Mit besonderer Herüebsrchtrgung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl Andree.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1885
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
DieulafoPs Reise in Westpersien und Babylonien.
XXVIII.
(Sämmtliche Abbildungen nach Photographien.)
Unmittelbar neben dem Thurme el-Talisman, doch
innerhalb der Ringmauer, dehnt sich ein weiter Begrübniß-
platz aus, den das Grabmal des Scheichs Omar weit über
ragt. Dasselbe hat ein spitzes Dach von der Form eines
Löschhütchens, und dieses ist außen mit lauter gleichgeform
ten Vorsprüngen überdeckt, welche den zellenförmigen Ver
tiefungen des Inneren entsprechen. Wendet man sich von
dort der Stadt zu, so gelangt man in eine verhältnißmäßig
schöne Straße und zu dem berühmten Grabe des Abd-el-
Kader, welches die schiitischen Perser nach 1633 zerstört
hatten, und zu dessen Wiederherstellung Sultan Murad
bald darauf seinen Kriegszug nach Baghdad unternahm.
Eine abgeplattete und von vielen kleinen Oesfnungen durch
brochene Kuppel bedeckt die Moschee; unmittelbar daneben
bch eine zweite, kleinere, aber viel gefälligere Kuppel,
welche mit bunten Fayencen im persischen Stile der Periode
der Sosi-Könige bekleidet ist; unter dieser liegt der Raum
mit dem eigentlichen Grabe. Den großen Hof umgeben
Bogengänge, unter welchen Reisende und Derwische kam-
piren; weiterhin liegt eine Medresse. Diese letzteren Bauten,
ebenso wie die beiden Minarets am Eingangsthore sind
erst in neuester Zeit hinzugefügt worden. Einige Schritte
weiterhin liegt wieder ein Grabmal, dann rechts die Moschee
Scheich Jussef und links die Masdsched Abd-er-Rahman
und so fort; es wäre ebenso unmöglich, alle hiesigen, dem
Kultus geweihten Gebäude aufzuzählen, wie die Kirchen
und Kapellen Roms; nur das Hervorragendste hat man zu
besuchen Zeit und Lust.
Globus XLVIII. Nr. io.
Noch heute giebt es in Chaldäa zahlreiche Wahabiten,
die aber streng überwacht werden. Bei den Persern ist
das nicht der Fall; aber dennoch ist ihre Lage schlechter,
als die irgend eines Ungläubigen. Nichtsdestoweniger
bleiben sie im Lande, sei es aus religiösen Gründen, um
in der Nähe von Nedschef und Kerbela, wo die so hoch
verehrten Nachfolger des Propheten Ali und Hussein ruhen,
zu leben, sei es, um von den zahlreich durchpassirendcn
schiitischen Karawanen Nutzen zu ziehen, Karawanen von
Lebendigen, die nach den Gräbern der Jmame sich begeben,
um dort zu beten, und Karawanen von Leichen, die in deren
Nähe in geheiligte Erde gebettet werden sollen. Obwohl
die Quartiere am linken (östlichen) Tigrisufer mit der
Straße von und nach Persien, auf welcher die meisten jener
Züge eintreffen, in direkter Verbindung stehen und alfo für
die Baghdader Perser mehr geeignet wären, so wohnen die
selben doch fast alle in der kleinen Stadt Kadh im ein,
welche 6 km von Alt-Baghdad auf dem rechten Flußufer
sich um das Grabmal des Imam Musa ausdehnt. Ehe
die Karawanen demnach diesen Ort, wo sie meist Rast
machen, erreichen, müssen sie die ganze, von Sunniten be
wohnte Stadt durchziehen, und da ist es eine Hauptbeschäfti
gung der Kinder, auf ihre Ankunft zu lauern und den
armen ermüdeten Schluckern so manchen Possen zu spielen.
Namentlich geschieht das auf dem Meidan, dem schönsten
und belebtesten Platze Baghdads, an welchem auch die rei
zende Moschee Ahmed Chiaja liegt. Wenn durch das Ost
thor ein langer Zug todter oder lebender Perser hereinzieht,
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