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Aus allen Erdteilen.
die mohammedanische Jugend im Lesen, Schreiben und Koran
unterrichtet, ein taktvoller und bescheidener Mann im An
fänge der Dreifsiger, der wie alle diese Leute mit halb bar
barischer Bildung in der Stadt Sansibar seine geistige Mutter
erblickt und tief eingewurzelte Sympathieen für das Araber-
tum hegt. Dafs er aber auch für Deutschland solche besitzt
und in ihm eine dichterische Ader schlägt, beweist sein
Kaiserlied, welchem Herr Zache kunstvolle und doch natür
liche Aneinandersetzung der Strophen und an vielen Stellen
echt poetische Empfindung ohne orientalische Schwülstigkeit
nachrühmt. Hoch und Niedrig unter den Arabern undWasua-
hili, denen es vorgelesen wurde, haben einen tiefen Eindruck
davon gehabt. Der erste Yers lautet in Kisuahili und
Deutsch:
Salam kwa wetu bana
Kaizar wa Virhamu,
Bana mkuba na sana
Maarufu hatta Shamu.
Sisi takupenda sana.
Wadogo hatta harima:
Hapana tena hapana
Wewe ndio Kaizari!
Heil Herscher Dir im weiten Land!
Heil Kaiser Wilhelm Dir!
Ruhmreichen Namens, weit genannt!
In Ehrfurcht nahen wir,
Fest schlingt sich unsrer Liebe Band
Um Dich, o Deutschlands Zier.
Nur Du, mein Kaisei', Du allein
Sollst unsres Landes Herrscher sein.
— Spanische Zeitungen bringen folgende Daten über die
Bevölkerung Cubas vor dem Aufstande:
Provinz
1. Matanzas
2. Habana
3. Pto. Principe
Flächeninhalt Bevölkerung
8 250 km 2 300 000
8 450 „ 480 000
30 950 „ 72 000
(gewöhnlich Camaguey genannt)
4. Santa Clara 22 280 km 2 360 000
(gewöhnlich Las Villas genannt)
5. Pinar del Rio 14 450 km 2 320 000
6. Santiago de Cuba 34 400 „ 230 000
(gewöhnlich „Departamento Oriental“ genannt)
118 830
1 762 000
Von den Einwohnern sind: 1 228 000 Weifse, 490 000
Neger und Mulatten, 44000 Chinesen und anderere Asiaten.
Hauptstadt: La Habana 250 000 Einwohner. Nächstgröfste
Stadt Matanzas 60 000 Einwohner.
— Die geplante Erforschung der sogenannten „Mesa
Encantada“, d. h. verzauberten Mesa in der Nähe von
Albuquerque (Neu - Mexiko), worüber wir bereits auf S. 99
dieses ¡Bandes berichteten, ist von einer Expedition des
Bureau of American Ethnology ausgeführt worden. Die
Expedition ging am 3. September d. J. in Begleitung von
fünf Indianern vom Pueblo Acoma aus , stellte die Höhe der
Mesa durch Triangulation auf 131m über der Ebene fest
und stieg^dann^längs dem alten Wege zur Spitze hinauf, wo
man eine Nacht zubrachte. Die Überlieferung von der Un
zugänglichkeit der Mesa hat sich also nicht bewahrheitet;
dagegen fanden sich auf dem engen Raum verschiedene
Topfscherben, zwei zerbrochene Steinäxte, ein Stück eines
Muschelarmbandes und eine steinerne Pfeilspitze; zahlreiche
Topfscherben^ wurden überdies in dem Abraum gefunden,
der, durch Wind und Wetter von dem Gipfel hinabgerissen,
am Fufse desselben lag. Alle Spuren des alten Weges, der
an dem Abhange hinaufführte und sich dann bis zum Gipfel
in Form von^Hand,^ und Fufslöchern, die im Felsen aus
gehöhlt waren ,|[fortsetzte, sind verwischt, nur sind Spuren
einiger Löcheiv davon erhalten. Es hat sich also die
Überlieferung der benachbarten Acomaindianer als wahr
erwiesen, die erzählte, dafs ihre Vorfahren auf dem Gipfel
der Mesa angesiedelt gewesen seien, sie aber verlassen
hätten, als der Pfad, der zur Höhe hinaufführte, durch über
natürliche Kräfte zerstört worden sei. Wahrscheinlich ist
diese Katastrophe auf einen Wolkenbruch zurückzuführen.
Wie wir auf S. 99 berichteten, hatte Prof. W. Libbey des
halb den Plan gefafst, mit Hülfe von Drachen ein Tau zur
Höhe hinaufzubringen und so den Aufstieg zu ermöglichen.
Er scheint seinen Plan auch ausgeführt zu haben, aber keine
Beweise für das frühere Bewohntsein erlangt zu haben.
(Science, 17. September 1897.)
— Von der englischen Dampfyacht „Victoi'ia“ mit Sir
Saville Crossley und Arnold Pike an Bord ist im August
dieses Jahres in dem merkwürdig eisfreien Meere im Osten
von Spitzbergen ein Besuch von K önig-Karls-Land
ausgeführt worden. Durch die Hinlopenstrafse (zwischen der
Hauptinsel Spitzbergen und Nordostland) waren sie bequem zu
der Inselgruppe gelangt, welche sie zweimal umfuhren und
an verschiedenen Punkten betraten. Nordöstlich von König-
Karls-Land, wo sie 78° 56' nördl. Br. und 33° 23' östl. L. er
reichten, konnten sie nirgends die von Johannesen und
Andreassen 1884 in jener Gegend verzeichneten zwei Inseln
sehen. Sie kehrten nach König-Karls-Land zurück und ent
deckten dort an seiner Nordostspitze aufser der schon ver
zeichneten Abelinsel noch ein zweites kleines Eiland von
13 km Länge. König-Karls-Land war schneefrei; an der
Ostseite sahen die Besucher wohl ausgebildete Strandlinien
von basaltischen Kieseln, zwischen denen Walfischknochen
und Treibholz lag, etwa 30 m über dem heutigen Meeres-
strande, so dafs sie eine Hebung der Eilande annahmen. Die
Eisbären waren so häufig, dafs die Besucher 57 Stück erlegen
konnten.
— Über das Pfeilgift der Karo Battas der Hoch
ebene Sumatras macht E. Kehding (Schrift, d. Naturf.-Ges.
zu Danzig, N. E. Bd. 9, 1897) Mitteilungen. Zur Bereitung
wird der Saft verschiedener Pflanzen verwendet, welche noch
nicht im blühenden Zustande zu erlangen gewesen sind.
Wir können also botanisch nur einen Teil dieser Ingredienzien
feststellen. Den Hauptbestandteil bildet der Saft der Antiaris
toxicaría Lerch., welche zu den Artocarpeen gehört. Nach
gewiesen sind ferner Blätter von Callicarpa nana, einer
Verbenacee, feingehackte reife Früchte von Capsicum bacca
tum (Solanacee), Wurzelknollen in demselben Zustande einer
Homalonema, Species aus der Familie der Araceen und einer
verwandten Art, Wurzelstücke der Graminee Coix lacryma,
feingehackte Stengelrinde und Wurzeln der Helmia Daemona
Roxb. (Dioscoree). Auch feingehackte Ingberwurzeln und
solche von Derris elliptica Benth. aus der Familie der Pa-
pilionaceen liefsen sich feststellen, dann Blätter von Pupulia
lappacea (Amarantaceen), Hydrocotyle asiaticum von den
Doldengewächsen. Knollenbestandteile des Knoblauches und
Pfeffers dienen vielleicht zur Verschärfung der Bestandteile.
Die Battas verwenden das Gift nur zum Vergiften von
Pfeilen, die aus Blasrohren geschossen werden und zur Jagd
auf kleinere Tiere Verwendung finden. Es ist nicht bekannt,
dafs das Gift zum Vergiften von Waffen im Kriegsfälle
angewendet wäre. Das Hipuchgift (Antiaris toxicarla) ent
hält Antiarin, wovon 1 mg nach Lewins Untersuchungen
einen Hund in 3 bis 9 Minuten, 0,009 mg einen Frosch in
24 Stunden durch Herzlähmung tötet. E. R.
— Über merkwürdige, jetzt noch in Flandern gebräuch
liche Kurpfuschereien berichtet der Arzt Dr. P. Haan
aus Havre in den Bulletins de la Société d’Anthropologie de
Paris (1897, p. 125ff.). Im April 1895 wurde er in Lille zu
einem 2y 2 jährigen Kinde gerufen, das im letzten Stadium
einer Gehirnhautentzündung lag. Nachdem er nach genauer
Untersuchung ei-klärt hatte , nicht mehr helfen zu können,
sagte ihm die Mutter, dafs auch sie bei dem „Versuch
mit Tauben“ gesehen hätte, dafs keine Hoffnung mehr
vorhanden wäre. Der Arzt erfuhr darüber folgendes : Man
nimmt drei Tauben und setzt sie nacheinander so auf das
Kind, dafs der Schnabel in dem Anus desselben Platz findet.
Man erwartet nun, dafs die Tauben sich aufblähen (gonfler),
mit den Flügeln schlagen (se débattre) und schreien sollen.
Die beiden ersten Tauben hatten in diesem Falle nichts ge
wirkt, sondern waren wahrscheinlich erstickt, nur die dritte
hatte mit den Flügeln geschlagen, aber nur so wenig ge
schrieen, dafs die bei dieser Quacksalberei Beteiligten keinen
Anstand nahmen zu erklären , dafs der arme kleine Patient
verloren wäre. — Auf die Frage des Arztes, was die Tauben
denn bewirken sollten, erhielt er zur Antwort, sie sollten die
Eingeweide entleeren. Es liegt dieser bizarren Idee nach
Haans Meinung wahrscheinlich die Thatsache zu Grunde,
dafs eines der fast immer bei Meningitis auftretenden Sym
ptome die Hartleibigkeit ist. Später hörte Haan, dafs man
den Tauben im Norden Frankreichs auch sonst grofse thera
peutische Wirkungen zuschreibt. So wird z. B. bei Brustfell
entzündung (Pleurésie) mit einem Messerschnitt eine Taube
vom Kopfe bis zum Schwänze geöffnet und, so warm wie sie
ist, auf der Rückenseite, wo die Galle liegt, aufgelegt. „Wenn
das Blut des Tieres sehr schnell schwarz wird, so ist dies
ein günstiges Anzeichen.“ Bei Meningitis legt man auch wohl
eine so aufgeschnittene Taube den kranken Kindern auf den
Kopf. — Selbst die Frau eines reichen, der besten Gesell
schaft angehörenden Fabrikanten öffnete einer Taube schnell
die Brust und legte das noch zuckende Herz auf den Kopf
ihres an Meningitis erkrankten Kindes, als die Ärzte erklärt
hatten, es nicht mehr retten zu können. Das Herz sollte
„durch seine Elektricität“ dem Kranken helfen.
In Holland und Belgien soll man bei Bräune dem Kranken
eine Art Frosch in den Mund setzen, der „sich aufblähen
und schwarz werden mufs, um das Leiden zu heilen“.
Vei-antwortl. Redakteur: Dr. R. Andree, Braunschweig, Fallersleberthor-Promenade 13. — Druck: Friedr. Vieweg u. Sohn, Braunschweig.