderen die Arme, der Gesamttypus bleibt
aber immer derselbe, er findet sich an 75 Gefäfsen vor.
Eine der Urnen sieht wie ein Blumentopf aus, der
Boden dieses Gefäfses besteht aus Blei(?).
Die Pucos oder Urnendeckel bilden in ihren Orna
menten eine Ergänzung des zugehörigen Kruges. In
dem Museum Zavaleta finden sich viele Pucos vor, zu
denen die entsprechenden Urnen fehlen. Im allgemeinen
kann man sagen, dafs die Pucos aus feinerem Material
und mit gröfserer künstlerischer Vollendung gearbeitet
sind, als die Urnen selbst.
Unter den Idolen, welche bei den Urnen eingegraben
sind, ist eines bemerkenswert, es stellt eine weibliche
Figur dar, deren Geschlechtsteile durch die bekannte
Rautenzeichnung (mit einer Diagonale), tout comme
chez nous, markiert sind. Einzelne Idole besitzen einen
Kopf, der den gewöhnlichen Indianertypus aufweist,
Köpfe anderer Idole besitzen einen geöffneten Riesen
rachen, in welchem die starken, spitz auslaufenden Zähne
sichtbar sind.
Ein mit einem Phallus versehenes Idol ist hohl,
scheint demnach auch als Trinkgefäfs benutzt worden
zu sein. Ein anderes phallisches Idol steht statt auf seinen
Beinen auf seinen Hoden. Ein kleines Beigefäfs aus
schwarzem Thone stellt den gesamten männlichen Zeu
gungsapparat dar.
Unter den kleinen aus Stein verfertigten Idolen er
innert eines lebhaft an die Aimarämumie in Corolens
„Amerika“. Die vollkommensten Idole, welche meist
Tierköpfe aufweisen, stammen von Salta her; sie sind
nicht alle aus Stein hergestellt, sondern es giebt auch
solche aus Thon, ja einige sind aus Bein.
Die kleinen Beigefäfse, welche sich in der Nähe der
oben erwähnten Urnen in der Erde vorfinden, zeichnen
sich durch aufserordentliche Sorgfalt aus, mit der sie
gearbeitet sind. Die Muster und Zeichnungen sind mit
grofser Genauigkeit ausgeführt und die Farben sind
leuchtend und gut kombiniert.
Unter den Steinbeilen finden sich mehrere vor, die
offenbar keinem praktischen Zwecke dienen konnten,
was die Ansicht Brintons zu bestätigen scheint, dafs die
Axt bei den Indianern das Zeichen der Autorität war,
wie bei uns Scepter und Schwert. Steinmörser giebt
es auch, sie sind mit Reliefbildern geschmückt.
Nicht minderes Interesse flöfsen die Objekte aus
Kupfer ein, deren giebt es verschiedenerlei Art: Glocken,
Idole, Schmuckgegenstände, grofse und kleine Platten.
Nicht immer ist reines Kupfer angewandt worden, auch
Bronze war den Indianern von Calchaqui bekannt. An
allen Gegenständen, die die Stelle unserer Glocken oder
der chinesischen Gongs vertreten, erblickt man immer
eine und dieselbe Figur (vier kreisförmig gestellte
Menschenköpfe in stilisierter Form) vor, sie scheint die
Gottheit des Schalles darzustellen. Kleine Scheiben,
welche beim Anschlägen einen Glockenton von sich
geben, sind ebenfalls mit Zeichnungen versehen, über
dies durchbohrt, denn sie werden von den Eingeborenen
auf der Brust getragen. Die Glocken sind alle sehr
flach, geben aber einen guten Klang. Die Zeichnungen
auf allen diesen Metallgegenständen sind in erhabener
Arbeit (Relief) angebracht. Die Kupferäxte haben die
Form eines grofsen lateinischen T.
Unter den Schmuckgegenständen aus Kupfer sind
auch Ringe zu zählen. Die aus Bein oder Holz ver
fertigten Zierate zeichnen sich weder durch Sorgfalt in
der Ausführung noch durch besonderen künstlerischen
Wert aus, mit einer einzigen Ausnahme: einer Schale
aus schwarzem Holz, die mit einem Gruppenbilde von
Idolen verziert ist, welche an mexikanische Altertümer
erinnern.
Die Waffen, Beile und Pfeile sind teils aus Bronze
und Kupfer, teils aus Stein verfertigt. Die Pfeilspitzen
sind meist aus Quarz geschlagen und erinnern sehr an
die Feuersteinpfeilspitzen der Alten Welt.
Unter den Vorgefundenen Schädeln giebt es einige,
welche die Aymara - Deformation aufweisen. Ten Kate
wird sie einer eingehenden Untersuchung unterziehen.
(Nach Boletin del Instituto Geografico, Argentino Tomo 17,
1896.)