Ein Ausflug nach Tanger in Marokko .
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Cm Änsflug nach Tanger in Marokko .
Der Hafen von Tanger . — Physiognomie der Stadt . — Der Fremdenführer Hamed .
Die Umgegend . — Karawanen . — Ein Wildschweinsjäger . -
- Marktleben . — In einem maurischen Hanse . Eine jüdische Hochzeit . —
Von Gibraltar oder Algesiras aus gelangt man in wenigen Stunden nach der afrikanischen Küste hinüber und ist gleichsam im Sprung auf marokkanischem Boden . Der Sund , welcher zwischen den Säulen des Herkules strömt , hat eine geringe Breite ; von Spaniens Gestaden erblickt man jene Marokkos und umgekehrt .
Sobald man im Hafen von Tanger ( Tandschehr , Tandfcha ; die Römer nannten es Tingis ) landet , sieht man sich in eine fremde Welt versetzt . Die Stadt liegt malerisch auf einem Hügel , östlich vom Kap Spartet , hat vielleicht zehntausend Einwohner , unter denen 2500 Inden , mehr als 1000 Neger , ein paar Hundert Berbern , die übrigen aber Mauren sind . Die europäischen Konsuln haben in der Stadt wohnliche Häuser , iu der Umgegend reizende Gärten , aber gleich hinter der Stadt dehnt sich eine kleine Sandwüste aus . In Marokko , wo so ziemlich Alles sich im Verfall befindet , darf Tanger keine Ausnahme machen : die Mauern drohen dem Einsturz ; die ziemlich gut erhaltenen Batterien können europäischen Kanonen keinen Widerstand leisten , und während des letzten Krieges mit Spanien ist der Beweis geliefert worden , daß auch die anderen marok - kanischen Hafenbefestigungen nichts nützen .
In Tanger sieht man sich schon ganz nach Afrika hin - einversetzt . Die Wohnungen der Mauren und Juden find zumeist unansehnlich , aber die Straßen etwas weniger schmal und krumm als iu anderen mohammedanischen Städten . Hat man sich die paar Moscheen , Synagogen und das christliche Franziskanerkloster betrachtet , so kennt man die Herrlichkeiten der Stadt .
Aber das Leben und Treiben ans Straßen und Plätzen gewährt dem Beobachter , der sich zum ersten Mal in diese neue Welt versetzt sieht , ein lebhaftes Interesse . Alles ist bunt , farbig , neu . Wenn man sich in dem Gasthause einer Schottin , welche Europäern Wohnung und Kost giebt , ein - gerichtet hat , geht man ans und hat an dem Maureu Hamed einen zuverlässigen Fremdenführer , der Alles kennt und Vieles erzählt . Durch den steten Verkehr mit gläubigen hat er viele mohammedanische Vorurtheile abge - legt und betrachtet einen Europäer beinah als Seinesgleichen . Zuerst führt er den Fremden nach dein Palaste des Pascha , von welchem aus man eine sehr hübsche Aussicht über die Stadt und über das Meer hin bis Gibraltar genießt . Dann geht man mit ihm nach dem Karawanserai , einem großen , mit Bogengängen umgebenen Viereck . Dort sind die fremden Kanflente ; man sieht Kanieele in allen Stellnn - gen , die eben angekommenen werden entlastet , anderen ladet man die Bürde auf . Vou Tauger gehen häufig Karawanen nach Mekines und Mogador . Neben dem Karawanserai ist die maurische Herberge , iu welcher die muselmännischen Kaufleute wohnen . Der Hofraum ist mit doppelten Arkaden umgeben , die übereinander liegen . Unter denen zu ebener ^rde sind Waarenballen aufgespeichert , die Böge» im Ober - geschoß bildeu eine Galerie ; auf jeden führt die Thür eines kleinen Zimmers hinaus . In diesen Gemächern , welche feine Fenster : haben , wohnen die Kaufleute , und jeder muß sich selber feine Speisen bereiten . Hier wird gekocht und in einem andern Zimmer schon gegessen ; Sklaven gehen ab und zn und besorgen Aufträge , und manche Neger treffen Vor - kehrungen zur Abreise . Andere Bekenner des Islam fitzen
einzeln oder in Gruppen im Hofraum umher und blasen mit voller GemÜthsruhe Tabakswolken vor sich hin und trinken Kaffee .
Der Marktplatz ist am Donnerstag vorzugsweise stark besucht , denn eine beträchtliche Menschenmenge strömt aus einer nicht zahlreichen Umgegend zusammen . Außerhalb des südlichen Thores liegt eine große Ebene : auf der einen Seile erheben sich die Stadtmauern und weiterhin liegt der hübsche Garten des schwedischen Konsulats , der einen Hain von Südfruchtbäumen bildet ; anf der andern Seite steigen die Hügel empor , welche aber durch hohes Schilf und Ried und durch eine Strecke Sandwüste vom Marktplatze geschieden sind . Auf diesem ist ein lebhaftes , lärmendes Durcheinander . Ich sehe Feldarbeiter und Frauen vom Lande , welche den Ertrag ihrer Felder oder Gärten feilhalten ; Neger gehen hin und her und verrichten , ähnlich wie ini Karawanserai , allerlei Aufträge ; Mauren kanfen Das oder Jenes und schreien dabei ; Inden halten ihre lange Börse in der Hand und trennen sich nngern auch vom kleinsten Geldstücke . Da werden beladene Pferde und Esel herangetrieben , deren Führer sich um die Menschen gar nicht kümmern ; wer gestoßen oder getreten wird , schreit und slncht . Am obern Ende des Marktes sah ich Zelte von alten möglichen Formen : hoch nnd spitz , viereckig nnd breit ; manche bestehen aber auch aus weiter nichts als einem Stück Zeuges , das auf einer Stange oder einigen Pfählen be - festigt ist : bei manchen ist der Stoff braun , bei anderen weiß oder gestreift ; einige sind mit Waaren angefüllt , unter anderen wohnen Pilger , die jüngst ans Mekka kamen und sich hier ausruhen , um neugestärkt die weitere beschwerliche Reise nach Süden hin anzutreten . Ich sah auch eine Kara - wane abziehen , welcher stattliche Reiter das Geleit gaben .
Die Marktwaaren bestanden in Gemüse , Geflügel , Pfer - den , Eseln nnd allerlei Hansgeräthfchaften ; Sklaven waren gerade nicht am Verkaufsplatze . Die Frauen vom Lande hatten das Gesicht sehr sorgfältig verhüllt ; maurische Stadt - frauen gehen gar nicht auf den Markt und die Einkäufe werden von den eifersüchtigen Männern besorgt . Der Fremde ist überrascht , wenn er sieht , auf wie mannichfaltige Weise der Burnus getragen und drapirt werden kann .
Die Marokkaner haben ihr Geld gewöhnlich im Gürtel' ; es sind kleine runde Stücke , Rrhani genannt , deren jedes fünfzehn Fluhs gilt . Der Fluh ist ein Heller , und drei derselben bilden einen Mnfnra , der etwa so viel Werth ist wie zwei Cnartos in Gibraltar .
Hamed kaufte einen Topf mit Butter ein , ging in eine ziemlich enge Gasse , klopste an eine Thür und bat mich , ein wenig zu warten . Ich that als verstehe ich ihn nicht , und als die Thür geöffnet wurde , trat ich gleichzeitig mit ihm in's Haus . Da ich einmal drinnen war , machte er weiter keine Einwendungen und bemerkte nur : „ Sagen Sie aber ja keinem Menschen etwas davon ! "
Nun befand ich mich unter einer maurischen Familie . In einem engen Hof , auf einer hölzernen Galerie , saßen Hamed's Frau und seine beiden Töchter , Aistra und Fatima . Madame trug ein blaues Kleid und einen rothen Turban ; Mstra war ein ganz hübsches Geschöpf und das weiße Kleid von Musselin stand ihr gut ; an den Handgelenken hatte sie dicke silberne Ringe . Fatima trug auf dem Kopfe eine