B. Referate. Ethnologie.
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169. A. Krämer: Die Samoa-Inseln. Entwurf einer Monographie
mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Heraus
gegeben mit Unterstützung der Kolonial-Abteilung des Aus
wärtigen Amts. Stuttgart 1902.
Den Werken von Fornander über Hawaii, von White über Neu
seeland reiht sich das vorliegende über Samoa an, dessen erster Band jetzt
in 4 Lieferungen fertiggestellt ist. Bisher waren die einzigen Quellen über
Samoa in den Reiseschilderungen gegeben oder in den Werken der Missionare,
welche zwar meist richtig beobachten und schildern, aber durchaus nicht
alles schildern, Avas zu ihrer Kenntnis kommt, sodass ihre Arbeiten weder
ein vollständiges Bild geben, noch tendenzfrei sind. Erst Krämers Werk
bietet die Gewähr, dass dem Leser alles mitgeteilt wird, was der Verfasser
sah und hörte; der erste Band ist denn auch schon ungewöhnlich reich an
Material über Verfassung, Stammbäume und Überlieferungen. Er bietet
gleichzeitig einen willkommenen Einblick in des Verfassers Arbeitsmethode.
Es kommt ihm darauf an, dem Leser nicht seine Ansichten und das bezüg
liche Material mitzuteilen, sondern er giebt das gesamte Material, das mit
Avenigen zum Verständnis nötigen Anmerkungen versehen den Leser in den
Stand setzt, zu einem selbständigen Urteil zu gelangen. Das Werk ist um
so AA r ertvoller als Quelle, als die viele vor dem Weissen schnell ver-
schAvindenden Überlieferungen in einem Jahrzehnt verloren sein dürften.
Eür die Zuverlässigkeit der Arbeit Krämers bürgt nicht nur seine Be
herrschung der Sprache, die er sich Avährend eines 12 monatlichen Auf
enthaltes in den Jahren 1893/5 erwarb, soAvie die zAveijährige Dauer seines
letzten Besuches der Gruppe, sondern vor allem seine ungewöhnliche Be
fähigung für den Verkehr mit den Eingeborenen. Zu statten kam ihm
hierbei freilich der ärztliche Beruf; allein damit ist noch wenig gethan,
wenn man bedenkt, dass der Samoaner Stammbäume und Ahnen geheim
hält und selbst eine Anspielung auf die Vorfahren nicht gern hört. V iel
fach haben Samoaner, die Schreiben gelernt hatten, die alten Überlieferungen
niedergeschrieben; Krämer gelang es solche Hefte heimlich während einiger
läge oder Nächte zum Abschreiben zu erhalten. Zur Übersetzung solcher
hexte Avusste er die Leute nach Apia zu locken und dort festzuhalten,
welche die Texte kannten, aber in ihrer engeren Heimat durch die Sitte
gebunden niemals ein Wort darüber gesprochen haben würden, Schliesst
hoch ein solches MS.: . . . Die Gesänge sind zu Ende, die ich geschrieben
liabe. Dieses Buch ist heilig und kein Mensch soll ohne Erlaubnis es be
führen; wenn aber jemand dies mein Bewahrtes berührt, oder gar mit
Gewalt es nimmt, dann strafe ich ihn schwer .... und schwere Strafe
s °ll über ihn kommen. Dies ist mein Wille. Thatsächlich sind solche
a lten Texte nur am Orte ihrer Entstehung verständlich, da schon im nächsten
Distrikt eine Reihe der vielfachen Anspielungen auf Familiengeschichten
Intern. Centralblatt für Anthropologie. 1902. 12