Mt besonderer Berücksichtigung der Gthnologre. der Kulturberhältnisse
und des Welthandels.
Begründet von Karl Andree.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Emil Deckert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten oq A
zum Preise von 12 Mark für den Ban d zu bezi e hen. _
Beobachtungen über die Deisidümonie') der Eingeborenen
Deutsch-Südwest-Afrikas.
Von Missionar P. H. Brincker.
Wer nur vorübergehend zwischen den Stämmen wilder
Völker umherirrt, wird wenig oder gar nichts sehen oder
merken von ihrem eigentlichen inneren Leben, ihrer Art und
Weise zu denken, ihren religiösen Gefühlen, ihren Gesinnun
gen und Bedürfnissen:c. Er wird vielleicht nach einigen
sich ihm gerade darbietenden Zeichen und Aeußerungen den
Charakter des betreffenden Stammes oder Volkes beurtheilen
und feststellen; und wenn er darüber schreibt, wird er im
großen und ganzen ein wenig zutreffendes Bild von dem
Volke geben, weil er eben nur einzelne Züge ini unvortheil-
haften Lichte des Augenblicks und der Gelegenheit beobachten
konnte. Nur wer recht lange unter einem wilden Stamme
leben, mit demselben Leid und Freude tragen, mit Jung und
Alt Noth und Tod durchkämpfen muß, kann ein richtiges
Bild von der natürlichen Beschaffenheit desselben geben.
Nur ist das eine dabei im Auge zu behalten: si chio saciunt
idem, non est idem. Ein jeder Beobachter wird aus seinem
Geiste heraus das sich ihm durch Beobachtungen Darstellende
wiedergeben, das gegebene Bild wird mithin das Kolorit
dieses individuellen Geistes stark an sich tragen. Man wird
folglich erst das Ingenium des Darstellers kennen müssen,
ehe man das gegebene Bild richtig beurtheilen kann. Von
diesem Gesichtspunkte aus sollte man Reisebeschreibungcn
und besonders Bemerkungen Reifender über religiöse Zu-
i) Man hätte für dieses Fremdwort: Aberglaube, Rel'giösität,
Gottesfurcht re. setzen können, aber all diese Ausdrucke sagen zu
viel und zu wenig für unseren Zweck. In den obigen muvdru
kann man mehr Gedanken wie in jene Worte legen. Das ve^
stimmte die Wahl desselben.
Globus LVIII. Nr. 21.
ftänbe wilder Völker, über Missionen und Erfolge, bczw.
'Nichterfolge derselben ansehen und beurtheilen. Was einige
als Hokuspokus und Zercmonienkram darstellen, ist bei
rechtem Lichte besehen, doch nicht in diese Klaffe gehörend,
sondern wirkliche, aus innerem Bedürfniß hervorgehende
Aeußerung einer gewissen, wenn auch absurd erscheinenden
Religiösttät, die ganz und gar dem inneren und äußeren
Zustande des betreffenden Volkes entspricht, und die wohl
weit über dem lachenden Unglauben civilisirter und gebildeter
Menschen stehen möchte.
Diese und ähnliche Gedanken drängten sich Schreiber Dieses
ant als er vor 27 Jahren kurz nach Ankunft im Damara-
lande einer feierlich-religiösen Handlung der damals noch
ganz heidnischen Ovahercro (Herero) zuzusehen Gelegenheit
hatte. Die Feier gestaltete sich folgendermaßen:.
Auf einem riesigen Paar Ochsenhörnern mit'Stirnblatt,
wie sie alte echte Herero-Ochsen zu haben pflegen, saß der
Priester und Oberhünptling still und würdevoll am Okuruo J );
um ihn herum eine Anzahl von Fett und Ocker roth glänzen
der alter Männer. Aus ihrer Mitte erhob sich ein sehr-
alter Mann, Namens Kavingava, entfernte sich ein wenig,
zog dann seine Sandalen von den Füßen, kniete nieder und
kroch auf feinen Knien an den Okuruo, küßte die Asche drei-
i) Der Okuruo ist eine auf der Ostseite der Werst gelegene
Stelle, eigentlich ein Aschenhausen, auf dem morgens und
abends, während die Frauen die Kühe melken, das heilige
Feuer brennt. Rund herum werden die großen Hörner der bei
feierlichen Gelegenheiten geschlachteten Ochsen gelegt, die dann
als Sitze für die Männer dienen, die Zutritt haben.