98 Streifzüge unter den
Europa mehr Aufmerksamkeit als früher . Für die Völker - künde ist gerade diese Insel vou entschiedenem Interesse , denn wir finden bei den Eingeborenen , welche man mit dem allgemeinen Namen Dayaks zu bezeichnen pflegt , eine Menge von Eigenthümlichkeiten , durch welche sie sich von anderen Völkern wesentlich unterscheiden . In der neuen Zeit haben wir durch verschiedene Reisende eine Menge werthvoller Mittheilungen über diese Dayaks erhalten , uud wir wollen versuchen , eine Schilderung ihres Lebens und Treibens zu entwerfen .
Die Bodengestaltung der Insel ist mannichfaltig . Sie wird von Gebirgen durchzogen , welche sich im Nordosten , im Kina Balu , d . h . der chinesischen Witwe , bis zu 13 , 700 Fuß ausgipfeln . Vom Gebirge herab strömen der Nord - küste der Bruui , Redschang , Sarebas , Sakarran und Sa - rawak zu ; an der Westküste münden der Sambas und der Pontianak , an der Südküste der Banjar , an der Südost - küste der Koti und Passir . Sie alle sind mehr oder weniger schissbar für Boote , und die Insel ist so reichlich bewässert , daß allein auf der nördlichen Küstenstrecke zwischen der Provinz Sarawak und der Stadt Bruni nahe an zwanzig Flüsse münden , welche lange Zeit den Seeräubern als Schlupfwinkel und Zufluchtsstätten gedient haben . Im Innern liegen Seen von nicht unbeträchtlichem Umfang , z . B . der Dan au Malayu am obern Pontianak .
Schon früher ( Globus I , 366 ) haben wir den land - schaftlichen Charakter Borneos geschildert ; hier wollen wir Einiges über die Landeserzeugnisse bemerken . Der Kohle haben wir schon erwähnt . Spießglanz findet man in meh - reren Gegenden der Westküste , namentlich in Sarawak und am Sambas ; Eisen ist in Menge über die ganze Insel ver - breitet , Zinn fand man an den Grenzen von Sarawak und ebendaselbst auch Nickel . Auch Quecksilber hat man entdeckt , aber an Gold ist Borneo vorzugsweise reich , und die Dia - manten , welche man in den Gebieten Sangan , Landak uud Baujarmassing in großer Menge findet , stehen an Werth denen aus Indien und Brasilien gleich . * )
Das Klima ist für Europäer , welche sich uicht allzu - sehr der Sonne aussetzen , keineswegs ungesund nnd die Hitze in dieser äquatorialen Region nicht allzudrückend . Viele Gegenden sind vortrefflich für den Anbau des Zucker - rohrs geeignet , das bei den Dayaks ohne alle Pflege weit kräftiger wird als selbst auf Ceylon , wo man doch den Plantagen so große Sorgfalt angedeihen läßt . Bei Sara - wak , wo die Chinesen dasselbe bauen , wird es achtzehn Fuß hoch . Muskatnüsse , Gewürznelken und Zimmt sind von Europäern in Gärten versuchsweise gepflanzt worden und trefflich gediehen ; für europäische Gemüse ist das Klima zu heiß , doch kommen einige Arten Bohnen , Gurken , Endivien , Spargel und Paradiesäpfel leidlich im Flachlande fort ; im Gebirge würde für sie bei entsprechender Höhenlage die ge - eignete Temperatur leicht zu ermitteln sein . Den Malayen ersetzt der Kohl der Nibong - Palme das Gemüse ; er ist das Herz der noch nicht aufgebrochenen Blätter , sehr weiß uud schmeckt wie Nuß ; besser als die Kokosnuß , aber nicht so fein wie die Nuß von der Areeapalme ( Pinang ) . Die Nibong wächst in außerordentlicher Menge an den Mün - düngen der Flüsse , und ihre runden Stämme , die etwa sechs Zoll im Durchmesser halten , werden als Pfähle beim Häuserbau benutzt , auch bereitet mau Latten und Sparren aus denselben . Die zarten Sprossen des Bambus sind ein Lieblingsgemüse der Dayaks . Unter den verschiedenen
* ) Der Sultan vou Matau besitzt einen ungeschliffenen Dia - mant von 367 Karat ; geschliffen würde derselbe 183^2 Karat haben und , nach Crawfnrd , 269 , 378 Pfund Sterling Werth fein .
zyaks auf Borueo .
Arten Bambus wird der Bulu Ayer oder Wasser - bambns an Bergabhängen bis zu sechszig Fuß hoch ; sechs andere Arten Bambus sind nicht minder nützlich unv werden auf sehr verschiedene Weise verwandt . Das Haupt - Nahrungsmittel ist der Reis , daneben in manchen Gegenden der Sago ; die Palme , welche ihn liefert , wächst in sumpsi - gem Boden uud wird nicht über dreißig Fuß hoch . Aus der Frucht der Gomuti - Palme bereiten die Dayaks ein gei - stiges Getränk . Die Areca - Palme , derenBlüthe so prächtig duftet , liefert die Betelnuß , welche mit Kalk und Gambir in Sirihblätter gewickelt und von Malayen und Dayaks ge - kaut wird . Mit den Blättern der niedrigen Nipa - Palme , welche man in sogenannte Ataps zusammenbindet , deckt man die Häuser ; der Mangrovebaum giebt gutes Breunholz . Zu diesen Bäumen kommt noch der Barus - Kampser ( Dryobalanops camphora , verschieden von dem japanischen Lauras camphora ) , der nur auf Sumatra und Borneo wächst . Man findet den Kampfer in festem Zustande in den Spalten des Holzes , und gewinnt ihn sehr leicht , indem man den Baum umhaut , in Blöcke theilt und diese mit Keilen zerspaltet . Dann nimmt mau deu weißen , durchsich - sichtige» Kampfer heraus . Einige Bäume aus dem Ge - schlecht Dipteroearpus geben eine Nuß , aus der mau ein fettes Oel preßt ; es ist im europäischen Handel als vege - tabilisches Wachs bekannt ; man läßt das Oel erkalten und es wird dann so sest wie Spermaceti , dem es äußerlich gleicht . Auch Niato , das heißt Gatta Pertscha , fehlt nicht , eben so wenig Gummi Damar , Baumwolle , Pfeffer und Tabak .
An reißenden Thieren ist Borneo arm . Der Tiger , welcher ans der Halbinsel Malaeea , auf Sumatra und Java mit Recht so sehr gefürchtet wird , fehlt gänzlich ; statt seiner tritt eine Pantherart ( Felix macrocelis ) ans ; auch sind mehrere wilde Katzenarten vorhanden . Der Elephant fehlt auch , das Rhinoceros foll ( ? ? ) im Innern vorhanden sein , ist aber jedenfalls selten ; der kleine malayische Bär ( Ursus malayanus ) kommt an der Westküste vor und ist im Innern sehr häufig . * Er lebt von Pflanzenkost und liebt Honig , den er von den Bäumen herabholt . Wilde Schweine , Hirsche und Rehe sind in Menge vorhanden .
Die Nordwestküste von Borneo ist die eigentliche Heimath des Orang utan , der bis vor Kurzem für den größten und stärksten aller Affenarten galt , bis ihm nun der afrikanische Gorilla diesen Rang mit Ersolg streitig gemacht hat . Europäische Jäger , welche die Iusel be - suchen , brennen darauf , ein solches Thier zu erlegen , und in den Reisewerken über Borneo spielt er eine große Rolle .
Auch der vortreffliche Radfcha von Sarawak , James Brooke , den unsere Leser kennen ( Globus Nr . 11 u . 12 ) , brannte daraus , einen solchen „ Waldmenschen " zu erlegen und die Dayaks boten ihrem Freunde gern die Hand dazu . Sie hatten kurz vorher eiu Asseukiud aus den Armen der Mutter geschossen und diese verwundet . Die Alte ließ das Kleine vom Baume herabfallen , flocht , obwohl blutend , die Zweige zu einen Nest zusammen , setzte sich ruhig hiueiu und war nach ein paar Stunden todt . Sie blieb aber auch als Leiche im Nest , und es kostete Mühe sie herunterzuholen , denn der Baum war hoch und die Dayaks hatten große Mühe hinaufzuklettern .
Brooke sagt aus eigener Beobachtung , daß die Orang utan's trag und langsam in ihren Bewegungen seien ; selbst wenn die Jäger schreien und ihre Gewehre abseueru , be - wegen sie sich aus den Zweigen eines Baumes nach jenen eines andern nicht rascher , und ein Mann , der unten im Waldgestrüpp geht , kann sehr wohl mit ihnen Schritt halten . Oft flohen sie nicht einmal ; wenn sie ein paar