Dr. Richard Kiepert.
SRvrtimVnotrt Jährlich 2 Bünde à 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1 QQ 1 )
lUWU ' u i lull[ 0 zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. 1 ° ‘ *
Prshewalski's dritte Reise in Central-Asien.
vie
Die ersten Tage des Rückmarsches erschienen den
Reisenden ganz besonders langweilig. Lhassa war ihnen
unerreichbar gewesen — und nun lagen wieder viele Hunderte
von Kilometern schwierigen Weges durch Nordtibet vor ihnen
in der Eiseskälte des tiefen Winters! Dabei drohten aus
dem 4mnla die Jegräer und der Ausland der Karawane war
bei weitem nicht mehr befriedigend. Trotz aller Anstrengungen
hatten an der Quelle Nier-tschungu nur 10 Pferde gekauft
werden können; von deu Kameelen waren nur noch 26 Stück
brauchbar, und darunter war fast die Hälfte sehr schwach.
Au Nahrungsmitteln hatte man außer einigen Schafen,
sowie etwas Butter, nur 5 Pud (80 kg) Dsamba und 8^
sehr schlechten Ziegelthees beschaffen können, schließlich
waren die Reisenden durch das Ausbleiben aller Nachrichten
aus der Heimath verstimmt worden; sie hatten die an
sie gerichteten Briefe von Peking nach Lhassa befördern lassen,
aber die tibetischen Gesandten weigerten sich mit Entschieden
heit, für dieselben zu sorgen; sie erklärten, daß, falls der
chinesische Resident in Lhassa wirklich Briefe aus Peking
erhalten hätte, dieselben wiederum nach Peking zurückgeschickt
werden würden, lind so geschah es wirklich.
Ais Führer diente der Expedition der schon genannte
Mongole ausTzaidam, Namens D ad ai; er war ein Nesse
des Mongolen Tschutun-dsamba, welcher bereits 1672 und
1873 Führerdienste geleistet hatte. Dadai kannte den Weg
ausgezeichnet; bereits acht Mal hatte er mit Pilgern oder
Kaufleuten die Wegstrecke von Tzaidam bis nach Lhassa
zurückgelegt. Er erhielt eine Bezahlung von 40 Lau (etwa
240 Mark); außerdem mußte Prshewalski ihm ein Reit
pferd liefern und ihn verpflegen.
Dadai war ein vortrefflicher Führer: unter seiner Bei
hilfe wurden einige Nahrungsmittel und noch vier Reitpferde
Globus Ui. Nr. 4.
erworben. Er verrieth den Reisenden auch, daß hinter ihnen
etwa in einer Entfernung von einer Tagereise eine Abtheilung
von 30 berittenen tibetischen Soldaten folge; dieselben hätten
die Verpflichtung, täglich nach Naptschu zu berichten, was
die Expedition mache; unterdeß blieben die Gesandten au
Ort und Stelle, um abzuwarten, bis Prshewalski den Tanla
überschritten hätte.
Der Rückmarsch wurde anfangs ans demselben Wege,
wie der Hinmarsch, gemacht, dann aber wurde etwas ab
gewichen, um den Tanla an einer anderen Stelle zu über
schreiten und dadurch denJegräern aus dem Wege zugehen.
Drei Tage wurde am Flusse Santschu gerastet, dann folgte
man dem Flusse Tantschu, allmählich zum Tanla heran
steigend. Der Weg ist gut — von den Jegräern war nichts
zu sehen; so konnte der Paß desTanla-Gebirges, auf dessen
Höhe sich ein „Obo" befand, in Ruhe überschritten werden.
Dabei erzählte der Führer Dadai zwei Legenden, welche
an jene Gegend anknüpfen. Die erste lautete:
In alten Zeiten lebte auf jenen Bergen nahe am Paß
ein böser Geist, welcher den vorbeiziehenden Karawanen nur
Unannehmlichkeiten bereitete. Durch keinerlei Opfer ließ er
sich versöhnen. Da legte sich ein tibetischer Heiliger, welcher
von Lhassa nach Peking reiste, ins Mittel; er brachte mittels
seiner Gebete und Beschwörungen den bösen Teufel so weit,
daß dieser sich zum Buddhaglauben bekehrte und in einen
guten Geist („Bnrchan") verwandelte, der nun die Wan
derer beschützte. Seit der Zeit ist es hier viel sicherer als
früher.
Die zweite Sage erzählt: Vor vielen Jahren, als noch
alle Buddhaheiligen nach Tibet kamen, machte sich Galdsn-
abnte, der Chan der Chalcha, mit einem Kriegsheere auf
den Weg, um den Dalai-Lama zu rauben und ihn in seine