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Hochzeittage seinen Rock auf den der Braut, so wird er die Herr
schaft in der Ehe erhalten, das Umgekehrte tritt ein, wenn es der
Braut gelingt, ihr Kleid auf den Rock des Bräutigams zu hängen.
Auf das Brautbett darf man nicht klopfen, sonst giebts eine friedlose
Ehe, die Frau bekommt Prügel.
Entbindungen werden erleichtert, wenn man im Hause an Kisten,
Kasten und Thüren die Schlösser aufschliesst. Hingegen kommt es
auch vor, dass während der Geburt alle Thüren fest verschlossen,
die Schlüssellöcher verstopft werden, damit nichts Unberufenes
hineinkomme. Die Nachgeburt muss dahin gebracht werden, wo
weder Sonne noch Mond hinscheint, sonst bekommt das Kind eine
gelbe Gesichtfarbe. Die Wöchnerin darf nicht spinnen, sonst spinnt
sie für ihr Kind den Strick zum Hängen. Dagegen müssen beim
Kindtaufschmause die Frauen stricken, dann werden die Kinder Üeissig.
So viel Kinder die Frau bekommt, um so viel Stufen kommt sie
näher zum Himmel; dasselbe Glück blüht den Paten für die Anzahl
der aus der Taufe gehobenen Kinder. In der Zeit bis zur Taufe
darf nichts weggeliehen werden, sonst wird das Kind verschwenderisch.
Es bekommt schöne grosse Augen, wenn die Taufe lange hinaus
geschoben wird, nämlich aus Sehnsucht nach der Taufe. Ist im Orte
ein Grab offen, so muss man die Taufe so lange hinausschieben, bis
es geschlossen ist, sonst stirbt das Kind bald. Das Kind muss
bei der Taufe von einem Paten des andern Geschlechtes gehalten
werden, sonst bleibt es ledig. Das Neugeborene darf nicht in eine
Schürze gewickelt werden, weil es sonst später dem andern Geschleckte
nachläuft; umgekehrt wickelt man Mädchen in ein Mannshemd, Knaben
in das Hemde einer Frau, damit sie später Glück in der Liebe haben.
Das Kind wird gesund und stark, wenn man es gleich nach der Ge
burt auf die blosse Erde legt. Die Ansicht von der kräftigenden
Wirkung der (Mutter) Erde ist uralt. Ist das Patengeld geliehen,
so macht das Kind später Schulden. Die Paten dürfen während der
Taufe nicht an eine Krankheit oder etwas Uebels denken (Wirkung
des Uebelwollens), sonst widerfährt dieses dem Kinde. Bei der Taufe
muss tüchtig gegessen und getrunken werden, dann lernt das Kind
gut essen und trinken. Ist es ein Mädchen und man reisst den ersten
Kindtaufkuchen auseinander, anstatt ihn zu zerschneiden, so reissen
sich später die Burschen darum. Das gebrauchte Taufwasser giesst
man in einen Rosenstrauch, dann bekommt das Kind rosige Wangen.
Mischt man beim ersten Füttern der Biene etwas Erde unter den
Honig, so verhütet man, dass sie beim Schwärmen sich zu hoch
setzen. Bei geizigen Menschen gedeihen die Bienen nicht, sondern
gehen ein.
Man könnte diese Beispiele ins Unendliche vermehren, doch sei
es
mit dieser Auswahl genug. Sie zeigt neben manchem sinnlos
abergläubischen Beiwerk wieder, welch rege Phantasie, welch diclitei 1-
scher Pulsschlag und wieviel tiefer Sinn im Volkglauben zu finden
ist, was zuweilen gewiss bedauern lässt, dass unser Geschlecht so