Eine Wanderung vom Jrtysch in' Sibirien nach Königsberg am Pregel .
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es giebt aber auch keine wohlhabenden arbeitsamen Neger , sondern ein HUttenproletariat , das ans der allerniedrigsten Stnfe vegetirt .
Auf Gran ada , einer der Windward - Inseln , hat „ die sehr herabgekommene Znckeranssnhr in neuester Zeit wieder znge - nommen " , sagt Sewell . Herabgekommen war sie , und das sagt er nicht , weil die Neger nicht arbeiteten ; zugenommen hat sie erst , seitdem chiuesische Arbeiter geholt wurden ; und das ver - schweigt er auch . Die Pslauzer , meint er , hätten zu niedrige Löhne geboten , aber die Chinesen sind doch mit diesen Löhnen zufrieden ; weshalb nicht auch der Neger ? „ Die Pflanzerpolitik " , sagt der Abolition ist , „ hat die Neger auf ihre eigenen kleinen Besitzungen verjagt . "
Diese Abolitionisten sind gewissenlos in ihrem Fanatismus . Hört man sie , so sind die Schwarzen ein Inbegriff von Betrieb - sainkeit und die weißen Pflanzer gewissermaßen Ungeheuer .
Auch aufTabago haben die „ kleineu Grundbesitzer " sehr zugenommen . Wir wissen , was für Leute sie sind .
Auf Trinidad sollen , wie Sewell behauptet , die Pflanzer sehr unverständig gegen die freien Neger gewesen sein . Diese hätten dann für sich Kokospalmen gebaut , wozu es freilich gar keiuer Arbeit bedarf . Die Zuckerausfuhr hat sich binnen zwanzig Jahren verdoppelt , aber nicht durch Neger— sondern durch chiuesische Arbeit . Weshalb kann und will der Neger nicht für dieselben Lohnsätze arbeiten , wie der Chinese ?
Und trotz alledem hat Sewell deu Muth , zu behaupten : „ die Beweise , daß der freie Neger arbeite , seien gegeben . " Sie siud gegeben dort , wo irgend ein äußerer Zwang ihm das Arbeiten aufnöthigt , und sie fehlen überall , wo ein solcher Zwang nicht vorhanden ist .
Der Abolitiouist bemerkt : daß in den vier Kolonien Guy au a , Trinidad , Barbadoes und Antigua die gesammte Zucker - ausfuhr vor der Emaucipation 187 Millionen Pfund betragen
habe und jetzt auf 267 Millionen Pfund gestiegen sei . Die Ein - fuhren beliefen sich auf 14 y2 Millionen Dollars gegen 8 , 840 , 000 vor der Emanzipation , — „ was unter freier Arbeit ein Mehr von von 5 Va Million Dollars aufweist . "
Diese Thatsacheu und Ziffern sind richtig , aber sie gerade machen das ganze pseudo - philanthropische Schwindelgebäude und die ganze Scheinargnmen - tatiou Sewell's zu Schau den .
Denn auf Trinidad und in Guyaua arbeiten nicht die freien Neger , sondern die chinesischen Kulis , uud ihrer Arbeit ver - dankt man die Zunahme in der Zuckerausfuhr .
Auf Barbadoes uud Antigua , die revalitiv am stärksten unter sämmtlicheu Antillen bevölkert sind , konnte das System der „ freien Besitzer " — das heißt das Faullenzen im Wald oder auf dem Felde , und das Ueberwälzeu der uothwendigsten Feldarbeiten für den täglichen Hausbedarf auf die Frauen , — nicht Platz greifen ; hier blieb , wie wir schon sagten , keine Wahl , als regel - mäßig arbeiten oder verhungern . Hier griff das Erbpachtssystem Platz , bei welchem der Neger seinen Zins in Arbeit zahlen muß . Dadurch entging die Insel dem Ruin , aber der Abolitionist Sewell behauptet trotzdem weiter oben , dieses System habe „ traurigen Einfluß " gehabt .
Blühende oder gesunde wirthschaftliche Zustände sind nirgends unter deu Negern da , wo sie sich unbedingt selbst bestimmen können uud wo sie nicht durch irgend eine äußere Nöthignng zum Arbeiten sich gezwungen sehen .
Ein englischer Reisender wurde von einem stämmigen in Panama angebettelt . Er fragte den Schwarzen , weshalb dieser nicht arbeite , da doch der Tagelohn einen Dollar betrage ?
„ Uff , bnff " , sagte der Neger , „ zur Arbeit hat Gott Ochsen und Maulthiere geschaffen . Ich bin ein M e n s ch ! "
Eine Wanderung vom Jrtysch in Sibirien nach Königsberg am pregel .
Erster Artikel .
Der Verbannungsort . — Flncht im Winter . — Ueber Tara und Jschim nach der Messe von Jrbit . — Die Straßen von Jrbit über den Ural nach dem europäischen Rußland . — Wanderungen im Schnee und »ebernachtnng in den Wäldern . — Russische Arbeitsleute ans der Wanderung . — In Werchotnrje . — Ueber den Kamm des werchoturischen Ural . — Sibirische Pilger . — Schlitteukarawancn uud russische Fuhrleute . — In Solikainsk und Tscherdyn . — Die Tschekoinskie . — Errettung vom Hungertode . — Ueber Rosche ! nach Weliki Uhtjug au der Dwina . —
Zu den merkwürdigsten Wanderungen , von welchen wir ans unseren Tagen Kunde haben , gehört ohne Zweifel jene des Polen Rufin Piotrowski * ) . Sie gewährt ein spannendes Interesse und enthält eine Fülle interessanter Mittheilungen , theils über das westliche Sibirien , theils über das nordöstliche Rußland und uamentlich über die nordnralischen Regionen . Wir erhalten einen Einblick in das russische Volksleben und Schilderungen desselben , die offenbar getreu sind ; sie treten uns geradezu entgegen als ob gemalt wären , oder als Photographien .
" ) Meine Erlebnisse in Rußland und Sibirien während meines Ans . cnthalts daselbst , meine Gefangenschaft und Flucht . Bon Rusin Piotrowski . Nach dem Polnischen von L . Königk . Posen , 1862 . 2 Bde . Der Nebersetzer hat die Namen alle in polnischer Schreibart wiedergegeben , was in einem deutschen Buche ganz unpassend erscheint . Nicht viele bei uns wissen oder brauchen zu wissen , daß ez unfern ich entspricht ; wir sagen nicht Kijow , wie die Polen , sondern Kiew ; und es ist eine polnische Koketterie , diese Stadt für polnisch auszugeben . Wir sagen auch nicht Aichangielsk , sondern Archangel , nicht Jrtysz , sondern Jrtysch , nicht Nerezynsk , sondern Nertschinsk : c . Folgerichtig hätte der Uebersetzer mich Krolenviec ftatt Königsberg sagen müssen !
Piotrowski wurde 1S43 von den russischen Behörden als „ politischer Verbrecher " , wie so viele seiner Landsleute , zur Ver - bauuung nach Sibirien verurtheilt , uud von Kiew aus dorthin abgeführt . Wir können ihn auf seiner Hinreise , welche er sehr lebendig und anziehend schildert , nicht begleiten und folgen ihm auch nicht in der Darstellung specieller Verhältnisse über die „ Un - glücklichen " , welche von Rußland aus nach dem weitesten Kerker der Welt , uach Sibirien , gebracht werden . Die Schärfe , mit welcher der verbannte Pole das Regierungssystem des Kaisers Nikolaus und seiner Werkzeuge benrtheilt , ist begreiflich ; die Vor - gäuge , welche er in Betreff der Behandlung jener „ Unglücklichen " schildert , wären schon gräßlich , wenn mich nur die nackten sacheu angeführt würden . Der Pole erzählt geradezu haar - sträubende Diuge , die Gottlob der Vergangenheit angehören uud sich hoffentlich uie wiederholen werden . Piotrowski macht den Eindruck eines wahrheitsliebenden Mannes uud wir glauben nicht , daß er mit Wissen und Willen eine Unwahrheit sagt . Aber durch den Ingrimm in seiner Seele , der sich freilich erklären läßt , nimmt er manchmal sein eigenes Urtheil befangen , uud das sau -