Bd. LXI
Nr. 14
r sí 1t n f rfi hi p t rt Jährlich 2 Bände in 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1 892
rUUII, lywelg. zum Preise von 12 Mark für den Band zu beziehen.
Reise durch die Lockseomb Mountains iDonduras).
Von Dr. A. S
Durch das Innere von Britisch-Honduras ziehen sich,
ilft den Grenzgebieten Guatemalas beginnend, die Cockscomb
Mountains hin, eine breite, allmählich aufsteigende Boden
welle, aus welcher das fließende Wasser Thäler und Schluchten,
steile Hügel und mehr oder minder bedeutende Bergzüge
herausgemeißelt hat. Aus der Ferne gesehen, bieten diese
eigentümlichen Bergformen, unter denen kaum da und dort
einmal ein einzelner Gipfel sich bestimmt und scharf abhebt,
einen merkwürdigen Anblick, da trotz der großen Zahl ein
zelner Erhebungen doch die Kammlinie (wenigstens im
Süden) äußerst einfach verläuft. Längst hatte dies Gebirge
meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und als ich mich im
April 1891 in Livingston aufhielt, beschloß ich, einen Aus
flug in die Cockscomb Mountains zu unternehmen. Ich
mietete ein Scgelschiffchcn, das mich mit meinen drei india
nischen Trägern wohlbehalten nach Punta gorda brachte;
ohne mich in dem sauberen, aber wenig bedeutenden Orte
länger aufzuhalten, als zur Ergänzung meiner Vorräte not
wendig war, brach ich am nächsten Morgen (den 13. April)
unverzüglich auf und wanderte den fernen Bergen zu. Eine
kurze Strecke führte mich mein Weg der Meeresküste ent
lang, dann ging cs landeinwärts an mehreren großen Zucker-
pflanzungen vorbei, deren Gebäude, inmitten der grünenden
Znckerrohrfelder am Fuße isolierter Hügel gelegen, einen
gar freundlichen Anblick gewährten, und um die Beittagszeit,
als die Sonne ihre sengenden Strahlen nahezu senkrecht
ans den Wandersmann niederzusenden begann, nahm mich
der dunkle Schatten des Waldes auf, welchen ich mit Aus
nahme sehr spärlicher Lichtungen auf der ganzen Reise
durch die Cockscomb Mountains nicht wieder verlassen sollte.
Gewaltige Wälder bedecken die Küstenebene und das Ge
birge von Britisch-Honduras, Wälder von Laubholzbüumen,
unter deren mächtigen Kronen zahllose schlanke Palmen sich
erheben, während dichtes Unterholz das Erdreich bedeckt und
schlingende Gewächse an Busch und Baum emporranken,
nicht selten finden sich auch wilde (oder verwilderte?) Kakao
bäume in diesen Wäldern und ich verlor gar manche Viertel-
Globus LXI. Nr. 14.
lpper. Loban.
stunde auf meiner Wanderung, da meine Träger allent
halben, wo sie Kakaofrüchte entdeckten, Halt zu machen
pflegten, die Bäume erkletterten und abernteten. Dann und
wann kam uns auch jagdbares Wild zu Gesicht und es
gelang meinen Indianern auf dieser Reise einmal, ein junges
Wildschwein (Jabali) zu erbeuten, welches sie im Lause cin-
í)oítcn und mit den Händen erwürgten. Abgesehen von
derartigen kleinen Vorkommnissen aber war die ganze
Wanderung von Punta gorda bis Cajabon, dem ersten Dorfe
der Alta Verapaz, ungemein eintönig, da menschliche
Ansiedelungen in diesen Gegenden äußerst spärlich sind
und demgemäß auch der Verkehr ans diesen Wegen ein
schwacher ist.
Nachdem wir die mehrere Meilen breite Küstenebene
durchquert .hatten, erreichten wir am Nachmittag des
14. April ans einer der ersten Anhöhen der Cockscomb
Mountains das Dorf San Antonio Nuevo (115 m), wo
wir bis zum nächsten Morgen verweilten. Die Bevölkerung
dieses Dorfes besteht ausschließlich ans Indianern, welche
einen Mayadialekt als Muttersprache reden; auch die
Kenntnis der Kekchisprachc ist fast allgemein verbreitet und
manche Indianer sind auch des Spanischen mächtig. Die
verschiedenartigen Gesichtstypen der Bewohner verraten als
bald, daß die Bevölkerung aus verschiedenen Elementen zu
sammengesetzt sein müsse, und die Vorgeschichte des Dorfes
und seiner Bewohner weist klar und deutlich die Zuwande
rung und Assimilation von Kekchiindianern zum herrschen
den Mayastamme nach, wie wir im folgenden zeigen wollen.
Im Südosten des Departamento Peten liegt das Dorf
San Luis, früher eines der volkreichsten von Nordguatemala.
Als um die Mitte der siebziger Jahre eine Blattcrnepidemie
ausbrach, welche eine sehr bedeutende Zahl von Todesfällen
zur Folge hatte, wanderten viele Indianer, eingeschüchtert
durch die große Sterblichkeit, in andere Dörfer des Peten
aus, so daß außer den wenigen Ladinos des Dorfes nur
noch eine geringe Anzahl von Mayafamilien in San Luis
zurückblieb. Der Zuzug etlicher Kekchifamilien aus Cajabon
27