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B. Referate. Ethnologie.
zuzeigen. Dies soll aber nicht hindern, auch der Ruppinschen Arbeit warme
Anerkennung zu zollen. Sie wird gewiss dazu beitragen, die Anwendung
naturwissenschaftlicher Prinzipien auf sociale Probleme zu fördern, und da
dies die Absicht des Preisausschreibens war, so hat diese Schrift das ihrige
geleistet. Otto Ammon-Karlsruhe.
385. Wolf gang Droeber: Kartographie bei den Naturvölkern.
Inaugural-Dissertation d. Universität Erlangen, 1903. 80 S.
Bekanntlich besitzen die Naturvölker infolge ihres beständigen Verkehrs
mit der Natur eine viel schärfere Beobachtungsgabe, und dementsprechend
auch ein viel grösseres Orientierungsvermögen, als man es bei uns im allge
meinen antrifft. Dieser Umstand in Verbindung mit dem ziemlich ent
wickelten Zeichentalent befähigt sie u. a. auch ihre durch Beobachtung
gewonnenen geographischen Kenntnisse anschaulich zum Ausdruck zu bringen.
An der Hand der in der Litteratur ziemlich zerstreuten einschlägigen Beob
achtungen giebt Verf. eine hübsche Zusammenstellung der kartographischen
Versuche von Seiten der Naturvölker. Als Erstlingsversuche kartographischer
Leistungen bezeichnet er die Felszeichnungen, wenngleich er einräumen muss,
dass diese in ihrer Bedeutung öfters überschätzt werden. Wir können aus
dem beigebrachten Material nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Felsen
einritzungen dem Zweck gedient haben resp. dienen, den Verf. ihnen bei
gelegt wissen möchte. Mit mehr Recht, glauben wir, kann man die sogen.
Näpfchensteine der Vorzeit als kartographische Versuche auffassen, wie es
in der That auch Reber thut; leider sind diese dem Verf. vollständig ent
gangen. In den Pfadzeichen der Wilden (in Stein eingeritzte Fussspuren,
in die Rinde der Bäume eingeschnittene Pfeile, in Sand gezeichnete Winkel
mit verlängerter Spitze, mit den Bruchenden die Richtung angebende Zweige
oder Halme u. a. m.) finden wir indessen einen sicheren Beweis dafür, dass
ihnen die Fähigkeit innewohnt, die Lage von Örtlichkeiten ihrer Gegend
mitzuteilen. Eine Vervollkommnung dieser Methode führt zu den ersten
„Seekarten“. Aus den Pfadzeichen im Sande gingen zunächst die „Sand
karten“ hervor. Wie Verf. an einer Reihe von Beispielen darthut, finden
sich Sandzeichnungen bei den Naturvölkern ziemlich verbreitet, und zwar
nicht nur zur Darstellung eng begrenzter Gebiete des Festlandes, sondern
sogar weiter Flächen- und Inselgruppen. Dadurch, dass die Sandkarten
durch plastische Mittel ergänzt werden, kommen Gebilde zustande, die be
reits Reliefkarten vorstellen. Hierhin rechnet Verf. auch die festen Stein
setzungen. Ein noch weiterer Fortschritt besteht darin, dass man sich von
dem Boden unabhängig zu machen strebte und eine Karte schuf, die trans
portiert werden und im besonderen auf offener See Verwendung finden
konnte. So entstanden die eigentlichen Seekarten, die besonders bei den
Südsee-Insulanern in Gebrauch waren. In Anlehnung an die Arbeit Schücks