MONATSCHRIFT FÜR VOLKKUNDE. Herausgegeben von Friedrich S. Krauss. „Das Volktum ist der Völker Jungbrunnen.* IV. B. XI. Hft. 1893. Maisitten am Rhein. Von C. Ra dem ach er. II. An den Orten, an welchen die Mailienversammlungen sich erhalten haben, findet gewöhnlich am ersten Sonntage nach dem 1. Mai ein Maifest statt. In diesen Fällen ist die Mädchenversteigerung gleichsam die Vorbereitung zu dem grossen vom ganzen Dorfe ge feierten Feste. Aber auch andere Dörfer, denen die Mädchen versteigerung verloren gegangen ist, haben vielfach noch das Fest sich bewahrt, das dann hauptsächlich im Aufrichten eines Mai baumes und in einem Balle besteht. Der Baum wird zu* diesem Zwecke aller Aeste und Zweige, ebenso wie der Rinde beraubt, nur die Laubkrone bleibt ihm, die noch durch Blumen, Kränze, Silber kettchen und Eierschalenreihen verziert wird. In vielen Rheindörfern verwendet man statt des eigentlichen Maibaumes, der sonst eine Buche ist, eine ebenfalls weissgeschälte und buntgeschmückte Tanne. So habe ich noch manchen Maibaum in heimatlichen Dörfern auf gerichtet gesehen, zwar nicht mehr auf der alten Mal- und Dingstätte, dem Vergnügungplatze unserer Ahnen, sondern vor dem Vergniigung- orte der heutigen jungen Welt, dem Tanzsaale. Wie einstens unter einem ähnlich geschmückten Malbaume das Volk an den grossen Frühlingfesten sich versammelte und unter ihm Ringelreihen und Tänze ausgeführt wurden, so vereinigen sich heute wieder Burschen und Mädchen im Wirtshause, das beschattet wird vom altehrwürdigen Baume. Der Tanzsaal wird reich mit Kränzen und Zweigen ge schmückt und dieser Umstand erinnert lebhaft an die Zeit, an der solche Feste noch im Freien stattfanden. An der Aufrichtung und Schmückung des Maibaumes beteiligen sich Burschen und Mädchen. 20