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richtige von selbst ergeben, aus den Operationen eines logischen "Rechnens, soweit
richtig geführt auf Grund der gewonnenen Beweisstücke und daraus iliesscnden
Folgerungen. Alles käme also zurück auf die Fragen: wie es denkt das Volk, wie
es sich denkt bei den Völkern des Erdenrunds unter Buntheit der Völkergedanken
im einheitlichen Menschengedanken. (Vorr. S. 17.)
Nachrufe.
Der berühmte Verfasser der „Sea Phantoms or legends and superstitions of
tlic Sea and of Sailors“, der Gründer der Gesellschaft und deren Zeitschrift für
Volkkunde zu Chicago, der Marinelieutenant Fleischer S. Basset weilt nicht mehr
unter den Lebenden! Er war ein Gelehrter und hatte ein gutes Herz. Alle Volk
forscher sind gute Kerle; denn Schmalhans ist bei ihnen Küchenmeister, pflegte der
Verewigte zu sagen. Er hatte eine bescheidene Behausung in der stillen Kimbark
Avenue (5208) inne, wo ihn mit Liebe seine anmutige Lebens- und Fachgenossin
Helen Wlieleer Basset betreute. Sie ist auch die Erbin seines wissenschaft
lichen Nachlasses und wird selbständig den „Folklorist“ weiterführen. Der Gatte
dieser Frau war nicht arm zu nennen. Dieses Ehepaar vermochte es von dem
kleinen Heime aus, die Volkforscher der Welt für den Folklore-Congress zu ge
winnen. Was uns Besuchern am Congress geboten wurde — es war aussergewöhnlich
viel — hatten uns diese edlen Seelen vermittelt. F. S. B. war schon kränklich,
als er die ausserordentliche Last des Congresses auf sich nahm. Es war rührend
zu sehen, mit welcher Ausdauer er sich allen und jedem einzelnen Besucher widmete.
Die Aufregung und Arbeit mögen ihm den Lebensfäden abgekürzt haben. Mit ihm
verstarb unserer Wissenschaft ein emsiger Vertreter, seiner Frau eine Welt. Fis
diene ihr zum Tröste der weise Spruch des Vladika der Schwarzen Berge, des
Peter Petrovic Njegus:
Ein Glas voll Honig leerte niemand noch,
der nicht ein Glas voll Galle ausgeleert.
Das Glas voll Galle heischt ein Glas voll Honig,
gemischt geniesst man sie am leichtesten.
Curzola. Vid Vnletic Vukasovic.
Johann Wolff, ev. Pfarrer in Petersdorf bei Mühlbach (Siebenbürgen) und
vorher langjähriger Direktor des Gymnasiums zu Mühlbach, in unseren Kreisen als
Forscher auf dem Gebiete siebenbürgisch-sächsischer Volkkunde bestens bekannt,
ist am 30. Dezember v. J. gestorben. Im J. 1844 als Bauernsohn in Malmkrog bei
Schässburg geboren, studierte er in Wien, Tübingen und Leipzig Theologie und
deutsche Philologie, an beiden letzteren Universitäten sich besonders der fördernden
Teilnahme A. Keller’s und F. Zarncke’s erfreuend. 1870 wurde er Lehrer und
3 Jahre später Rektor des ev. Gymnasiums zu Mühlbach. In den Programmen dieser
Anstalt hat W. eine Reihe von philologisch-historischen Forschungen (Ueber den
Konsonantismus der siebenbürg.-sächs. Mundart, Ueber die Natur der Vokale im
Siebenb.-Sächsischen u. m. a.) veröffentlicht, die in Fachkreisen verdienten Beifall
fanden. 1884 gab er mit seinen eigenen wertvollen Ergänzungen unter dem Titel:
„Zur Volkkunde der Siebenbürger Sachsen“ (Wien, Gräser) die kleineren Schriften
,T. Haltrich’s heraus. I'ast ununterbrochen arbeitete er aber an seinem Hauptwerke,
am „Idiotikon“, in dem er das innere Leben der Siebenbürger Sachsen bis in seine
tiefsten Verzweigungen entrollen wollte. Aber die Feder entfiel seiner müden Hand
für immer. Hart, wie seine Jugend, war sein ganzes Leben. Unter der Last eines
arbeitvollen Lebens, bei der denkbar geringsten Besoldung, hatte er stets mit
drückendster Not zu kämpfen. Als er schliesslich erkannte, dass zum Leben nicht
nur Bücher, sondern auch Brot gehört, da war es zu spät. Das Pfarramt, in das
er vor wenigen Monaten gewählt wurde, konnte er nicht einmal mit der Antritt
predigt antreten. Der Tod erlöste ihn vom Magenübel, dass er sich eben durch
ununterbrochene Arbeit und seine misslichen Lebensverhältnisse zugezogen hatte.
Er war ein echter, rechter Biedermann. Sein Andenken wird unsere Wissenschaft
stets in Ehren halten! H. v. Wlislocki.
Herausgeber: Dr. Friedrich S. Krauss, Wien VII/2. Neustiftgasse 12.
Verwaltung in Lunden in Holstein.
Druck von Diedr. Soltau in Norden.