168
B. Referate. Anthropologie.
Dementsprechend beschäftigt er sich im 1. Abschnitte (S. 4—66) mit
der Körperform der Japaner (Skelett, Maasse und Proportionen, Gesichts
bildung, Körperbildung) im allgemeinen und kommt zu dem Ergebnis, dass
vom europäischen Standpunkte aus die Bevölkerung Japans kein Anrecht
darauf besitzen kann, schön genannt zu werden, denn der Kopf ist zu gross
und die Beine sind zu kurz; eine vollendete Schönheit ist daher beim Japaner
vollständig ausgeschlossen. Im 2. Kapitel (S. 66—93) versucht er sich in
den japanischen Schönheitsbegriff hineinzudenken. Er glaubt, dass man
diesen aus der Mischung der beiden ethnischen Elemente, welche das japanische
Volk zusammensetzen, herleiten könne: von dem reinen Naturvolke der Aino,
und dem zur Zeit der Mischung hochentwickelten und künstlerisch begabten
Volk der Mongolen. Dem Naturvolk erscheint der nackte Körper als etwas
Natürliches, Selbstverständliches, das übersehen wird; das Kulturvolk dagegen
beobachtet nur den Schmuck, die Kleidung; und die Entblössung macht auf
dasselbe nur den Eindruck des Ärmlichen, Unpassenden oder des Sinnlichen.
Die landläufige Auffassung menschlicher Schönheit in Japan setzt sich aus
der Beurteilung der Gesichtszüge, der Haltung und der Kleidung zusammen,
und dies bei beiden Geschlechtern. Im Vordergründe des Interesses steht
auch bei dem Japaner das Weib. Wie europäische Forscher übereinstimmend
herausgefunden haben, stellt der Japaner als Schönheitsbegriff auf: lange
und schmale Gestalt, ebenso beschaffene Nase und Gesicht, schmale und
lange Hüften, dünne Arme, lange und dünne Beine, lange und schmale
Hände; schlaffe Brust, plumper Fuss und hässlicher Gang werden gern ver
ziehen, niemals aber breite Hüften. Die Japanerin ist bemüht, durch
künstliche Mittel, im besonderen die Kleidung, ihre körperlichen Reize dem
Schönheitsideal nahe zu bringen. Von den beiden verbreitetsten Typen in
Japan, dem Satsuma- und dem Chöshü-Typus, scheint der letztere der be
vorzugte zu sein, als derjenige, welcher dem japanischen Schönheitsbegriff
entspricht. An zahlreichen Beispielen und Bildern sowohl aus dem öffentlichen
und Privatleben (S. 93 —118) wie auch aus den Darstellungen der Kunst
(S. 118—195) zeigt Verf. in den beiden weiteren Abschnitten, dass der
Japaner dem nackten Körper ziemliche Gleichgültigkeit entgegenbringt, ihm
gegenüber also den Standpunkt des Naturmenschen noch einnimmt und die
klassische Auffassung von der Schönheit des Nackten nicht kennt.
Das Werk ist durch zahlreiche (112) Bilder im Text und 4 farbige
Tafeln ausgestattet und macht, wie die früheren Werke des Verfassers aus
demselben Verlage, einen vornehmen Eindruck. Der Preis von 8,60 M.
entspricht dem Gebotenen. £)r. Buschan-Stettin.