Aus allen Erdteilen.
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die wir in ihrer vollen Ausdehnung entwickeln, noch in dem
Glauben, dafs bei einer kleinen, feurigen Lufterscheinung
,der Drache zieht 1 oder ,der Drachenstern (Komet) der Welt
den Untergang bringen könne“, ,im Meere noch die grofse
Schlange liege“ ; die uralte Vorstellung einer wilden Jagd im
Gewittersturm noch im Glauben an einen wilden Jäger, der
im Sturm dahinjagt. An einem Punkt in der Natur ist so
der Glaube, der einst weitere Dimensionen hatte, die er aber
aufgegeben, noch haften geblieben, gleichsam als Wahrzeichen
einer vergangenen Zeit. Dann aber lebt die ¡Anschauung“
— ohne Glauben — als blofses Bild der Phantasie noch heute
in der Sprache fort und wird hier immer ihre Stelle behaupten,
so lauge Menschen menschlich empfinden. Noch immer heult
der Sturm, jagen die Wolken, schlängelt sich der Blitz, giefst
es vom Himmel herab. Beide Beobachtungen sind eine nicht
unbedeutende Stütze unserer ganzen Ansicht von dem Ur
sprünge der Mythologieen. “
Alfred Deberle: Histoire de l’Amérique du Sud, depuis
la conquête jusqu’à nos jours. Troisième édition par
Alb. Milhaud. (Bibliothèque d’histoire contemporaine.)
Paris, Felix Alcan, 1897.
Wir Deutsche besitzen die vorzügliche „Geschichte von
Brasilien“ von H. Handelmann, die 1860 erschien, eine sehr
gründliche Arbeit, welche namentlich für den östlichen Teil
Südamerikas von dem Verfasser der vorliegenden Arbeit mit
grofsem Nutzen hätte gebraucht werden können, denn gerade
in der älteren Zeit, nach der Entdeckung, läfst Deberles
Schrift oft kritische Sichtung vermissen. Was sie aber wert
voll macht, das ist die zusammenfassende Fortführung der
verwickelten, revolutionenreichen Geschichte der verschiedenen
südamerikanischen Bepubliken bis zur Gegenwart. Die poli
tischen und wirtschaftlichen Wirren, die Kriege und die
Grenzstreitigkeiten, die noch nicht überall entschieden sind,
werden genau und sachlich geschildert, der zerstreute Stoff
übersichtlich zusammengetragen. Ein Quellenverzeichnis und
gutes Register vervollständigen das sehr billige Buch.
F. K. Martin: Thüren aus Turkestan. Fünf Tafeln
nebst Text. Stockholm, Königl. Buchdruckerei, 1897.
Der schwedische Reisende und Forscher Martin, dem wir
so viel vorzügliche Arbeiten zur Kenntnis der alten Kultur
Asiens verdanken, widmet dieses Werk welches ganz vor
züglich ausgestattet ist, einem Einzelfach der central-asia
tischen Kunstgeschichte. Mit dem grofsen Timur begann,
wie Martin ausführt, eine neukulturelle Ära der central
asiatischen Geschichte, namentlich die Kunst entwickelte sich
unter ihm, so dafs der Gesandte Kastiliens an seinem Hofe,
Ruy Gonzales de Clavijo (1403 bis 1406) erstaunt war über
die Pracht Samarkands und der zahlreichen fremden Künst
ler, die dort wirkten, und die fremden Waren, die dort ein
geführt wurden. Die herrlichen Baudenkmäler jener alten
Zeit gehen allmählich zu Grunde und von ihrem reich
geschmückten Innern sind nur noch Spuren vorhanden.
Dazu gehören die von dem Verfasser aufgefundenen und
abgebildeten herrlich geschnitzten Holzthüren, deren Zeich
nung in vielen Stücken hohes Alter (Anfang des 15. Jahr
hunderts) beweist und welche Motive der verschiedensten
Länder zeigen.
Mag auch im Sinne Europas durch die Russen Central
asien jetzt einer höheren Äultur entgegen gehen: die
alte Kunst verfällt. „Die Holzschnitzer, die Waffenschmiede,
Goldarbeiter und Töpfer, die nach der alten Überlieferung
arbeiten, sind schon bejahrt, und es dauert wohl'nicht mehr
lange, bis sie ins Grab steigen und mit ihnen der letzte Rest
des alten Kunstgewerbeffeifses von Turkestan erloschen ist.“
0. Sergi : Ursprung und Verbreitung des Mittel
ländischen Stammes. Mit 30 Abbildungen im Texte,
2 Karten und 1 Anhänge: Die Arier in Italien. Autori
sierte Übersetzung von Dr. A. Byhan. Leipzig, Wilhelm
Friedrich, 1897.
Das italienische Original dieser Schrift, welches 1895 in
Rom erschien, ist von dem Leipziger Professor der Anthro
pologie, Dr. Emil Schmidt, gleich nach seinem Erscheinen
im Globus, Band 68, S. 144, ausführlich besprochen worden
und zwar ungünstig und abweisend. Der Übersetzung
gegenüber, von der wir sorgfältige Übertragung anerkennen
wollen, vermögen wir an dem Urteile Schmidts, das wir zu
dem unserigen machen, nichts zu ändern. Geradezu ein Grauen
ergreift uns, wenn wir die mit kühner Phantasie entworfene
Karte der Heimat und Wanderungen des Mittelländischen
Stammes von dem Gebiete der Nilseen bis nach Schottland
überblicken. Freilich: Linien und Pfeile lassen sich schnell
zeichnen — aber zu beweisen, dafs‘diese „Heimat“ da ge
wesen, wo Professor Sergi sie hinsetzt, und dafs Hetiter,
Pelasger, Etrusker, Libyer alle so gezogen und im Zusammen
hänge stehen, wie ihnen der Verfasser vorschreibt, das ist
letzterem nicht gelungen. Vermehrt ist die Übersetzung dem
italienischen Originale gegenüber durch eiue Abhandlung
über die Arier in Italien. Richard And ree.
Aus allen Erdteilen.
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
— Die Höhe des Mount St. Elias, dessen Besteigung
am 31. Juli dem Prinzen Ludwig von Savoyen gelang, wurde
von diesem zu 18 120 engl. Fufs = 5522 m bestimmt. Diese
Zahl stimmt so ziemlich mit den zuverlässigsten neuerdings
erhaltenen überein und beseitigt das schwankende in den
Höhenangaben des Mount St. Elias, die eine eigene Geschichte
besitzen.
Der Berg, welcher, wie wir jetzt wissen, aus der Reihe
ehemals thätiger Vulkane zu streichen ist, wurde 1778 von
James Cook entdeckt, der aber keinerlei Angabe über seine
Höhe machte. La Pérouse, welcher ihm acht Jahre später
folgte, gab nur 3862 m an, während 1791 Malaspina den
Gipfel auf 5440 m erhöhte und damit der Wahrheit nahe
kam. Eine Erniedrigung fand wiederum durch die eng
lische Admiralitätsaufnahme von 1872 statt, nach welcher
der Mount St. Elias nur 14 970 engl. Fufs = 4562 m hoch
sein sollte. Die Küstenaufnahme der Vereinigten Staaten
von 1874 gab dagegen — viel zu hoch — dem Gipfel wiederum
19 500 engl. Fufs = 6043 m und machte ihn damit zum
höchsten Berge des nordamerikanischen Festlandes. Topham
(1888) reduzierte die Höhe wieder auf 5639 m, während Kerr
(1890) nur 4678 m berechnete. Die letzte Bestimmung im
Jahre 1891 war von J. C. Russell, welcher seine Reise im
Aufträge der National geographical Society unternahm; er
stellte die Höhe auf 5516 m fest, eine Zahl, die 1892 von
dem Vermesser des U. S. Coast Survey bestätigt wurde und
fast genau mit jener des Prinzen Ludwig v. Savoj-en stimmt.
K. L.
— Die Feststellung der Grenze zwischen Mexiko
und Britisch-Honduras erfolgte durch Vertrag zwischen
Grofsbritannien und Mexiko am 7. April 1897, nachdem
bereits durch Vertrag vom 8. Juli 1893 die vorläufige Über
einkunft abgeschlossen war (Treaty Series 1897, Nr. 6, Sep
tember). Dem Vertrage ist eine Karte beigegeben, nach
welcher die Grenze jetzt folgendermafsen verläuft: Sie be
ginnt bei Boca Bacalar Chica, der Strafse, welche den mexi
kanischen Staat Tukatan vom Ambergris Cay nebst den
dazugehörigen Inselchen trennt und geht von hier durch die
Mitte des Kanals zwischen diesem Cay und dem Festlande
südwestlich bis 18° 9' nördl. Br. und dann nordwestlich bis
18° 10'. Von da aus westlich zu 88° 2' westl. L., dann
wieder nöi'dlich bis 18° 25' nördl. Br.; abermals westlich bis
88° 18' westl. L., an diesem Meridian nördlich bis 18°28y 2 '
nördl. Br., wo sie die Mündung des Rio Hondo trifft. Sie
folgt diesem Flusse, geht westlich an Albion Island vorüber,
läuft den Blue Creek aufwärts, bis da, wo dieser Creek den
Meridian von Garbutts Falls an einer Stelle kreuzt, die
gerade nördlich von dem Punkte liegt, wo die Grenzen von
Mexiko, Guatemala und Britisch-Honduras zusammenstofsen.
Von der eben bezeichneten Stelle läuft die Grenze südlich
bis zu 17° 49' nördl. Br., der Grenze zwischen den Republiken
Guatemala und Mexiko, indem sie den Snosha-(Xohlia-)Flufs
im Norden bei Mexiko läfst.
— Zu Winterstein im Gothaischen starb am 12. Sep
tember 1897 der ehemalige Hallesche Professor der Anatomie
Hermann Welcker, ein Mann, der nicht nur in seinem
Sonderfache, sondern auch um die Anthropologie sich hohe
Verdienste erworben hat. Er war geboren am 8. April 1822
zu Giefsen, woselbst und in Bonn er seine medizinischen
Studien machte und dann als Prosektor wirkte. 1859 wurde
er als Professor der Anatomie nach Halle berufen, wo er bis
1893 höchst anregend Avirkte, um dann in den Ruhestand
zu treten. Abgesehen von seinen Leistungen auf anatomischem
und physiologischem Gebiete, hat sich W. bleibende Ver