B. Referate. Ethnologie.
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mit unter der Herrschaft der Jesuiten standen. Yon diesen wurden christliche
und Renaissancemotive in die Ornamentik der Chaco- und Paraguayindianer
eingeführt, die sich auch heute noch nachweisen lassen. Nach der Ver
treibung der Jesuiten durch Bemühen der Franziskaner blieben natürlich
die religiösen Motive unverständlich, erhielten sich aber und verfielen mehr
und mehr. Wenn schon zur Jesuitenzeit selber von den Indianern alles
andere als Kunstwerke im europäischen Sinne ausgeführt wurden, so ist
doch eine gewisse Geschicklichkeit nicht zu verkennen. Im La Plata Museum
ist z. B. eine Tischglocke, um zum Essen zu rufen, in einer der alten
Jesuitenmissionen Paraguays gefunden, zweifellos von den Indianern gegossen,
wie es auch Dobrizhoifer erzählt. Nachher aber verfällt die aufgepfropfte
Kunst und treibt auf dem amerikanischen Kulturleibe wahre Zerrbilder,
denn nur solche sind die holzgeschnitzten Darstellungen des Paradiesgartens,
der mit merkwürdiger Vorliebe auf den langen Tabakpfeifen, Nachbildungen
der „Rauchrolle“, dargestellt wird. Verf. hat sämtliches bekannte Material
beschrieben und in schönen Abbildungen vor Augen geführt.
Dr. B. Lelimann-Nitsche-La-Blata.
338. Theodor Koch: Zur Ethnographie der Paraguay-Gebiete und
Matto Grosses. Mitteilungen der Anthropologischen Gesell
schaft in Wien, 1903. ßd. XXXIII, S. [21J—[33].
In Form eines Vortrages, den er vor der Wiener anthropologischen
Gesellschaft am 22. Nov. 1902 gehalten, lässt Verf. die gesamten Stämme
der im Titel angegebenen riesigen Gebiete Revue passieren. Der rote Faden
ist die Sprache. In knapper Form werden die Hauptmerkmale von Körper
und Kultur herausgehoben, um bei den Schingüstämmen länger zu verweilen,
wo kaleidoskopartig die Vertreter der verschiedenen sprachlichen Gruppen
zusammengedrängt sind, welche Verf. als Begleiter der zweiten Expedition
des Dr. Hermann Meyer kennen lernte. Wer sich daher schnell einen Über
blick über die wenig bekannten Urbewohner dieses Teiles von Südamerika
verschaffen will, dem sei der Aufsatz dringend empfohlen, den 9 nach Photo
graphien angefertigte Abbildungen illustrieren. Leider giebt Verf. nur bei
dreien an, wo er sie her hat; für eine anthropologische Photographie ist
doch aber ebenso gut eine genaue Herkunftsbezeichnung nötig, wie für irgend
einen ethnographischen Gegenstand, der wissenschaftlichen Wert haben soll.
Abb. 3 z. B. „Schiessender Lengua“ sieht so aus, als ob sie Verf. in Buenos
Aires in einem der grösseren Papiergeschäfte erworben hätte, wo Photo
graphien von Chacoindianern sogar als Ansichtskarten zu haben sind. Ich
konnte sogar in Punta Arenas in der Magelianstrasse „Grüsse aus Feuer
land“ mit — Chacoindianern darauf, wahrscheinlich Toba, als Ansichts
karten kaufen! Im Handel erhältliche Photographien von Indianern sind
nur mit grösster Vorsicht aufzunehmen, wenn es sich nicht um sofort kenn