xi besonderer Herürkslchtrgung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1885 .
Dieulafoy's Reise in Westpersien und Babylonien').
XX.
(Sämmtliche Abbildungen nach Photographien der Mine. Jane Dieulafoy.)
Wenn man sich der Stadt Schiraz von Persepolis her
nähert, so hat man eine ziemlich einförmige und langweilige
Gegend zu durchziehen, bis man plötzlich durch eine schmale
Schlucht zwischen röthlichen Bergen den Tengi Allahakbar
(d. h. Engpaß „Allah ist der größte") hindurch eine weite
Ebene und in derselben eine Stadt von länglicher Form,
umgeben von Befestigungen und überragt von zwiebel
förmigen, mit bunter Fayence bekleideten Kuppeln, erblickt.
Außerhalb der Umfassungsmauern dehnen sich Gürten aus
mit Cypresscn, die ebenso schwarz und ebenso schön sind,
wie diejenigen von Ejub oder Skutari (bei Konstantinopel),
und mit einzelnen Gruppen zierlicher Palmen. Die Perser,
welche für Naturschönheiten sehr empfänglich sind, rühmen
jene Schlucht als einen der schönsten Aussichtspunkte ihres
Landes und den Namen derselben leiten sie von dem Aus
rufe des Erstaunens und Entzückens (Allah akbar) her, der
unwillkürlich jedem Fremden entfährt, sobald er nach einem
langen Marsche zwischen öden und unfruchtbaren Hügel
zügen aus jenem Engpässe heraustritt. Letzterer ist der
einzige, welcher einen bequemen Abstieg in die Ebene ge
währt, und deshalb etwa 1 km vor der Stadt durch eine
Befestigung geschlossen. In dem Raume über dem Thore
derselben wird ein schöner, 100 Pfund schwerer Koran auf
bewahrt, der ganz und gar von der Hand des Sultans
Ibrahim, Sohnes des Schah Ruch, geschrieben ist; der
fromme Derwisch, dem dieser kalligraphische Schatz an-
i) Fortsetzung von S. 310 in Bd. 46.
Globus XLVII. Nr. 10.
vertraut ist, wollte es darum auch durchaus nicht begreifen,
daß die Reisenden nach einem Ritte von 72 km unter einer
brennenden Sonne wenig Neigung verspürten, das Wunder
anzustaunen, sondern nach endlicher Rast verlangten. So
setzte das Dienlafoy'sche Ehepaar seine Reise fort, ließ zwei
in die Felswand gegrabene Reliefs, deren eines in der
Weise der sassanidischen Skulpturen Fath Ali Schah und
zwei von dessen Söhnen, deren anderes eine Heldenthat
Rustems darstellt, zur Rechten, ritt in die Ebene hinab und
erreichte endlich jenes Gebiet, welches die Perser mit Recht
als „warmes Land" bezeichnen, trotzdem es immer noch
eine Höhe von etwa 1500 m über dem Meeresspiegel hat.
Eine Allee, welche es durch ihre Breite wohl verdient,
den Zugang zu einer Hauptstadt zu bilden, führt zwischen
schönen Gärten bis zu der Stadtbcfestigung hin, welche
aus Grüben voller Unrath, eingestürzten Thürmen und
verfallenen Courtinen besteht. Jenseits des Stadtthores
beginnt ein von Bäumen beschatteter Bazar; aber in dem
Geschäftsviertel herrscht wenig Leben und Treiben. Eine
ganze Anzahl von Leuten liegen längs der Mauern aus
gestreckt und klappern mit den Zähnen, trotzdem die Sonne
heiß hcrabschcint und sie in gefütterte Mäntel gehüllt sind;
das Fieber schüttelt sie. Als man weiter hinein in die
Stadt kam, zeigte es sich, daß von drei Lüden durchschnitt
lich zwei geschlossen waren; mitunter sah man durch die
halbgeöffneten Läden hindurch die Kaufleute ausgestreckt
zwischen ihren Waaren liegen. Langsam windet sich die
Karawane durch die schmutzigen stinkenden Straßen und
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