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Analecta et Additamenta.
ersten Frau. Sind gar keine Söhne vorhanden, dann wird der älteste Bruder des Ver
storbenen der Universalerbe.
Es kann auch Vorkommen, daß der Verstorbene mehrere Brüder und mehrere
Witwen hinterläßt und die Brüder nun die Witwen unter sich auf teilen und Ukungena-
Heiraten mit ihnen schließen. Die Erben sind immer die Söhne dieser Weiber, und zwar
der älteste einer jeden. Sind vom zweiten oder dritten Weibe keine Erben da und auch
keine mehr zu erwarten, dann geht das Erbrecht auf den Sohn der Inkosikazi des Ver
storbenen über, wobei es irrelevant ist, ob diese eine normale Ehe oder eine Ukungena-
Ehe eingegangen ist oder überhaupt Witwe geblieben war.
Hat der Familienvater zu seinen Lebzeiten die Erbfolge beim Tode der Hauptfrau
in der herkömmlichen Weise bestimmt, so ergibt sich folgende Rechtslage: Selbstverständlich
ist der Sohn der Inkosikazi der Erbe, im Falle diese eine Ukungena-Heirat einging, auch
dann, wenn dieser Sohn von dem zweiten Ehemann gezeugt wurde. Bekommt sie jedoch
auch von diesem keinen Sohn, so wird der älteste Sohn des dritten Weibes auf Grund der
testamentarischen Verfügungen des Erblassers der Haupterbe. Sind von keiner dieser
Frauen Söhne da, dann geht das Erbrecht auf den ältesten Sohn der im Range nächst
folgenden Witwe über.
Dasselbe Verhältnis besteht zwischen den zweiten und vierten Frauen und deren
Söhnen, wenn der Familienvater dies ausdrücklich bestimmt hat. Folgendes Beispiel
diene zur Erläuterung dieser Rechtsverhältnisse: Es handelt sich um einen Prozeß, der zu
jener Zeit (1926) vor dem Magistratsgericht in Matatiele abgeführt wurde.
Der verheiratete Sohn der dritten Frau, die vom Familienvater zur Rechtsnach
folgerin der Inkosikazi eingesetzt worden war, starb. Von Rechts wegen durfte nun der
vorhandene älteste Sohn der Inkosikazi die Witwe seines Halbbruders als Ukungena-Gattin
heimführen. Als ältester Sohn hatte er ein Vorrecht darauf. Aber sein
jüngerer Bruder „machte sie ukwebad. h. er stahl die junge Witwe mit derem Einver
ständnis und ging mit ihr ohne Zustimmung des älteren Bruders eine Ukungena-Heirat
ein. Den Vorschlag des älteren Bruders, mit ihr eine normale Ehe einzugehen, lehnte sie
ab. Die Sache kam vor das Magistratsgericht. Dort erklärte der ältere Bruder, er ver
zichte darauf, die Witwe in irgendeiner Form zu ehelichen, er verlange aber, daß der
jüngere Bruder, wenn er die Witwe heiraten wolle, ihm Lobola-Rinder zu bezahlen habe.
Denn er verfüge als Erbe des Verstorbenen nicht nur über die physischen Rechte auf die
Witwe, sondern auch über die materiellen Rechte, die aus der Ukungena-Heirat hervor
gehen würden. Das Gericht entschied im Sinne des Klägers nach Anhörung des Gut
achtens der Eingebornenrichter. Sohin ist also eine verwitwete Schwä
gerin, mit der der älteste Bruder keine Ukungena-Ehe. eingeht,
einer unverheirateten Tochter desselben gleichzuhalten, für
welche dieser im Falle einer Ehe mit einem anderen die normale
Lobola- Gebühr verlangen kann. Da aber der jüngere Bruder keine Lobola-
Rinder und auch kein Geld hatte, so wurde die Witwe nicht zu ihrem: Vater zurück-
geschickt, sondern heim zu ihrer Schwiegermutter, um dort zu bleiben, bis eventuell ein
anderer käme, um sie nach Leistung der Lobola-'Rm&s.r zu heiraten.
Oft geschieht es auch, daß ein jüngerer Bruder die Rinder für den älteren hergibt.
Stirbt nun derselbe und die Witwe geht mit einem Dritten eine Leviratsehe ein, so ist
dieser verpflichtet, die Lobola-Rinder dem jüngeren Bruder zurückzuzahlen. Ist die Lobola
noch nicht zur Gänze bezahlt, sind z. B. noch vier Rinder an den Vater der Witwe zu be
zahlen, so muß der Vater des Verstorbenen diese herausgeben, denn nur dann, wenn die
Lobola zur Gänze bezahlt ist oder eine Verpflichtung hiezu an Zahlungs Statt anerkannt
wird, treten alle Rechtsfolgen einer normalen Ehe ein. Stirbt auch der Vater des Ver
storbenen und geht die Witwe eine Leviratsehe ein, so muß der älteste Sohn dieser Witwe,
also der Enkel, die rückständigen Rinder seinem Großvater mütterlicherseits bezahlen, und
zwar nimmt er dieselben von der Lobola seiner Schwestern. Das gleiche gilt vom Ingutu-
Rind, welches die Mutter der Braut bei der Hochzeit erhält, falls diese als Jungfrau in
die Ehe eintritt. (Der gute Ton erfordert, daß dieses Ingutu-Rind aber auf alle Fälle
bezahlt wird.) Dr. Viktor Lebzelter — Wien.