Bibliographie.
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Der um die Aufhellung der ursprünglichen Kulturverhältnisse der alten Guarani-
Stämme sehr verdiente Verfasser hat in dieser Veröffentlichung eine Fülle von Einzel
heiten zusammengetragen, die mit der Hygiene und Medizin nur in entfernterem Zu
sammenhänge stehen und demnach passender unter einem anderen Titel gesammelt worden
wären, .um größere Übersichtlichkeit und bessere Auswertung zu ermöglichen. Auch die
zuweilen überflüssige Weitschweifigkeit beschwert dieses Werk unnötig, zumal das Sach
register viel zu knapp gehalten ist und ein Inhaltsverzeichnis für den zweiten Teil über
haupt fehlt.
Die fast ausschließlich vegetarische Ernährungsweise, die einzelnen Nahrungsmittel
und ihre Zubereitung, das Fehlen von Salz, Tabak und alkoholischen Getränken, die be
sonderen Gewohnheiten beim Essen und Trinken, ferner Schlaf und Ruhe, körperliche
Übungen und Aderlaß, Reinlichkeitspflege und Gebrauch von Bädern, endlich die Vor
schriften der sexuellen Moral, Selbstbeherrschung und Willensschulung lassen die all
gemein-hygienischen Einrichtungen dieser Indianer als außerordentlich zweckmäßig und
naturhaft erscheinen. Dies würde noch deutlicher hervortreten, wenn Wohnungsverhält
nisse und Kleidung in ihrer Beziehung zur umgebenden Natur ausführlich berücksichtigt
worden wären. Auch hier sind es die späteren europäischen Einflüsse gewesen, die einen
unübersehbaren Schaden angerichtet und dieses lebensfähige Volk vernichtet haben.
Im zweiten Teile werden die dort auf tretenden Krankheiten genannt und beschrieben.
Deren sind es verhältnismäßig wenig, die allgemein von sachkundigen Personen nach
bewährter Methode und ohne zauberische Betätigung behandelt werden. Unter anderem
leugnet Verfasser sehr entschieden das Auftreten der Syphilis in voi kolumbischer Zeit.
So gern man ihm beistimmt in der Vermutung, daß diese Krankheit bei den Guarani-
Stämmen nicht verbreitet gewesen, kann man doch nicht umhin, deren Aufti eten in
Mittelamerika und im südwestlichen Südamerika als sicher anzuerkennen 1 . Besonders
wertvoll und von allgemeinem Nutzen ist die genaue botanische Bestimmung der vielen
Heilpflanzen und ihrer spezifischen Wirkungen bei köiperlichen Leiden. Diese lange
Reihe von erprobten Heilmitteln, die Mutter Natur zur Auswertung den Bewohnern jener
Gegend zur Verfügung gestellt hat, läßt aber auch das lange und genaue Beobachten er
schließen, das zur passenden Auswahl und zum richtigen Gebrauch jedes einzelnen
Spezifikums geführt hat. Es wäre wohl an der Zeit, in Hinsicht auf dieses reiche Er
fahrungswissen, bei Beurteilung der geistigen Veranlagung des Indianers gerechter als
bisher zu sein und seine hygienisch-medizinischen Einrichtungen in ihrer bedeutsamen
Zweckmäßigkeit verstehen zu lernen. Wenn Verfasser diese Verhältnisse bei den Guaram-
Stämmen als sehr günstig und vorteilhaft schildert sie sind es in Wirklichkeit —, so
können sich dessen auch mehrere andere südamerikanische Völkerschaften rühmen.
P. Martin Gusinde, S. V. D.
Howard, Harvey J. Zehn Wochen bei chinesischen Banditen. 159 SS. Bd. 50
der „Reisen und Abenteuer“. Leipzig 1930. F. A. Brockhaus.
Das Buch liest sich wie ein spannender Roman. Für den Leser ist die Sache
natürlich interessanter als für den, der sie mitmachen muß. Der Leser vergleiche die
beiden Photos auf S. 80 (Dr. Howard vor und nach der Gefangenschaft). Besonderes
Mitgefühl weckt beim Leser das tragische Schicksal des sympathischen Majors Palmer,
der in so uneigennütziger Weise für die Chinesen arbeitete. Ja, die chinesischen Räuber
können schon sehr rabiat werden, wenn ihnen Widerstand geleistet wird oder wenn das
geforderte Lösegeld nicht pünktlich eintrifft. Sonst läßt sich noch wohl mit ihnen ver
handeln. Wir dürfen nicht vergessen, daß es doch meist die äußerste Not ist, die den
1 Daß sie beispielsweise bei den Araukanern in Chile bereits in vorspanischer Zeit
verheerend gewirkt hat, habe ich auf Grund alter Quellen und der Abwehrmaßnahmen
der Eingebornen glaubwürdig gemacht. Vgl. M. Gusinde: Medicina e Higiene de los
antiguos araucanos. Publicaciones del Museo de Etnología y Antropología de Chile.
Tomo I. Santiago 1918.