Dr. Carl Sapper: Die mittelamerikanische Ausstellung in Guatemala 1897.
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Wahren wissenschaftlichen Wert als verkleinerte Nach
bildungen der Natur können aber nur Reliefs bean
spruchen , bei welchen Höhen und Entfernungen den
selben Mafsstab zeigen, und diese beschränken sich
natürlich zumeist auf einzelne Gebirgsteile oder Berg
gruppen. In einem prächtigen Relief dieser Art in
grofsem Mafsstabe hat Juan Rodríguez in Guatemala die
Vulkangruppe des Fuego (3835 m) und Acatenango
(3960 m) dargestellt und sogar die einzelnen Krater des
letzteren Feuerberges noch richtig angedeutet, während
der schöne Vulkankegel des Tacaná (4064 m) in einem
von Mitgliedern der mexikanisch - guatemaltekischen
Grenzkommission hergestellten Relief durch Überhöhung
in einen abscheulichen Zinken verwandelt worden ist.
Landkarten waren auf der Ausstellung nur spärlich
vertreten (z. B. Dawsons Karte der Republik San Sal
vador 1887 im Mafsstabe 1 : 200 000). Mit meinen
zehn Manuskriptkarten zur physikalischen Geographie,
Ethnographie und Geschichte von Guatemala aber stand
ich ganz isoliert da. In der deutschen Abteilung da
gegen hatten J. Perthes durch Karten von Guatemala,
Nicaragua und Costarica, sowie Friedr. Vieweg u. Sohn
durch einige Karten des nördlichen Mittelamerika den
Centralamerikanern kartographische Abbilder ihrer
Länder gezeigt; der Anblick dieser schön ausgeführten
Karten soll manchem guatemaltekischen Landeskinde die
Bemerkung herausgelockt haben, „dafs sie nach Deutsch
land gehen müfsten, um ihr eigenes Land kennen zu
lernen!“ Q. Für uns Deutsche gewifs eine schmeichelhafte
Bemerkung. In der deutschen Abteilung befand sich
auch der schöne Plan der projektierten Eisenbahnlinie
Guatemala — Chimaltenango — Antigua von den In
genieuren Schumann und List (im Mafsstab 1 : 10 000,
mit Darstellung des benachbarten Geländes in Höhen
kurven).
Aufserdem war in der Aitertumsabteilung von
Guatemala ein Buch aus dem 17. oder 18. Jahrhundert
mit hochinteressanten Distriktskarten (MS.) zu sehen,
deren Durcharbeitung wahrscheinlich heutzutage noch
brauchbare topogi'aphische Details liefern würde. Da
gegen war der indianische Landplan von Coban und
Umgebung aus dem Jahre 1611, dessen Kopie im
„Globus“ (LXXII, Nr. 6 ) veröffentlicht worden ist, nicht
ausgestellt, vermutlich, weil ihn das Centralkomitee
nicht für hinreichend interessant hielt.
Viel ethnologisches Interesse birgt ein altes Manuskript,
in welchem eine grofse Anzahl einheimischer Pflanzen
mit ihren indianischen Namen und ihrer medizinischen
Verwendung beschrieben sind. Sonst waren unter den
Manuskripten der Guatemala - Abteilung noch einige
linguistische und historische Dokumente ausgestellt,
darunter ein Brief des Conquistadors Pedro de Alvarado
an den Stadtrat von Guatemala und die amtlichen
Schriftstücke über die Zerstörung und Verlegung der
alten Hauptstadt.
Altertümer waren auf der mittelamerikanischen Aus
stellung ziemlich spärlich vertreten; Honduras, Nicaragua
und Costarica hatten gar nichts geschickt und von
Guatemala und San Salvador waren auch nur kleinere
Sammlungen vorgeführt worden, obgleich in diesem
') In einer mittelamerikanischen Zeitung lesen wir:
Premio de honor. — Hemos sabido que la Sección de Cien
cias del jurado de la Exposición ha concedido al doctor ale
mán don Carlos Sapper, el premio de honor, por sus magni
ficos trabajos sobre Guatemala, á los que en diferentes
ocasiones nos hemos referido en nuestra hoja. Merece un
aplauso este acuerdo, pues el doctor Sapper, viajero infati
gable y sabio muy distinguido, ha me recido ya grandes
distinciones en su pais natal, por los mismos trabajos que
aqui han sido premiados con la primera recompensa. Red.
Zweige ganz Hervorragendes hätte geleistet werden
können. Die meisten der vorhandenen Altertümer
zeigten ausgesprochenen Mayastil, so die Abklatsche
der Stellen von Seibal 2 ), welche bereits auf der Aus
stellung von Chicago 1893 gewesen waren, dann etliche
Stachelgefäfse von Amatitlan und der Alta Verapaz,
ferner zahlreiche gröfsere oder kleinere Götzenbilder
aus Stein oder gebranntem Thon (zuweilen pilzförmig
als Phallus) und Gefäfse mit Ornamenten oder Hiero
glyphen, von Quezaltenango, Quiche, Coban, Peten und
San Salvador, ferner schöne verzierte Mahlsteine, dann
Steinbeile, Lanzenspitzen, Jadeitperlen, Bastklopfer, tiefe
dreifüfsige Schalen von San Salvador (Ausstellerin
Maria Aguilar Lagos in San Salvador). Daneben fand
man allerdings auch eine Anzahl von Pipilaltertümern,
so Lanzenspitzen, Jadeitstückchen, Keulen, Gefäfse,
Jochbögen von S. Agustin Acasaguastlan (Guatemala)
und Steingötzen mit dem fast rechtwinkelig zurück
gebogenen Kopf des Santa Lucia-Typus von San Sal
vador. Ganz fremdartigen Typus zeigte dagegen ein
rohes Götzenbild von Jalpatagua, einem Dorfe, in dessen
Nachbarschaft nach Juarros’ Zeugnis noch zu Anfang
dieses Jahrhunderts Populuca gesprochen wurde; es wäre
von grofsem Interesse, in jenen archäologisch ganz un
bekannten Gebieten nach weiteren Funden zu spüren.
Metallgegenstände fehlten fast ganz und ich beobachtete
nur ein einziges schönes Kupferbeil aus San Salvador.
Ethnologische Gegenstände waren auf der Aus
stellung nicht sehr zahlreich vorhanden. Von den
heidnischen Indianerstämmen von Guatemala, Honduras,
Nicaragua und Costarica, welche bis auf den heutigen
Tag am meisten ihre Eigenart bewahrt haben, ist über
haupt nichts ausgestellt gewesen,' und auch von den
civilisierteren christlichen Volksstämmen waren nur
Gewebe, Netze, Stricke, Hängematten, Besen, Feuer
fächer u. dergl. in grofser Zahl ausgestellt; es war recht
lehrreich, die verschiedene Technik und Ausschmückungs
weise zu vergleichen. Es wäre aber zu wünschen
gewesen, dafs diese Dinge genauer nach ihrer Herkunft
bezeichnet gewesen wären und dafs auch die Herstellungs
werkzeuge vorgeführt worden wären. Nur von einigen
wenigen Orten Guatemalas waren die hübschen india
nischen Webeapparate ausgestellt, nirgends aber sah
ich das Baklep, mit welchem die Indianer ihre Stricke
drehen, oder andere originale Geräte. Sehr lehrreich
war es, die verschiedene Schnitztechnik der verzierten
hölzernen Trinkschalen (Guacales) zu vergleichen, die
aus Cahaton (Alta Verapaz), aus Rabinal (Baja Verapaz)
und aus Nicaragua vorhanden waren. Von den Altos
von Guatemala stammten aufser zahlreichen Geweben
auch mehrere lebensgrofse Figuren, angethan mit den
Trachten verschiedener Dörfer, die Alta Verapaz aber
hatte zahlreiche gemalte kleine Holzfiguren geschickt,
welche die Trachten der einzelnen Dörfer in charakte
ristischer Weise Wiedergaben und dem Fremden damit
ein sehr lehrreiches Bild gewährten. Leider war kein
Modell einer Indianerhütte und ihrer inneren Einrichtung
ausgestellt, selbst moderne Mahlsteine und die Palm
blattregendächer (Suyacales) der Indianer fehlten merk
würdigerweise ganz, sonst hätte man die ethnologische
Ausstellung der Alta Verapaz für ziemlich vollständig
erklären können, um so mehr, als auch die bemalten
Holzmasken der Tanzspiele ziemlich vollzählig vorhanden
waren. Aufser den guatemaltekischen Landschaften der
Altos und der Verapaz waren aber aus dem übrigen
Mittelamerika fast keine charakteristischen ethno-
2 ) Diese im Peten gelegenen Ruinen, auch El Chorro
genannt, sind neuerdings von T. Maler eingehender unter
sucht worden („Glohus“, Bd. 70, Nr. 10).