Mit besonderer Herücksicbtignng der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich
Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1885 .
Dieulasoy's Reise in Westpersien und Babylonien.
XXIII.
Beim Ausritte aus dem Dorfe Sarvistan hatten die
Reisenden den Bergpfad, welcher den stolzen Namen „Alte
Straße nach Bender Abbas" führt, verlassen und waren
drei Stunden lang in einem wilden Thale hin geritten. Am
Ende dieser mit trockenen, harten Gräsern bedeckten Ebene
liegen die imposanten Ruinen eines Palastes, dessen Ge-
sammtanblick an die alten Mogul-Moscheen erinnert. Doch
modificirt sich dieser Eindruck, wenn man das Innere
betritt; die riesigen Ziegeln, welche ans dem Boden umher
liegen, der elliptische Umriß der Bogen und der Kuppel
und die wenigen Ornamente an den Mauern haben einen
sehr ausgesprochenen archaischen Charakter. Der inter
essanteste Theil des Gebäudes ist unstreitig der große
quadratische Saal in der Mitte; der Dom, welcher sich
über demselben wölbt, ist von eiförmiger Gestalt und ruht
aus vier Strebebogen, welche die Basis der Kuppel mit
den senkrechten Mauern des Saales in Verbindung bringen;
letzteres eine der bedeutendsten architektonischen Erfindungen
der Byzantiner.
Neben diesem centralen Saale ziehen sich lange Galerien
hin, die durch von ausgemauerten Säulen getragene Pfeiler
in einzelne Nischen getheilt werden. Die Säulen sind
schwerfällig, die Pfeiler massig, und das Gesims besteht
einzig aus einem Zahnschnitte zwischen zwei Leisten. Die
technische Ausführung dieses Theiles des Bauwerkes steht
mit der Geschicklichkeit des Architekten, welcher den Plan
des Ganzen entworfen, und der Kühnheit der Maurer,
welche die Kuppel gewölbt haben, in gar keinem Verhält
nisse. Die Bestimmung seines Alters ist ziemlich schwierig;
Globus XLV1I. Nr. 13.
doch scheint es ans vorislamitischer Zeit herzurühren. Ein
heimische Legenden, denen nicht viel Werth bciznmessen ist,
schreiben die Erbauung der unterirdischen Wasserleitungen
und die Blüthe dieses Theiles von Fars der Achümcniden-
zeit zu; das ist die einzige Ueberlieferung, an welche man
anknüpfen könnte. Wenn man andererseits sieht, daß die
Achämeniden stets Fars in Besitz gehabt haben, daß die
zahlreichen Festungen auf den Bergen um Schiraz und die
tiefen, in den Fels gebohrten Brunnen dort und bei Sar
vistan ihr Werk sind, so kommt man wohl auf den Ge
danken, daß der Palast zu einer Zeit erbaut worden ist, wo
sich Fars großen Wohlstandes erfreute, und die noch vor
der Sassanidenzeit liegt. Die Fürsten dieser letzteren Epoche
hielten sich stets in Schuster und in den nordwestlichen
Provinzen auf, d. h. in der Nähe der von den Römern
bedrohten Provinzen, und kümmerten sich nicht um Fars,
wie die totale Verödung des achämenidischen Schiraz beweist.
Alles, was die einheimischen Begleiter Dieulasoy's über
den Palast zu erzählen wußten, war, daß derselbe einst als
Küche gedient habe, und daß in dem Kuppelsaale köstlicher
Pilaw zubereitet worden sei; Läufer hätten dann die rau
chenden Schüsseln im schnellsten Galopp dem Herrscher
gebracht, der sein Hoflager auf einer Burg im nahen Ge
birge aufgeschlagen hatte.
Am Nachmittage des 1. November verließ man die
Trümmer des Palastes und ritt einen Richtweg nach
Mi and sch an gal, der ersten Station in der Richtung
nach Darab. Da es schon zu spät war, um in dem Hause
des Ket-choda Aufnahme zu verlangen, so richteten sie sich
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