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Friedrich v . Vincenz : Reise nach den Steinkaskaden von Hierapolis ( Kleinasien ) .
von dem Überflufs an gutem Wasser , dessen Quellen zumeist an den Hängen des ziemlich jäh aus der anderebene aufsteigenden Baba Dagh zu suchen sind . In seinen Schründen und Hängen , Klüften und Zacken , die den Schnee bis spät ins Frühjahr tragen , tummeln sich heute noch Bär , Wolf , Luchs , Hyäne und die wilde Ziege ; der Schakal stattet sogar im Winter häufig den Vorstädten seine Besuche ab .
Der eigentliche Bazar von Denizlü befindet sich in einer alten , im Türkenviertel gelegenen Burg , die alterlichen oder frühtürkischen Ursprungs zu sein scheint . In dieser Burg sind mehrere Strafsen legt , in denen sich die einfachen Magazine der Händler befinden . Wohnungen sind keine vorhanden , denn abends , eine Stunde nach Sonnenuntergang , mufs die Burg von jedermann geräumt sein , worauf die Thore geschlossen werden . Ein Trommelsignal giebt das Zeichen , die Magazine zu schliefsen und die Burg zu verlassen . Dann beherrscht der Wächter der Nacht allein die Stätte , an der sich den Tag über so buntes und reges Treiben abspielte .
In Denizlü hat sich auch noch der alte Brauch der Hahnenkämpfe erhalten . Leider hatten wir keine Gelegenheit , einen solchen zu sehen . Die Hähne von Denizlü sind in der ganzen Türkei bekannt und sucht , und zwar weniger wegen ihrer vorzüglichen schaften als Kampfhähne , sondern wegen ihres Krähens . Diese Hähne setzen nämlich ihrer Kräht noch eine bis zu einer halben Minute anhaltende Schleife im tiefsten Bafs und durchaus unharmonischer Natur an . Diese Schleife beginnt forte und klingt pianissimo aus , der Ton scheint über ein Reibeisen zu laufen . Der Preis eines solchen Hahnes erreicht manchmal 5 Pfund Sterling oder nahezu 100 Mk .
Am Abend untersuchten wir die Schätze der küche . War auch die Auswahl nicht sehr grofs , und konnte auch das Schmelzfett seine Herkunft vom Hammel nicht verleugnen , unsere Laune litt darob nicht , wozu nicht wenig der ganz vorzügliche , nicht zu süfse rote Wein von Denizlü beitrug . Herr Pastor B . aus der Gegend von Bremen fand des Weines Lob kein Ende , und ich selbst , dessen Wiege am Strande des Rheines stand , konnte sein Bedauern darüber mitempfinden , dafs keine , Denizlüwein spendende , Rebe dort wächst , wo Sandhafer und Kartoffel zu Hause .
Die Pferde waren anderen Tages auf 5 Uhr bestellt worden , mit Hin und Her wurde es aber nach uraltem orientalischem Brauche beinahe 6 Uhr , ehe wir aus De - nizlüs Thoren ritten . Ein wunderbarer Morgen war heraufgezogen und versprach eine besonders schöne Reise . Die erste Stunde führte uns durch wohlbebaute Felder , an reichlich Wasser führenden Bächen entlang , dann folgte niedriges , sandiges Hügelland , welches doch bald einen steinigen Charakter annahm .
Wir waren noch keine anderthalb Stunden wegs , als wir bereits an den Ruinen von Laodikaia kurzen Halt machten . Das Trümmerfeld von Laodikaia weist nur noch wenige stehende Reste auf , bei deren Rekonstruktion selbst der Archäologe von Fach das weite Feld der Hypothese zu beschreiten gezwungen ist . Mit Mühe findet und erkennt man das alte , dem Felsen abgewonnene Stadium , welches bei 45m Breite 125 m Länge aufweist . Der Markt ist gänzlich kenntlich , wogegen einige Säulenreste den Platz des Gymnasiums und der Bäder vermuten lassen . Im den erkennen wir noch ein kleines Theater , im Osten deren zwei . Eins derselben weist 50 Sitzreihen auf , deren Zugang durch 17 Treppen erleichtert wurde . Die am besten erhaltene Ruine scheint die einer Kirche zu
sein , doch auch hiervon steht nur noch ein einziger stark baufälliger Bogen .
Nicht der Zahn der Zeit , nicht die häufigen beben allein haben die Trümmer von Laodikaia so lich dem Erdboden gleich gemacht . In Denizlü ist manches Stück antiken Marmors zu Haus - und rassenbau , zu Grabsteinen und selbst zum Bau facher Umfassungsmauern verwendet worden . Auch der Bahnbau hat die antiken Reste vielfach benutzt und die meisten Graben - und Bachübergänge , die wir passieren , bestehen aus einem grofsen Stück Marmor ( vielfach Sarkophagdeckel ) , welches von den Ruinen fortgeschleppt wurde .
Hätte die steigende Sonne uns nicht gemahnt , so hätten wir wohl noch länger in den Ruinen geweilt . Noch lag aber die Hälfte des Weges vor uns , weshalb wir uns losreiisen und unseren Ritt fortsetzen mulsten .
Nicht weit hinter dem Trümmerfelde von Laodikaia passieren wir bei einer alten Brücke schwerster struktion das alte Bett des Asopos . Wohl haben beben die gewaltigen Quader aus ihrer Lage gerückt , bis zum Einsturz der vier Pfeiler mit ihren Bögen kam es noch nicht . Nach einer weiteren halben Stunde schreiten wir die Bahnlinie und steigen gleich hinterher in das Lykosthal , dessen Rande wir schon eine Weile gefolgt waren . Nur noch dieses in nördlicher Richtung zu durchquerende Thal trennt uns von unserem ziele .
Heute ist die Lykosebene zum allergröfsten Teile schlecht bebaut . Dort , wo der alte , seinen höchsten Stolz in den Ackerbau setzende Phrygier vor hunderten die Furche zog , und das Getreide in breiten Schwaden niederlegte , wo der König selbst der erste Ackerbauer seines Landes war , da ruht der Boden heute . Kein Erntefest mit Gesang und Tanz und Opfern wird mehr gefeiert , allein die Ziege und der Büffel grasen auf den früher so reichen Fluren , auf denen heute fast kein Baum mehr Schatten spendet . Wir sehen stens weit und breit nur einen solchen , aber einen Riesen seiner Art . Es ist eine prächtige Platane , die mitten in unserem Wege steht . Der Schatten ist zu einladend , um nicht eine kurze Rast zu halten . Wir steigen ab und lassen unsere gar nicht erhitzten Pferde aus dem den Weg begleitenden und dem nahen Lykos zueilenden Bache trinken . Der prachtvolle Baum , der sicher schon Jahrhunderte gesehen , mifst am Fufse 13 m im Umfange !
Gleich hinter der Riesenplatane passieren wir den Lykos , der , viel Wasser führend , sein Bett tief in den lehmigen Boden gegraben hat . Die Brücke ist von fachster Art und es gehört ein wenig Gewöhnung dazu , dieselbe ohne Herzklopfen zu überschreiten . Zwei kere Baumstämme sind von einem Ufer zum andern geworfen und auf beiden Seiten notdürftig verpfählt , um sie am Rutschen und Rollen zu verhindern . Der Belag wird durch Knüppel gebildet , die quer über die Stämme befestigt sind . Für den Fufsgänger wäre somit eine — abgesehen von dem fehlenden Geländer — ziemlich wandsfreie Passage geschaffen . Zu Pferde läfst die Sache aber doch noch zu wünschen übrig . Die Bauern pflegen Löcher in den Brücken , die besonders dem Reit - und Saumtiere Gefahr drohen , mit schweren Steinen oder Felsstücken zu bezeichnen , um die passierende Menschheit zu warnen .
In kaum einstündigem Ritte durchqueren wir den eintönigen Rest der Lykosebene , der gänzlich unbebaut ist und häufig den Eindruck eines ausgetrockneten Moores oder Sumpfes macht . Hartes Gras und Binsen bilden den einzigen Pflanzenwuchs ; hier und da treibt