GLOBUS . ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - UND VÖLKERKUNDE . VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN : „ DAS AUSLAND“ UND „ AUS ALLEN WELTTEILEN“ . HERAUSGEBER : De . RICHARD ANDREE . VERLAG von FRIEDR . VIEWEG & SOHN . Bd . LXXVII . Nr . 14 . BRAUNSCHWEIG . 14 . April 1900 . Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet . Die Verteilung der Kopfformen in Europa . Von Emil Schmidt . Leipzig . Mit einer Karte . So lange man die Form und Gröfsenmerkmale des Menschen in seiner Gliederung in Rassen und Typen zum Gegenstände wissenschaftlicher Forschung gemacht hat , sind in der Methode immer zwei Richtungen vorgetreten , von denen die eine das geschulte Gefühl des Beobachters , seinen richtigen Blick in der schätzung der Merkmale in den Vordergrund stellt , während die andere nur in dem exakten Mafse und der Zahl das Mittel sieht , die Unsicherheit und Willkür zu vermeiden , die mit jenem subjektiven Verfahren wendig verbunden ist . Besonders seit Retzius mit druck auf die Wichtigkeit des Längen - und messers des Hirnschädels und ihres Gröfsenverhältnisses ( Index ) hingewiesen hatte , wurde die messende Methode mit Eifer ( wenn auch nicht immer mit systematischer Klarheit ) ausgebildet und in gröfster Ausdehnung wandt , und Tausende von Zahlen füllen in stattlichen Reihen alle kraniometrischen Tabellen . Entprach das Erreichte der aufgewandten Mühe ? hatte insbesondere der Längenbreitenindex des Schädels die ihm bene Bedeutung ? war er wirklich ein für die fikation in der physischen Anthropologie so wichtiges und ausschlaggebendes Merkmal , wie man von Anfang an geglaubt hatte ? Mehr und mehr sind Stimmen gegen die Überschätzung jenes Gröfsenverhältnisses laut geworden , und der Reaktion gegen dasselbe haben Ehrenreich , Sergi u . A . entschiedenen Ausdruck geben . Eine eingehende , in grofsem Mafsstabe führte Prüfung des statistischen Wertes dieses Index hat freilich bisher noch nicht stattgefunden . Erst J . Deniker hat sich die Aufgabe gestellt , für unseren Erdteil , in dem die Kopfform seiner Bewohner bei tem am ausgiebigsten studiert worden ist , auf Grund des gesamten Beobachtungsmaterials eine solche Prüfung vorzunehmen 1 ) . Er begnügte sich nicht mit dieser einen Aufgabe ; sein Ziel war es , in gleicher Weise alle tigeren Rassenmerkmale der Bevölkerung Europas zu prüfen , zusammenzustellen und auf Grund aller dieser Thatsachen ein wissenschaftlich exaktes Bild von dem Bestehen und der Verbreitung der Europa bewohnenden Rassen zu gewinnen . Wir haben bereits früher im Globus auf die hochbedeutende Arbeit hingewiesen ( Bd . 73 , 1898 , S . 214 ) , als die erste vorläufige Mitteilung * ) J . Deniker , Les races de l’Europe , I , l’indice phalique en Europe . Association française pour ment des sciences . Congrès de St . Étienne 1897 . Paris 1899 . Denikers über diesen Gegenstand erschienen war . Erst jetzt ist in dem Berichte der französischen Gesellschaft der Naturforscher über ihre Tagung im Jahre 1897 der erste ausgeführte Abschnitt der Arbeit erschienen , der die Verteilung des Kopfindex in Europa behandelt . Ein Blick auf die der Publikation beigegebene Karte striert in der bestimmten Abgrenzung und Verteilung der Indexgruppen überzeugend den hohen Wert dieses Mafsenverhältnisses . Wohl war es eine Überschätzung desselben , wenn Retzius und viele nach ihm die grofsen primären Rassenunterscheidungen durchführen zu können glaubten : für die Rassenklassifikation haben andere Merkmale , wie die Pigmentierung , die Beschaffenheit des Haares etc . , gröfsere Bedeutung ; dafs aber für die sekundären Gruppierungen , die Typen innerhalb der einzelnen Rassen der Kopfindex ein Merkmal von vorragendem Wert ist , geht aus der Denikerschen Karte aufs unzweifelhafteste hervor . Die Verworrenheit , die der Index zeigen mag , wenn man nur die Individuen betrachtet , macht einem klaren Bilde Platz , sobald man es mit Tausenden , ja Hunderttausenden zu thun bekommt ; hier treten typische Unterschiede mit überraschender Bestimmtheit hervor . Mit bewunderungswertem Fleifs und peinlichster Gewissenhaftigkeit hat Deniker alles überhaupt in dieser Frage vorhandene Beobachtungsmaterial erschöpfend verarbeitet ; er hat damit den Forschern nicht nur die Quittung erstattet für ihre Thätigkeit , sondern auch von Seiten der Wissenschaft die Anerkennung , dafs ihre Mühe nicht vergeblich gewesen ist . Nicht weniger als 380000 Individualaufnahmen kommen in der von niker gezeichneten Karte zum statistischen Ausdruck . Und dabei konnte er sich nicht damit begnügen , fach die Zahlen zusammenzustellen , sondern es mufste bei der unseligen Zerfahrenheit der Methode der schiedenen Beobachter in sehr vielen Fällen erst der Korrektionsexponent ermittelt und die Zahlen rechnet , es mufsten Mafse , die an toten Schädeln nommen waren , in Tausenden von Fällen für die hältnisse am Lebenden umgerechnet werden etc . Dann mufsten , so weit die Natur der Beobachtungen es zuliefs , die Durchschnittszahlen für möglichst kleine Bezirke ( Arrondissements , Departements , Counties , Kreise etc . ) berechnet und die entsprechenden Indexstufen in die Karte eingetragen werden . Die Bildung dieser Abstufung konnte sich nicht der international vereinbarten qui - 27 Globus LXXVII . Nr . 14 .