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Doz. Dr. Robert Heine-Geldern,
das ländliche Theater von Thorikos mit seinen rohen Steinsitzen eine verhältnismäßig
ältere Form darstellt als die mit Holztribünen versehenen Theater der großen
Städte des sechsten und fünften Jahrhunderts.
Wie immer dem sei, wenn das griechische Theater wirklich, wie man ge
meinhin annimmt, aus der Agora hervorgegangen ist, so kann man, wie mir
scheint, angesichts des Zeugnisses Homers, des Steinplattenkreises von Mykenä
und der formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen mit den Tanz-, Kult- und
Versammlungsplätzen des indisch-ozeanischen Megalithgebietes wohl kaum be
zweifeln, daß es sich aus einer ähnlichen megalithischen Grundschicht heraus ent
wickelt hat, wie die äkhrä der Munda, die tehuba der Angami, der darodaro-Platz
der Niasser und marae und tohua der Polynesier, daß es mithin dem vorgeschicht
lichen Steinkreis Europas und des Mittelmeergebietes vermutlich nächst ver
wandt ist.
7. Chronologie und Herkunft der südostasiatischen Megalithen.
Wie schon eingangs erwähnt, will ich die Frage der Chronologie hier nur
mit wenigen Worten streifen. Ob es in Vorderindien und Südostasien neolithische
oder selbst auch nur kupier- bzw. bronzezeitliche Megalithen gibt, ist vorläufig
äußerst fraglich, läßt sich aber auch nicht mit Sicherheit verneinen. Gewiß spricht
manches für ein neolithisches Alter der Megalithkultur in Südostasien, vor allem
ihre Erstreckung nach Ozeanien, wenn es auch möglich ist, daß die Metalltechnik
auf dem Weg nach Osten verlorengegangen ist, ebenso wie das vermutlich mit
dem Rind der Fall war, da dem Rinderopfer entstammende Symbole sich, wie es
scheint, bis nach Melanesien verfolgen lassen, jedenfalls ist die weitaus größte
Zahl der bisher untersuchten Megalithen Indiens und Südostasiens, vielleicht alle,
deren Chronologie bisher überhaupt einwandfrei festgestellt worden ist, zweifellos
eisenzeitlich. Nun wissen wir allerdings über den Beginn der Eisenzeit in Vorder
indien so gut wie nichts, aber so viel läßt sich wohl sagen, daß für das phantastisch
hohe Alter, das der dravidischen oder angeblich selbst vordravidischen Eisentechnik
bisweilen zugeschrieben wird, bisher auch nicht die Spur eines Beweises erbracht
gen, kreisrunden Mauer eingefaßten, mit Platten gepflasterten Platz“. Ausführlicher be
schreibt sie unter gleichzeitiger Betonung ihres Charakters als Versammlungsplatz A.
H aberl andt, Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Volkskunde von Montenegro, :
Albanien und Serbien, Ergänzungsband XII der Zeitschr. für Österreich. Volkskunde
(Wien 1917), 4: „Zwischen Njegusch und Cetinje sind die Tennen zu runden, etwa 1 bis
P/2 m hoch aufgemauerten Steinsockeln in zierlich gewürfelter Pflasterung und mit er
höhtem, sitzbreitem Umfassungskranz ausgebildet, schon von weitem Plätzen für eine
Ratsversammlung nicht unähnlich. In der Tat ist diese bei allen europäischen Völkern
uralte Benützung der Dreschtenne als Versammlungsplatz der Männer, als Rats- und
Thingplatz auch hier noch in Übung und offenbar auch für ihre höhere architektonische
Ausgestaltung maßgebend gewesen.“ — Damit tritt auch die für die Steinkreise Vorder
indiens und Assams, aber auch für die griechische Agora so charakteristische Beziehung
zwischen Steinkreis und Tanz wieder in Erscheinung- Denn ebenso uralt wie die Ver
wendung der Tenne als Beratungsplatz dürfte die als Tanzplatz sein, und wenn sie auch
für Westmontenegro nicht eigens erwähnt wird, wird man sie doch um so eher dort vor
aussetzen dürfen, als sie für die benachbarte Herzegowina ausdrücklich bezeugt ist. Vgl.
E. Schneeweis, Die Weihnachtsbräuche der Serbokroaten, Ergänzungsband XV zur
Wiener Zeitschr. für Volkskunde (1925), 83, 118.