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aus und ergriff die Birne, indem er sicli auf einem Aste gemächlich
zur Ruhe setzte. „Es ist übrigens ganz schön hier,“ rief er aus,
„man hat eine hübsche Rundschau, ich wünsche, dass ich vom Baume
durchs ganze Reich getragen werden könnte!“ Kaum aber war das
Wort gesprochen, als der Baum sich entwurzelte und den Knecht
wegführte. Die Reise ging von Stadt zur Stadt, die Birnen waren
seine Speise, weil er sich ganz gemächlich drohen sitzend die Welt
anschaute. Am Ende gelangten sie in die Hauptstadt, wo die Leute
voller Verwunderung auf den Strassen still standen und der wunder
lichen Fahrt zusahen. Am Fenster des Königschlosses sass die
Prinzessin, die laut auflachte, als sie ihn vorüberfliegen sah. Er
nahm ihr ihre Munterkeit übel und wünschte ihr einen Sohn, den sie
auch später gebar, und der zuletzt seinen Vater unter den Bewohnern
des ganzen Landes, die auf dem Schlosse erscheinen mussten, fand
und erwählte, und so wurde am Ende der faule Knecht der Gemahl
der Königtochter und der Erbe des Reichs. (D.)
Anmerkung. (D.) Dänemark, (S.) Schweden, (N.) Norwegen.
4. Ueber den Zauber mit menschlichem Blnt und dessen
Ceremonial-Gebrauch bei den Indianern Amerikas.
Yon Dr. A. F. Chamberlain (Clark University-Worcester, Massachusetts).
IV. 1 ) Peter Martyr sagt von den Indianern Nikaraguas: „Hier
opfern sie den Götzen das Blut ihrer Kinder, das sie durch eine
Höhlung in den Nacken giessen 2 ).“ Von den Chasuta-Indianern Süd-
Amerikas wird berichtet, dass sie die mit ihrem Blut gefüllte Moskiten,
die sie auf dem Körper finden, fangen und essen, um nicht das aus
gesaugte Blut zu verlieren. Bei ihrem Mannbarkeitfest „reihen die
Muras im Fluss-Gebiet der Madeira, in Süd-Amerika, sich nach gegen
seitiger Wahl paarweise zusammen und peitschen sich mit langen
Tapierhaut-Riemen bis aufs Blut. Die Geisselung ist ein Akt der
Liebe und dürfte als Ausdruck eines irregeleiteten Geschlechtverhält
nisses zu betrachten sein.“ Die blutige Operation wird mehrere Tage
lang fortgesetzt 3 ).
Von den Komanclie-Indianern erzählt Schoolcraft 4 ): „Bei ihren
Todfeiern scarificiren die Aveiblichen Venvandten des Gestorbenen
ihre Arme und Beine mit scharfen Kieseln, bis das Blut aus tausend
Poren niederträufelt.“ Ähnliches meldet uns Kane von den Indianern
der Nordwestküste (Tschinuks u. s. av.), indem er sagt: „Ich habe
selbst ein Mädchen gesehen, das aus klaffenden Wunden auf der
Brust und auf den Armen blutete, die es mit eigener Hand und mit
einem scharfen Kiesel angetan wegen des Todes eines Verwandten 5 ).^
9 Siehe TJ.-Q. IV. 1—3, 34-37, 64-66. 2 ) Floss, Das Kind, II, 252.
3 ) Ebda. 427. 9 I, 237. 5 ) Wanderings of an Artist, 212.